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AG München, Endurteil v. 12.07.2023 – 171 C 3319/23
Titel:

Keine Informationspflicht eines Reiseveranstalters über das Erfordernis des "Vorhandenseins" eines (gültigen) Reisepasses

Normenketten:
BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 651a Abs. 1, Abs. 2, § 651d Abs. 1, § 651i Abs. 1, Abs. 3 Nr. 7, § 651n Abs. 2, § 651o Abs. 1
EGBGB Art. 250 § 3 Nr. 6
Leitsätze:
1. Der Reiseveranstalter ist nicht verpflichtet, den Reisenden darüber zu informieren, dass für eine Pauschalreise ins Ausland ein gültiger Reisepass vorhanden sein muss. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Reiseveranstalter obliegt keine Informationspflicht über das Erfordernis des "Vorhandenseins" eines (gültigen) Reisepasses. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reiseveranstalter, Informationspflicht, Vorhandensein, gültiger Reisepass
Fundstellen:
NJOZ 2024, 85
LSK 2023, 36592
BeckRS 2023, 36592

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen,
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils voelstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voilstrackung Sicherheit in Hdhe von
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch aus einem Reisevertrag.
2
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Reise für sich und Frau ... (im Folgenden: „Mitreisende“) nach Dubai vom ... bis zum ... zum Preis von € 2.200,00. Die Reiseleistungen umfassen sowohl Hin- als auch Rückflug von Düsseldorf nach Dubai sowie sieben Nächte in einer Unterkunft in Dubai für den Kläger und die Mitreisende. Etwaige Ansprüche der Mitreisenden aus dem Reisevertrag mit der ...  GmbH trat dieselbe dem Kläger mittels schriftlichem Abtretungsvertrag vom 02.05 2023 ab. Der Kläger konnte seine Reise mangels gültigen Reisepasses nicht antreten. Mit Schreiben vorn 16.11.2022 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 02.12.2022 zur Rückzahlung aufgefordert, die bis heute nicht erfolgt ist.
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Der Kläger behauptet, auch die Mitreisende habe zum Reisezeitpunkt nicht über einen gültigen Reisepass verfügt. Der Kläger bringt vor, er sei nicht explizit über Pass- und Visumerfordernisse oder Fristen zur Erlangung entsprechender Dokumente informiert worden.
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Die Beklagte behauptet auf der anderen Seite, der Kläger habe das Büro der ... GmbH aufgesucht, Dort seien ihm von Herrn ... – einem Mitarbeiter des Reisebüros – am 12.10.2022 Einreisehinweise für dieV. A. E. erteilt worden. Die Aussagen des Herrn ... hätten auch Hinweise über die Erforderlichkeit eines gültigen Reisepasses umfasst.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die in den Art. 250 §§ 2, 3 Nr. 6 EGBGB geregelten vorvertraglichen Informationspflichten einen Hinweis auf die allgemeinen Pass- und Visumerfordernisse für Dubai enthalten müssten. Er erachtet das Vorhandensein eines Reisepasses für dieV. A. E. nicht für einen allgemein bekannten und offenkundigen Umstand,
6
Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.200,00 nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.01.2023 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren gegenüber den Rechtsanwälten ... in Höhe von EUR 367,23 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen
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Die Beklagte beantragt
die kostenpflichtige Klageabweisung.
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Die Parteien stimmten der Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit den Schriftsätzen vom 30.05.2023 und 07.06.2023 zu. Das Gericht hat keine Beweisaufnahme und keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Zustimmung beider Parteien wurde im Wege des schriftlichen Verfahrens entschieden. Wegen des weiteren Sachvortrags und der rechtlichen Argumentation wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist zulässig, aber unbegründet.
10
Die Klage zum Amtsgericht München ist zulässig, da insbesondere dessen sachliche ( 1, 2 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 1,71 GVG ) und örtliche Zuständigkeit ( 12, 17 ZPO) vorliegt.
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Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 2.200,- nebst Zinsen gegen die Beklagte.
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Ein Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus §§ 651i Abs. 1, 3 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB i.V.m. § 651d Abs. 1 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 651d Abs. 1 BGB, da es bereits an einer Verletzung von Informationspflichten i.S.d. § 651d Abs. 1 BGB durch die Beklagte bzw. das vermittelnde Reisebüro fehlt.
13
Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Pauschalreisevertrag i.S.v. § 651a I, II BGB geschlossen.
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Die besonderen Gewährleistungsrechte des Reisevertragsrechts sind zwar mit Abschluss des Vertrags anwendbar (BGH v. 20.3.1986 -VII ZR 187/85, BGHZ 97. 2551). Es jedoch schon keine Informationspflicht der Beklagten als Reiseveranstalter über das Erfordernis des "Vorhandenseins" eines (gültigen) Reisepasses.
15
Entsprechende Informationspflichten bei Pauschalreiseverträge sind gesetzlich normiert ( 651d BGB i.V.m. Art. 250 § 1-10 EGBGB) und damit lex specialis gegenüber allgemeinen Informationspflichten. In Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB findet sich die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über "allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes", einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Ist der Hinweis hinreichend und rechtzeitig gegeben, muss wiederum der Reisende entsprechend seiner Mitwirkungspflicht die erforderlichen Dokumente vorhalten (BGH NJW 2017, 2677 Rn. 15; OLG CeIle v. 6.8.2020 - 11 U 113/19, BeckRS 2020, 20757 Rn. 14, LG Duisburg, NJW-RR 2013, 59; LG Frankfurt v. 26.01.2023-2-24051/22-, Rn. 22).
16
Der Hinweis auf die Notwendigkeit des „Vorhandenseins“ eines (gültigen) Reisepasses ist allerdings nicht von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB umfasst, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den hinter Art. 250 § 3 EGBGB stehenden teleologischen Erwägungen. Demnach sollen die den Reiseveranstalter treffenden Informationspflichten den Reisenden auf Umstände hinweisen, die ihm möglicherweise unbekannt sind, weil dieser mit der Reise gerade auch unbekanntes Terrain erkunden möchte. Der Reiseveranstalter hat die hierfür erforderliche Organisation übernommen und somit ein Informationsgefälle gegenüber dem Reisenden auszugleichen, Mit den reiserechtlichen Informationspflichten soll der Reisekunde deshalb vornehmlich über Umstände informiert werden, die ihm unbekannte Gegebenheiten am Reiseziel sowie den Transport dorthin betreffen und für das Gelingen der Reise erforderlich sind, wozu auch aufenthaltsrechtliche Bestimmungen gehören, ohne daran Beachtung der Reisende das Reiseziel nicht betreten darf. Die Pflicht zur Information über allgemeine Pass- und Visumerfordernisse bezieht sich allerdings allein auf solche Erfordernisse, die sich aus dem Reisender Transitland ergeben, das der Reisende betreten möchte. Der BGH geht daher in seinem Urteil vom 20.05.2014 (X ZR 134/13 – Rn, 12 f,» NJW 2014, 2955 zur Einreise eines italienischen Klägers in die Vereinigten Staaten) davon aus. dass die "Gültigkeit" eines Reisepasses für eine Reise eine Selbstverständlichkeit darstellt und kein sich aus dem Reiseland selbst ergebendes Erfordernis, auf das der Reisende hinzuweisen ist. Die Gültigkeit betrifft vielmehr nationale Vorschriften, die der Reisende einzuhalten hat. Die Annahme einer solchen Selbstverständlichkeit muss daher erst Recht für das „Vorhandensein“ eines Reisepasses gelten. Der Umstand, dass ein Reisedokument benötigt wird, ist nicht allein reiseerfahrenen Touristen bekannt und für solche offenkundig, Schon die allgemeine Lebenserfahrung lässt durch den Begriff "Reise“-Pass darauf schließen, dass ein entsprechendes Dokument grundsätzlich für Reisen erforderlich ist, Auch inländische Bestimmungen, insbesondere die Passpflicht (vgl. SS I. 3 PaßG), zeugen davon, dass sich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Reisepasses nicht erst aus den Erfordernissen des Reiselandes – hier denV. A. E.n – ergibt, sondern vielmehr aus nationalen Bestimmungen. Etwas anderes kann sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass innerhalb der Europäischen Union zur Gewährleistung der Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 21 AELIV) die Besonderheit gilt, die das Vorhandensein eines Personalausweises für Reisen innerhalb der EU-Grenzen ausreichen lässt. Die Freizügigkeit stellt eine unionsrechtliche Ausnahme für Reisen, nicht die Regel dar. Der BGH führt aus: "Dass ein Reisepass für die Einreise gültig sein muss, ist eine Selbstverständlichkeit, die keines Hinweises an den Reisenden bedarf."
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Auf eine Beweiserhebung betreffend die Tatsachen rund um den Abschluss des Reisevertrags und etwaige erfolgte Hinweise kommt nicht an.
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Mangels Zahlungsanspruchs hat der Kläger auch keine Ansprüche auf etwaige Verzugszinsen §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1 S. BGB), vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (§§ 280 Abs. 1. 2f 286 BGB) und Rechtshängigkeitszinsen (§§ 291 S. t, 288Abs. 1 S. 1 BGB iVm S. 253 ZPO} hieraus.
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Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. I S. 1 Fall 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11 Alt. 2, § 711 ZPO.