Inhalt

AG Gemünden, Endbeschluss v. 26.07.2023 – 002 F 48/23
Titel:

Leistungsfähigkeit bei Einsatz des Vermögensstamms für Kindesunterhalt

Normenkette:
BGB § 1603
Leitsätze:
Die Umrechnung von Kapital in eine Monatsrente für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit für Kindesunterhalt kann anhand der vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen erfolgen, indem durch den dortigen Vervielfältiger dividiert wird. (Rn. 29)
Auch im Rahmen der erweiterten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Vermögensstamm zur Befriedigung des Mindestbedarfs des Kindes nur in dem Maße herangezogen werden, wie unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Lebensdauer, freilich unter gleichzeitiger Einbeziehung etwa zu erwartender künftiger Erwerbsmöglichkeiten, der notwendige Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen bis an das Lebensende gesichert bleibt (so auch BGH BeckRS 1988, 1481). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindesunterhalt, Leistungsfähigkeit, dauernde Erwerbsunfähigkeit, Einsatz des Vermögensstamms, Umrechnung von Kapital in Monatsrente, Erwerbsunfähigkeit, Vermögen, Kapital, Kapitalwert, Umrechnung, Monatsrente, Vervielfältiger
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1211
BeckRS 2023, 36586
LSK 2023, 36586
NJOZ 2024, 238

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.768,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner wegen Unterhaltsvorschussleistungen in Anspruch.
2
Der am ... 1967 geborene Antragsgegner ist der Vater des Kindes K, geboren am ...2005. Das Kind erzielt kein Einkommen und lebt bei seiner Mutter. Die Mutter erzielt aus einer Tätigkeit als … ein Nettoeinkommen von 2.481,66 EUR.
3
Der Antragsteller erbringt für das Kind seit dem 01.02.2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, ab Juli 2022 in Höhe von 314 EUR monatlich. Die Leistungen werden voraussichtlich mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes am ….2023 eingestellt. Das Kindergeld bezieht die Mutter.
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Der Antragsgegner war bis zum Jahr 2014 als selbständiger Raumausstatter tätig. Er erlitt im Jahr 2014 einen hypoxischen Hirnschaden nach einem Herzinfarkt mit Herzstillstand und ist seitdem nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
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Der Antragsgegner erhielt zum 01.07.2022 eine Kapitalzahlung aus einer Lebensversicherung in Höhe von 98.843,22 EUR. Zum 01.08.2027 werden ihm aus einer weiteren Versicherung 37.375 EUR ausgezahlt werden.
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Die vom Antragsgegner voraussichtlich ab August 2034 bezogene Altersrente wird nach dem Stand von 2020 monatlich 713,03 EUR betragen.
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Für eine private Kranken- und Pflegeversicherung wendet er monatlich 500 EUR auf, bei einem vereinbarten jährlichen Selbstbehalt in Höhe von 1.200 EUR.
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Der Antragsgegner lebt im Haus seiner Mutter und entrichtet eine monatliche Miete von 150 EUR.
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Leistungen auf den Unterhaltsanspruch erbrachte der Antragsgegner nicht.
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Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner verfüge außerdem über Wertpapiere im Wert von 13.098 EUR.
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Der Antragsteller meint, dass der Antragsgegner aufgrund seiner gesteigerten Unterhaltspflicht angesichts des Gesamtbetrags des geltend gemachten Unterhalts in Höhe von voraussichtlich 4.402,62 EUR leistungsfähig sei. Aus seinem Vermögen könne er eine Rendite von bis zu 7,8% jährlich erzielen. Ihm sei zuzumuten, zur Deckung seines Lebensunterhalts Sozialleistungen zu beziehen. Aufgrund der niedrigen Wohnkosten sei eine Reduzierung des Selbstbehalts geboten.
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Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, ab 01.07.2022 100% des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe für das Kind K, geb. ….2005, veränderlich gemäß § 1612a Abs. 1 BGB, vermindert um das Kindergeld für ein erstes Kind, an den Antragsteller zu zahlen, Zahlbetrag bei Antragstellung somit monatlich 314,00 EUR.
13
Der Antragsgegner beantragt,
diesen Antrag abzuweisen.
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Der Antragsgegner behauptet, er habe keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungs- oder Berufsunfähigkeitsrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Er habe auch keine Ansprüche auf laufende Leistungen aus privaten Versicherungen.
15
Der Antragsgegner meint, dass ihn angesichts der Einkünfte der Kindesmutter keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit bzw. Obliegenheit zur Verwertung seines Vermögens treffe.
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Der Antragsteller hat diesen Anspruch zunächst im vereinfachten Verfahren gemäß § 249 ff. FamFG geltend gemacht. Nach Erhebung der Einwendung fehlender Leistungsfähigkeit durch den Antragsgegner ist das streitige Verfahren durchgeführt worden.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2023 Bezug genommen.
II.
18
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
19
1. Der Antragsgegner ist für den begehrten, dem Grunde nach bestehenden Unterhalt nicht leistungsfähig. Er ist außerstande, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt für seine Tochter zu gewähren, was auch unter Berücksichtigung seiner gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht seiner Inanspruchnahme entgegensteht.
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a) Zwar muss der unterhaltspflichtige Elternteil in Ermangelung sonstiger Mittel grundsätzlich auch den Vermögensstamm zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen, aber die Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstammes findet dort ihre Grenze, wo der Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen tangiert wird (BGH 02.11.1988 – IVb ZR 7/88, FamRZ 1989, 170, 171; BGH 21.11.2012 – XII ZR 150/10, FamRZ 2013, 203 Rn. 34). Leistungsfähig ist der Unterhaltspflichtige nur, wenn er auf Dauer selbst gesichert ist, wobei die gesamte voraussichtliche Lebensdauer des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen ist. Auch im Rahmen der erweiterten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Vermögensstamm zur Befriedigung des Mindestbedarfs des Kindes nur in dem Maße herangezogen werden, dass unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Lebensdauer, freilich unter gleichzeitiger Einbeziehung etwa zu erwartender künftiger Erwerbsmöglichkeiten, der notwendige Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen bis an das Lebensende gesichert bleibt (BGH 02.11.1988 – IVb ZR 7/88, FamRZ 1989, 170, 171 f.).
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b) Bei Beachtung dieser Maßstäbe ist der Antragsgegner nicht leistungsfähig.
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aa) Er ist dauerhaft nicht erwerbsfähig. Eine Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit ist nicht zu erwarten.
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Sonstige laufende Einkünfte erzielt der Antragsgegner nicht und kann solche auch nicht erzielen. Er hat durch Vorlage eines Schreibens der Deutschen Rentenversicherung ... vom 29.09.2020 belegt, dass die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung, namentlich die Erbringungen von Pflichtbeiträgen für drei Jahre in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI), nicht vorliegen. Aus dem im Rahmen des vereinfachten Verfahrens vorgelegten Schreiben der ... AG vom 28.01.2022 ergibt sich, dass die Rente aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. … zum 30.06.2022 erlischt bzw. umgewandelt wird. Aus dem weiteren Schreiben der ... AG vom 20.05.2022 zum Lebensversicherungsvertrag Nr. … ergibt sich, dass aus dieser Versicherung eine Kapitalzahlung zum Ablauf der Versicherung in Höhe von 98.843,22 EUR erfolgt.
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bb) Der Antragsgegner ist daher zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf sein Vermögen, einschließlich der erworbenen Rentenanwartschaften angewiesen. Dieses ist nicht ausreichend, um seinen notwendigen Selbstbehalt zu decken.
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Hinsichtlich des Vermögens des Antragsgegners steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er zum 01.07.2022 einen Betrag von 98.843,22 erhalten hat und daneben nicht über ein nennenswertes Wertpapierdepot verfügt. Der Antragsgegner hat einen Depotauszug der B-Bank zum 31.12.2022 vorgelegt, wonach in seinem Depot 6 I. AG Inhaber-Aktien mit einem Kurswert von je 2,48 EUR verwahrt wurden. Soweit der Antragsteller auf früher vorhandene Wertpapiere verweist, hat der Antragsgegner nachgewiesen, dass diese veräußert wurden. Zum 31.12.2018 verfügte der Antragsgegner in seinem Depot bei der B-Bank neben 20 I.a AG Inhaber-Aktien über 60 D. AG Namens-Aktien o.N. mit einem Kurswert von 103,25 EUR, insgesamt mithin 6.195 EUR. Er verfügte weiter in einem Depot der U. über 135,257 Anteile des Fonds V. mit einem Kurswert von 55,78 EUR, insgesamt mithin 7.600,42 EUR. Der Antragsgegner hat aber nachgewiesen, dass er diese Wertpapiere zwischenzeitlich verwertet hat. So hat er zum einen eine Verkaufsabrechnung der B-Bank vom 30.11.2021 vorgelegt, wonach 60 Aktien der D. AG zum Kurs von 139,50 EUR verkauft und ihm nach Abzug von Gebühren 6.335,67 EUR gutgeschrieben wurden. Er hat weiter zwei Kontoauszüge der B-Bank vorgelegt, aus denen sich Gutschriften der U. zugunsten des Antragsgegners über 3.000 EUR am 30.01.2019 und über 4.812,38 EUR am 08.08.2019 ergeben. Aus den Angaben auf den Kontoauszügen ergibt sich, dass im ersten Fall 52,854 Anteile des V. und im zweiten Fall 83,710 Anteile des V. veräußert wurden, insgesamt also 136,564 Anteile, was sich praktisch mit der Anzahl der Ende 2018 vorhandenen Anteile deckt. Es ist gänzlich plausibel, dass sich die Anzahl der Anteile durch Ausschüttungen und Wiederanlage in diesem Umfang erhöht hat. Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, dass die Aktien der I. AG heute einen Kurswert von 100,20 EUR je Stück haben, betrifft die dazu vorgelegte Anlage K9 eine Anleihe der I. AG und gerade nicht die Aktie, deren Kurswert im Bereich weniger Euro schwankt. Dem Gericht erscheint es ohne Weiteres plausibel, dass der Antragsgegner die Verkaufserlöse der Wertpapiere für seinen Lebensunterhalt verbraucht hat.
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Weiter ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner zum 01.08.2027 eine einmalige Kapitalzahlung von 37.375 EUR erhalten wird. Weitere Einkünfte wird der Antragsgegner aller Voraussicht nach bis zum Bezug der Altersrente ab August 2034 nicht haben. Aus dem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung ... vom 29.09.2020 ergibt sich, dass der Antragsgegner zum damaligen Zeitpunkt eine Regelaltersrente von 713,03 EUR zu erwarten hatte, was angesichts des im September 2020 maßgeblichen Rentenwerts von 34,19 EUR 20,8549 Entgeltpunkten entsprach. Aktuell würde dies einer monatlichen Rente von 784,14 EUR, wobei dieser Wert bis zum Beginn der Rentenzahlung voraussichtlich steigen wird.
27
cc) Mit diesem Vermögen ist der Antragsgegner nicht in der Lage, Unterhalt zu leisten, ohne seinen Selbstbehalt zu gefährden.
28
Der notwendige Eigenbedarf eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen betrug für das Jahr 2022 960 EUR und ab dem Jahr 2023 1.120 EUR. Der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners ist nicht deswegen herabzusetzen, weil er für seine Wohnung weniger als die in den Selbstbehaltsätzen berücksichtigten 430 EUR (im Jahr 2022) bzw. 520 EUR (Im Jahr 2023) aufwendet. Es unterliegt nämlich grundsätzlich der freien Disposition des Unterhaltspflichtigen, wie er die ihm zu belassenden, ohnehin knappen Mittel nutzt. Ihm ist es deshalb nicht verwehrt, seine Bedürfnisse anders als in den Unterhaltstabellen vorgesehen zu gewichten und sich z.B. mit einer preiswerteren Wohnung zu begnügen, um zusätzliche Mittel für andere Zwecke einsetzen zu können. Diese Lebensgestaltungsautonomie kann dem Unterhaltsschuldner auch gegenüber Unterhaltsansprüchen für ein minderjähriges Kind nicht verwehrt werden (BGH 23.08.2006 – XII ZR 26/04, FamRZ 2006, 1664, 1666). Nichts anderes gilt aufgrund des Umstands, dass der Antragsgegner eine im Eigentum seiner Mutter stehende Wohnung bewohnt. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung eines Dritten an den Unterhaltsverpflichteten, die bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit nur dann zu beachten ist, wenn sie nach dem Willen des Dritten nicht allein dem Unterhaltsverpflichteten zugute kommen sollen, sondern auch dem Unterhaltsberechtigten (BGH 22.02.1995 – XII ZR 80/94, NJW 1995, 1486, 1488). Dafür, dass eine verbilligte Überlassung von Wohnraum der Unterhaltsberechtigten zugute kommen soll, gibt es hier keine Anhaltspunkte.
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Inwieweit der Antragsgegner seinen notwendigen Lebensbedarf mit seinem Vermögen decken kann, ist grundsätzlich durch Umrechnung des Kapitals in eine Monatsrente unter Berücksichtigung seiner statistischen Lebenserwartung zu ermitteln. Diese Berechnung gewährleistet, dass dem Unterhaltspflichtigen ein zur Bestreitung seines laufenden Lebensbedarfs ausreichendes Einkommen dauerhaft zur Verfügung steht (BGH 21.11.2012 – XII ZR 150/10, FamRZ 2013, 203, 206 Rn. 38). Sie kann anhand der vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen (vom 04.10.2021, GZ: IV C 7 – S 3104/19/10001 :006, DOK: 2021/0863034 für Bewertungsstichtage ab 01.01.2022 und vom 14.11.2022, GZ: IV C 7 – S 3104/19/10001 :008, DOK 2022/1108041 für Bewertungsstichtage ab 01.01.2023) erfolgen, indem durch den dortigen Vervielfältiger dividiert wird. Zieht man zugunsten des Antragstellers die niedrigeren Werte des Schreibens vom 14.11.2022 heran, ist bei einem Alter des Antragsgegners von rund 55 Jahren bei Auszahlung von 98.843,22 EUR am 01.07.2022 ein „Vervielfältiger“ von 13,993 anzusetzen, so dass sich eine Jahresrente von 7.063,76 EUR bzw. 588,65 EUR monatlich ergibt. Für den im Jahr 2027, also im Alter von 60 Jahren, zu erwartenden Betrag ist ein „Vervielfältiger“ von 12,824 anzusetzen, was zu einer Jahressumme von 2.914,46 EUR bzw. 242,87 EUR monatlich ergibt. Angesichts des Umstands, dass der Kapitalwert unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit 5,5 Prozent errechnet worden ist, scheidet eine weitere Berücksichtigung möglicher Kapitalerträge aus.
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Mit diesen Beträgen ist der Antragsgegner insbesondere unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung nicht leistungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass der Antragsgegner ab August 2034 zudem über eine Altersrente verfügen wird, sich seine Einkommenssituation also verändern wird. Aufgrund dieser Veränderung wird eine gleichmäßige Verteilung des Kapitals auf die zu erwartende Lebenszeit den Verhältnissen des Antragsgegners nicht gerecht. In den Jahren bis 2027 würde der Kapitalverzehr zu gering angesetzt und in den Jahren ab 2034 würde das dem Antragsgegner zur Verfügung stehende Kapital überzeichnet.
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Bei Ansatz eines Kapitalverzehrs in Höhe des notwendigen Selbstbehalts, also 960 EUR im Jahr 2022 und 1.120 EUR ab 2023, ist auch unter Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht gegeben. Das Kapital würde sich im Jahr 2022 ab Juli um insgesamt 5.760 EUR verringern. Bei einer unter den gegenwärtigen Marktbedingungen mit einer sicheren Anlage – eine andere erscheint dem Antragsgegner angesichts seines Angewiesenseins auf das Kapital nicht zumutbar – bei großzügiger Betrachtung zu erzielenden Rendite von 4% stünde dem ein Ertrag von rund 2.000 EUR im Jahr 2022 gegenüber. In den Jahren 2023 bis Juli 2027 würde sich das Kapital um (54*1.120 =) 60.480 EUR verringern, was noch zu erwartende Erhöhungen des notwendigen Selbstbehalts unberücksichtigt lässt. Aufgrund des abschmelzenden Kapitals fällt der Zinsertrag von anfänglich rund 4.000 EUR jedes Jahr geringer aus, so dass zum Zeitpunkt der weiteren Zahlung im August 2027 der Antragsgegner allenfalls noch über ein Vermögen von rund 50.000 EUR verfügen würde. Setzt man zu diesem Zeitpunkt aufgrund der weiteren Auszahlung von 37.375 EUR einen Betrag von 87.375 EUR an, so ist bei einem monatlichen Kapitalverzehr von 1.120 EUR (wiederum ohne Berücksichtigung von Erhöhungen des Selbstbehalts) bis zum Bezug der Altersrente sieben Jahre später ein Betrag von 94.080 EUR verbraucht. Dem stünde ein zu erwartender Kapitalertrag im niedrigen fünfstelligen Bereich (ca. 14.000 EUR) gegenüber, so dass der Antragsgegner bei Bezug der Altersrente allenfalls noch über ein geringfügiges Vermögen verfügen würde, was angesichts der deutlich unter dem Selbstbehalt liegenden zu erwartenden Altersrente keine Leistungsfähigkeit begründet. Hinzukommt, dass dabei Aufwendungen des Antragsgegners für die private Kranken- und Pflegeversicherung nicht berücksichtigt sind. Dass er ab Bezug der Altersrente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung in Höhe von derzeit 8,1% der Altersrente erhalten würde (§ 106 SGB VI), fällt nicht ins Gewicht.
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Gegen die Annahme der fehlenden Leistungsfähigkeit lässt sich auch nicht einwenden, dass der vom Antragsteller geforderte Unterhalt aufgrund des Wegfalls der Unterhaltsvorschussleistungen mit Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter des Antragsgegners insgesamt im Vergleich zum Vermögen des Antragsgegners gering ist. Der Antragsteller hat die Gesamthöhe seiner Forderung mit 4.402,65 EUR beziffert. Zwar beläuft sich dieser Betrag auf weniger als 5% des dem Antragsgegner im Jahr 2022 zugeflossenen Betrags. Würde dieser Betrag anhand des Vervielfältigers zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen auf einen monatlichen Betrag umgelegt, ergäbe sich eine monatliche Belastung des Antragsgegners von (4.402,65 /13,993 /12 =) 26,22 EUR, allerdings für die gesamte voraussichtliche Lebensdauer des Antragsgegners. Eine solche Betrachtung ist aber nicht zulässig. Maßgeblich ist, dass das vorhandene Vermögen des Antragsgegners nicht ausreicht, seinen Eigenbedarf zu sichern. Eine vermeintlich geringe absolute Belastung des Unterhaltspflichtigen kann den Umstand, dass sein eigener Bedarf nicht gedeckt ist, nicht überwiegen.
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Dem Antragsgegner ist es auch nicht zuzumuten, Unterhalt zu leisten, weil er auch Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen könnte. Der Unterhaltspflichtige darf durch die Leistung von Unterhalt nicht selbst sozialhilfebedürftig werden (Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 8 Rn. 14). Dass sein Vermögen für sich Sicherung des eigenen Unterhalts in absehbarer Zeit erschöpft sein wird und er deshalb später voraussichtlich auf öffentliche Unterstützung angewiesen sein wird, rechtfertigt es nicht, ihn als weniger schonungsbedürftig anzusehen (BGH 02.11.1988 – IVb ZR 7/88, FamRZ 1989, 170, 171).
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dd) Auf die Frage, ob die gesteigerte Unterhaltspflicht des Antragsgegners wegen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter entfällt, kommt es somit nicht an.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Der Antragsteller ist unterlegen.
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3. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 FamGKG.