Inhalt

LG Bayreuth, Endurteil v. 30.11.2023 – 1 HK O 30/23
Titel:

Der Zwischenhändler als Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinn des Strompreisgrenzgesetzes

Normenketten:
StromPBG §§ 2, 4, 20, 22a
EnWG 2 Nr. 16
Leitsätze:
1. § 2 Nr. 16 EnWG definiert nicht den Begriff ”Netz", sondern setzt ihn voraus und regelt, dass Netze aus Kundenanlagen keine Energieversorgungsnetze sind.   (Rn. 33 – 34)
2. Das Tatbestandsmerkmal ”über ein Netz" in § 2 Nr. 6 Strompreisbremsegesetz nimmt die Stromversorgung über Kundenanlagen vom Definitionsbereich des Energieversorgungsunternehmens aus und enthält keine weitere aus der grammatischen Auslegung des Begriffes ”Netz" ableitbare Einschränkung.   (Rn. 35)
3. Das Tatbestandsmerkmal ”über ein Netz" in § 2 Nr. 6 Strompreisbremsegesetz ist vielmehr in Abgrenzung vom Begriff des Letztverbrauchers nach § 2 Nr. 6 StromPBG teleologisch so auszulegen, dass ortsfeste Kunden, die an einer Netzentnahmestelle von einem mehrere Netzentnahmestellen bedienenden Zwischenhändler mit Strom beliefert werden, die Eigenschaft als Letztverbraucher und damit den Anspruch aus § 4 StromPBG nicht deshalb verlieren, weil der Zwischenhändler aus Sicht des Kunden nicht beeinflussbar die Bereitstellung des Energieversorgungsnetzes bis zur jeweiligen Netzanschlussstelle integriert mit der Stromlieferung vom selben Vorlieferanten bezieht.   (Rn. 40)
4. Ein Zwischenhändler, der von seinen Vorlieferanten mit integrierten Lieferverträgen Strom und Netzkapazität bis zu einer Vielzahl von Netzentnahmestellen bezieht und ab diesen Netzentnahmestellen an ortsfeste Kunden mit längerfristiger Bindung weiterverkauft, ist kein Letztverbraucher, sondern Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach §2 Nr. 6 Strompreisbremsegesetz.   (Rn. 42)
5. § 22a Strompreisbremsegesetz regelt einen Vorauszahlungsanspruch, der nach Ende des Entlastungszeitraums abzurechnen ist. (Rn. 43)
Schlagworte:
Strompreisbremse, Elektrizitätsversorgungsunternehmen, Letztverbraucher, Zwischenhändler, Stromnetz
Rechtsmittelinstanz:
LG Bayreuth, Berichtigungsbeschluss vom 30.11.2023 – 1 HK O 30/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 36540

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Vorauszahlung gemäß § 22a StromPBG EUR 1.472.086,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 2. Oktober 2023 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte für die Monate Oktober 2023 bis Dezember 2023 einen Anspruch auf Vorauszahlung gemäß § 22a StromPBG hat.
3. Der Feststellungsantrag zu 3) ist in der Hauptsache erledigt.
4. Die Widerklage wird abgewiesen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.796.963,44 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Erstattungsansprüche aus dem Strompreisbremsegesetz (StromPBG).
2
Das Gesetz dient der Entlastung der von stark steigenden Stromkosten betroffenen Letztverbraucher insbesondere durch Abschöpfung von erzielten Überschusserlösen der Betreiber von Stromerzeugungsanlagen (§ 1 StromPBG), aber auch durch Zuschüsse aus Bundesmitteln.
3
Nach § 4 des Gesetzes müssen Elektrizitätsversorgungsunternehmen dem Letztverbraucher einen Entlastungsbetrag (maximal 2 Millionen Euro je Letztverbraucher, § 9 StromPBG) gewähren, dafür gibt ihnen § 20 des Gesetzes einen finanziellen Anspruch auf Erstattung der so geleisteten Entlastungsbeträge gegenüber dem für die betreffende Netzentnahmestelle regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber. (Der nachfolgende Ausgleichs- und Refinanzierungsmechanismus ist für den Rechtsstreit nicht von Belang.) § 22a StromPBG regelt einen Anspruch auf Vorauszahlung nach bloßer Anmeldung (Abs. 4); die Beträge sind abzurechnen.
4
Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne des Strompreisbremse-Gesetzes ist „jede natürliche oder juristische Person, die Strom über ein Netz an Letztverbraucher liefert“, § 2 Ziffer 6 StromPBG.
5
Die Klägerin kauft Strom insbesondere bei regionalen Energielieferanten ein und verkauft diesen Strom an ihre Kunden – v.a. Einrichtungen, Werke, Dienste und Verbände im kirchlichen, diakonischen und sozialen Bereich. Dabei schließt sie mit ihren Kunden „integrierte“ Stromlieferungsverträge ab, in denen die Beklagte als Lieferantin nicht nur den Strom als solchen liefert, sondern auch die Netznutzung bis zur Entnahmestelle und deren Bezahlung abwickelt (Muster K6). Die Verträge haben in der Regel Laufzeiten zwischen einem Jahr und drei Jahren.
6
Mit ihren (Vor-) Lieferanten vereinbart sie ebenfalls, dass diese nicht nur den Strom liefern, sondern auch die Netznutzung bis zur jeweiligen Entnahmestelle abwickeln (und gegenüber dem Netzbetreiber vergüten) – Muster K7.
7
Andere Lieferanten schließen getrennte Verträge mit Vorlieferanten über die Stromlieferung und mit Netzbetreibern über die Netznutzung bis zur Entnahmestelle.
8
Die Klägerin gewährte ihren Kunden nach § 4 StromPBG berechnete Entlastungsbeträge. Das Volumen der von der Klägerin an ihre Kunden (in allen Regelzonen) gewährten Entlastungsbeträge liegt in einer Größenordnung von 6 Millionen Euro.
9
Für die Monate Januar 2023 bis März 2023 hat die Klägerin von der Beklagten nach entsprechender Anzeige (§ 22a Abs. 4 StromPBG) Vorauszahlungen nach §§ 20, 22 a StromPBG in Höhe von 736.043,01 € erhalten.
10
Für die folgenden Monate ab April 23 hat die Klägerin nach entsprechender Anzeige (§ 22a Abs. 4 StromPBG) bei der Beklagten jeweils 245.347,67 € monatliche Vorauszahlung beantragt, aber nicht erhalten. Im Gegenteil erklärte die Beklagte, die bereits bezahlten Beträge stünden unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
11
Die Beklagte ist regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreiberin (§ 3 Nr. 10a EnWG) in mehreren Bundesländern.
12
Die Klägerin meint, sie sei Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne von § 2 Nummer 6 StromPBG. Insbesondere beliefere sie ihre Kunden über ein Netz, anders sei die Belieferung technisch gar nicht möglich. Dass es sich dabei um das eigene Netz der Klägerin handele, sei vom Gesetzgeber nicht gefordert, auch nicht, dass die Klägerin selbst (anstelle ihrer Vorlieferanten) Netznutzungsverträge abschließe. Die Vorlieferanten belieferten die Kunden jeweils im Auftrag der Klägerin.
13
Die von ihr an die Beklagten berechneten Beträge entsprächen den von ihr an Kunden (mit Netzentnahmestellen im Bereich der Beklagten) jeweils geleisteten Entlastungsbeträgen. Mit Ziffer 1 der Klage macht sie die nicht geleisteten Vorauszahlungen nach § 22a StromPBG für die Monate April bis September 2023 geltend.
14
Die Klägerin beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.472.086,02 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte für die Monate Oktober 2023 bis Dezember 2023 einen Anspruch auf Vorauszahlung gemäß § 22a StromPBG hat.
15
Den Antrag
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin derzeit keinen Anspruch auf Rückzahlung der für die Monate Januar 2023 bis März 2023 gezahlten Erstattungsbeträge i.H.v. EUR 736.043,01 hat.
erklärt die Klägerin angesichts der Widerklage für erledigt.
16
Die Beklagte beantragt Klageabweisung und stimmt der Erledigterklärung nicht zu. Sie erhebt Widerklage mit dem Antrag die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 736.043,01 € nebst Zinsen ab Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.
17
Die Klägerin beantragt Abweisung der Widerklage.
18
Die Beklagte trägt vor:
19
Nachdem keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien bestehen, liege kein Handelsgeschäft vor und die KfH sei funktionell nicht zuständig. Den Anspruch aus § 20 StromPBG sieht die Beklagte als rein gesetzliche Schuldverhältnis ohne rechtsgeschäftlichen Bezug. Dies betreffe auch das Kondiktionsverhältnis der Widerklage.
20
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin kein Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne von § 2 Nummer 6 StromPBG sei, denn sie beliefert ihre Kunden nicht „über ein Netz“ sondern erst ab der jeweiligen Entnahmestelle. Mit der Stromübertragung bis dorthin hat die Klägerin Dritte (ihre Vorlieferanten bzw. deren Vertragspartner) beauftragt. Zwischen Vorlieferant und Kunde bestehe keine vertragliche Beziehung.
21
Tatsächlich sei die Klägerin im Regelungsbereich des StromPBG Letztverbraucherin (§ 2 Nr. 12 StromPBG: „jede natürliche oder juristische Person [ist], die an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke des eigenen oder fremden Verbrauchs hinter dieser Netzentnahmestelle mit Strom beliefert wird oder in den Fällen des § 7 den Strom ohne Lieferung entnimmt,“).
22
Weder müsse die Klägerin ihren Endkunden die Entlastungsbeträge gewähren (dies müssten die Vorlieferanten tun, gegebenenfalls die Klägerin dies an ihre Kunden weiterleiten), noch bestehe ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten (sondern der Klägerin bzw. deren Endkunden gegenüber den Vorlieferanten nach § 4 und der Vorlieferanten gegenüber der Beklagten nach § 20 StromPBG). Auch das zuständige Bundesministerium sei dieser Meinung (Anlage B1, Ziffer 18).
23
Die nach ihrer Ansicht ohne Rechtsgrund gewährten Zahlungen für Januar bis März fordert die Beklagte mit der Widerklage zurück.
24
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Auf den Akteninhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25
1. Die Klage ist zulässig (Antrag 3 als Feststellungsklage bei einseitiger Erledigterklärung), die Widerklage ist ebenfalls zulässig. Die angerufene Kammer für Handelssachen ist zur Entscheidung berufen.
26
Es handelt sich um eine Handelssache nach § 102 Abs. 2 EnWG, da die Passivlegitimation der Beklagten von einer aus dem EnWG zu bestimmenden Vorfrage abhängt, nämlich: ob die Beklagte regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreiberin ist, §§ 20, 2 Nr. 24 StromPBG mit ausdrücklichem Verweis auf § 3 Nr. 10a EnWG. Das ist zwar völlig unstreitig, jedoch gilt auch für klare Vorfragen § 102 Abs. 1 S. 2 EnWG (BeckOK EnWG/Pastohr EnWG § 102 Rn. 12).
27
2. Die Zahlungsklage (Antrag zu 1) ist mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung begründet.
28
Insbesondere ist die Klägerin ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 2 Nr. 6 Strompreisbremsegesetz. Nur solche Energieversorgungsunternehmen können den Anspruch nach § 20 StromPBG (und nachfolgend § 22a StromPBG) geltend machen. Nach systematischer und teleologischer Auslegung der Vorschrift ergibt sich dieses Ergebnis, wobei grammatische und historische Auslegung nicht entgegenstehen.
29
a) Der Begriff ist nach dem Strompreisbremsegesetz zwar enger gefasst als in anderen Gesetzen: nach § 3 Nummer 20 EEG war damals ein „Elektrizitätsversorgungsunternehmen jede natürliche oder juristische Person, die Elektrizität an Letztverbraucher liefert“, das Strompreisbremsegesetz engt die Definition ein auf „jede natürliche oder juristische Person, die Strom über ein Netz an Letztverbraucher liefert“ (§ 2 Nr. 6 StromPBG).
30
Unproblematisch liefert die Klägerin Strom an Letztverbraucher. Dass sie sich dazu Vorlieferanten bedient, ist per se unschädlich.
31
Aber auch die Einschränkung „über ein Netz“ steht der Einstufung der Klägerin als Energieversorgungsunternehmen nicht entgegen.
32
Dabei ist die Vorschrift dem Wortlaut nach wohl so zu lesen, dass es nicht darum geht, dass der Strom irgendwann irgendwo über ein Netz geliefert wird (dann wäre sie ohne jeden Regelungsgehalt) sondern dass die Lieferung gerade der Klägerin über ein Netz erfolgt sein muss.
33
Die gesetzliche Definition von „Netz“ (§ 2 Nr. 13 StromPBG) verweist auf § 3 Nr. 16 EnWG. Diese Vorschrift definiert indessen nicht, was ein Netz ist, sie schränkt den vorausgesetzten Begriff „Netz“ nur ein (“Elektrizitätsversorgungsnetze … über eine oder mehrere Spannungsebenen … mit Ausnahme von Kundenanlagen…“).
34
Ein Netz im sprachlichen Sinn ist eine zusammenhängende Menge von Verbindungen zwischen Knoten einschließlich der so verbundenen Knoten. Ein einzelner Knoten (die Netzentnahmestelle) ist im Wortsinn kein Netz. Die Leistung der Klägerin bezieht sich nun genau auf eine Netzentnahmestelle: bis dorthin lässt sie durch Dritte in deren Regie liefern, ab dort verkauft sie.
35
Es ist aber nicht so, dass der Gesetzgeber die Formulierung mit dieser von der Beklagten postulierten sprachlichen Genauigkeit hat fassen wollen. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass es dem Gesetzgeber nur darum ging, Liefersachverhalte innerhalb von Kundenanlagen auszuschließen.
36
Die gesetzliche Begründung (Bundestagsdrucksache 20/4685, Seite 76) führt denn auch hierzu an, dass notwendig sei, dass Strom über eine Netzentnahmestelle an einen Letztverbraucher geliefert wird und dass Liefersachverhalte innerhalb einer Kundenanlage nicht erfasst sein sollen. Wie der Strom an die Netzentnahmestelle kommt, wird nicht problematisiert. Zu Zwischenhändlern wie der Klägerin findet sich nichts. Es wäre aber anzunehmen gewesen, dass der Gesetzgeber, hätte er mit der Einschränkung wirtschaftlich so relevante Sachverhalte wie die Geschäftstätigkeit der Klägerin erfassen wollen, dies erwähnt hätte. .
37
Soweit steht der Einstufung der Klägerin als Energieversorgungsunternehmen nichts entgegen. Historisch und grammatisch kann die Vorschrift so ausgelegt werden, dass nicht „Netz“ im Wortsinn Voraussetzung ist, sondern eine Energieversorgungsanlage, die keine Kundenanlage im Sinn von § 3 Nr. 24 a oder 24b EnWG ist.
38
b) Das Energieversorgungsunternehmen ist systematisch abzugrenzen von dem Begriff des Letztverbrauchers nach dem Strompreisbremsegesetz, § 2 Nummer 12. Dieser Begriff ist weiter gefasst als in anderen Gesetzen: „Letztverbraucher“ ist jede natürliche oder juristische Person, die an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke des eigenen oder fremden Verbrauchs hinter dieser Netzentnahmestelle mit Strom beliefert wird. Im Gegensatz zu § 3 Nummer 25 EnWG: „Natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen; auch der Strombezug der Ladepunkte für Elektromobile steht dem Letztverbrauch im Sinne dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen gleich.“ Oder noch enger § 3 Nr. 33 EEG in der damals geltenden Fassung: „Letztverbraucher“ jede natürliche oder juristische Person, die Strom verbraucht.“
39
Die Klägerin ließe sich ohne weiteres unter den Begriff des Letztverbrauchers nach dem Strompreisbremsegesetz subsumieren, denn sie wird (von ihren Vorlieferanten) an einer Netzentnahmestelle zum Zwecke fremden Verbrauchs hinter dieser Netzentnahmestelle mit Strom beliefert. Dasselbe gilt indessen für ihre Kunden, die eben an dieser Netzentnahmestelle von der Klägerin zum Zwecke ihres eigenen Bedarfs beliefert werden. Die Netzentnahmestelle ändert sich nämlich nicht, sie ist physisch dieselbe unabhängig von den über sie abgewickelten Lieferbeziehungen.
40
Die Klägerin kann nun nicht gleichzeitig Letztverbraucher (mit Anspruch nach § 4 Strompreisbremsegesetz) und Elektrizitätsversorgungsunternehmen (mit Anspruch gegen die Beklagte) sein. Das Gesetz geht davon aus, dass die Entlastung des Letztverbrauchers genau einmal vorgenommen wird (und zwar von einem Energieversorgungsunternehmen), nicht dass ein und dieselbe Person beide Funktionen gleichzeitig wahrnimmt. Ist die Klägerin ein Energieversorgungsunternehmen, sind ihre Kunden Letztverbraucher, nicht sie selbst. Wäre sie selbst der Letztverbraucher, hätten ihre Kunden keinen Anspruch auf Entlastung nach § 4 StromPBG. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Letztverbrauchers, bewusst weit gefasst um den Kreis der nach § 4 StromPBG Berechtigten zu erweitern, nicht um wesentliche Verbraucherkreise aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszuschließen.
41
Die gesetzliche Begründung will zwar ausdrücklich auch die weiterleitende Person in sogenannten Weiterleitungssachverhalten erfassen, auch wenn in diesen Fällen der Strom von einer anderen Person letztverbraucht wird, wobei der Gesetzgeber aber nicht den hier gegebenen Sachverhalt, sondern wechselnde Kleinverbraucher hinter den jeweiligen Entnahmepunkten vor Augen hatte (Kfz-Ladesäulen und Landstromanlagen, Bundestagsdrucksache 20/4685, Seite 77). Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wie in einem solchen Fall der an letzter Stelle stehende Endverbraucher entlastet werden soll, aus dem Beispiel der Ladesäulenbetreiber ist zu vermuten, dass er davon ausgeht, dass dies nach dem Gesetz der Marktkonkurrenz geschehen solle. Kunden von Stromzwischenhändlern als nachgelagerte Endverbraucher mit längerer vertraglicher Bindung sind hier nicht erwähnt, was auch hier nahelegt, dass der Gesetzgeber diesen nicht zugunsten der Klägerin den Letztverbraucherstatus nehmen wollte.
42
Dies würde nämlich dazu führen, dass weite Kreise der tatsächlichen Endverbraucher (Kunden der Klägerin und vergleichbarer Stromzwischenhändler) keinen eigenen Anspruch nach § 4 StromPBG geltend machen könnten und von ihrem Zwischenhändler nur ohne Rechtsanspruch und wegen der Obergrenze in § 9 StromPBG nur teilweise (im Fall der Klägerin zu ca. einem Drittel) von Strompreisbremse entlastet würden. Es wäre mit dem Zweck des Gesetzes (§ 1 S.1: Entlastung der von stark steigenden Stromkosten betroffenen Letztverbraucher) nicht vereinbar, den Begriff des Letztverbrauchers – lediglich wegen des von den Kunden gar nicht erkennbaren und jeden Bezug zum Gesetzeszweck entbehrenden Kriteriums, dass die Klägerin mit ihren Vorlieferanten integrierte Belieferungsvertrage geschlossen hat, statt die Netznutzung gesondert zu kontraktieren – so auszulegen, dass die Klägerin als Letztverbraucher ihre Kunden von der Anwendung des Strompreisbremsegesetzes ausschließt. Zweckentsprechend ist es vielmehr, hier und in gleichgelagerten Sachverhalten der integrierten Stromlieferung zur Versorgung einer Vielzahl ortsfester Kunden an verschiedenen Orten und Entnahmestellen die Klägerin als Energieversorgungsunternehmen im Sinne des Gesetzes zu behandeln.
43
c) Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus den unstreitig gebliebenen Anmeldungen der Klägerin gem. § 22a Abs. 4 StromPBG. Dabei ist festzuhalten, dass es sich um einen Vorauszahlungsanspruch zur Liquiditätssicherung handelt, der unter erleichterten Voraussetzungen (geschätzte Beträge) gewährt wird. Ob die Klägerin tatsächlich Ansprüche aus § 20 StromPBG in der erkannten Höhe hat, ist erst nach Endabrechnung aller Entlastungen bestimmbar und zwischen den Parteien abzurechnen. Zinsen sind nur nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB geschuldet, da es sich um einen Anspruch aus gesetzlichem Schuldverhältnis, nicht aus Rechtsgeschäft handelt. Insoweit ist die Klage abgewiesen.
44
3. Nach dem Vorstehenden ist auch der nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsantrag begründet.
45
4. Ebenso ist die Widerklage – derzeit, d.h. vorbehaltlich der Endabrechnung aller Entlastungen zwischen den Parteien – unbegründet und der entgegenlaufende Feststellungsantrag zu 3) war ursprünglich begründet, so dass die Erledigung durch Erhebung der Widerklage antragsgemäß festzustellen ist (freilich ohne gesonderte Kostenfolge wegen wirtschaftlicher Identität, § 45 Abs. 1 Nr. 3 GKG).
46
5. Kosten: § 91, 92 II ZPO; Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO, Streitwert: § 3 ZPO, 45 Abs. 1 S. 1 und S. 3 GKG.