Inhalt

AG München, Endurteil v. 03.02.2023 – 331 C 11723/22
Titel:

Grundsätze des Werkstattrisikos bei Teilbegleichung der Rechnung

Normenkette:
BGB § 249
Leitsätze:
1. Der erforderliche Herstellungsaufwand bestimmt sich nach den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Behebung des eingetretenen Schadens. Insoweit ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zu Grunde zu legen: Der Geschädigte, der nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Höhe der erforderlichen Reparaturkosten entsprechend dieses Gutachtens Reparaturauftrag erteilt und sich sodann gemäß der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Reparaturwerkstatt deren Werklohnanspruch ausgesetzt sieht, soll am Risiko, dass die Reparaturkosten dass tatsächlich zur Wiederherstellung erforderliche Maß übersteigen, nur in dem Maße beteiligt werden, in welchem er hierauf tatsächlich Einfluss nehmen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rechnung ganz oder nur teilweise beglichen worden ist. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters aus drängt es sich auf, dass der Mehraufwand für eine im Interesse des Infektionsschutzes erfolgende Desinfektionsmaßnahme und die hiermit verbundenen Kosten von einer Kfz-Werkstatt, die als gewinnorientiertes Unternehmen betrieben wird, an den Kunden weitergegeben werden; sie sind daher ersatzfähig. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Desinfektionskosten, Werkstattrisiko
Rechtsmittelinstanz:
AG München, Berichtigungsbeschluss vom 03.03.2023 – 331 C 11723/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 36606

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 1.275,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 13.04.2022 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13.04.2022 zu bezahlen.
2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Der Streitwert wird auf 1.275,49 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 18.01.2022 in ....
2
Beteiligt war das Kraftfahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …
3
Die alleinige Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem Unfallereignis ist zwischen den Parteien unstreitig.
4
Streit besteht hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit restlicher Reparaturkosten.
5
Der Kläger ließ das Klägerfahrzeug zunächst von einem Sachverständigen begutachten. Dieser hat erforderliche Reparaturkosten in Höhe von 12.814,53 € ermittelt. Nach Erhalt des Sachverständigengutachtens ließ der das Klägerfahrzeug anhand der Vorgaben des Gutachtens reparieren. Die Reparaturwerkstatt berechnete hierfür 14.209,21 € brutto.
6
Die Beklagte zahlte hierauf vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 12.933,71 €.
7
Die Differenz in Höhe von 1.275, 49 € macht der Kläger nebst Zinsen geltend.
8
Daneben macht der Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.
9
Der Kläger beantragt:
1.1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 1.275,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 13.04.2022 zu bezahlen.
Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.275,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13.04.2022 Zug-um-Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers wegen angeblicher Überzahlung aus dem mit der Reparaturwerkstatt … anlässlich des Unfalls vom 18.01.2022 geschlossenen Werkvertrag gegen …, zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 80,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13.04.2022, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt:
11
Klageabweisung.
12
Die Beklagte trägt vor, am Klägerfahrzeug sei nur ein Reparaturschaden in Höhe von 12.933,71 € entstanden. In der Rechnung enthaltene Kosten für die Position „Fehlersuche/Fehlerspeicher löschen“ sei überhöht. Es wird bestritten, dass der Radarsensor beschädigt worden war. Geschraubte und leicht montierbare Bauteile werden im ausgebauten Zustand lackiert, wodurch sich die Lackvorbereitungszeit vermindern würde. In Abzug zu bringen seien auch die Kosten für „Corona Schutzmaßnahmen“. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die nicht beglichene Rechnung der Reparaturwerkstatt keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten entfalte.
13
Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
14
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist begründet.
16
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 1 PflVG aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis in Höhe von 1.275,49 €.
17
Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
18
Streit besteht nur über restliche Reparaturkosten.
19
Nach Ansicht des Gerichts kann der Kläger restliche Reparaturkosten in Höhe von 1.275,49 € von der Beklagten verlangen.
20
Der Kläger hat sein Fahrzeug unstreitig reparieren lassen.
21
Der Klagepartei stehen die vollen aus der Anlage K 2 hervorgehenden und von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten für die Fahrzeuginstandsetzung und damit auch die strittigen Kosten für die Positionen „Fehlersuche/Fehlerspeicher löschen“, „Radarsensor“, „Lackierung“ und der abgerechneten „Corona-Schutzmaßnahmen“ zu.
22
Das Gericht erachtet die geltend gemachten Abzüge insgesamt als unberechtigt bzw. umgekehrt den Rechnungsbetrag als vollumfänglich erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
23
Hintergrund dessen ist das für die Klagepartei streitende Werkstatt- bzw. Prognoserisiko, das auch in der hier streitgegenständlichen Konstellation anzuwenden ist.
24
Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (Auswahl oder Überwachungs-)Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974 – VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 12); in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann.
25
Weil der Kläger sein Fahrzeug vorliegend unstreitig im „…“ reparieren lies und den Schaden konkret abrechnet, waren weitere Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der abgerechneten Positionen nicht veranlasst. Denn die Klagepartei durfte den von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Betrag für erforderlich halten: „Diese tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten können regelmäßig auch dann für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten unangemessen sind.“ (so Landgericht München I, Urteil vom 30.11.2015, Az. 19 O 14528/12).
26
Sobald der Geschädigte sein Fahrzeug zwecks Reparatur an die Reparaturwerkstatt übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zulasten des Geschädigten gehen, welcher ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde. Dem Geschädigten sind auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen.
27
Vorliegend hat der Kläger seinen Schaden konkret abgerechnet und sein Fahrzeug unstreitig nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens auf Basis dieses Gutachtens in einer markengebundenen … Werkstatt reparieren lassen.
28
Die im einzelnen streitigen Positionen sind allesamt erstattungsfähig. Das Gericht kann ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden nicht feststellen.
Im Einzelnen:
29
Bereits im Privatgutachten des Klägers war die Position „Auslesen des Datenspeichers“ abgerechnet. Deshalb durfte der Kläger den von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Betrag insoweit unproblematisch für erforderlich halten.
30
Auch die abgerechneten Positionen für „Rammschutz aus- und eingebaut“, „Radarsensor eingestellt“, „Radarsensor aus- und eingebaut“ und „Steuergerät ersetzt“ durfte der Kläger nach Ansicht des Gerichts für erforderlich halten, auch wenn diese Position im Privatgutachten nicht enthalten waren. Denn unstreitg ist, dass der Werkstattbetrieb über einen Serviceberater mitteilte, dass der Radarsensor nach der Reparatur nicht eingestellt werden konnte, weshalb es notwendig war, das Steuerungsgerät auszutauschen. Für den Kläger ist nicht erkennbar, ob dies technisch nachvollziehbar ist, weshalb ihm insofern kein Verschulden vorzuwerfen ist. Weiter sei darauf hingewiesen, dass Reparaturerweiterungen per se keinen begründeten Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der abgerechneten Positionen geben, weil ein Sachverständigengutachten nur die wahrscheinlichen Reparaturkosten prognostiziert. Es ist nicht untypisch, dass bei Durchführung der Reparatur weitere Arbeiten erforderlich werden, sodass der Kläger hier – insbesondere wegen des Hinweises der Reparaturwerkstatt – schutzwürdig erscheint.
31
Nach Ansicht des Gerichts durfte der Kläger auch die Kosten der „Lackierung“ erforderlich halten. Dass – so der Vortrag der Beklagtenseite – geschraubte und leicht montierbare Bauteile im ausgebauten Zustand und nicht am Fahrzeug lackiert werden und sich dadurch die Lackierzeit von 3,1 Stunden auf einen Zeitbedarf von 2,5 Stunden reduziert ist für den Kläger selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags nicht erkennbar und begründet keinen Anlass, an der Richtigkeit der abgerechneten Position zu zweifeln.
32
Auch aus der inhaltlichen Natur der Abzüge, soweit sie die „Corona-Kosten“ betreffen, ergibt sich hier nichts anderes.
33
Mit dem Argument, dass Kosten dieser Art den Gemeinkosten des Betriebs zuzuordnen sind, weil sie gerade auch das Werkstattpersonal schützen sollen, kann die Beklagte das erkennende Gericht nicht überzeugen. Vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters aus drängt es sich auf, dass der Mehraufwand für eine im Interesse des Infektionsschutzes erfolgende Desinfektionsmaßnahme und die hiermit verbundenen Kosten von einer Kfz-Werkstatt, die als gewinnorientiertes Unternehmen betrieben wird, an den Kunden weitergegeben werden. Daher kann sich die Beklagtenseite nicht auf den Standpunkt stellen, der Kläger hätte erkennen können, dass Kosten dieser Art nicht anfallen bzw. dass sie nicht gesondert berechnet werden. Es sei auf die zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls bzw. der entsprechenden Fahrzeuginstandsetzung gegebene Pandemie-Situation hingewiesen. Desinfektionsmaßnahmen bei in Betracht kommenden Kontaktflächen zur Vermeidung einer Schmierinfektion von politischer und wissenschaftlicher Seite aus Gründen der Vorsorge (werden und) wurden empfohlen.
34
Anders als die Beklagtenseite meint, bedarf es auch keiner Vereinbarung über die Vergütungsfähigkeit der Desinfektionsklosten. Denn der vom Geschädigten erteilte Reparaturauftrag umfasst sämtliche Schritte, die im Rahmen der Instandsetzung notwendig werden. Der Geschädigte schuldet Entgelt für die Instandsetzung insgesamt und nicht für jeden einzelnen dabei vorgenommenen Arbeitsschritt.
35
Schließlich war der Hinweis der Beklagtenseite, die Corona-Schutzmaßnahmen seien nicht durchgeführt worden, als Einwand ins Blaue hinein zu werten. Nach Ansicht des Gerichts würde das Werkstattrisiko aber auch vor einem solchen Einwand schützen, weil der Geschädigte gerade keinen Einfluss darauf hatte, dass entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden oder nicht und es für ihn auch an der Erkennbarkeit fehlt.
36
Dass die abgerechneten Positionen nicht kausal auf den streitigen Verkehrsunfall beruhen würden, kann das Gericht nicht erkennen. Ohne das streitgegenständliche Unfallgeschehen wäre keine Reparaturbedürftigkeit entstanden und demgemäß auch nicht die Notwendigkeit, im Rahmen der Instandsetzungsmaßnahmen Vorsorge zum Infektionsschutz zu treffen. Mit der Verursachung des Verkehrsunfalls hat der Schädiger für den Geschädigten die Gefahr, dass Kosten dieser Art entstehen werden, auch adäquat kausal hervorgerufen.
37
Zuletzt erachtet das Gericht die Erhöhung der Reparaturkosten insgesamt, gegenüber dem Privatgutachten als noch nicht derart gravierend, dass der Kläger an der Richtigkeit der Reparatur durch die ausgewählte … Vertragswerkstatt zweifeln müsste. Denn der von der Werkstatt abgerechnete Betrag liegt nicht derart weit von den prognostizierten Kosten des Sachverständigen entfernt, dass sich daraus ein Auswahlverschulden hergeleitet werden könnte (Siehe dazu BGH, Urteil vom 26.04.2022, Az. VI ZR 147/21, der annimmt, dass eine rund 15 % höhere Reparaturrechnung ein Auswahlverschulden allein nicht belegt).
38
Streitig war zwischen den Parteien besonders, ob die Grundsätze des Werkstattrisikos auch dann angewendet werden können, wenn die Reparaturrechnung bisher noch nicht (vollständig) beglichen wurde.
39
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist eine Indizwirkung auch in dieser Konstellation angebracht.
40
Der erforderliche Herstellungsaufwand bestimmt sich nämlich nicht allein nach Art und Ausmaß des Schadens, sondern auch nach den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Behebung des eingetretenen Schadens (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90). Insoweit ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zu Grunde zu legen: Der Geschädigte, der nach Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Höhe der erforderlichen Reparaturkosten entsprechend dieses Gutachtens Reparaturauftrag erteilt und sich sodann gemäß der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Reparaturwerkstatt deren Werklohnanspruch ausgesetzt sieht, soll am Risiko, dass die Reparaturkosten dass tatsächlich zur Wiederherstellung erforderliche Maß übersteigen, nur in dem Maße beteiligt werden, in welchem er hierauf tatsächlich Einfluss nehmen kann. Daran anknüpfend kommen dem Geschädigten die Vorteile der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht zugute, wenn er auch im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten bei sorgfältiger Prüfung der Reparaturrechnung hätte erkennen können, dass hier überhöhte Positionen bzw. nicht zur Behebung des unfallbedingten Schadens erforderliche Positionen in Rechnung gestellt werden oder wenn ihn in sonstiger Weise ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Reparaturwerkstatt trifft. Letzteres ist aus Sicht des angerufenen Gerichts hier nicht hinreichend dargetan.
41
Der dargelegten subjektbezogenen Schadensbetrachtung liegt eine Risikobewertung zu Gunsten des Geschädigten zugrunde. Diese greift nach Auffassung des erkennenden Gerichts in gleicher Weise, ob nun der Geschädigte die Rechnung bereits begleichen hat oder nicht. Der Geschädigte ist unzweifelhaft einem Werklohnanspruch ausgesetzt. Er kann in Anspruch genommen und verklagt werden und soll am Risiko, dass die Reparatur nicht richtig, unwirtschaftlich oder sonst fehlerhaft durchgeführt wurde nicht beteiligt werden.
42
Nichts anderes ergibt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten bei noch nicht beglichener Honorarrechnung (vgl. BGH, Urteil vom 19.7.2016, Az. VI ZR 491/15 sowie jüngst BGH, Urteil vom 5.6.2018, Az. VI ZR 185/16 = DAR 2018, 674). Die sich aus dieser Rechtsprechung ergebende Wertung, dass einer unbeglichenen Honorarrechnung im Falle einer Zession keine Indizwirkung zukomme, ist auf die hier im Raum stehende Fallkonstellation nicht übertragbar. Zwar trifft es zu, dass derjenige Aufwand, der zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich ist, nicht pauschal durch den in Rechnung gestellten Betrag abgebildet wird, sondern dem tatsächlich zur Befriedigung des Finanzierungsbedarfs des Geschädigten objektiv erforderlichen Geldbetrag zur Durchführung der Reparatur entspricht (BGH, Urteil vom 5.6.2018, Az. VI ZR 185/16 = DAR 2018, 674, 675). Unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten bildet jedoch im hier zu entscheidenden Fall, wenn der Geschädigte nach Maßgabe eines Sachverständigengutachtens reparieren lässt, der in der Rechnung verlautbarte Betrag denjenigen Aufwand ab, der aus Sicht des Geschädigten zur Durchführung der Reparatur erforderlich ist. Der Geschädigte hat nämlich aufgrund des zuvor eingeholten Sachverständigengutachtens einen konkreten Anhaltspunkt, in welcher Größenordnung Reparaturkosten voraussichtlich anfallen werden und ist im Vertrauen hierauf eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Werklohns eingegangen.
43
Damit steht dem Kläger im Ergebnis ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.275,49 € zu.
44
Die Anwendungen der Grundsätze des Werkstattrisikos auf die hier zu entscheidende Streitkonstellation schützt den Geschädigten und benachteiligt die Beklagte nicht unangemessen, weil diese nach Annahme des unstreitig abgegebenen Abtretungsangebots durch Annahmeerklärung Gelegenheit erhält, ihre Einwendungen gegenüber der Reparaturwerkstatt vorzutragen und Regress zu nehmen (Wegen des unstreitig abgegebenen Abtretungsangebotes war eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht angezeigt). Das insoweit bestehende Prozessrisiko ist dem Schädiger und nicht dem Geschädigten aufzuerlegen.
45
Der Klage war damit in der Hauptsache in vollem Umfange stattzugeben.
46
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz von restlichen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 80,44 €.
47
Verzug bestand, wie von Beklagtenseite nicht bestritten, seit dem 13.04.2022, § 286 BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben von diesem Tag weitere Zahlungen verweigert.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
49
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
50
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.