Inhalt

FG München, Gerichtsbescheid v. 25.01.2023 – 6 K 1787/19
Titel:

Gewerbesteuermessbescheid

Normenketten:
EStG § 15a
GewStG § 2 Abs. 2, § 10a
KStG § 8 Abs. 2
UmwStG § 4 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Der Verlustfeststellungsbescheid ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofes Grundlagenbescheid sowohl für den Gewerbesteuermessbescheid als auch für den Verlustfeststellungsbescheid des Folgejahres (vgl. BFH, Urteil vom 28.02.2001, I R 77/00, NV 2001, 1293, BeckRS 2001, 25005965), soweit der vortragsfähige Fehlbetrag betroffen ist (vgl. BFH, Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, BeckRS 2016, 95797).  (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Ertragsteuer
Fundstellen:
EFG 2023, 541
StEd 2023, 185
DStRE 2024, 149
LSK 2023, 3683
BeckRS 2023, 3683

Tenor

1. Dem Beklagten wird aufgegeben, den Körperschaftssteuerbescheid für 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass vom Gesamtbetrag der Einkünfte ein Betrag in Höhe von 464.141,64 € für übernommene Verluste nach § 15a Einkommensteuergesetz abzuziehen ist sowie den Gewerbesteuermessbescheid für 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass ein Verlustvortrag nach § 10a GewStG in Höhe von 1.095.945 € abgezogen wird. Das Ergebnis der Neuberechnung ist der Klägerin formlos mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Verwaltungsakte mit geändertem Inhalt neu bekanntzugeben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin und der Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist, ob Verluste im Sinne des § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) und des § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG), die für eine GmbH als am ganzen Vermögen einer KG beteiligten Kommanditistin entstanden sind, im Fall der Anwachsung auf die GmbH von dieser mit eigenen Gewinnen verrechnet werden können.
2
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die ihren Sitz in O und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, dem Finanzamt (FA), hat. Gegenstände des Unternehmens sind der Betrieb einer Tierkörperbeseitigungs- und Verarbeitungsanstalt, einer Fleischmehlfabrik sowie alle sonstigen Tätigkeiten im Rahmen der Einsammlung, des Transports, der Verarbeitung von und des Handelns mit tierischen Nebenprodukten aller Art. Zudem erstreckt sich das Tätigkeitsfeld auch auf die Errichtung und den Betrieb der dazugehörigen Anlagen und technischen Einrichtungen.
3
Die Klägerin war als Kommanditistin an der BGmbH & Co.KG (KG) zu 100% beteiligt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 21.12.2011 trat die B. GmbH als Komplementärin zum 30.12.2011 entschädigungslos aus der KG aus.
4
Die Klägerin erfasste aufgrund der Anwachsung der Wirtschaftsgüter aus der bisherigen KG zum Bilanzstichtag Anlage- und Umlaufvermögen in Höhe von 1.875.000 € sowie Verbindlichkeiten in Höhe von 2.109.000 €.
5
Die Klägerin gab sämtliche Erklärungen sowie den Jahresabschluss mit Gewinn- und Verlustrechnung betreffend das Jahr 2011 im Dezember 2012 in Papierform ab.
6
In der Körperschaftsteuererklärung machte die Klägerin in Zeile 78 bei „verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2010“ einen Betrag in Höhe von 1.351.028 € geltend. Diesen Betrag erläuterte sie in einer weiteren Anlage zur Körperschaftsteuererklärung 2011 damit, dass zum 30. Dezember 2011 die nicht am Vermögen der KG beteiligte Komplementärin entschädigungslos ausgeschieden sei. Infolge dessen sei der Klägerin als einzigem verbliebenen Gesellschafter der KG das Gesellschaftsvermögen der KG angewachsen. Der eingetragene Wert entspreche der Höhe des bisher nicht geltend gemachten Verlusts nach § 15a EStG im Zeitpunkt der Anwachsung.
7
Das FA, erließ einen Körperschaftsteuerbescheid für 2011 ohne den beantragten Verlust zu berücksichtigen und setzte die Körperschaftssteuer auf 333.076 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Die Nichtberücksichtigung der Verluste aus der KG begründete das FA damit, dass die Verluste aus der KG gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) nicht auf den übernehmenden Rechtsträger übergingen.
8
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Diesen begründete sie zum einen damit, dass das UmwStG auf die vorliegende Anwachsung keine Anwendung finde. Denn die Anwachsung sei nicht in § 1 UmwStG geregelt, der die Sonderregelungen des UmwStG abschließend normiere. Es müsse mithin auf die allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen zurückgegriffen werden. Des Weiteren lasse die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erkennen, dass wegen einer planwidrigen Regelungslücke eine Rechtsfortbildung erforderlich sei. Für den Fall eines verbleibenden Einzelunternehmens als aufnehmende Person nach einer Anwachsung, sei die Nutzung des Verlusts aus der KG durch das Einzelunternehmen bereits dahingehend entschieden worden, dass eine Verlustverrechnung zumindest dem Grunde nach möglich sei. Da die Situation einer verbleibenden GmbH mit der eines Einzelunternehmens vergleichbar sei, müsse es auch hier zum Übergang des Verlustes der KG auf die Klägerin kommen. Auch die GmbH hafte mit ihrem Vermögen nunmehr unbeschränkt. Im Unterschied zum Einzelunternehmer und damit in Abgrenzung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung wandle sich der verrechenbare Verlust insofern in einen voll ausgleichfähigen, als der Verlustabzug nicht auf Gewinne des fortgeführten Betriebs der ehemaligen KG beschränkt sei. Denn eine GmbH habe nach § 8 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sowie § 2 Abs. 2 GewStG nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb und gerade nicht mehrere Teilbetriebe. Für eine teilbetriebsbezogene Gewinnaufteilung gebe es auch keine rechtliche Grundlage. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verlustnutzung sei das gesamte Wirtschaftsjahr in dem die zivilrechtlich wirksame Anwachsung stattgefunden habe. Dies sei hier das Wirtschaftsjahr 2011.
9
In der Gewerbesteuererklärung 2011 machte die Klägerin in Zeile 92 einen durch Anwachsung übernommenen Gewerbeverlust in Höhe von 1.946.129 € geltend. Das FA berücksichtigte diesen Verlust und setzte den Gewerbesteuermessbetrag durch Bescheid auf 33.194 € fest.
10
Im August 2013 reichte die Klägerin die Steuererklärungen betreffend das Jahr 2012 ein. Das FA veranlagte die Gewerbesteuererklärung erklärungsgemäß und setzte den Gewerbesteuermessbetrag durch Bescheid vom 2. Oktober 2013 auf 102.767 € unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Auch die Körperschaftsteuererklärung wurde erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vom FA veranlagt. Das FA setzte Körperschaftsteuer in Höhe von 414.576 € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 22.801 € fest.
11
Von Oktober 2013 bis Februar 2014 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2009-2012 statt. Der Außenprüfer schloss sich in seinem Bericht der Auffassung des FA bezüglich der Nichtberücksichtigung der Verluste nach § 15a EStG dem Grund nach an. Bei der Gewerbesteuer 2011 vertrat der Außenprüfer die Auffassung, dass der Gewerbeverlust der KG nicht von der Klägerin genutzt werden könne. Es fehle an der Unternehmensidentität. Der Prüfer stellte fest, dass der Verlust überwiegend aus der Biogasanlage M sowie einer stillgelegten Tierkörperbeseitigungsanlage in H resultiere. Jedoch seien die wesentlichen Betriebsgrundlagen dieser beiden Betriebsteile zum Zeitpunkt der Anwachsung veräußert und der gewerbliche Organismus, bei dem der Verlust entstanden sei, weitgehend eingestellt gewesen. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergebe sich daher, dass eine Identität der verlustverursachenden Unternehmen und dem aufnehmenden Unternehmen nicht mehr vorhanden sei.
12
Da FA schloss sich den Feststellungen des Außenprüfers an und erließ geänderte Bescheide (auch) für die Jahre 2011 und 2012. Die Festsetzungen gestalteten sich wie folgt:
„2011 2012
Körperschaftssteuer 333.079 € 433.718 €
Solidaritätszuschlag 18.319 € 23.854 €
Gewerbesteuermessbetrag 110.241 € 107.191 €“
13
Die Klägerin legte gegen alle diese Bescheide Einspruch ein. Bezüglich der Körperschaftsteuer 2011 verwies sie auf die Begründung des Einspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid. Wegen der Höhe des beantragten Verlusts nach § 15a EStG, dessen Berücksichtigung sie begehrt, wies sie auf ein laufenden Einspruchsverfahren bei der KG hin. Im Hinblick auf die versagte Berücksichtigung des geltend gemachten Gewerbeverlusts nach § 10a GewStG führte die Klägerin aus, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die KG vollumfänglich auf die Klägerin übergegangen sei und somit als identisches Unternehmen zu werten sei. Weder seien im Zuge der Anwachsung Betriebsteile eingestellt noch Anlage- oder Umlaufvermögen veräußert worden. Ursächlich für den Verlust seien die Biogasanlage in M sowie der Verpachtungsbetrieb hinsichtlich der Grundstücke in M und H. Anders als im Betriebsprüfungsbericht festgestellt, sei der Betrieb der Tierkörperbeseitigungsanlage bereits 2003, also unmittelbar nach dessen Erwerb, in Form eines Asset-Deals eingestellt worden. Daher sei der Betrieb dieser Anlage nicht ursächlich für die Verluste. Im Hinblick auf die Biogasanlage führte der Klägervertreter aus, dass diese zwar durch eine Explosion im Dezember 2009 beschädigt worden sei. Allerdings sei jederzeit – auch im Anwachsungszeitpunktein Betrieb mit den verbliebenen 2 (von 3) Fermentern möglich gewesen. Die Finanzierung des Weiterbetriebs sei wegen des Versicherungsschutzes vollständig möglich gewesen. Das Personal sei zwar in Folge der Explosion nicht mehr bei der KG angestellt. Die Bereitstellung von geeignetem Personal durch die B-Unternehmensgruppe wäre aber möglich gewesen. Wegen diverser offener Fragen in technischer und rechtlicher Hinsicht habe die Anlage jedoch weitgehend zum Anwachsungszeitpunkt geruht. Die Betriebserlaubnis sei aber noch vorhanden gewesen. Somit habe keine Betriebsaufgabe vorgelegen. Nach der Rechtsprechung sei bei einem ruhenden Betrieb von der Absicht der Unternehmensfortführung auszugehen. Daher könne wegen des Ruhens der Biogasanlage der Gewerbesteuerverlust nicht entfallen. Die Fortentwicklung des Betriebs in 2012 sei dagegen unerheblich. Denn in 2012 seien wegen des in 2011 -zutreffenderweisevorzunehmenden Verlustausgleichs keine Verluste mehr vorhanden gewesen. Die Entscheidung, die Anlage stillzulegen und die gesamten Wirtschaftsgüter zu veräußern, sei erst im Laufe des Jahres 2012 getroffen worden. Wegen erweiterter Auflagen von Behörden, die zusätzliche -nicht durch die Versicherungsentschädigung gedeckte Investitionenerfordert hätten, sei man im Ergebnis letztlich zu einer negativen Renditeprognose gekommen. Bezüglich der Vermietungstätigkeit in M führte die Klägerin aus, dass diese Tätigkeit noch in dem ganzen Jahr 2012 unverändert fortgesetzt worden sei. Erst im Jahr 2013 sei das Grundstück an einen Dritten veräußert worden. Das Grundstück in B-A sei zwar bereits im Jahr 2011 veräußert worden. Allerdings bilde dieses zusammen mit dem Grundstück in M einen einheitlichen Teilbetrieb. Für dessen Fortführung genüge die Vermietung des einen Grundstücks. Der Wegfall einer verlustbringenden Tätigkeit innerhalb eines Teilbetriebs führe nach der BFH-Rechtsprechung gerade nicht zum Untergang der Verlustabzugsmöglichkeit.
14
Das FA teilte der Klägerin mit, dass es beabsichtige, weder den Gewerbesteuerverlust der (untergegangenen) KG noch den für die Klägerin festgestellten verrechenbaren Verlust nach § 15a EStG mindernd bei der Klägerin zu berücksichtigen. Im Wesentlichen stützt sich das FA auf die Feststellungen aus der Betriebsprüfung. Zu den gewerbesteuerlichen Verlusten führt es ergänzend aus, dass es an der Unternehmensidentität mangele. Denn die verlustverursachenden angewachsenen Betriebe seien von der Klägerin nicht fortgeführt worden. Die Biogasanlage habe stillgestanden und das Grundstück sei dann mit notariellem Vertrag vom 09.10.2012 veräußert worden. Die Verhandlungen für diese Veräußerung hätten bereits im Januar 2012 kurz vor dem Abschluss gestanden. Daher sei der Entschluss zum Verkauf der Grundstücke bereits vor dem Zeitpunkt der Anwachsung gefasst worden. In Bezug auf die Tierkörperbeseitigungsanlage in H sei eine Fortführung zum Zeitpunkt der Anwachsung gar nicht möglich gewesen. Denn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seien bereits veräußert gewesen. Das FA wies darauf hin, dass Angaben über die genaue Entstehung der Verluste bisher nicht gemacht worden seien. Im Hinblick auf die Verluste nach § 15a EStG gehe das FA zwar davon aus, dass diese Verluste als verrechenbare Verluste auf die Klägerin übergegangen seien. Allerdings sei eine Verlustverrechnung bei der Klägerin nur mit Gewinnen der angewachsenen und fortgeführten Betriebe möglich. Da es gerade an der Fortführung der verlustverursachenden Betriebe fehle, sei eine Verlustnutzung bei der Klägerin nicht möglich.
15
Die Klägerin trat den Ausführungen des FA entgegen. Im Wesentlichen bezog sie sich auf bisherige Schreiben. Ergänzend führte die Klägerin aus, dass der Schluss des FA, dass bereits vor der Anwachsung der Entschluss zur Veräußerung der Grundstücke in M gefasst worden sei, nicht nachvollziehbar sei. Erst im Januar 2012 sei mit den Verkaufsverhandlungen begonnen worden. Im Hinblick auf § 15a EStG wies die Klägerin daraufhin, dass die Vermietungstätigkeit zum Zeitpunkt der Anwachsung gerade nicht beendet gewesen sei. Daher sei der Klägerin als tatsächliche Verlustträgerin die Verlustnutzung im Anwachsungsjahr zu gewähren.
16
Das FA erließ im Juni 2019 eine Einspruchsentscheidung und wies dort die eingelegten Einsprüche als unbegründet zurück. Lediglich im Hinblick auf den Einspruch vom 28. Mai 2014 gegen den Körperschaftssteuerbescheid 2011 vom 29. April 2014 wies das FA den Einspruch als unzulässig ab. Der Einspruch sei deswegen unzulässig, weil die Klägerin bereits gegen den Erstbescheid der Körperschaftsteuer 2011 vom 13. Februar 2013 Einspruch eingelegt habe. In der Folge sei der geänderte Bescheid nach Betriebsprüfung von Rechts wegen zum Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens geworden. Im Wesentlichen wiederholte das FA seine bisherigen Ausführungen. Darüber hinaus trat es der Darstellung der Klägerin über den Verhandlungsbeginn im Januar 2012 dahingehend entgegen, als es eine E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom 26. Januar 2012 gebe, aus der erkennbar sei, dass die Verkaufsverhandlungen schon vor dem Abschluss gestanden hätten. Denn dort sei es bereits um die Teilwertabschreibungen nach der Veräußerung gegangen. Zudem führte das FA aus, dass es die anderen durch Einspruch angegriffenen Verwaltungsakte sämtlich überprüft, aber keine Fehler entdeckt habe.
17
Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Sie begründete ihre Auffassung, wonach eine Nutzung des Verlusts nach § 10a GewStG möglich sei, im Wesentlichen damit, dass der aufgelaufene Verlust aus dem einheitlichen Vermietungsbetrieb H und M resultiere und gerade nicht aus dem Betrieb dieser Tierkörperbeseitigungsanlagen. Die Tierkörperbeseitigungsanlage H sei bereits im Jahr 2002 unmittelbar nach Erwerb in Form eines Asset-Deals eingestellt worden. Lediglich die Grundstücke seien an andere Nutzer überlassen worden. Die Tierkörperbeseitigungsanlage M sei im Jahr 2007 erworben und direkt im Anschluss veräußert worden. Auch dort seien nur Grundstücke verpachtet worden. Da es sich bei der Vermietungstätigkeit um einen einheitlichen Teilbetrieb handele, sei dieser auch nicht aufgegeben worden, als das Grundstück in B-A im Jahr 2011 verkauft worden sei. Es sei lediglich eine verlustbringende Tätigkeit innerhalb eines Teilbetriebs beendet worden. Das Grundstück in M sei zum Anwachsungszeitpunkt vorhanden gewesen. Allein dies sei entscheidend. Überlegungen der Geschäftsleitung in der E-Mail vom 26. Januar 2012 seien steuerlich irrelevant. Im Hinblick auf die Biogasanlage führte die Klägerin aus, dass dieser Betrieb zum Anwachsungszeitpunkt lediglich ruhte. Ein Weiterbetrieb wäre zum Jahresende 2011 kurzfristig möglich gewesen. Die letzten Umsätze aus Stromerzeugung seien im Februar 2011 getätigt worden. Da die Anrechnung der Verlust im Jahr 2011 zu erfolgen habe, komme es auf die Fortentwicklung in 2012 nicht an. Zudem komme es auf die Unternehmensidentität bei Körperschaften -wie hier die Klägerin – nicht an, da deren Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte.
18
In Bezug auf die Nutzung der Verluste nach § 15a EStG verwies die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend legte sie ein Schreiben des Landratsamts A-F bei. Danach erlösche die Betriebsgenehmigung erst drei Jahre nach Einstellung der Biogasanlage. Diese sei von der Klägerin am 16. Februar 2011 erklärt worden. Eine Fortführung des Betriebs sei danach ohne weiteres möglich gewesen.
19
Das Gericht erließ am 04. Oktober 2021 eine Anordnung nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin wurde darin aufgefordert nachzuweisen, zu welchen Zeitpunkten die streitgegenständlichen Verluste entstanden seien und in welcher Höhe sie jeweils auf die Tierkörperbeseitigungsanlagen in M und H oder auf die Biogasanlage entfallen. Zudem sollte die Klägerin ausführen, ob die Tierkörperbeseitigungsanlagen sowie die Biogasanlage mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete organisch geschlossene Teile des Gesamtbetriebs, die für sich allein lebensfähig gewesen seien. Überdies sollte die Klägerin darlegen, dass der Gewerbebetrieb, der im Jahr der Verlustentstehung bestanden habe, hinsichtlich der Art der Betätigung, dem Kunden- und Lieferantenkreis, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, den Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens mit dem Gewerbebetrieb der Klägerin identisch gewesen sei.
20
Die Klägerin nahm zu den Fragen der Anordnung Stellung. Sie fügte Anlagen bei, um die Entstehung und Zuordnung der entstandenen Verluste nachzuweisen. Dabei habe sie die handelsrechtlichen Verluste nach Kostenverursachung aufgeteilt. Danach stelle sich die Entwicklung wie folgt dar:

Jahr

J. KG

TKB H

Vermietung H

TKB M

Biogas M

Vermietung M

2003

- 157.752,93

32.932,41

- 190.685,34

2004

- 209.584,38

- 27.472,00

- 182.112,38

2005

- 194.640,50

- 194.640,50

2006

- 427.458,85

- 427.458,85

2007

- 137.684,69

- 137.684,69

2008

768.233,69

- 700.741,89

1.957.831,92

- 489.132,97

276,63

2009

- 313.520,59

- 133.339,74

- 182.027,60

1.846,75

2010

- 918.007,38

- 99.240,35

- 825.149,03

6.382,00

2011

552.267,57

- 259.091,08

1.098.489,65

- 296.312,84

9.181,48

21
Die Grundstücke, die zur Tierkörperbeseitigungsanlage H gehört hätten, seien 2003 durch die KG erworben worden. Die Betriebserlaubnis für die dortige TKB sei auf Betreiben der Klägerin, die das Geschäft in ihrer Anlage in O fortführen wollte, in 2003 entzogen worden. Im Anschluss sei ein Pacht-/Mietvertrag geschlossen worden. Ein Grundstück sei an die Firma E vermietet worden. Der Mieter habe die ausstehenden Mieten nicht gezahlt und zudem das Grundstück kontaminiert. Nach der Insolvenz der Mieterin habe unter anderem Problemmüll auf Kosten der KG entsorgt werden müssen. Ab 2011 sei dann eine weitere Fläche in H an die Klägerin vermietet worden. Hierbei handelt es sich ausweislich der Nr. 2 des Pachtvertrags vom 11.07.2011 um eine 1.470 qm große Stellfläche, die ausschließlich zum Zweck des Abstellens von Sammelfahrzeugen für tierische Nebenprodukte genutzt werden darf. Diese Vermietung dauere noch an. Eine andere Teilgrundstücksfläche sei im Mai 2011 veräußert worden.
22
Die Tierkörperbeseitigungsanlage M sei samt Grundstücken sowie Biogasanlage im Januar 2008 von der KG erworben worden. Unmittelbar im Anschluss sei die Tierkörperbeseitigungsanlage M als Anlage an die BP GmbH veräußert worden. Die Grundstücke, die zum Betriebsgelände der Tierkörperbeseitigungsanlage gehörten, wurden verpachtet. Aus dieser habe die KG nur Gewinne erwirtschaftet. Die Biogasanlage wurde zunächst weiterbetrieben. Im Jahr 2009 wurde der U.platz fertig gestellt. Dieser sei an die Tierkörperbeseitigungsanlage KGmbH als Tierkörper-Umschlagsstelle ab September 2009 verpachtet worden. Nach der Explosion in der Biogasanlage sei diese weitestgehend heruntergefahren worden. Im Jahr 2011 sei im Teilbereich der Biogasanlage eine Sonderabschreibung in Höhe von 106.135,56 € vorgenommen worden. Dies habe im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf an die Firma S gestanden.
23
Das FA widersprach der ergänzten Sachverhaltsschilderung nicht, hielt jedoch an seiner rechtlichen Einschätzung in der Einspruchsentscheidung fest.
24
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. den Körperschaftssteuerbescheid für 2011 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom insoweit zu ändern, als der körperschaftsteuerliche Gewinn um den durch Anwachsung der KG auf die Klägerin übergegangenen Verlustvortrag nach § 15a EStG in Höhe von 464 .141,64 € zu mindern und dieser geminderte Wert der Körperschaftsteuerfestsetzung zu Grunde zu legen,
2. hilfsweise, den Körperschaftsteuerbescheid 2012 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, als der körperschaftsteuerliche Gewinn um den durch Anwachsung der KG auf die Klägerin übergegangenen Verlustvortrag nach § 15a EStG insoweit zu mindern ist als ein Abzug nicht in 2011 erfolgen konnte,
3. den Gewerbesteuermessbescheid 2011 vom, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der maßgebende Gewerbeertrag um den durch Anwachsung der KG auf die Klägerin übergegangenen Verlustvortrags nach § 10a GewStG in Höhe von 1 .095.945 € zu mindern ist,
4. hilfsweise, den Gewerbesteuermessbescheid 2012 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.06.2019 dahingehend zu ändern, dass der maßgebende Gewerbeertrag um den durch Anwachsung der KG auf die Klägerin übergegangenen Verlustvortrag nach § 10a GewStG insoweit zu mindern ist als ein Abzug nicht in 2011 erfolgen konnte,
5. für den Fall der vollständigen oder teilweisen Klagabweisung die Revision zuzulassen.
25
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
26
Das FA verweist in seiner Klageerwiderung vom 21. August 2019 im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Es betonte, dass es nach seiner Auffassung auf die unterbliebene Fortführung der beiden Teilbetriebe der Tierkörperbeseitigungsanlagen und nicht auf die Fortführung des nach Wegfall jener Teilbetriebe übrig gebliebenen Teilbetriebs der Vermietung und Verpachtung durch die Klägerin ankomme.
27
Der Senat hat durch Beschluss vom 20. Oktober 2022 die Steuerakten der KG betreffend die Jahre 2010 und 2011 zum hiesigen Verfahren beigezogen.
28
Das Finanzamt A hat nach durchgeführter Außenprüfung mit anschließendem Rechtsbehelfsverfahren am 17. Mai 2021 folgende geänderte Bescheide für die KG erlassen:
- Bescheid 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG, in welchem der verrechenbare Verlust der Klägerin als Kommanditistin der KG in Höhe von 464.141,64 € festgestellt wurde.
- Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010, in welchem der Verlust auf 569.823 € festgestellt wurde,
- Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011, in welchem der Verlust auf 1.095.945 € festgestellt wurde,
29
Diese Bescheide der KG sind alle bestandskräftig geworden.
30
Auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die vorgelegten sowie die beigezogenen Steuerakten wird Bezug genommen.
II.
31
Die Klage ist jeweils mit den Hilfsanträgen begründet. Die Klägerin ist insoweit in ihren Rechten verletzt, als ihr zum einen der Abzug des für sie als Kommanditisten der KG nach § 15a Abs. 4 EStG für 2011 festgestellten verrechenbaren Verlusts in Höhe von 464.142 € bei der Ermittlung der Körperschaftssteuer 2012 (1) und zum anderen ihr der Abzug des bei der KG zum 31. Dezember 2011 festgestellten Verlusts nach § 10a GewStG in Höhe von 569.823 € bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags 2012 versagt wurde (2).
32
1. Die Klägerin kann den bei der KG nach § 15a Abs. 4 EStG für sie festgestellten Verlust bei der Ermittlung der Einkünfte 2012 abziehen. Der für die Klägerin als Kommanditistin der KG für 2011 festgestellte Verlust ist hinsichtlich der Höhe bindend für das hiesige Streitverfahren (a). Die Verluste der Klägerin sind zudem durch die Vollbeendigung der KG nicht untergegangen (b). Sie können mit künftigen Gewinnen der Klägerin aus ihrem gesamten Unternehmen verrechnet werden (c).
33
a) Nach § 15a Abs. 4 EStG ist der nach Absatz 1 nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach Absatz 3 hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), jährlich festzustellen. Dieser Feststellungsbescheid entfaltet jedenfalls in Bezug auf die Höhe des festgestellten Verlusts Bindungswirkung für den Körperschaftssteuerbescheid der Klägerin.
34
aa) Dies ergibt sich daraus, dass der (letzte) Verlustfeststellungsbescheid der KG insoweit ein Grundlagenbescheid zum Körperschaftsteuerbescheid der Klägerin ist. Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO sind Feststellungsbescheide u.a. für Steuerbescheide bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Entscheidend dafür, was im Folgebescheid von Bedeutung ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht (BFH, Urteil vom 29. Juni 2011 – IX R 38/10 –, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963; Ratschow in Schmidt, EStG, 41. Auflage, § 181 Rz. 34). Vorliegend ist die Höhe des vor der Anwachsung vorhandenen Verlusts im Sinne des § 15a Abs. 2 EStG entscheidend. Denn zum einen kann nur insoweit ein Übergang auf die Klägerin stattfinden. Zum anderen ist gerade im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung zu beurteilen, ob und inwieweit sich ein übernommener verrechenbarer Verlust auswirkt (BFH, Urteil vom 10. März 1998 – VIII R 76/96 –, BFHE 186, 50, BStBl II 1999, 269, Rn. 31). Dies schließt es aus, dass über diesen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders entschieden wird (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH – vom 22. Juni 2006 IV R 31, 32/05, BFHE 214, 239, BStBl II 2007, 687). Daher ist im Verfahren des Folgebescheids die Höhe des verrechenbaren Verlusts bei der KG nicht überprüfbar (so auch BFH, Urteil vom 10. März 1998 – VIII R 76/96 –, BFHE 186, 50, BStBl II 1999, 269).
35
Die Beachtung dieser Grundsätze hat zum einen Folge, dass alle Einwendungen der Klägerin im Streitfall zum Thema Beteiligungsidentität/Beteiligtenidentität solche sind, die im Feststellungsverfahren nach § 15a Abs. 4 EStG zu prüfen sind. Denn sie haben sämtlich Einfluss auf die Höhe des verrechenbaren Verlusts. Zum anderen bindet die festgestellte Höhe des Verlusts auch dann, wenn sie materiell unrichtig ist. Denn dann muss gleichwohl im Folgebescheid der unzutreffende Wert angesetzt werden (BFH, Urteil vom 16. Juni 2011 – IV R 11/08 –, BFHE 234, 353, BStBl II 2011, 903).
36
bb) Ob lediglich die (betragsmäßige) Höhe des verrechenbaren Verlusts Gegenstand der Verlustfeststellung ist (so Wacker in Schmidt, EStG, 41. Auflage, § 15a Rz. 121) oder ob dort zudem über die (subjektive) Zurechnung des verrechenbaren Verlustes abschließend entschieden wird (BFH, Urteil vom 11. Mai 1995 – IV R 44/93 –, BFHE 177, 466) kann vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben. Der Klägerin wurde durch Verlustfeststellungsbescheid vom 17.05.2021 die bisherigen Verluste zutreffend zugerechnet. Eine gegebenenfalls eigene Prüfung der Zurechnungsfrage im Verfahren über die Körperschaftsteuer der Klägerin käme zu keinem anderen Ergebnis. Eine Zurechnung der bisherigen Verluste an eine andere Person als zur Klägerin kommt unter keinen Umständen in Betracht. Denn die Klägerin war als einzige Gesellschafterin am Vermögen der KG beteiligt und zudem einzige Kommanditistin. Folglich waren zur Zeit der Existenz der Klägerin sämtliche Verluste der KG ihr zuzurechnen. Das Ausscheiden der Komplementär-GmbH hat an dieser vollständigen Zurechnung nichts geändert. Die Klägerin bleibt alleinige Inhaberin des Gesellschaftsvermögens.
37
b) Die bei der KG für die Klägerin festgestellten Verluste sind in Folge der liquidationslosen Vollbeendigung in Form der Anwachsung nicht untergegangen und stehen ihr als verrechenbare Verluste weiterhin zur Verfügung.
38
aa) Der bisher für die Klägerin als Kommanditistin festgestellte Verlust ist nicht durch den Austritt der Komplementär-GmbH (teilweise) untergegangen.
39
aaa) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin über das Vermögen der KG durch Anwachsung nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB geworden ist. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, führt dies zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter; dieser erwirbt Alleineigentum an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens und wird zum Gesamtrechtsnachfolger (BFH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – IV R 20/14 –, Rn 46, juris; Bergmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 736 BGB Rn. 6 (Stand: 01.02.2020). Zwar war vorliegend die Klägerin vor dem Austritt der Komplementär-GmbH allein am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Jedoch hatte sie wegen der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens keine alleinige Verfügungsbefugnis. Im Zuge der Anwachsung erwarb sie das bisherige Gesellschaftsvermögen nunmehr zu Alleineigentum. Dies hat zur Folge, dass nunmehr die Klägerin -auch im AußenverhältnisInhaberin sämtlicher Wirtschaftsgüter und eben auch aller Verbindlichkeiten ist.
40
bbb) Die Änderung der Rechtsstellung der Klägerin infolge der Gesamtrechtsnachfolge bewirkt keinen Untergang der festgestellten Verluste. Denn nach Auffassung des BFH geht sogar der Anteil am verrechenbaren Verlust des ausscheidenden Gesellschafters aus einer zweigliedrigen KG auf den letzten verbleibenden Gesellschafter folgerichtig über, wenn dieser das Unternehmen der bisherigen KG allein fortführt und den Gesellschaftsanteil übernimmt (BFH, Urteil vom 11. Mai 1995 – IV R 44/93 –, BFHE 177, 466, Rn. 24). Dies muss aber erst recht gelten, wenn hier der verbleibende Gesellschafter schon alleiniger Inhaber der verrechenbaren Verluste ist. Zwar sieht § 15a Abs. 2 EStG die Feststellung von verrechenbaren Verlusten im Fall des Statuswechsels – also vom beschränkt haftenden zum vollhaftenden Gesellschafter – nicht vor. Jedoch liegt in der Nichtregelung der Verlustnutzung durch vollhaftende Gesellschafter eine planwidrige Gesetzeslücke. Das Ziel des § 15a EStG liegt lediglich in der Beschränkung der Verlustnutzung auf die Verluste, die tatsächlich wirtschaftlich getragen werden. Wenn ein Gesellschafter nunmehr vollständig mit seinem Vermögen haftet, darf er im Rahmen des § 15a Abs. 2 EStG auch die bisherigen verrechenbaren Verluste nutzen soweit Gewinne künftig entstehen. Denn insoweit trägt er die Verluste tatsächlich. Vor diesem Hintergrund läge ein Verlustuntergang nicht nur außerhalb des Regelungsanliegens des § 15a EStG; er wäre zudem mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –) nicht zu vereinbaren (BFH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – VIII R 38/02 –, BFHE 203, 477, BStBl II 2004, 115 m.w.N. zur Lückenfeststellung vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 2002 IV R 39/01, BFHE 199, 374, BStBl II 2002, 697; vom 12. Oktober 1999 VIII R 21/97, BFHE 190, 343, BStBl II 2000, 220, jeweils m.w.N.).
41
ccc) Der bisherige Verlust ist auch nicht im Hinblick auf die Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) untergegangen. Denn das UmwStG ist weder auf diesen noch auf die Fälle der einfachen Anwachsung anwendbar. Mangels Veräußerungserlöses ist zudem eine Verrechnung der bisherigen Verluste mit einem Veräußerungsgewinn nicht möglich (Rautenstrauch/Adrian DStR 2006, 359 m.w.N.).
42
bb) Der für die Klägerin festgestellte Verlust ist auch nicht deswegen untergegangen, weil die Klägerin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Zwar gibt es -anders als bei der Fortführung der KG in Form eines Einzelunternehmenskeine Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung. Jedoch stellt sich die Situation im Hinblick auf den Einzelunternehmer vergleichbar dar. Denn die GmbH kann sich anders als der Kommanditist nicht einer Inanspruchnahme durch Gläubiger unter Hinweis auf die geleistete Einlage entziehen. Es besteht kein Unterschied für den Gläubiger. Denn sowohl der Einzelunternehmer als auch die GmbH stehen als Schuldner unmittelbar zur Verfügung. Die besondere Situation der KG, das Auseinanderfallen der Gesellschaftsebene und der Mitunternehmerebene für steuerliche Zwecke, war der Grund für die Einführung von § 15a EStG. Denn anders als beim Einzelunternehmer oder einer Kapitalgesellschaft, gibt es zwei verschiedene Haftungsmassen, nämlich die der KG und zusätzlich die des Gesellschafters. Nur in dieser Konstellation ist es möglich, auf der einen Ebene nicht über die Hafteinlage in Anspruch genommen zu werden (KG) und zugleich Verluste mit Gewinnen der anderen Ebene (Privat oder wiederum Gesellschaftsvermögen), welches aber dem Zugriff der Gläubiger verwehrt ist zu verrechnen. Da nunmehr die Personengesellschaft beendet ist, besteht kein Grund mehr für die Regelung des § 15a EStG. Denn sowohl der Einzelunternehmer als auch die Kapitalgesellschaft verfügen nur über ein Vermögen. Ein „Durchschleusen“ von Verlusten ist ausgeschlossen. Mithin ist es unerheblich, ob die unmittelbar haftende Person ihrerseits nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. In der Literatur wird überwiegend ebenfalls angenommen, dass die Verluste einer KG auch dann bestehen bleiben, wenn eine GmbH als letzte Kommanditistin die Rechtsnachfolge antritt (Korn in: Korn, Einkommensteuergesetz, § 15a Verluste bei beschränkter Haftung; Wacker in Schmidt, 41. Aufl., Rn. 66; Thill, Ingo, FR 2006, 407 (409); Watermeyer, Beck`sches Handbuch der Personengesellschaften, Prinz/Kahle, 5. Auflage 2020, § 8 Rz. 96; Pyszka in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Auflage 2018).
43
cc) Dem Verbleib des Verlusts bei der Klägerin steht auch nicht eine mögliche Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der KG nach § 27 Abs. 2 HGB entgegen. Denn zunächst gilt nach § 25 Abs. 1 HGB die unbeschränkte Haftung des Firmen-Fortführers. Ob im Fall der Klägerin es nach § 27 Abs. 2 HGB die Möglichkeit der Beschränkung auf das übernommene Vermögen gegeben hätte, kann indes offenbleiben. Da in den ersten drei Monaten nach Anwachsung keine vollständige Einstellung des Geschäfts der (bisherigen) KG durch die Klägerin erfolgt ist, wäre die rückwirkende Haftungsbeschränkung jedenfalls nicht mehr möglich. Insofern kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Klägerin mit oder ohne eigenen Willen in die Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist und daher § 27 Abs. 2 HGB entsprechend anzuwenden wäre (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1990 – II ZR 256/89 –, BGHZ 113, 132-139, Rn. 8) sowie ob die Veräußerung eines Teils eine Betriebseinstellung in diesem Sinne ist.
44
dd) Der verrechenbare Verlust ist allerdings -anders als die Klägerin meint nicht wegen der Gesamtrechtsnachfolge in einen ausgleichsfähigen umzuqualifizieren.
45
aaa) Nach Auffassung des BFH führt das Fehlen einer Regelung zum Statuswechsel eines Kommanditisten lediglich dazu – entsprechend den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen – die gesetzliche Regelungslücke im Wege der Rechtsfortbildung durch folgerichtiges „Zu-Ende-Denken“ der Anordnungen des § 15a EStG, d.h. in Übereinstimmung mit den strukturellen (systematischen) Grundaussagen sowie den tragenden Grundwertungen der Vorschrift und deren Entstehungsgeschichte, zu schließen. Hiernach sei es folgerichtig, die Übernahme des Unternehmens einer KG durch einen Gesellschafter nicht mit einer Umqualifikation bisher verrechenbarer Verluste zu verbinden, sondern in Analogie zu § 15a Abs. 2 EStG diese – einkunftsquellenbezogen – von den zukünftig erzielten Beteiligungs- bzw. Unternehmensgewinnen abzusetzen (BFH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – VIII R 38/02 –, BFHE 203, 477, BStBl II 2004, 115; BFH, Beschluss vom 18. Januar 2007 – IV B 133/06 –, BFH/NV 2007, 888, zustimmend Stümper, GmbHR 2010, 129 (131)). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Eine Umqualifizierung der bisherigen verrechenbaren Verluste ist auch nicht im Hinblick auf das Verfassungsrecht geboten. Denn die Verluste gehen nicht unter, sondern werden nur zeitversetzt berücksichtigt soweit sie getragen wurden (BFH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – VIII R 38/02 –, BFHE 203, 477, BStBl II 2004, 115). Dagegen ist ein als verrechenbar festgestellter Verlust, den ein Kommanditist oder stiller Gesellschafter nach der Liquidation der Gesellschaft endgültig zu tragen hat, als ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IV R 106/94 –, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, Rn. 33; ebenso Wacker in Schmidt, a.a.O., § 15a Rz.180).
46
bbb) Vorliegend ist in Anwendung dieser Grundsätze der verrechenbare Verlust nicht in einen ausgleichsfähigen umzuwandeln. Denn weder genügen hierfür eine mögliche nachträgliche Einlage noch die im Wege der Anwachsung übernommene unbeschränkte Haftung. Letztlich ist zudem in den Streitjahren (2011, 2012) weder eine vollständige Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter der bisherigen KG noch die Aufgabe der Tätigkeit jener durch die Klägerin erfolgt. Eine Vermietungstätigkeit besteht insoweit fort. Die Klägerin selbst hat zudem noch einen eigenen laufenden Gewerbebetrieb. Solange aber noch Gewinne künftig entstehen können, ist eine spätere Verlustnutzung möglich und somit eine Umwandlung in ausgleichsfähige Verluste bereits zum Zeitpunkt der Anwachsung nicht geboten.
47
ccc) Der Senat kann mangels vollständiger Aufgabe/Veräußerung der angewachsenen bisherigen Mitunternehmerschaft im Streitfall offenlassen, ob es für die Frage der Umwandlung von verrechenbaren in ausgleichsfähige Verluste lediglich die Aufgabe oder die Veräußerung des angewachsenen Unternehmens ankommt oder im Fall der Anwachsung auf eine GmbH auf deren gesamten Gewerbebetrieb. Überdies kann der Senat wegen der Verneinung der materiell-rechtlichen Frage der Umqualifikation zum Zeitpunkt der Anwachsung offenlassen, ob über diese Frage im persönlichen Ertragsteuerverfahren des übernehmenden Gesellschafters wie vorliegend oder bereits im Verlustfeststellungsverfahren nach § 15a Abs. 4 EStG zu entscheiden wäre (für Letzteres: FG Hamburg, Urteil vom 6. Juli 2015 – 5 K 155/13 –, Rn. 24, juris).
48
c) Die Klägerin kann die von der KG übernommenen verrechenbaren Verluste grundsätzlich mit den Gewinnen aus ihrem gesamten Betrieb saldieren (aa). Allerdings ist eine Verrechnung nur in den der Anwachsung nachfolgenden Veranlagungszeiträumen möglich (bb). Im Ergebnis ist im Rahmen der Körperschaftssteuerfestsetzung für 2012 der festgestellte Betrag in Höhe von 464.141,64 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen und die Steuer entsprechend herabzusetzen (cc). Der Durchführung eines weiteren Feststellungsverfahren für den verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 2011 bedarf es hingegen nicht (dd).
49
aa) Im Hinblick auf den einheitlichen Gewerbebetrieb einer GmbH ist eine Saldierung von angewachsenen verrechenbaren Verlusten mit ihren sonstigen Gewinnen zulässig. Diese Auffassung steht im Einklang mit der streng beteiligungsbezogenen Betrachtungsweise des BFH (Urteil vom 1. März 2018 – IV R 16/15 –, BFHE 261, 101, BStBl II 2018, 527, Rn. 27) . Dies bedeutet, dass die Verlustverrechnung allein mit Gewinnen aus der nämlichen Beteiligung gestattet ist, bei der auch die Verluste angefallen sind; Gewinne und Verluste müssen aus derselben Einkunftsquelle stammen (BFH-Urteil in BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 34). Nach der Anwachsung gibt es nur noch eine Einkunftsquelle, auf deren Gewinne es für eine mögliche Verrechnung ankommt. Denn § 8 Abs. 2 KStG normiert, dass eine Körperschaft nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb hat. Dies bedeutet, dass die GmbH stets nur eine Einkunftsquelle hat. Ob dieser Einkunftsquelle verschiedene Tätigkeitsbereiche zu Grunde liegen, ist dagegen unerheblich. Diese Einkunftsquelle umfasst sowohl die originäre Tätigkeit der GmbH als eben auch die übernommene Tätigkeit aus der bisherigen Mitunternehmerschaft (zustimmend Rautenstrauch/Adrian, DStR 2006, 359 (362), Stümper, GmbHR 2010, 129 (133). Für diese einheitliche Betrachtung spricht zudem die Praxistauglichkeit. Denn ob in einer Kapitalgesellschaft ein Gewinn entstanden ist, lässt sich aus dem eingereichten Jahresabschluss problemlos ablesen. Die Gegenauffassung normiert letztlich eine Teilbuchführungspflicht für die Wirtschaftsgüter der ehemaligen KG. Zumindest muss eine Ergebnisaufteilung durchgeführt werden. Eine solche Teilbuchführung hat keine gesetzliche Grundlage. Denn § 8 Abs. 9 KStG, als einziger normierter Spartenrechnung für die Betriebe gewerblicher Art, ist auf GmbH`s nicht anwendbar. Eine solche Teilbuchführungspflicht ist zudem nicht Ausfluss aus der von Verfassungswegen gebotenen erweiternden Auslegung des § 15a EStG (so aber Jakobsen/Hildebrandt, DStR 2013, 433 (435)). Nach Auffassung des Senats überschreitet diese Auslegung des § 15a EStG die Grenzen der Rechtsfortbildung. Die Folge, dass bisher lediglich verrechenbar festgestellte Verluste faktisch nach der Anwachsung zu ausgleichsfähigen werden, steht dem nicht entgegen. Denn dies ist ebenfalls auf die gesetzgeberische Entscheidung im § 8 Abs. 2 KStG zurückzuführen. Der Senat verkennt darüber hinaus nicht, dass die hier vorgenommene Auslegung im Sinne einer einheitliche Einkunftsquelle zu einer Besserstellung der GmbH gegenüber einem Einzelunternehmer, dem eine Mitunternehmerschaft anwächst, führen kann. Denn der Einzelunternehmer kann nach der Rechtsprechung des BFH die übernommenen Verluste nur mit künftigen Gewinnen aus der übernommenen Mitunternehmerschaft und gerade nicht mit Gewinnen aus seinen anderen Einzel-Unternehmen verrechnen. Diese Ungleichbehandlung ist aber ebenfalls Folge der gesetzgeberischen Entscheidung in § 8 Abs. 2 KStG und mangels verfassungsrechtlicher Bedenken hinzunehmen.
50
bb) Eine Saldierung der verrechenbaren Verluste mit den sonstigen Gewinnen der Klägerin kann die Klägerin erst in den Veranlagungszeiträumen nach der Anwachsung vornehmen. Nach § 15a Abs. 2 EStG können Verluste, die nicht nach den Absätzen 1 oder 1a ausgeglichen oder abgezogen werden können, nur mit Gewinnen in künftigen Wirtschaftsjahren verrechnet werden. Zwar ist die Klägerin nach der Anwachsung keine Kommanditistin mehr, so dass § 15a Abs. 2 EStG nach seinem Wortlaut nicht anwendbar ist. Allerdings ergibt sich aus dem Zweck und der Systematik des § 15a EStG nach Auffassung des BFH, dass eine Verlustnutzung auch nach dem Ende der Kommanditistenstellung zwar möglich sein muss, jedoch unter Beachtung dieses Regimes (BFH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – VIII R 38/02 –, BFHE 203, 477, BStBl II 2004, 115). Dies führt nicht nur zur Ablehnung der Umqualifikation der bisher verrechenbaren in ausgleichsfähige Verluste, sondern auch auf die allgemeinen Verwertungsbeschränkungen. Dazu gehört, dass eine Saldierung der nicht ausgeglichenen Verluste nur mit Gewinnen nach dem Zeitpunkt der Anwachsung erfolgen kann (BFH, Beschluss vom 18. Januar 2007 – IV B 133/06 –, BFH/NV 2007, 888, Rn 10.). Zumindest dann, wenn für ein Kalenderjahr noch eine Feststellung nach § 15a EStG vorliegt, kann eine Verrechnung frühestens im nachfolgenden Kalenderjahr bzw. Veranlagungszeitraum erfolgen.
51
cc) In Anwendung dieser Grundsätze kann die Klägerin im Jahr 2011 keinen Verlustabzug in ihrer Körperschaftsteuererklärung mindernd berücksichtigen. Vom für die KG zuständigen Finanzamt A wurde für das (gesamte) Jahr 2011 noch eine Verlustfeststellung vorgenommen. Weder der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen noch der Verlustfeststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG enthalten Anhaltspunkte dafür, dass der Feststellungszeitraum zum Anwachsungszeitraum, also dem 30. Dezember 2011 ende. Dies hat zur Folge, dass künftige Gewinne jedenfalls solche nach dem 31. Dezember 2011 sind. Diese Gewinne hat die Klägerin erst in der Körperschaftsteuererklärung 2012 erklärt. Wegen des einheitlichen Gewerbebetriebs aufgrund der Rechtsform der Klägerin ist ein Abzug des für die KG festgestellten Verlusts in 2012 in voller Höhe vorzunehmen. Denn die Klägerin hat nach dem angefochtenen Bescheid bisher in 2012 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 2.891.454 €. Von diesem ist der festgestellte Verlust in Höhe von 464.141,64 € abzuziehen. Die Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag ist entsprechend dieser Minderung herabzusetzen.
52
dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist vorliegend kein weiteres Verlustfeststellungsverfahren zum 31. Dezember 2011 durchzuführen. Denn der streitige Verlust ist bereits durch das Finanzamt A für das Jahr 2011 als verbleibender verrechenbarer Verlust festgestellt worden. Insoweit ist kein Raum für eine weitere Feststellung. Zum 31.12.2012 ist ebenfalls keine Verlustfeststellung vorzunehmen. Denn wegen der vollständigen Verrechnung des ehemaligen KG-Verlustes ist zum Ende des Wirtschaftsjahres kein Verlust mehr vorhanden.
53
2. Die Klägerin kann den mit Bescheid vom 17. Mai 2021 für die KG festgestellten Gewerbesteuerverlust nach § 10a GewStG zum 31.12.2011 mit den Gewinnen aus Gewerbebetrieb aus dem originären Tätigkeitsfeld im Jahr 2012 verrechnen. Der Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 2011 ist im hiesigen Verfahren im Hinblick auf die Vergangenheit bindend (a). Ausgehend von diesem festgestellten Verlust ist dieser nach Übergang auf die Klägerin nicht untergegangen (b). Auf die Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG kommt es indes nicht an (c). Der übernommene Verlust ist wegen des Verlustbescheids der KG auf den 31. Dezember 2011 erst beim Gewerbesteuermessbetrag 2012 bei der Klägerin zu berücksichtigen und nicht wie von der Klägerin beantragt bereits in 2011 (d).
54
a) Der Verlustfeststellungsbescheid der KG nach § 10a GewStG ist ein Grundlagenbescheid für die hier streitigen Gewerbesteuermessbescheide der Klägerin (aa). Er entfaltet Bindungswirkung bezüglich der Höhe der Verluste, aber auch hinsichtlich deren Abzugsfähigkeit (bb). Der Bindungswirkung steht die materielle Fehlerhaftigkeit nicht entgegen (cc). Eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens zur Änderung des Bescheids über den Verlustabzug kommt nicht in Betracht (dd).
55
aa) Der Verlustfeststellungsbescheid ist nach Auffassung des BFH Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) sowohl für den Gewerbesteuermessbescheid des Folgejahres als auch für den Verlustfeststellungsbescheid des Folgejahres (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1293, unter II.2.), soweit der vortragsfähige Fehlbetrag betroffen ist (BFH, Urteil vom 7. September 2016 – IV R 31/13 –, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rn. 33). Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO sind Feststellungsbescheide u.a. für Steuermessbescheide bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Entscheidend für die Frage wieweit die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids reicht, ist die materielle Regelung. Die Regelungswirkung des Verlustfeststellungsbescheids und damit die Bindungswirkung endet indes dann, wenn es um Umstände geht, die sich erst im Folgejahr ereignen und die Abzugsfähigkeit des festgestellten Fehlbetrags ggf. im Folgejahr entfallen lassen; eine Bindungswirkung ist insoweit ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 11. Oktober 2012 – IV R 38/09 –, BFHE 240, 90, BStBl II 2013, 958, Rz. 14).
56
Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem Verlustfeststellungsbescheid der KG um einen Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den Gewerbesteuermessbescheid 2012 der Klägerin. Denn in dem Feststellungsbescheid ist bereits abschließend über die Höhe der vortragsfähigen Verluste der KG entschieden worden. Durch das Ausscheiden der Komplementär-GmbH ist die KG beendet und die Klägerin als einzig verbliebene Kommanditistin Rechtsnachfolgerin geworden. Dass der Abzug beim Rechtsnachfolger vorgenommen wird, steht der Bindungswirkung nicht entgegen. Denn die Bindungswirkung bestimmt sich nach materiellem Recht. Da im Rahmen des Gewerbesteuermessbescheides zu prüfen ist, ob vom Gewerbeertrag nicht nur eigene Verlustvorträge zu berücksichtigen sind, sondern auch aufgrund von Anwachsungen, Verschmelzungen sowie Einbringungen übernommene, ist von einer materiellen Bedeutung und damit von einer Bindungswirkung auszugehen. Sämtliche Umstände, die nach dem 31. Dezember 2011, also nach dem Verlustfeststellungszeitpunkt liegen, sind indes von der Bindungswirkung nicht umfasst.
57
bb) Im Verfahren über den Gewerbesteuerverlust nach § 10a Satz 6 GewStG ist nicht nur über die Höhe des Verlusts zu entscheiden, sondern zugleich über die Abzugsfähigkeit dem Grunde nach. Im Rahmen dieser Abzugsfähigkeit wird verbindlich entschieden, ob die Voraussetzungen des Verlustabzugs im Sinne des § 10a Satz 1 GewStG vorgelegen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 619, m.w.N.) erfordert die Kürzung des Gewerbeertrags um Verluste aus früheren Erhebungszeiträumender Unternehmensidentität wie auch Unternehmeridentität. Dies hat zur Folge, dass über die Frage eines möglichen Wegfalls der Unternehmensidentität bereits im Verlustfeststellungsbescheid des Erhebungszeitraums abschließend entschieden wird, in dem der hierfür maßgebliche Umstand eingetreten ist, und nicht erst im Gewerbesteuermessbescheid des (nachfolgenden) Verlustabzugsjahres (BFH, Urteil vom 7. September 2016 – IV R 31/13 –, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz. 22; anderer Ansicht FG Köln, Urteil vom 15. Februar 2012 10 K 1830/10, unter 1.). Nur diese Auslegung wird dem Regelungssinn gerecht, durch die vorweggezogene (Grundlagen-)Entscheidung über die Abziehbarkeit der Verluste als solche, den nachfolgenden Bescheid mit dieser Entscheidung – jedenfalls bei gleichbleibender Gesetzeslage – nicht mehr zu belasten (BFH, Urteil vom 22. Oktober 2003 – I R 18/02 –, BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468, Rz. 22).
58
aaa) Unternehmeridentität bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Der Steuerpflichtige muss sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein. Bei einer Personengesellschaft sind die Mitunternehmer im einkommensteuerlichen Sinne auch Unternehmer aus gewerbesteuerrechtlicher Sicht (BFH, Urteil vom 17. Januar 2006 – VIII R 96/04 –, BFHE 213, 12, Rn. 17).
59
bbb) Unternehmensidentität setzt voraus, dass der Gewerbeverlust bei demselben Gewerbebetrieb entstanden sein muss, dessen Gewerbeertrag in dem maßgeblichen Erhebungszeitraum gekürzt werden soll (BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 1/04, BFHE 213, 38, BStBl II 2006, 549, m.w.N.). Dabei ist unter Gewerbebetrieb die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Zwar kann eine Personengesellschaft zur gleichen Zeit nur einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG unterhalten, wobei dies auch dann gilt, wenn sie gleichzeitig sachlich an sich selbständige Tätigkeiten ausübt (BFH-Urteile in BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 39, m.w.N.). Allerdings geht auch das Gewerbesteuerrecht grundsätzlich davon aus, dass Teilbetriebe als Bestandteil von Gesamtbetrieben vorliegen können. Deshalb ist das Merkmal der Unternehmensidentität auch im Hinblick auf den jeweiligen Teilbetrieb zu prüfen (BFH-Urteil in BFHE 223, 245, BStBl II 2012, 145, unter II.1.b). Denn mit der Aufgabe bzw. der Veräußerung eines Teilbetriebs verliert der ursprüngliche Betrieb seine (Teil-)Unternehmensidentität, weil dadurch der wirtschaftliche Zusammenhang der fortgeführten mit der bisherigen (umfassenderen) gewerblichen Tätigkeit teilweise aufgegeben wird (BFH, Urteil vom 4. Mai 2017 – IV R 2/14 –, BFHE 258, 470, BStBl II 2017, 1138, Rn. 37). Dabei ist ein Teilbetrieb ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Insoweit unterscheidet sich die Teilbetriebsaufgabe bzw. Teilbetriebsveräußerung von einer lediglich strukturellen Anpassung der bisherigen gewerblichen Betätigung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse, die der Annahme einer identischen Tätigkeit nicht entgegensteht (BFH-Urteil in BFHE 223, 245, BStBl II 2012, 145, unter II.1.b, m.w.N.). Diese gewerbesteuerrechtlichen Grundsätze gelten auch bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, die nicht originär gewerblich tätig ist, sondern einen Gewerbebetrieb nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG unterhält (BFH, Urteil vom 4. Mai 2017 – IV R 2/14 –, BFHE 258, 470, BStBl II 2017, 1138, Rn. 39). Die gewerbesteuerrechtliche Tätigkeit endet mit der dauerhaften Einstellung der werbenden Tätigkeit. Dies ist auch der Fall, wenn eine den einkommensteuerrechtlichen Fortbestand des Betriebs unberührt lassende Betriebsunterbrechung -auch als „ruhender Gewerbebetrieb“ bezeichnet-vorliegt, § 16 Abs. 3a EStG (BFH, Urteil vom 30. Oktober 2019 – IV R 59/16 –, BFHE 267, 386, BStBl II 2020, 147, Rn. 32).
60
ccc) Ob die Unternehmensidentität im Hinblick auf die gewerbliche Tätigkeit (teilweise) die gleiche geblieben ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale beurteilt werden, wie insbesondere der Art der Betätigung, des Kunden- und Lieferantenkreises, der Arbeitnehmerschaft, der Geschäftsleitung, der Betriebsstätten sowie der Zusammensetzung des Aktivvermögens (z.B. BFH-Urteile vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348; vom 14. September 1993 VIII R 84/90, BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764, und vom 27. November 2008 IV R 72/06, BFH/NV 2009, 791). Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen (z.B. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 16/01, BFH/NV 2003, 81).
61
ddd) Da im hiesigen Verfahren nicht der Gewerbesteuerverlustfeststellungsbescheid der KG auf den 31. Dezember 2011 Streitgegenstand ist, ist wegen der Bindungswirkung des Feststellungsbeschied eine erneute Prüfung der materiellen Voraussetzungen des Verlustabzugs bezüglich des tatsächlichen Geschehens im Jahr 2011 nicht zulässig. Der nach § 10a Satz 6 GewStG festgestellte Verlust ist weder im Hinblick auf die eingestellte Biogasanlage noch auf den Verkauf von Teilbetriebsflächen in B-A durch das Finanzamt A als Feststellungs-Finanzamt gekürzt worden.
62
cc) Der Bindungswirkung steht ein fehlerhafter Grundlagenbescheid nicht entgegen. Denn eine fehlerhaft unterlassene Kürzung des Verlusts führt allein aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Verlustnutzungsmöglichkeit in den Folgejahren, soweit nicht Umstände im aktuellen Erhebungszeitraum dies verhindern (BFH, Urteil vom 7. September 2016 – IV R 31/13 –, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rn. 22). Es kann deshalb offen bleiben, ob der Verlustfeststellungsbescheid nach § 10a Satz 6 GewStG materiell unzutreffend ist. Eine Korrektur im Gewerbesteuermessbescheid der Klägerin ist im Hinblick darauf, dass sich die zur Kürzung führenden tatsächlichen Vorgänge vor dem Zeitpunkt der Anwachsung ereignet haben, ausgeschlossen.
63
dd) Der Senat setzt das hiesige Klageverfahrens nicht nach § 74 FGO aus, um den Grundlagenbescheid in Gestalt des Verlustfeststellungsbescheids zu ändern. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Zwar ist der Inhalt des Verlustfeststellungsverfahrens für das hier anhängige Klageverfahren vorgreiflich. Jedoch erfordert die Aussetzung zudem, dass das andere Rechtsverhältnis zum Zeitpunkt der Aussetzung anhängig ist. Zwar war gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2011 zunächst Einspruch eingelegt worden. Jedoch ist dieser unterdessen erledigt, so dass Bestandskraft eingetreten ist. Weitere Änderungsmöglichkeiten sind nicht erkennbar.
64
b) Der im Verlustfeststellungsbescheid vom 31. Dezember 2011 im Sinne des § 10a GewStG ausgewiesene Verlust kann von der Klägerin nach der Beendigung der KG grundsätzlich genutzt werden.
65
aa) Die Geltendmachung eines Gewerbeverlustes setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl die Unternehmensidentität als auch die Unternehmeridentität voraus (BFH, Urteil vom 17. Januar 2019 – III R 35/17 –, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rn. 18). Zudem darf sich der Wegfall der Verluste nicht aus einem speziellen Gesetz ergeben.
66
aaa) Der Begriff der Unternehmensidentität besagt, dass der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat (BFH-Urteile vom 28. April 1977 IV R 165/76, BFHE 122, 307, BStBl II 1977, 666). Im Fall der Anwachsung durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters geht das Vermögens der KG auf den letzten Gesellschafter (vgl. § 738 Abs. 2 BGB) über, der dadurch zum Gesamtrechtsnachfolger wird (BFH, Beschluss vom 19. Februar 1996 – VIII B 3/95 –, juris). Dementsprechend muss die von § 10a GewStG geforderte Unternehmensidentität im Streitfall zwischen dem Gewerbebetrieb bestehen, den die KG bis zu ihrer Vollbeendigung geführt hat, und dem Gewerbebetrieb, den die Klägerin nach dem gesellschaftsrechtlichen Übergang als Rechtsnachfolgerin (fort-)geführt hat, auch wenn es um die Berücksichtigung des für die KG festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes geht (BFH, Urteil vom 11. Oktober 2012 – IV R 38/09 –, BFHE 240, 90, BStBl II 2013, 958, Rn. 27).
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bbb) Die Unternehmeridentität erfordert, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat (BFH, Urteil vom 17. Januar 2019 – III R 35/17 –, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rn. 21). Im Fall des Unternehmerwechsels entfällt der Verlustabzug (§ 10a Satz 8 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG). Bei Personengesellschaften hängt die Unternehmeridentität von der Identität der Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 2014 IV R 34/10, BFHE 245, 253, BStBl II 2017, 233). Denn die Mitunternehmer sind als Gesellschafter auch gewerbesteuerrechtlich Träger des Verlustabzugs und deshalb sachlich gewerbesteuerpflichtig (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, zu C.III.6.a und b und C.III.9.; BFH-Urteil in BFHE 224, 364).
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bb) In Anwendung dieser Grundsätze lagen die Voraussetzungen zur Nutzung der Verluste der KG jedenfalls zum Übergangszeitpunkt vor. Die Verluste sind nicht aufgrund der Vollbeendigung der KG untersondern auf die Klägerin übergegangen. In ihrer Person lagen sowohl die Unternehmens- als auch die Unternehmeridentität vor. Die Unternehmensidentität folgt aus der anwachsungsbedingten Gesamtrechtsnachfolge der vollständig beendeten KG durch die Klägerin. Zum Zeitpunkt der Anwachsung ging das komplette Unternehmen in Form sämtlicher Aktiva und Passiva der KG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unverändert auf die Klägerin über, §§ 738 Abs. 1 BGB, 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HBG. Auch die erforderliche Unternehmeridentität ist vorliegend erfüllt. Denn die Klägerin war als Kommanditistin zu 100% Anteilseignerin der KG. Insofern hat sie im Rahmen der Mitunternehmerschaft 100% des Verlusts der KG in eigener Person getragen. Mangels Anwendbarkeit des UmwStG auf den vorliegenden Fall des Austritts des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen KG kommt auch ein Wegfall der Verluste nach einer Spezialregelung nicht in Betracht.
69
c) Eine Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG durch die Klägerin ist entgegen der Auffassung des FA für eine Verlustnutzung nicht erforderlich. Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet. Es gibt eine ältere Entscheidung vom BFH (aa), diverse Judikatur von Finanzgerichten (bb) sowie BFH-Rechtsprechung im Zusammenhang mit Verlusten nach § 10a GewStG und deren Nutzung im Allgemeinen (cc). In der Literatur wird diese Frage ebenfalls nicht einheitlich behandelt (dd). Der Senat schließt sich der Auffassungen des FG Sachsen sowie des FG Düsseldorf an (ee).
70
aa) Der BFH hat in einer alten -bisher inhaltlich nicht aufgehobenenEntscheidung die Verrechnung eines angewachsenen Gewerbesteuerverlustes aus einer Personengesellschaft mit Gewinnen der übernehmenden GmbH ohne Einschränkungen vorgenommen (BFH, Urteil vom 2. März 1983 – I R 85/79 –, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427). In diesem Urteil bejaht er zwar eine Unternehmeridentität zwischen der bisherigen Personengesellschaft und dem übernehmenden Gesellschafter in Höhe der Beteiligung an der bisherigen Personengesellschaft. Jedoch lässt der BFH diese Unternehmeridentität für eine Verrechnung der Verluste der bisherigen Personengesellschaft mit Gewinnen der übernehmenden GmbH genügen. Die Unternehmensidentität wird nicht thematisiert.
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bb) Nach Auffassung des FG Düsseldorf ist eine Unternehmensfortführung nach Anwachsung oder Verschmelzung nicht erforderlich (FG Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 11 K 3637/09 F –, EFG 2011, 477). Zwar gelte das Erfordernis der Unternehmensidentität im Fall des Übergangs eines gewerblichen Unternehmens auf eine Körperschaft. Allerdings muss dies nur im Zeitpunkt der Anwachsung selbst vorliegen. Für eine weitere Fortführung des angewachsenen Betriebs fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage. Die Rechtssicherheit spreche ebenfalls für das alleinige Abstellen auf den Anwachsungszeitpunt. Denn es sei völlig unklar, wie lange eine Fortführung erfolgen müsse. Das Sächsische FG kommt zum selben Ergebnis und stellt dabei im Wesentlichen auf § 2 Abs. 2 GewStG ab (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 7. September 2020 – 5 K 114/19 –, DStRE 2022, 987). Danach knüpfe die Gewerbesteuerpflicht allein an die Rechtsform an. Auf die Art und den Umfang der Tätigkeiten komme es hingegen nicht an. Dies gelte auch dann, wenn eine Körperschaft einen Geschäftszweig hinzuerwerbe oder einen solchen durch Anwachsung/Gesamtrechtsnachfolge übernehme. Der übernommene Geschäftsbetrieb lebe nicht – weder als steuerrechtliches noch zivilrechtliches Subjekt – unter dem Dach der übernehmenden Körperschaft fort. Dies schließe ein Wiederaufleben im Zeitpunkt einer Veräußerung des übernommenen Geschäftsbetriebs aus. Es fehle dafür an einer Rechtsgrundlage. Dagegen geht das FG Nürnberg davon aus, dass nicht verbrauchte Fehlbeträge nicht mehr nutzbar seien, wenn die Körperschaft das übergehende Unternehmen nicht bis zur vollständigen Verrechnung der Fehlbeträge unverändert fortführe (FG Nürnberg, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 1 K 1229/14 –, juris, Rn. 77, EFG 2017, 929). Zwar gelte der Gewerbebetrieb der aufnehmenden Körperschaft auch bei einer Verschiedenheit der ausgeübten Tätigkeiten als einheitlicher Gewerbebetrieb. Dies habe jedoch keine Bedeutung für die Frage, ob der (einheitliche) Gewerbebetrieb der aufnehmenden Gesellschaft im Anrechnungsjahr mit dem übergegangenen Unternehmen im Entstehungsjahr der Verluste identisch war. Anders als für die originär bei der aufnehmenden Gesellschaft entstandenen Fehlbeträge komme es für die im übergehenden Unternehmen entstandenen Fehlbeträge somit auf die tatsächliche Fortführung des verlustverursachenden Unternehmens an.
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cc) Zwar fordert der BFH beim Übergang von Verlusten einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Personengesellschaft für eine Verlustnutzung, dass die Identität des bisherigen Betriebs innerhalb der Gesamttätigkeit des aufnehmenden Betriebs gewahrt bleibe. Das ist danach zu beurteilen, ob die Tätigkeit im Rahmen der aufnehmenden Gesellschaft sich nach den das Gesamtbild prägenden Merkmalen wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell als die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit darstellt (vgl. BFH in BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348; in BFHE 143, 276, BStBl II 1985, 403). Allerdings kommt es nach Auffassung des I. Senats des BFH auf das Merkmal der Unternehmensidentität bei Verlusten von Kapitalgesellschaften nicht an. Denn ausgehend von § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG sei es zwangsläufige Folge, dass der Verlustausgleich und -abzug sich auf denselben weiten Betriebsbegriff beziehen müsse (BFH, Urteil vom 29. Oktober 1986 – I R 318/83 –, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, Rn. 28). Dies habe zwar eine unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits zur Folge. Aber die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmer“ seien dort eben anders als bei der Kapitalgesellschaft definiert (BFH, Urteil vom 29. Oktober 1986 – I R 318/83 –, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, Rn. 28, ablehnend FG München, Urteil vom 27. September 1990 – 15 K 15181/85 –, EFG 1991, 272). Auf ein persönliches oder sachliches Substrat zwischen der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Verlustentstehung und jenem der Verlustnutzung komme es deswegen nicht an.
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dd) In der Literatur wird das Problem -soweit erkennbarnur von vier Autoren diskutiert, welche die Notwendigkeit der Fortführung des übernommenen Unternehmens für erforderlich halten. Suchanek/Hesse lehnen sich an die Rechtsprechung des BFH zu den Personengesellschaften an und fordern, dass die Identität des übergehenden Unternehmens innerhalb der Gesamttätigkeit der aufnehmenden Gesellschaft gewahrt bleiben müsse (Suchanek/Hesse in: Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, § 10a Gewerbeverlust, Rn. 87). Eine „Vereinnahmung“ des übergehenden Gewerbebetriebs durch die Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft lasse sich nicht rechtfertigen. Jedenfalls für Zwecke der künftigen Verlustnutzung umfasse § 2 Abs. 2 GewStG nicht den auf die Kapitalgesellschaft übergehenden Betrieb. Eine Verlustverrechnung setze in diesem Fall also die Fortführung des Betriebs bis zum Verbrauch der auf Ebene der Personengesellschaft erwirtschafteten Verluste voraus (Suchanek, Ubg 2020, 57 (62)). Kleinheisterkamp (in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Gewerbeverlust) ist der Auffassung, dass die Unternehmensidentität bei Kapitalgesellschaften zwar keine Bedeutung habe. Dies gelte jedoch u.a. nicht für den Fall, dass ein gewerbliches Unternehmen, bei dem nicht verbrauchte Fehlbeträge bestehen, auf eine Körperschaft im Wege der Anwachsung übergingen (Kleinheisterkamp in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Gewerbeverlust, Rn. 43). In diesen Fällen sei eine Verlustnutzung ausgeschlossen, wenn das übergegangene Unternehmen nach Anwachsung eingestellt werde oder nicht fortgeführt werden könne. Der verlustverursachende Betrieb müsse bis zur vollständigen Verrechnung der Fehlbeträge fortgeführt werden (zustimmend Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Auflage, § 10a z. 23).
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ee) Nach Auffassung des Senats sprechen die besseren Gründe dafür, sich der Auffassung der Urteile des FG Düsseldorf sowie des Sächsischen FG anzuschließen. Eine Fortführung der Tätigkeit der übernommenen KG ist nicht erforderlich. Nach der Anwachsung verbleibt bei der Körperschaft ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Es gibt nicht zwei oder mehr Teil-Gewerbebetriebe. Daher ist die Unternehmensidentität solange gewahrt, wie der (gesamte) Betrieb der aufnehmenden Kapitalgesellschaft nicht veräußert oder aufgegeben wurde. Dies entspricht auch der bisherigen Auffassung des BFH. Dieser hat wie unter aa) ausgeführt eine Verrechnung ebenfalls im Fall einer Anwachsung angenommen (BFH, Urteil vom 2. März 1983 – I R 85/79 –, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427). Zudem gilt nach dem für Körperschaften zuständigen I. Senat des BFH die Unternehmensidentität nicht im Rahmen von Verlustnutzungen innerhalb einer Kapitalgesellschaft. Warum dies in den Fällen von übernommenen Verlusten anders sein soll – wie von der herrschenden Literatur angenommenerschließt sich dem Senat nicht. Zurückgegriffen wird zur Begründung auf Urteile des BFH, die zur Verlustnutzung bei Personengesellschaften ergangen sind. Diese sind indes nicht geeignet, um die vorliegende Konstellation rechtlich einzuordnen. Denn § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG führt eine Besonderheit nur für Kapitalgesellschaften ein. Damit werden die verschiedenen Gewerbebetriebe nicht vollständig gleichbehandelt. Die grundsätzliche vom Gesetzgeber verfolgte Rechtsformneutralität wird im Gesetz durchbrochen. Dann aber sind die sich daraus ergebenden Folgen hinzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn durch die Anwendung des weiten Betriebsbegriffes die Kapitalgesellschaft für Zwecke der Verlustnutzung gegenüber Personengesellschaften Vorteile haben. Für eine andere Sichtweise fehlt nach Auffassung des Senats die Rechtsgrundlage. Es ist Sache des Gesetzgebers eine von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG abweichende Behandlung des Verlustabzugs bei Kapitalgesellschaften im Allgemeinen oder für den Fall der Nutzung eines von einer Personengesellschaft übernommenen Verlusts zu regeln.
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d) Eine Verrechnung der durch die Anwachsung auf die Klägerin übergegangenen Verluste war nicht im Jahr 2011 möglich. Denn der Verlustfeststellungsbescheid der KG nach § 10a GewStG datiert auf den 31.12.2011. Zwar ist nach Auffassung des Senats die KG durch die Anwachsung bereits zum 30.12.2011 vollbeendet. Jedoch ändern (mögliche) materielle Fehler des Grundlagenbescheids nichts an der Bindungswirkung des Bescheids. Insofern hat das Finanzamt A (auch) festgestellt, dass die KG bis zum 31.12.2011 existiert hat. Daran ist der Senat gebunden. Der Verlustfeststellungsbescheid nach § 10a GewStG ist nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens. Aufgrund dessen konnte der Verlust erst nach dem 31. Dezember 2011 von der Klägerin genutzt werden. Die Nutzung eines festgestellten Gewerbeverlusts durch den Gesamtrechtsnachfolger ist nicht in einem früheren Erhebungszeitraum möglich, als dieser Verlust vom Rechtsvorgänger hätte geltend gemacht werden können (BFH, Urteil vom 2. März 1983 – I R 85/79 –, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427, Rn. 17). Die KG hätte ohne Anwachsung den Verlust, der zum 31. Dezember 2011 festgestellt wurde, erst im Jahr 2012 verwenden können. Denn sowohl der Gewerbesteuermessbescheid 2012 als auch der Verlustfeststellungsbescheid 2012 wären Folgebescheide der KG, in denen der Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2011 zu berücksichtigen wäre.
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3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Zum einen ist zur Frage des Übergangs von Verlusten im Sinne des § 15a EStG im Wege der Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Zum anderen ist bezüglich der Frage, ob die Nutzung eines übernommenen gewerbesteuerlichen Verlusts an die Fortführung des übernommenen Betriebs im Rahmen der Unternehmensidentität erforderlich ist, eine Revision beim BFH unter III R 30/21 anhängig.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 711 ZPO. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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5. Der Fall war zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 90a FGO geeignet. Weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache steht der Entscheidung durch Gerichtsbescheid ebenfalls nicht entgegen (Herbert in Gräber, FGO, § 90a Rn.5 m.w.N.). Denn der Gerichtsbescheid kann im Hinblick auf die streitigen Rechtsfragen mit der zugelassenen Revision angefochten werden.