Titel:
Anspruch auf Bescheidung einer Dienstaufsichtsbeschwerde
Normenketten:
EGGVG §§ 23 ff.
GVG § 17a
GG Art. 17
Leitsätze:
1. Grundsätzlich ist für das Begehren auf Bescheidung einer Aufsichtsbeschwerde der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, und zwar auch dann, wenn der Beschwerde ihrerseits eine Angelegenheit auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Sachgebiete zugrunde liegt. (Rn. 9)
2. Ist das Gericht, an das der Rechtsstreit unanfechtbar verwiesen worden ist, an einer Zurückverweisung an das zuständige Verwaltungsgericht nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG gehindert, hat es über das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG zu entscheiden. (Rn. 10)
Die abschlägige Bescheidung einer Dienstaufsichtsbeschwerde stellt keinen Justizverwaltungsakt iSv § 23 EGGVG dar. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwaltungsrechtsweg, Zurückverweisung, Verwaltungsgericht, Justizverwaltungsakt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37088
Tenor
1. Die Anträge des Antragstellers vom 22. Dezember 2022 auf gerichtliche Entscheidung unter Ziffern IV. und V. werden auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsteller hat auch die durch die Verweisung des Rechtsstreits durch das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg entstandenen Mehrkosten zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 5000.- Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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Mit seinen zunächst an das Verwaltungsgericht Augsburg gerichteten Anträgen vom 22. Dezember 2022, dort eingegangen am 26. Dezember 2022, hat der Betroffene, soweit hier verfahrensgegenständlich, begehrt, die Generalstaatsanwaltschaft München zu verpflichten, dem Kläger die von ihm am 10. Dezember 2020 bei der Generalstaatsanwaltschaft München schriftlich beantragten Auskünfte nach Art. 15 DS-GVO sowie einen Bescheid zu seiner Beschwerde vom 10. Dezember 2020 zu erteilen. Den Anträgen ging voraus, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg mit Verfügung vom 19. November 2020 die Einleitung eines vom Anzeigeerstatter initiierten Ermittlungsverfahrens abgelehnt und diese Entscheidung dem Anzeigeerstatter mit Schreiben vom 24. November 2020 mitgeteilt hat. Von der Erteilung einer Auskunft und einer förmlichen Bescheidung der Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft in München abgesehen.
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Mit Beschluss vom 5. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht nach Anhörung des Antragstellers den Rechtsstreit bezüglich der hier verfahrensgegenständlichen Anträge gemäß § 17a Abs. 2 und 4 GVG an das nach seiner Auffassung zuständige Bayerische Oberste Landesgericht verwiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsansicht vertreten, dass es sich bei dem Begehren der Sache nach um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß der §§ 23 ff. EGGVG handele.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt, die Beschwerde vom 10. Dezember 2020 sei als Fachaufsichtsbeschwerde ausgelegt worden. Sie beantragt, die Anträge als unzulässig wegen Verfristung zu verwerfen. Der Antragsteller hatte Gelegenheit, sich zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu äußern.
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Die Anträge sind dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend als unzulässig zu verwerfen.
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1. Bei der Beschwerde des Antragstellers vom 10. Dezember 2020 handelt es sich um eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde stellt eine Erscheinungsform des sich aus Art. 17 GG ergebenden Petitionsrechts dar (BVerwG, Beschluss vom 1. September 1976 – VII B 101.75 –, juris Rn. 12). Sie richtet sich an den die Dienstaufsicht führenden Vorgesetzten. Mit ihr kann sowohl das dienstliche Verhalten des Beamten (persönliche Dienstaufsichtsbeschwerde) als auch dessen Sachbehandlung (Sachaufsichtsbeschwerde) beanstandet werden (Paul in KK-StPO, 9. Aufl., vor § 296 Rn 4; Jesse in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Vorb. § 296 Rn. 88).
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2. Ein Beschwerdeführer hat grundsätzlich einen Anspruch auf eine Bescheidung in angemessener Frist. Das Grundrecht des Art. 17 GG verleiht demjenigen, der eine zulässige Petition einreicht, ein Recht darauf, dass die angegangene Stelle die Eingabe nicht nur entgegennimmt, sondern auch sachlich prüft und dem Petenten zumindest die Art der Erledigung schriftlich mitteilt (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 8. Juni 2021 – 2 BvR 1306/20 –, juris Rn. 20; BVerfG, Beschluss vom 22. April 1953 – 1 BvR 162/51 –, BVerfGE 2, 225, 230 – juris Rn. 24 ff.; BVerwG, Beschluss vom 13. November 1990 – 7 B 85/90 –, juris Rn. 5 Jesse a.a.O. Vorb. § 296 Rn. 88).
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3. Bezüglich der Bescheidungspflicht der Staatsanwaltschaft nach § 171 StPO ist in der Rechtsprechung wie auch in der Literatur anerkannt, dass sie nicht uneingeschränkt besteht, sondern insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs entfallen kann, etwa bei wiederholten querulatorischen Anzeigen (Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 12. Juli 2010 – Vf. 70-VI-09 –, juris Rn. 18 m.w.N.; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 1 VAs 6/12 –, juris Rn. 17; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 171 Rn. 9 m.w.N.).
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4. In Rechtsprechung und Literatur ist zudem anerkannt, dass eine abschlägige Bescheidung einer Dienstaufsichtsbeschwerde keinen Justizverwaltungsakt im Sinne von § 23 EGGVG darstellt (BGH, Beschluss vom 30. November 1964 – NotZ 5/64 –, BGHZ 42, 390-395; Köhnlein in Graf, BeckOK GVG, 19. Edition Stand: 15.05.2023, § 23 EGGVG Rn. 141; Mayer in KK-StPO a.a.O. § 23 EGGVG Rn. 23; Papst in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 70; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 23 EGGVG Rn. 141). Denn die entsprechende Mitteilung des Vorgesetzten besagt lediglich, dass die Dienstaufsichtsbehörde keinen Anlass zum Einschreiten gefunden hat.
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5. Grundsätzlich ist für das Begehren auf Bescheidung einer Aufsichtsbeschwerde nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, und zwar auch dann, wenn der Beschwerde ihrerseits eine Angelegenheit auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Sachgebiete zugrunde liegt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. November 2021 – 5 C 21.1640 –, juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. November 2020 – 5 D 59/20 –, juris Rn 8; VG München Beschluss vom 25. Mai 2021 – M 30 K 21.988, BeckRS 2021, 41356; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 02. Mai 2017 – Vf. 64-VI-15, BeckRS 2017, 110349; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2006 – 11 VAs 55, 87/05 u. 1 VAs 6, 7/06-, zitiert nach www.judicialis.de; Mayer a.a.O. § 23 EGGVG Rn. 66; im Erg. auch Ellbogen in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 55; Gerson in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 30; zum Strafvollzug vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. November 2020 – 204 VAs 180/20 – BeckRS 2020, 37675).
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6. Der Senat ist jedoch an einer Zurückverweisung an das zuständige Verwaltungsgericht nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG gehindert, nachdem der Beschluss des Verwaltungsgerichts unanfechtbar geworden ist. Er hat daher über das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – StB 26 und 28/14 –, BGHSt 62, 22-36, juris Rn. 26; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1989 – IX ZB 40/89 –, juris Rn. 8; Kissel//Mayer, GVG, 10. Aufl., § 17 Rn. 48; Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL, GVG § 17a Rn. 19; v. Albedyll in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, Teil I 6. Abschn. § 41 II. § 17a GVG Rn. 17). Ein Ausnahmefall, dass dadurch der Rechtsschutz des Antragstellers unangemessen verkürzt werden würde, liegt hier nicht vor.
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7. Danach erweist sich der Antrag auf Erteilung eines Bescheids zu der Beschwerde vom 10. Dezember 2020 nach § 27 Abs. 3 EGGVG als unzulässig.
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a) Nach § 27 Abs. 1 S. 1 EGGVG kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch gestellt werden, wenn über einen Antrag, eine Maßnahme zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden ist. Nach Absatz 3 der Regelung ist der Antrag nach Absatz 1 nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Einlegung der Beschwerde oder seit der Stellung des Antrags auf Vornahme der Maßnahme zulässig, außer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist.
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b) Danach ist der Antrag hier verfristet. Tragfähige Anhaltspunkte für das Vorliegen von nach dem Gesetz anerkannten Hinderungsgründen hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
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Soweit der Antragsteller gegen die Generalstaatsanwaltschaft einen Anspruch auf Auskunft „auf Grundlage Art. 15 DSGVO“ geltend macht, ist dieser Anspruch im gerichtlichen Verfahren ebenfalls nach § 27 Abs. 3 EGGVG ausgeschlossen. Zudem wäre auch die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nach § 24 Abs. 1 EGGVG nicht ersichtlich. Denn die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), auf die der Antragsteller seinen Auskunftsanspruch zu stützen sucht, finden auf die Verarbeitung personenbezogener Daten in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d) der Verordnung keine Anwendung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG. Die Kosten des Verfahrens vor dem unzuständigen Gericht werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht entstehen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (§ 17 b Abs. 2 GVG).
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Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 29 Abs. 1 EGGVG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich – wie oben dargelegt – nicht.
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Zu weiteren vom Antragsteller gewünschten Erläuterungen und Bestätigungen besteht kein Anlass.