Titel:
Ermöglichung einer kaufmännisch vernünftigen Angebotskalkulation
Normenkette:
GWB § 97 Abs. 6
Leitsätze:
1. Werden in den Vergabeunterlagen nicht-preisliche Zuschlagskriterien wie zB Erfahrung der Projektleitung bekannt gemacht, die nach ihrem jeweiligen Erfüllungsgrad in Form von Schulnoten bewertet werden sollen, ist es nicht vergaberechtswidrig, wenn der Bieter nicht vorab erkennen kann, unter welchen konkreten Bedingungen eine Darstellung mit welcher Punktzahl zu bewerten ist. (Rn. 36 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vergabe von Tragwerksplanungsleistungen muss nicht zwingend die Leistungsphase 1 umfassen. (Rn. 42 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der Auftraggeber von einer Ausschreibung der Leistungsphase 1 abgesehen, so ist der bezuschlagte Tragwerksplaner nicht zur kostenlosen Erbringung von Leistungen der Leistungsphase 1 verpflichtet, auch wenn notwendige Vorleistungen aus dieser Leistungsphase fehlen. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ist jedenfalls dann nicht wegen Festlegung von Maximalstundensätzen unzumutbar, wenn diese Stundensätze nicht unangemessen niedrig sind und sie auch nur für zusätzliche Leistungen abgerechnet werden sollen. (Rn. 54 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kaufmännisch vernünftige Kalkulation, Ausschreibungsunterlagen, unzumutbare Beschränkung der Kalkulationsfreiheit, notwendige Ausschreibung Leistungsphase 1, langfristige Vertragsbindung, Tragwerksplanungsleistungen, Maximalstundensatz
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 06.12.2023 – Verg 7/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 36362
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von … EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom26.07.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 29.07.2022 unter Nr. 2022/S …, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über die Erbringung von Tragwerksplanungsleistungen für Gebäude im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus.
2
Die Zuschlagskriterien für die Angebote waren in den Vergabeunterlagen im Formblatt III.16.1 angegeben. Unter Punkt B war dort für die Bewertung der nicht-preislichen Zuschlagskriterien festgelegt:
„Die Nachweise und Angaben werden bei jedem einzelnen Unterkriterium mit 0-5 Punkten, je nach Erfüllungsgrad, folgendermaßen gewertet:
- ohne Einschränkung/herausragend erfüllt / sehr gut = 5 Punkte
- mit wenigen unerheblichen Einschränkungen erfüllt / gut = 4 Punkte
- mit mehreren unerheblichen oder wenigen erheblichen Einschränkungen erfüllt / befriedigend = 3 Punkte
- mit mehreren erheblichen Einschränkungen erfüllt / ausreichend = 2 Punkte
- weitgehend nicht erfüllt / mangelhaft = 1 Punkt
- nicht erfüllt / ungenügend = 0 Punkte“
3
Der Vertrag enthielt unter anderem folgende Passagen:
„[Der Auftraggeber] beabsichtigt, dem Auftragnehmer bei Fortsetzung der Planung und Durchführung der Baumaßnahme weitere Leistungen nach § 4 einzeln oder im Ganzen zu übertragen. […] Der Auftragnehmer ist verpflichtet, diese weiteren Leistungen zu erbringen, wenn sie an ihn innerhalb von 12 Monaten nach Fertigstellung der jeweils zuletzt übertragenen Leistungen vergeben werden.“
„Für Leistungen, die nach Zeitaufwand berechnet werden, werden folgende Stundensätze (netto) vergütet:
3.1 für den Büroinhaber/ Geschäftsführer € …/h (max. 117 €/h) *
3.2 für Mitarbeiter mit technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben, sofern sie nicht unter § 7, Ziff. 3.3 fallen € …/h (max. 82 €/h) *
3.3 für technische Zeichner/ CAD Bearbeiter oder sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation und technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben € …/h (max. 61 €/h) * Die Stundensätze orientieren sich an den Orientierungswerten des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr für freiberufliche Planerleistungen, die nach Stundenaufwand abgerechnet werden. Beträgt der vertragliche Leistungszeitraum mehr als fünf Jahre und ändert die Auftraggeberin – infolge einer Änderung der Orientierungswerte des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr – die bei ihr geltenden Höchstbeträge für Stundensätze, werden die hier vereinbarten Stundensätze frühestens nach Ablauf von fünf Jahren ab beidseitiger Vertragsunterzeichnung entsprechend angepasst. Bei allen anderen Verträgen gibt es keine dynamische Anpassung der Stundensätze.“
4
Die Antragstellerin reichte innerhalb der mit Änderungsbekanntmachung vom 30.08.2022 auf den 13.09.2022 verlängerte Frist ihren Teilnahmeantrag ein.
5
Mit Schreiben vom 30.08.2022 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig. Die Vorgaben für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit sowie die dazugehörige Auswahlmatrix seien unklar, auch sei die Beschränkung auf drei Referenzen unzulässig. Da ferner auch die Wertungskriterien für die Referenzen unzureichend seien, würden sie keine ordnungsgemäße Beurteilung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ermöglichen. Weiter beanstandet die Antragstellerin, dass die Zielerreichungsgrade intransparent seien, da unklar sei wann diese erfüllt bzw. nicht erfüllt seien, dass die Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 vergaberechtswidrig sei, da sie bei Beauftragung unentgeltlich erbracht werden müsse, dass eine Bindefrist für 12 Monate nach Fertigstellung der jeweils zuletzt übertragenen Leistungsphase sei unangemessen und dass die Antragstellerin durch die Festlegung von unangemessen niedrigen Maximalstundensätzen unangemessen benachteiligt werde.
6
Mit Schreiben vom 31.08.2022 antwortete die Antragsgegnerinder Antragstellerin, dass sie nicht in der von der Antragstellerin gesetzten Frist antworten könne und bat um Fristverlängerung. Am 02.09.2022 veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Änderungsbekanntmachung um der Rüge der Antragstellerin teilweise abzuhelfen.
7
Mit Schreiben vom 06.09.2022 antwortete die Antragsgegnerin der Antragstellerin, dass die Vergabeunterlagen klar und unmissverständlich seien, man habe sie dennoch zur Klarstellung geändert. Auch sei die Begrenzung auf drei Referenzen vergaberechtlich zulässig und die Wertungskriterien seien ausreichend um die technische und berufliche Leistungsfähigkeit beurteilen zu können. Auch die anderen von der Antragstellerin gerügten Punkte seien vergaberechtlich zulässig und angemessen.
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Am 09.09.2022 veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Änderungsbekanntmachung.
9
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht vollumfänglich abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.09.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
10
Mit Schreiben vom 16.01.2023 forderte die Antragsgegnerin die Bieter zur Angebotsabgabe auf, davon setzte sie die Vergabekammer mit Schriftsatz vom 27.01.2023 in Kenntnis.
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Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die von der Antragsgegnerin festgelegten Zielerreichungsgrade seien intransparent, es sei unklar, wann diese als nicht erfüllt und wann als herausragend erfüllt gewertet würden. Insbesondere sei unklar, ob eine vergleichende Wertung mit den Angaben der anderen Bieter erfolgen solle oder an welchem Maßstab die Beurteilung ansonsten erfolgen solle.
12
Auch sei die Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 unzulässig. Der Antragsgegner könne die in der Leistungsphase 1 zwingend von einem Tragwerksplaner zu erbringende Leistung nicht selbst erbringen. Insbesondere die Klärung der Aufgabenstellung erfolge in dieser Phase und sei ausschlaggebend für die weiteren Leistungsphasen. Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin sei auch die Art des Tragwerks noch nicht abschließend geklärt, da nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin die Wahl des Tragewerks Bestandteil der ausschreibungsgegenständlichen Planung sei. Damit sei ein Bieter im Falle der Bezuschlagung verpflichtet, diese Leistungen unentgeltlich zu erbringen.
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Ferner sei auch die Festlegung zur Bindefrist sowie der Maximalstundensätze unangemessen. Das OLG Celle habe entschieden, dass die Frage, ob ein öffentlicher Auftraggeber unwirksame Vertragsklauseln verwende, zwingend in einem Nachprüfungsverfahren zu klären sei. Ein Bieter könne sich ansonsten später nicht auf diese Unwirksamkeit der Vertragsklauseln berufen. Zudem würden potentiell unwirksame Vertragsklauseln auch dazu führen, dass die Bieter auf unterschiedlichen Grundlagen kalkulieren, was dazu führen könnte, dass die Angebote nicht mehr vergleichbar seien.
14
Die Regelungen zur Bindefrist, seien nicht hinreichend bestimmt, da die Antragsgegnerin lediglich beabsichtige die weiteren Leistungsphasen zu beauftragen, sie verpflichtet sich jedoch nicht zur weiteren Beauftragung. Zudem sei die Bindefrist unangemessen lange, da die Bindefrist nach jeder Leistungsphase neu beginne, würde eine Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) im Extremfall auf einer Kostenberechnung (Leistungsphase 3) beruhen, die mehrere Jahre zurückliege. Eine ordnungsgemäße Kalkulation sei damit unmöglich.
15
Auch die Regelungen zu den Maximalstundensätzen sei unangemessen. Die Festlegung beruhe auf Orientierungswerten aus dem Jahr 2019 und berücksichtige nicht den Bürostundensatz. Erschwerend komme hinzu, dass diese Stundensätze frühestens nach fünf Jahren angepasst werden könnten, damit blieben die Ereignisse der letzten Jahre, mehrere Jahre völlig unberücksichtigt. Eine ordnungsgemäße Kalkulation sei damit unmöglich.
16
Die Antragstellerin beantragt,
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das Vergabeverfahren in den Stand nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs und vor Abgabe der ersten Angebote zurückzuversetzen, sowie die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer zu überarbeiten.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten wird für notwendig erklärt.
4. Der Antragstellerin wird gemäß § 165 Abs. 1 GWB Akteneinsicht gewährt.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
1. Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 19.09.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin notwendigen Aufwendungen zu tragen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.
18
Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass Vertragsklauseln nur dann in einem Nachprüfungsverfahren auf ihre Wirksamkeit hin überprüft würden, wenn ein vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt bestehe, so auch das OLG Düsseldorf. Ein solcher Anknüpfungspunkt bestehe hier nicht, weshalb der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich dieser geltend gemachten Verstöße bereits unzulässig sei. Die Festlegung der Bindefrist und der Maximalstundensätze seien angemessen. Die Festlegungen zur Bindefrist seien hinreichend bestimmt, aus der Klausel ergebe sich hinreichend wann ihr Anwendungsbereich gegeben sei. Die Länge der Bindefrist ergebe sich aus der Schwierigkeit des Vorhabens und der dazu zu treffenden Entscheidung und benachteiligen die Bieter nicht unangemessen. Die Festlegung der Maximalstundensätze sei zudem nicht willkürlich erfolgt und erlaube eine ordnungsgemäße Kalkulation durch die Bieter. Die Antragsgegnerin hätte sogar einen Festpreis vorgeben dürfen, die Festlegung einer Obergrenze sei daher erst recht zulässig. Zudem würden die Stundensätze auch nur eine völlig untergeordnete Rolle bei der Abrechnung spielen. Das Honorar sei völlig frei anbietbar.
19
Auch die Zielerreichungsgrade seien nicht intransparent, sie würden jedenfalls den vom BGH in seiner Schulnotenrechtsprechung als ausreichend konkret und transparent angesehenen Maßstab erfüllen.
20
Ferner durfte die Antragsgegnerin von der Beauftragung der Leistungsphase 1 absehen. Die Antragsgegnerin habe die für die Erbringung der Leistungsphase 2 notwendigen Vorleistungen selbst erbracht. Zudem obliege es der Antragsgegnerin welche Leistungen sie zum Gegenstand eines Vertrages machen wolle.
21
In der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2023 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Auf Nachfrage der Vergabekammer teilte die Antragsgegnerin mit, dass mittlerweile ein erster Präsentationstermin stattgefunden habe, die Bewertung aber noch nicht abgeschlossen sei. Weiter erklärte die Antragstellerin, dass sich ihr Rechtsschutzziel geändert habe und sie ihre Anträge am Ende der Verhandlung entsprechend ändern werde. Mit der Auslosung der Antragstellerin seien die hinsichtlich der einzureichenden Referenzen und ihrer Bewertung geltend gemachten Vergaberechtsverstöße hinfällig geworden.
22
Die Antragstellerin erklärte, dass sie die Wertungskriterien nach wie vor für intransparent halte, dem hielt die Antragsgegnerin entgegen, dass sie eine Wertung nach modifizierten Schulnoten insbesondere in Anbetracht der BGH-Rechtsprechung für zulässig halte. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass die Schulnoten-Rechtsprechung des BGH einen sehr weiten Bewertungsspielraum zulasse, allerdings müsse die Antragsgegnerin die Wertung dann sehr gut dokumentieren.
23
Weiter diskutierten die Parteien, ob die Antragsgegnerin verpflichtet sei die Leistungsphase 1 zu beauftragen. Die Antragstellerin argumentierte, dass sie bei Nichtbeauftragung gegebenenfalls Leistungen unentgeltlich erbringen müsse, außerdem würden die Ergebnisse der Leistungsphase 1 Auswirkungen auf ihre Kalkulation der weiteren Leistungsphasen haben. Die Antragsgegnerin argumentierte, dass sie im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts selbst bestimmen dürfe was sie wie beauftrage.
24
Die Vergabekammer wies sodann darauf hin, dass sie keine allgemeine AGB-Kontrolle durchführe, außer es bestehe ein vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt. Die Antragstellerin erklärte, dass die Bindefrist Auswirkungen auf ihre Kalkulation habe, es sei unüblich die einzelnen Leistungsphasen zu beauftragen und nicht in Stufen zusammenzufassen, dadurch würden unzumutbar lange Bindefristen entstehen. Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, dass sie die Bindefristen für angemessen halte, diese seien auf Grund der internen Abläufe bei der Antragsgegnerin notwendig. Zudem sei es eine politische Entscheidung und keine vergaberechtliche wie und wann ein Vorhaben ausgeführt werde. Auf Nachfrage der Vergabekammer erklärte die Antragstellerin, dass sie ein Angebot abgegeben habe, um ihren Rechtsschutz nicht zu verlieren. Allerdings habe sie sowohl im Angebotsschreiben als auch im Bietergespräch darauf hingewiesen, dass sie eigentlich nicht habe kalkulieren können und ihr Angebot deshalb mit Risikozuschlägen versehen habe.
25
Sodann diskutierten die Parteien kontrovers die Frage, ob die im Vertrag aufgeführten Maximalstundensätze angemessen seien. Die Antragstellerin erklärte, dass man den Gemeinkostenfaktor berücksichtigen müsse und dass die hier festgelegten Werte auf Orientierungswerten aus dem Jahr 2019 beruhen würden. Diese seien bereits jetzt veraltet und in 6 Jahren noch mehr und daher unangemessen. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass ein Großteil des Auftrags nach HOAI abgerechnet werde und die Stundensätze keine große Relevanz hätten. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass Preisanpassungsklauseln bei Dienstleistungen nicht vorgeschrieben seien, dies sei auf Grund der aktuellen Situation höchst umstritten und könne durchaus zu einem Verhandlungsgegenstand in einem laufenden Verhandlungsverfahren gemacht werden. Die Antragstellerin erklärte, dass sie eine grundsätzliche Entscheidung haben wolle, ob die beanstandeten Klauseln unzumutbar seien.
26
Der Ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf die Vorsitzende und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
27
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
28
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber unbegründet.
29
Die Antragstellerin konnte insbesondere nicht überzeugend darlegen, dass durch die Vertragsklauseln zur Bindefrist und den vorgegebenen Maximalbeträgen für Leistungen, die nach Stundensätzen abgerechnet werden, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation nicht mehr zumutbar ist.
30
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
31
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
32
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert. Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
33
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag unter anderem durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die Beschränkung der Anzahl der einzureichenden Referenz und deren Bewertung, die intransparenten Zielerreichungsgrade bei den Zuschlagskriterien, der Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 sowie durch unangemessene Vertragsklauseln geltend gemacht.
34
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 GWB entgegen, da die Antragstellerin alle vorgebrachten Beanstandungen mit Schreiben vom 30.08.2022 und damit vor Ablauf der Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrags gegenüber der Antragsgegnerin gerügt hat.
35
2. Der Nachprüfungsantrag istjedoch unbegründet.
36
Die Antragstellerin ist weder durch den abstrakt formulierten Bewertungsmaßstab für die Zuschlagskriterien noch durch die von der Antragsgegnerin vorgegebenen Vertragsbedingungen in ihren Rechten verletzt.
37
2.1 Die von der Antragsgegnerin im Formblatt II.16.1 unter Buchstabe B vorgegebenen Erfüllungsgrade für die nicht-preislichen Zuschlagskriterien sind nicht zu beanstanden, auch wenn in den Vergabeunterlagen nicht beschrieben ist, wann bezüglich des Unterkriteriums „Erfahrung der Projektleitung/des Projektteams“ diese als „nicht erfüllt / ungenügend“ und wann als „ohne Einschränkung/ herausragend erfüllt“ anzusehen ist.
38
Die Schulnotenrechtsprechung des BGH (Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17) erfordert keine konkrete einzelfallbezogene Darstellung der Anforderungen für einzelne Bewertungsstufen. Vielmehr ist es zulässig, vorab abstrakte Leistungsanforderungen zu setzen, die in der Dokumentation der Wertung konkret zugeordnet werden. Damit erhält der Auftraggeber die Möglichkeit, bei den Zuschlagskriterien vorab nur allgemeine Anforderungen zu setzen. Die damit entstehenden Unwägbarkeiten muss der Auftraggeber in der Dokumentation ausgleichen, in der er erläutert, warum Angebot 1 die Anforderungen gut und Angebot 2 die Anforderungen nur befriedigend erfüllt hat. Entsprechend sind das Wertungssystem bzw. die Vorgaben, unter welchen konkreten Bedingungen eine Darstellung mit welcher Note zu bewerten ist, systemimmanent nicht abschließend bestimmbar und daher kann ein Bieter auch seine Benotung nicht konkret vorhersagen. Aufgrund dieser Offenheit bezüglich der von den Bietern einzureichenden Darstellungen und Konzepte ist es auch nicht zu beanstanden, wenn eine relativ vergleichende Bewertung der von den Bietern eingereichten Darstellungen und Konzepte nach den bekannt gemachten Bewertungsmaßstäben gleichmäßig vorgenommen wird.
39
Voraussetzung für einen Qualitätswettbewerb mit einer Bewertung anhand eines abstrakt formulierten, offenen Bewertungsmaßstab ähnlich Schulnoten ist lediglich, dass die Bieter anhand der Vorgaben der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, erkennen können, worauf der jeweilige Auftraggeber bei den Darstellungen und Konzepten Wert legt (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017, X ZB 3/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2019 – Verg 56/18).
40
Die Antragstellerin hat jedoch gerade nicht gerügt, dass sie nicht hätte erkennen können, worauf es der Antragsgegnerin bei der abgefragten Darstellung bezüglich der Erfahrung der Projektleitung, der stellvertretenden Projektleitung und des übrigen Projektteams ankommt, sondern lediglich, dass sie nicht vorab beurteilen könne, wie die von ihr darzustellenden Erfahrungen dann letztlich auch im Vergleich mit anderen Bietern beurteilt würden.
41
Die Antragsgegnerin konnte daher einen verhältnismäßig abstrakten Bewertungsmaßstab wählen, bei dem die Bieter nicht vorab erkennen konnten, unter welchen konkreten Bedingungen eine Darstellung mit welcher Punktzahl zu bewerten ist. Da der Nachprüfungsantrag in einem sehr frühen Stadium des Vergabeverfahrens gestellt wurde, ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch noch keine Bewertung der einzureichenden Konzepte erfolgt. Inwieweit daher die Antragsgegnerin der mit einem abstrakten Bewertungsmaßstab korrespondierenden Pflicht, eine vertretbare, in sich konsistente und nachvollziehbare Wertung durchzuführen und zu dokumentieren nachkommt, kann derzeit nicht beurteilt werden und war auch nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens.
42
2.2. Die Antragstellerin wird durch die Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 durch die Antragsgegnerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Vergabekammer die Befürchtungen der Antragstellerin, dass es durch die Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 zu Schwierigkeiten bei der Auftragsausführung kommen kann, durchaus nachvollziehen kann.
43
Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er beschaffen will. Die konkrete Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber muss sachlich gerechtfertigt sein und es bedarf nachvollziehbarer, objektiver und auftragsbezogener Gründe hierfür. Die Festlegung hat willkür- und diskriminierungsfrei zu erfolgen und die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten (ständige Rechtsprechung z.B. BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022, Verg 13/21 und Beschluss vom 25.03.2021, Verg 4/21; OLG Rostock, Beschluss vom 01.09.2021, 17 Verg 2/21; OLG München, Beschluss vom 26.03.2020, Verg 22/19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.06.2017 – Verg 53/16). Ob die Vorgaben erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (OLG Rostock, Beschluss vom 01.09.2021, 17 Verg 2/21). Die Frage der Zweckmäßigkeit einer Beschaffung ist keine vergaberechtliche, sondern allenfalls eine haushaltsrechtliche Frage und nicht im Nachprüfungsverfahren zu entscheiden.
44
Die Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall der Auffassung, dass auf Grund bereits bestehender Vorarbeiten des Objektplaners eine ausreichende Grundlage dafür vorhanden ist, dass ein Tragwerksplanungsbüro darauf aufsetzend sogleich mit den weiteren Leistungsphasen weiterarbeiten kann. Sie ist daher nicht verpflichtet, die Leistungsphase 1 mit zu vergeben. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 23.02.2023 vorträgt, dass der Bauherr die Leistungen der Leistungsphase 1 der Tragwerksplanung nicht selbst erbringen kann, sondern die technische Zuarbeit eines Tragwerksplaners notwendig ist, kann dem zwar grundsätzlich gefolgt werden. Allerdings müssen diese notwendigen Vorarbeiten nicht zwingend vom Tragswerksplanungsbüro erledigt werden, welches die übrigen Leistungsphasen der Tragwerksplanung durchführt, sondern können im Rahmen bereits erbrachter Vorarbeiten durchaus von Dritten durchgeführt werden.
45
Alle Bieter mussten aufgrund der Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 bei ihrer Kalkulation berücksichtigen, ob sie eventuell anfallenden Aufwand für das Erbringen von Leistungen der Leistungsphase 1 in ihrem Angebot einkalkulieren, weil sie von vorneherein davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin die entsprechenden Leistungen nicht so erbringen wird, wie es für die jeweiligen Büros passend wäre, oder ob sie auf die Zusagen der Antragsgegnerin vertrauen, diese Leistungen für sie ausreichend zu erbringen. Ein vorsorgliches Einkalkulieren wäre im Preisblatt durch entsprechende Zuschläge (oder geringere Abschläge) auf das Gesamthonorar der Grundleistungen jedenfalls möglich. Ebenso könnte sich die Antragstellerin aber auf den Standpunkt stellen, keinen zusätzlichen Aufwand für das Erbringen von Leistungen der Leistungsphase 1 in ihrem Angebot einzukalkulieren und im Falle einer ihrer Ansicht nach unzureichenden Erbringung der Leistungen der Leistungsphase 1 durch die Antragsgegnerin deren geschuldete Vorleistungen im Rahmen der Auftragsabwicklung auf zivilrechtlichem Weg durchzusetzen (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 03.11.2022 – 3194.Z3-3_07-3-19).
46
Zu einer unentgeltlichen Erbringung der Leistungen der Leistungsphase 1 wird die Antragstellerin durch die Vergabeunterlagen jedenfalls nicht gezwungen. Lediglich dann, wenn die Antragsgegnerin die Leistungen der Leistungsphase 1 nicht für die Antragstellerin passend erbringen würde und sie gleichzeitig im Sinne einer konfliktarmen Auftragsabwicklung auch keine Mitwirkungshandlungen der Antragsgegnerin erzwingen möchte und den Mehraufwand auch nicht in ihrem Angebot einkalkuliert hat, müsste sie derartige Leistungen unentgeltlich erbringen. Dieses Szenario führt aber nicht zu einem Vergaberechtsverstoß zu Lasten der Antragstellerin.
47
Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die im Rahmen der Leistungsphase 1 zu erstellenden Unterlagen kalkulationsrelevant seien, hat sie hierzu vorher keinerlei Ausführungen im Nachprüfungsverfahren gemacht, so dass dieser Vortrag erstmalig in der mündlichen Verhandlung aufgebracht wurde. Die Antragstellerin konnte dort jedoch keine schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben dazu machen, welche Unterlagen aus der Leistungsphase 1 sie für eine Kalkulation benötige und warum eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne diese Unterlagen nicht möglich wäre.
48
Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass bei einer Vornahme der Leistungsphase 1 der Tragwerksplanung im Rahmen der Objektplanung oder einer Machbarkeitsstudie die erstellten Unterlagen zur Tragwerksplanung allein schon deswegen zu veröffentlichen seien, da sie Hinweise auf eine Vorbefassung von Bietern liefern könnten, hat die Antragstellerin diesbezüglich grundsätzlich recht. Allerdings kann die Vergabekammer im streitgegenständlichen Verfahren in der ihr vorliegenden Vergabeakte keine über den Auszug zur Machbarkeitsstudie, der den Vergabeunterlagen beigelegen hat, hinausgehende Unterlagen finden. Es gibt daher keine Hinweise darauf, dass ein Bieter, der sich am streitgegenständlichen Verfahren beteiligt hat, auf Grund einer Mitarbeit an der Leistungsphase 1 der Tragwerksplanung vorbefasst gewesen wäre.
49
2.3. Der Antragstellerin war nach den Vergabeunterlagen eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation nicht unzumutbar. Die Festlegung der Bindefrist von 12 Monaten nach § 2 Nr. 2 des Vertragsentwurfs führt nicht dazu, dass der Antragstellerin eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unmöglich ist. Die Antragstellerin konnte insbesondere ein Angebot abgeben, welches sie mit entsprechenden Risikozuschlägen kalkuliert hat.
50
Vertragsklauseln wie die vorgenannten Regelung zur Bindefrist werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB sind. Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist. Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen. In diesem Fall verletzt der öffentliche Auftraggeber die ihm nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch im Vergaberecht und bereits im Stadium der Vertragsanbahnung Anwendung findet, obliegenden Pflichten. Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation gemessen an diesen Maßstäben unzumutbar ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis einer Abwägung aller Interessen der Bieter bzw. Auftragnehmer und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. 04. 2021 – Verg 1/20).
51
Ausgehend von den genannten Grundsätzen führt eine Abwägung der beteiligten Interessen zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt hat, dass ihr eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation angesichts der Bindefrist von 12 Monaten unzumutbar ist. Die Vergabekammer verkennt nicht, dass es für die Antragstellerin angesichts der potentiell langen Vertragslaufzeit mit möglicherweise langen Unterbrechungszeiten schwierig ist, den Personaleinsatz zu disponieren. Es ist der Antragstellerin jedoch vertraglich nicht verwehrt in den Unterbrechungszeiten ihre am Projekt beteiligten Mitarbeiter anderweitig einzuteilen und bei Fortführung des Projektes andere, freie Mitarbeiter anzubieten. Soweit der Vertrag in § 8 Ziffer 2 vorsieht, dass der Auftragnehmer darauf hinzuwirken hat, dass die im Vertrag genannten Mitarbeiter über die gesamte Vertragsdauer bzw. während der jeweiligen Leistungsphase eingesetzt werden, ist die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben bei einer (mehrmaligen) mehrmonatigen Unterbrechung des Leistungsabrufs zwischen den einzelnen Leistungsphasen dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer Auswechslung der Mitarbeiter zu erteilen.
52
Soweit die Antragstellerin ausführt, dass bei derart langen Unterbrechungen eine wirtschaftliche Abarbeitung der Aufgabenstellung durch den Auftragnehmer verhindert würde, kann die Vergabekammer dieses Argument nachvollziehen. Die erneute Einarbeitung in eine Aufgabenstellung von Mitarbeitern nach einer längeren Leistungsunterbrechung ist jedoch ein Risiko, dass die Antragstellerin genauso wie andere Bieter durch entsprechende Zuschläge bei ihrem Honorar durchaus einkalkulieren kann. Die Antragstellerin hat hierzu nichts vorgetragen, warum ihr eine diesbezügliche Kalkulation mit einem entsprechenden Risikozuschlag für eine Einarbeitung neuer Mitarbeiter in den Auftrag nicht zumutbar wäre.
53
Auch das Argument, dass eine Ausführungsplanung in der Leistungsphase 5 keinesfalls auf einer Kostenberechnung aus der Leistungsphase 3 fußen kann, wenn diese im Zweifelsfall zwei Jahre vorher aufgestellt wurde, überzeugt nicht. Die Koppelung des Honorars für Architekten und Ingenieure an die Kostenberechnung ist von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieursleistungen (HOAI) explizit so gewollt und sieht keinen Ausgleich für Kostensteigerungen durch Zeitablauf oder wirtschaftliche Veränderungen vor. Eine Fortschreibung der anrechenbaren Kosten ist von der HOAI bewusst nicht gewollt gewesen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 03.08.2016 – 10 U 344/13). Die Antragstellerin hat keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen, warum diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Fortschreibung der anrechenbaren Kosten bei längeren Fristen im Rahmen der Planung unzumutbar sein soll. Dies gilt insbesondere, da Architekten dieses Risiko bei überlangen Bauprojekten für den nicht unerheblichen Vergütungsanteil der Objektüberwachung ebenfalls zu tragen haben.
54
2.4. Die Festlegung der Maximalstundensätze unter § 7 Ziffer 3 des Vertragsentwurfs für diejenigen Leistungen, die nach Zeitaufwand berechnet werden, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die von der Antragsgegnerin vorgesehenen Maximalstundensätze unangemessen niedrig wären.
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Auch wenn die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag vom 19.09.2022 ab Seite 32 ausführlich darstellt, warum sie der Ansicht ist, dass ein maximaler Stundenlohn für einen Mitarbeiter mit technischen oder wirtschaftlichen Aufgaben von 82,00 € unter Berücksichtigung eines Gemeinkostenfaktors für Projektpersonen unwirtschaftlich ist und im Vergleich zu einem verbeamteten Baureferendar in A 13 zu einem unverhältnismäßig niedrigen Gehalt führen würde, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden.
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Die aktuellste Umfrage des AHO über die wirtschaftliche Lage der Ingenieure und Architekten betreffend das Jahr 2021 (https://www.aho.de/wp-content/uploads/2022/12/Index21_VOe-Bericht_16-11.pdf) weist in der Beispielsberechnung des Bürostundensatzes mit Werten der Befragung (Seite 37 der Studie) für einen Ingenieur mit über 10 Jahren Berufserfahrung, was der höchsten Gehaltskategorie entspricht) und unter Berücksichtigung eines Gemeinkostenfaktors für ein Büro mit zwischen 50 und 100 tätigen Personen (was der höchsten Kategorie für einen Gemeinkostenfaktor entspricht) einen Stundensatz von 95,57 €/h vor Wagnis und Gewinn aus.
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Setzt man in die auf Seite 37 angegebene Berechnungsformel der Studie das für 2021 nach der Umfrage durchschnittlich für einen Ingenieur mit drei bis zehn Jahren Berufserfahrung gezahlte Jahresbruttogehalt von 53.474 € ein, so ergibt sich ein Stundensatz von 81,74 € vor Wagnis und Gewinn. Dies immer noch unter Berücksichtigung eines Gemeinkostenfaktors von 3,10, während der durchschnittliche Gemeinkostenfaktor über alle Bürogrößen mit 2,55 auf Seite 35 der Studie angegeben wird. Selbst bei einer Berücksichtigung von 10% Wagnis und 5% Gewinn, welche laut Studie in den Gemeinkostenfaktor einzuberechnen wären, ergäbe sich damit ein Gemeinkostenfaktor von 2,93 für ein durchschnittliches Büro unter Berücksichtigung von Wagnis und Gewinn, was nach der Berechnungsformel auf Seite 37 der Studie des AHO zu einem Stundensatz von unter 82 € für einen Ingenieur mit drei bis zehn Jahren Berufserfahrung führen würde.
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Gegen eine Unzumutbarkeit einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation spricht auch, dass die Stundensätze, für welche die Antragsgegnerin Maximalbeträge angegeben hat, nur für zusätzliche Leistungen, die nach Stundenbasis abgerechnet werden, anwendbar sind. Die grundsätzliche Ermittlung der Vergütung richtig sich nach § 7 des Vertrages nach der HOAI. Der weit überwiegende Anteil der von dem Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen wird damit nicht über die vereinbarten Stundensätze abgerechnet, sondern nach den Vorgaben der HOAI. Der Vertrag sieht zudem vor, das auf das Gesamthonorar nach HOAI zudem ein Zu- oder Abschlag frei vereinbart werden kann. Die Antragstellerin hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ihr unter Würdigung dieser Gesamtumstände eine unzumutbare Benachteiligung auf Grund der angegebenen Maximalstundensätze droht. Es ist hierzu insbesondere weder vorgetragen noch plausibel dargelegt, dass eine erhebliche Leistungserbringung, welche ausschließlich auf Stundenbasis abgerechnet würde, zu erwarten ist oder regelmäßig abgefordert wird.
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, die Gebühr aus Gründen der Billigkeit zu reduzieren. Insbesondere hat das zwischen den beiden Parteien geführte Parallelverfahren 3194.Z3-3_01-22-17 auf Grund der anderen Sachverhaltskonstellation zu keiner signifikanten Arbeitserleichterung für die Vergabekammer geführt.
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Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
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Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da im streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahren nicht nur einfache vergaberechtliche Fragen im Streit stehen, sondern entscheidend ist, ob und inwieweit vertragliche Ausgestaltungen aus den Ausschreibungsunterlagen im Nachprüfungsverfahren Grundlage für vergaberechtliche Beanstandungen sein können und inwieweit hierfür vergaberechtliche Anknüpfungsnormen insbesondere bezüglich der Zumutbarkeit der kaufmännisch vernünftigen Kalkulation vorliegen.