Inhalt

OLG München, Urteil v. 01.06.2023 – 14 U 8235/21
Titel:

Portabilität von Alterungsrückstellungen bei Wechsel aus "kleiner" Anwartschaft in substitutive Krankheitskostenversicherung

Normenketten:
VVG § 41, § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a, Abs. 5, § 208 S. 1
VAG § 149
MB/KK 2009 § 13 Abs. 8
Leitsätze:
Leitsatzvorschlag: Die (beschränkte) Portabilität von Altersrückstellungen (§ 204 Abs. 1 Satz1 Nr. 2 lit. a VVG) kommt dem Vn auch dann zugute, wenn er aus einer "kleinen" Anwartschaft unmittelbar zum neuen Krankenversicherer wechselt. (Rn. 106 – 123)
1. Soweit § 13 Abs. 8 MB/KK 2009 einen Anspruch des Versicherungsnehmers davon abhängig macht, dass der Versicherungsnehmer gleichzeitig eine Krankheitskostenvollversicherung kündigt und einen neuen substitutiven Vertrag abschließt, stellt dies eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a VVG dar, so dass die vertragliche Klausel gem. § 208 S. 1 VVG unwirksam ist. (Rn. 124) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den Anforderungen an ein Herabsetzungsverlangen iSv § 41 VVG. (Rn. 127 – 130) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Tarifwechsel, Alterungsrückstellung, Altersrückstellung, Portabilität, Anwartschaft, Ruhen, Übertragungswert, Herabsetzungsverlangen
Vorinstanz:
LG Kempten, Urteil vom 22.10.2021 – 32 O 185/21
Weiterführende Hinweise:
Das Rechtsmittel zum BGH (IV ZR 132/23) ist erledigt, des Urteil des OLG München ist rechtskräftig
Revision zugelassen
Fundstellen:
BeckRS 2023, 36239
r+s 2024, 127
VuR 2024, 120
LSK 2023, 36239

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22.10.2021, Az. 32 O 185/21 Ver, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.1. Der Beklagte wird verurteilt, 5.372,28 € als Alterungsrückstellung zugunsten des Klägers an die [neue Krankenversicherung des Klägers], Versicherungs-Nr. …, zu übertragen.
1.2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 25.02.2021 zu bezahlen.
1.3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte 9/10 und der Kläger 1/10.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision des Beklagten gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger litt seit seiner Kindheit bis in die 2010er Jahre an asthmatischen Beschwerden, aufgrund derer er sich bis 2013 regelmäßig einer Inhalationstherapie unterzog.
2
Zum 01.02.2014 schloss der damals gesetzlich krankenversicherte Kläger bei dem Beklagten eine private Krankenzusatzversicherung im Tarif XX ab.
3
Im Zusammenhang mit dem Ende seiner Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Ablauf des 31.12.2015 beantragte der Kläger am 23.12.2015 bei dem Beklagten die Umstellung seiner Krankenzusatzversicherung in eine private Krankheitskostenvollversicherung. Im Rahmen seines Antrags (Anlage B 1) gab er wahrheitsgemäß u.a. an, in den letzten drei Jahren wegen eines Fibromyalgiesyndroms und allergischen Asthma bronchiale behandelt worden zu sein. Ferner legte er ein Attest von Dr. [Arzt] vom 22.12.2015 (Anlage K 7) vor, aus dem sich ergab, dass er wegen einer Depression vom 24.07. bis zum 21.08.2013 stationär und bis Anfang 2014 ambulant behandelt worden sei.
4
Der Beklagte stellte am 20.01.2016 den Versicherungsschein (Anlage B 4) aus. Aufgrund der o.g. Vorerkrankungen wurden dem Kläger auf die Tarife X und Y Risikozuschläge von jeweils 30% (insgesamt 90,76 €, vgl. Anlage B 2) berechnet. Ferner wurde dem Kläger unter der Bezeichnung „Z“ gem. § 149 VAG ein monatlicher Prämienzuschlag zur Bildung einer Alterungsrückstellung i.H.v. 1,62 € berechnet (vgl. Anlage B 4).
5
Die einbezogenen „Allgemeine[n] Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung“ des Beklagten (Anlage K 2 – im Folgenden: AVB) enthalten u.a. folgende Regelung:
„§ 13 Kündigung durch den Versicherungsnehmer …
(8) Bei Kündigung einer Krankheitskostenvollversicherung und gleichzeitigem Abschluss eines neuen substituierten Vertrages (§ 195 Abs. 1 VVG – siehe Anhang) kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass der Versicherer die kalkulierte Alterungsrückstellung der versicherten Person in Höhe des nach dem 31. Dezember 2008 ab Beginn der Versicherung im jeweiligen Tarif aufgebauten Übertragungswertes nach Maßgabe von § 146 Abs. 1 Nr. 5 VAG (siehe Anhang) auf deren neuen Versicherer überträgt. Dies gilt nicht für vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossene Verträge.“
6
Mit E-Mail vom 07.06.2016 (Anlage B 10) bat der Kläger den Beklagten um Überprüfung seines Risikozuschlags, da ärztlich festgestellt sei, dass er evtl. nicht an Fibromyalgie, sondern einer – zwischenzeitlich ausgeheilten – psychosomatischen Belastung gelitten habe.
7
Der monatliche Beitrag des Klägers für die Kranken- und Pflegeversicherung bei dem Beklagten betrug ab 01.01.2017 494,07 € (Anlage K 1).
8
Mit Schreiben vom 12.02.2018 (Anlage K 3) teilte der Beklagte dem Kläger mit, der Übertragungswert seiner Krankheitskostenvollversicherung gem. § 6 Abs. 2 Satz 9 VVG-InfoV betrage zum 01.01.2019 5.257,35 €.
9
Mit E-Mail vom 02.10.2018 schrieb der Kläger an den Beklagten:
„[…]
Bzgl. der im Vertrag genannten Erkrankungen war ich nunmehr seit 2014 nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Vielmehr ist fraglich, ob überhaupt eine derartige Erkrankung vorgelegen hat, da diese nicht einfach so weggeht.
Lediglich bzgl. meiner vorliegenden Allergien lasse ich aktuell eine Desensibilisierung durchführen, wodurch bereits eine erhebliche Besserung eingetreten ist.
Anderweitige asthmatische / allergische Beschwerden liegen bereits seit Jahren nicht mehr vor.
Gibt es eine Möglichkeit[,] den Vertrag zu normalen Bedingungen fortzuführen? Gerne bin ich bereit[,] entsprechende ärztliche Atteste einzureichen, so dass Sie eine Prüfung vornehmen können.
Ich würde mich freuen[,] wenn hier etwas zu machen wäre[,] und verbleibe bis dahin mit freundlichen Grüßen […]“
(Klageschrift vom 31.01.2021, S. 15)
10
Am 01.03.2019 beantragte der Kläger, der zum 01.04.2019 wieder versicherungspflichtiges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung wurde, seine Krankeitskostenversicherung ruhend zu stellen. Der Beklagte kam dem mit Wirkung zum 01.04.2019 nach und stellte dem Kläger einen aktualisierten Versicherungsschein aus (Anlage B 5).
11
Die „Bedingungen für das Ruhen der Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung“ des Beklagten (Anlage K 5 – im Folgenden: BRKV) enthalten u.a. folgende Regelungen:
„1 Allgemeines
Die bei der [Beklagten] bestehenden Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherungen können zum Ruhen gebracht werden. Für die Ruhenszeit gelten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der ruhenden Tarife, soweit sie nicht durch die folgenden Bedingungen geändert sind.
2 Voraussetzungen
Die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung kann ruhen bei
a) gesetzlicher Krankenversicherungspflicht […], …
3 Ansprüche aus dem Ruhen
3.1 Der Vertragspartner erwirbt das Recht, bei Wegfall der Voraussetzungen für das Ruhen (Nummer 2) die Leistungspflicht der ruhenden Tarife für die in diese Vereinbarung einbezogenen Personen ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder in Kraft zu setzen. […]
3.2 Während der Dauer des Ruhens besteht kein Anspruch auf Leistungen aus den ruhenden Tarifen. […]
3.3 Ab Wieder-in-Kraft-Setzen der Leistungspflicht ist der dann gültige Beitrag zum erreichten tariflichen Alter zu zahlen. […] …
4 Beginn des Ruhens …
5 Beitrag
Der monatliche Ruhensbeitrag beträgt für jede in diese Vereinbarung einbezogene Person 1 €.
6 Beitragsrückerstattung
Ein Anspruch auf Beitragsrückerstattung besteht nicht.
7 Ende des Ruhens
7.1 Das Ruhen endet mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzung für das Ruhen (Nummer 2) wegfällt. Der Vertragspartner ist verpflichtet, der [Beklagten] innerhalb zweier Monate den Wegfall der Voraussetzungen für das Ruhen anzuzeigen und auf Verlangen nachzuweisen.
7.2 Kommt der Vertragspartner den Verpflichtungen nach Nummer 7.1 Satz 2 nicht nach, endet das Ruhen sowie das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats, in dem die [Beklagte] vom Wegfall der Voraussetzung für das Ruhen Kenntnis erlangt. Die Ansprüche nach Nummer 3 entfallen. Eine Rückzahlung der Beiträge ist ausgeschlossen.
7.3 Wird das Ruhen gekündigt, erlöschen die Ansprüche nach Nummer 3. Eine Rückzahlung der Beiträge ist ausgeschlossen.“
12
Während der Ruhenszeit zahlte der Kläger den vereinbarten monatlichen Beitrag von 1,- €.
13
Im Zusammenhang mit dem erneuten Ende seiner Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Ablauf des 31.12.2019 beantragte der Kläger am 10.12.2019 bei dem Beklagten, seine ruhend gestellte Krankheitskostenvollversicherung wieder in Kraft zu setzen.
14
Mit Wirkung zum 01.01.2020 schloss er eine substituierende Krankheitskostenvollversicherung bei der [neuen Versicherungsgesellschaft] ab.
15
Mit E-Mail vom 18.02.2020 (Anlage B 6) erklärte er gegenüber dem Beklagten, er ziehe seinen Antrag auf Wiederinkraftsetzung seiner Krankenversicherung zurück, bitte um rückwirkende Auflösung seiner Anwartschaft und seiner Zusatzversicherungen EZ 70 plus und KG 43 zum 01.01. 2020 sowie um Übersendung einer Übertragungswertbescheinigung.
16
Der Beklagte teilte dem Kläger am 18.03.2020 den die Pflegeversicherung betreffenden Übertragungswert i.H.v. 446,33 € mit und übertrug diesen an die [neue Krankenversicherung] lehnte jedoch eine Mitteilung des die Krankenversicherung betreffenden Übertragungswertes sowie dessen Übertragung an die [neue Krankenversicherung] ab (Anlage K 4).
17
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 14.04.2020 (Anlage K 6) forderte der Kläger den Beklagten auf, seine Beiträge neu zu berechnen, da bereits z. Zt. des Versicherungsbeginns am 01.02. 2014 objektiv keine Erkrankungen mehr vorgelegen hätten und alle Behandlungen abgeschlossen gewesen seien, so dass der Risikozuschlag ab Vertragsbeginn auf Null zu reduzieren sei. Weiter forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm die erfolgten Überzahlungen zu erstatten sowie die Alterungsrückstellung bekanntzugeben, deren Übertragungswert zu berechnen und diesen an die [neue Krankenversicherung] zu übertragen.
18
Der Kläger trägt vor, aus seiner Sicht seien sämtliche Erkrankungen seit 2014 ausgeheilt und nicht mehr behandlungsbedürftig. Eine Gefahr neuerlicher Ausbrüche bestehe nicht. Behandlungen fänden nicht mehr statt und seien auch nicht mehr zu erwarten.
19
Zunächst habe aber keine Klarheit über die Ausheilung der Erkrankungen bestanden. Diese sei ihm erst Ende 2015 bzw. 2016 bestätigt worden. Damit hätten die gefahrerhöhenden Umstände (zumindest hinsichtlich der asthmatischen Symptomatik) 2016 noch bestanden.
20
Seit 2016 sei auch eine dauerhafte Medikation nicht mehr erforderlich. Im Hinblick auf seine saisonal bedingten Allergien würden von Zeit zu Zeit Desensibilisierungen durchgeführt.
21
Er habe den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag bei dem Beklagten lediglich abgeschlossen, weil er damals noch für diesen tätig gewesen sei. Die Beklagte hätte den Vertrag ohne Risikozuschläge nicht abgeschlossen. Da es sich bei den ihn betreffenden Diagnosen um Verdachtsdiagnosen gehandelt habe, sei er nicht sicher gewesen, ob seine Erkrankungen wirklich ausgeheilt gewesen wären.
22
Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Übertragung des Wertes seiner Alterungsrückstellungen aus § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG zu.
23
Die Portabilität der Krankenversicherung und der Alterungsrückstellungen solle sicherstellen, dass Versicherungsnehmer in der Lage seien, den Versicherer ohne größere finanzielle Verluste zu wechseln. Entscheidend sei nach § 204 VVG allein, dass die Kündigung und der Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages gleichzeitig erfolgten.
24
Das „Ruhen“ des Vertrages bedeute, dass die vertraglichen Pflichten nicht zu erfüllen seien, der Vertrag aber weiter bestehe. Dies bringe auch der Beklagte durch die grundsätzliche Fortgeltung seiner AVB zum Ausdruck. Die Ruhendstellung diene dazu, einen ungewissen Zeitraum ohne Verluste und ohne Beendigung des Vertrags zu überbrücken, um dann wieder dort „einzusteigen“, wo man die Ruhendstellung beantragt habe. Die Anwartschaft sichere alle Rechte aus dem bisherigen Vertrag, also auch die Portabilität.
25
Aufgrund der Portabilität könne es keine Rolle spielen, ob die Ruhendstellung beim bisherigen Versicherer beendet oder ein neuer Versicherungsvertrag mit einem anderen Versicherer abgeschlossen werde. Der Zweck der Portabilität würde unterlaufen, wenn man bei ruhenden Verträgen verlangte, dass diese zunächst (für eine juristische Sekunde) beim bisherigen Versicherer wieder auflebten und erst dann auf einen anderen Versicherer übertragen werden könnten.
26
Das Ende des Ruhens habe nach Ziff. 7 BRKV den Verlust bestimmter Ansprüche zur Folge, der Verlust der Anwartschaft sei dort aber nicht geregelt.
27
Der Beklagte stehe durch seinen sofortigen Wechsel der Krankenversicherung wirtschaftlich nicht schlechter.
28
Der Antrag zu 3. betreffe die Rückzahlung von Beitragszuschlägen. Er – der Kläger – habe einen Anspruch auf angemessene Herabsetzung der Prämie nach § 41 VVG, wobei der Risikozuschlag von 30% zu entfallen habe. Für den Zeitraum vom 03.10.2018 bis zum 31.03.2019 ergebe sich ein zu erstattender Betrag von 585,15 €.
29
Der Beklagte bestreitet, dass die Erkrankungen des Klägers ausgeheilt wären. Die asthmatischen Beschwerden bestünden nach wie vor. Bezüglich des Fibromyalgiesyndroms bzw. der Depression habe sich nichts geändert.
30
Er trägt vor, unabhängig von der medizinischen Einordnung der Erkrankungen des Klägers bestehe jedenfalls weiterhin ein erhöhtes Risiko ihres erneuten Auftretens.
31
Der Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG seien nicht erfüllt. Im Rahmen der vorliegenden „kleinen“ Anwartschaftsversicherung fehle es am Bestehen einer substitutiven Krankheitskostenversicherung. Es bestehe weder ein Leistungs-, noch ein Prämienzahlungsanspruch.
32
Er – der Beklagte – wäre zum Abschluss einer solchen (kleinen) Anwartschaftsversicherung mit dem Kläger nicht verpflichtet (gewesen). Ohne diese müsste der Kläger bei einem Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung die bis dahin bestehende Krankenversicherung kündigen. Dies würde zum ersatzlosen Verlust der bis dahin angesparten Alterungsrückstellungen führen. Mit der Anwartschafts- bzw. Ruhensversicherung erhalte er die vertragliche Möglichkeit, diesen Nachteil unter den vertraglich vereinbarten Voraussetzungen zu vermeiden. Voraussetzung sei, dass er den „aktiven“ Versicherungsschutz bei dem Beklagten später wieder aufnehme.
33
Aus dem Inhalt der Anwartschaftsversicherung ergebe sich nicht, dass der Kläger Anspruch auf die gleichen Vorteile habe, wenn er in eine aktive Versicherung bei einem anderen Versicherer wechsele. Um die gesetzliche Portabilität zu erhalten, müsse er den Vollversicherungsschutz wieder aktivieren und anschließend zum nächsten vertraglich möglichen Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung (nach § 13 Abs. 1 MB/KK zum Ablauf des Versicherungsjahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten) zu einem anderen Versicherer wechseln.
34
Für eine erweiternde bzw. analoge Anwendung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG bestehe kein Grund. Die sog. (begrenzte) Portabilität stelle einen nicht unerheblichen Eingriff in die wirtschaftlichen Grundrechte des Versicherers dar.
35
Ein Anspruch auf Herabsetzung der Prämie nach § 41 VVG bestehe nicht, weil die risikoerhöhenden Umstände nicht weggefallen seien. Der Grund des Zuschlags sei nicht ein akutes Leiden, sondern ein – unverändert fortbestehendes – Risiko künftiger Erkrankungen.
36
Der Kläger erwidert, die Anwartschaftsversicherung diene genau dazu, Nachteile wie den ersatzlosen Verlust der angesparten Alterungsrückstellung zu vermeiden. Das Ruhen solle dem Versicherungsnehmer die Rückkehr vereinfachen. Es sei vorteilhaft für den Versicherungsnehmer, aber im Hinblick auf die Kundenbindung auch für den Versicherer.
37
Eine Regelung des Inhalts, dass der Versicherungsnehmer, um die gesetzliche Portabilität zu erhalten, den Vollversicherungsschutz wieder aktivieren und anschließend zum nächsten vertraglich möglichen Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung zu einem anderen Versicherer wechseln müsste, existiere nicht. § 13 Abs. 1 MB/KK regele nur das allgemeine Kündigungsrecht.
38
Der Kläger hat mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 31.01.2021, dem Beklagten zugestellt am 24.02.2021, Klage mit folgenden Anträgen erhoben:
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe Alterungsrückstellung für den Versicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr. … gebildet wurde.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den sich nach Mitteilung der Alterungsrückstellung unter dem Klageantrag zu 1. ergebenden Übertragungswert zugunsten des Klägers an die [neue Krankenversicherung] Versicherungs-Nr. … zu übertragen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 585,15 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem aktuellen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
39
Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 29.06.2021 mitgeteilt, dass der streitgegenständliche Übertragungswert zum 01.04.2019 5.372,28 € betragen habe.
40
Der Kläger hat mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 19.07.2021, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 21.07.2021, die Klage hinsichtlich des o.g. Antrags zu 1. für erledigt erklärt und den o.g. Antrag zu 2. (nun Antrag zu 1.) wie folgt formuliert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Übertragungswert für den Versicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr. … in Höhe von 5.372,28 € zugunsten des Klägers an [dessen neue Krankenversicherung] Versicherungs-Nr. … zu übertragen.
41
Die o.g. Anträge zu 3. und 4. hat der Kläger unverändert als Anträge zu 2. und 3. gestellt.
42
Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2021 unter Verwahrung gegen die Kostenlast der teilweisen Erledigungserklärung angeschlossen.
43
Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat mit Endurteil vom 22.10.2021 entschieden:
44
Die Klage wird abgewiesen.
45
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
I.
46
Die einseitige Teilerledigungserklärung des Klägers stelle eine Klageänderung in eine auf die Feststellung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit sowie des nachträglichen Eintritts eines erledigenden Ereignisses gerichtete Feststellungsklage dar.
II.
47
Die Klage sei in ihrer letzten Fassung zulässig, aber unbegründet.
48
1. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, da von vornherein kein Auskunftsanspruch des Klägers bestanden habe.
49
Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 204 VVG oder anderen Normen des Versicherungsvertragsgesetzes.
50
Ein Anspruch aus § 242 BGB scheide aus, da es an der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Leistungsanspruchs fehle.
51
2. Ein Anspruch des Klägers auf Übertragung des Übertragungswerts der Alterungsrückstellungen aus § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG bestehe nicht. Die Regelung sei auf den vorliegenden Fall der „kleinen Anwartschaftsversicherung“ nicht anwendbar.
52
Dieser werde im Wortlaut der o.g. Regelung nicht erwähnt. Die gesetzliche Formulierung „der ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann“ stelle umgekehrt klar, dass ein mit Leistungsansprüchen verbundenes Versicherungsverhältnis vorliegen müsse. Im Fall der kleinen Anwartschaftsversicherung bestünden jedoch keine Leistungsansprüche des Versicherungsnehmers. Umgekehrt sei der Kläger nach Ziff. 5 BRKV auch nicht zur Zahlung einer „klassischen“ Versicherungsprämie, sondern nur zur Entrichtung eines (eher symbolischen) Ruhensbetrags i.H.v. 1,- € mtl. verpflichtet gewesen.
53
Gegen eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs auf die kleine Anwartschaftsversicherung spreche die Gesetzessystematik. Der Anspruch auf Übertragung des Übertragungswerts sei in § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG, die Anwartschaftsversicherung in § 204 Abs. 5 VVG geregelt. Fiele sie in den Anwendungsbereich des § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG, wäre zu erwarten, dass der Gesetzgeber sie dem Übertragungsanspruch vorangestellt oder letzteren in § 204 Abs. 5 VVG explizit angesprochen hätte.
54
Bei einer kleinen Anwartschaftsversicherung erfolge kein zusätzlicher Aufbau von Alterungsrückstellungen, die dem Versicherungsnehmer bei Wechsel zu einem neuen Versicherer mitzugeben wären. Der Sinn und Zweck der Anwartschaftsversicherung bestehe darin, dem Versicherungsnehmer im Falle einer Kündigung für einen vorübergehenden Zeitraum den Erhalt der bisher gebildeten Alterungsrückstellungen zu ermöglichen, um bei Wiederaufnahme des vollen Versicherungsschutzes beim bisherigen Versicherer keine Nachteile zu erleiden. Der Verlust der bis zur Ruhendstellung erworbenen Rechte im vorliegenden Fall entspreche dem gesetzlich vorgesehenen Mechanismus. Die ursprünglich aufgebaute Alterungsrückstellung werde nach der Kündigung des Vertrages zugunsten der übrigen Versicherten aufgelöst.
55
3. Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung im Zeitraum vom 03.10.2018 bis zum 31.03.2019 geleisteter Beitragszahlungen i.H.v. 585,15 € aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB bestehe nicht.
56
a) Der Rechtsgrund der o.g. Leistungen sei nicht nachträglich entfallen.
57
(1) § 41 Satz 1 VVG begründe ein Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers. Die Prämie werde ab Zugang des Herabsetzungsverlangens auf den angemessenen Betrag gemindert.
58
(2) Die E-Mail des Klägers vom 02.10.2018 stelle kein bestimmtes und unmissverständliches Verlangen i.S.d. § 41 Satz 1 VVG dar. Vielmehr habe sich der Kläger lediglich nach einer Möglichkeit, den Vertrag ohne den Risikozuschlag fortzuführen, erkundigt. Dies folge auch daraus, dass der Kläger seine Zahlungen über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinweg fortgesetzt habe.
59
(3) Das Schreiben des Klägervertreters vom 14.04.2020 stelle ein Verlangen i.d.S. dar, entfalte jedoch keine den streitgegenständlichen Zeitraum betreffende Rückwirkung.
60
b) Im Übrigen sei der Sachvortrag hinsichtlich eines nachträglichen Wegfalls bzw. einer nachträglichen Bedeutungslosigkeit des gefahrerhöhenden Umstands der allergischen Erkrankungen einschließlich Asthma unschlüssig.
61
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich eine entsprechende Veränderung ergeben habe, sei im vorliegenden Fall der Tag der Antragstellung am 23.12.2015.
62
Der Kläger trage vor, nach wie vor saisonal bedingt unter immer wieder präsenten allergischen Beschwerden zu leiden. Auch zukünftig seien wohl Sensibilisierungen erforderlich.
63
Vor diesem Hintergrund sei der Schluss des Klägers, er sei beschwerdefrei und es bestünde keine Behandlungsbedürftigkeit (mehr), nicht nachvollziehbar. Sein Vortrag sei inhaltlich widersprüchlich und somit unschlüssig. Entweder er sei nach wie vor – und sei es nur punktuell – auf medizinische Maßnahmen angewiesen oder es bestehe objektiv keine entsprechende Notwendigkeit. Beides zugleich sei nicht möglich.
64
4. Mangels Hauptforderung könnten auch keine Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB verlangt werden.
65
5. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten teile das Schicksal der Hauptforderungen.
66
Der Kläger hat gegen das dem Klägervertreter am 25.10.2021 zugestellte Urteil mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.11.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 26.01.2022, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, begründet.
67
Er führt aus:
68
1. Ihm stehe ein Anspruch auf Übertragung seiner Alterungsrückstellung zu.
69
a) Dieser ergebe sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag.
70
Das Ruhen des mit dem Beklagten geschlossenen streitgegenständlichen Vertrages im Zusammenhang mit einer „kleinen“ Anwartschaft schließe den Anspruch nicht aus. Es habe den Sinn, dass der Versicherungsnehmer ohne Verlust seiner Rechte wieder in das bestehende Versicherungsverhältnis einsteigen könne. Dieses Erfordernis ergebe sich daraus, dass Versicherungsnehmer Statuswechseln (z.B. aufgrund ihres Einkommens) unterworfen sein könnten, die sie nicht beeinflussen könnten.
71
Der Beklagte habe mit dem Angebot der kleinen Anwartschaft freiwillig eine Möglichkeit geschaffen, dem Versicherungsnehmer die Rückkehr zu vereinfachen. Das Ziel der kleinen Anwartschaft sei, dass Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsverhältnis aussteigen, aber auch wieder einsteigen könnten, ohne Nachteile zu erleiden. Dies biete Vorteile für den Versicherungsnehmer, der sich keiner erneuten Gesundheitsprüfung unterziehen müsse, aber auch für den Versicherer in Form der Kundenbindung.
„Ruhen“ bedeute, dass die vertraglichen Pflichten nicht zu erfüllen seien, der Vertrag aber weiter bestehe. Eine besondere Regelung zur Übertragung der Altersrückstellungen finde sich in den Ruhensbedingungen nicht. Damit gälten die Regelungen für nicht ruhende Verträge weiter. Hieraus ergebe sich ein Übertragungsanspruch des Klägers.
72
Der Zweck des Ruhens müsse auch für die Altersrückstellungen gelten. Die kleine Anwartschaft solle den Versicherungsnehmer im Fall einer vorübergehenden Verhinderung vor deren Verlust schützen. Nur bei der vom Kläger abgeschlossenen Versicherung müsse es sich um eine unbefristete substitutive Krankheitskostenversicherung handeln. Der ruhend gestellte Vertrag sei substitutiv gewesen. Ein Wechsel aus einer Anwartschaftsversicherung genüge, wenn eine Anwartschaft aufgebaut worden sei. Es komme nur darauf an, dass die Zielversicherung eine unbefristete substitutive Krankheitskostenvollversicherung sei.
73
b) Ferner ergebe sich der Übertragungsanspruch auch aus § 204 Abs. 1 Nr. 2 VVG.
74
Die Ruhendstellung habe bezwecken sollen, dass der Kläger ohne Nachteile wieder in seinen bisherigen Versicherungsschutz eintreten könne, wenn er von der Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit werde. Die Portabilität der Krankenversicherung und der Alterungsrückstellung solle sicherstellen, dass Versicherungsnehmer in der Lage seien, den Versicherer ohne größere finanzielle Verluste zu wechseln. Der Vertrag sei mit der Ruhendstellung nicht beendet, sondern laufe weiter. Damit bestünden die erworbenen Rechte fort und lebten mit dem Ende der Ruhendstellung wieder auf. Aufgrund der Portabilität könne es keine Rolle spielen, ob die Ruhendstellung beim bisherigen Versicherer beendet oder ein neuer Versicherungsvertrag mit gleichartigem Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer abgeschlossen werde.
§ 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG enthalte keinen Hinweis auf eine kleine Anwartschaft, weil dort keine zusätzlichen Alterungsrückstellungen gebildet würden. Der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass ein Beitragsabfluss aus Verträgen ohne Rückstellungen erfolge. Hier seien aber Rückstellungen gebildet worden. Ansatzpunkt für den Übertragungsanspruch sei nicht die zuletzt bestehende kleine Anwartschaft, sondern der vorher bestehende Krankheitskostenvollvertrag.
75
c) Hätte der Kläger seinen Vertrag wieder aufleben lassen, hätte er später einen höheren Übertragungsanspruch gehabt. Es sei nicht einsichtig, warum bei einem Ruhen des Vertrages der ursprüngliche Vertrag bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit fortgeführt werden müsste, um die Alterungsrückstellung zu retten. Entscheidend sei, dass Kündigung und Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages gleichzeitig erfolgten.
76
d) Aus den Versicherungsbedingungen des Beklagten ergebe sich lediglich nach Ziff. 7.3 das Erlöschen der dort bezeichneten Ansprüche.
77
2. Das Landgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Beklagte sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen habe. Der Beklagte habe dies aber in der mündlichen Verhandlung getan.
78
Dem Kläger habe ein entsprechender Auskunftsanspruch zugestanden. Ohne die Auskunft könne er keinen ausreichend bestimmten Antrag stellen. Der Beklagte habe die entsprechenden Werte auch in der Vergangenheit mitgeteilt.
79
3. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Risikozuschläge zu.
80
Der Kläger habe zum 01.01.2014 bei dem Beklagten eine Krankenzusatzversicherung abgeschlossen, die er zum 01.01.2016 in eine Krankenvollversicherung umgewandelt habe.
81
Für die Tarife X und Y sei aufgrund der Risikomerkmale Fibromyalgiesyndrom, Depressionen und allergische Erkrankungen einschließlich Asthma ein Risikozuschlag von 30% auf die Normalprämie berechnet worden.
82
Bei Versicherungsbeginn hätten objektiv keine Erkrankungen des Klägers mehr vorgelegen.
83
Seine Erkrankungen seien seit 2014 ausgeheilt und nicht mehr behandlungsbedürftig. Es habe sich teilweise nur um Verdachtsdiagnosen gehandelt. Seit 2014 habe es keine Behandlungen mehr gegeben; es seien auch zukünftig keine zu erwarten.
84
Der Kläger habe Atteste von Herrn Dr. [Arzt] vom 22.12.2015, 10.11.2018 und 10.05.2019 vorgelegt. Er sei seit 01.01.2016 symptomfrei und leide nicht mehr unter den o.g. Erkrankungen.
85
Am 14.04.2020 habe der Klägervertreter den Beklagten zur Rückzahlung der überzahlten Beiträge aufgefordert.
86
Nach § 41 VVG habe der Risikozuschlag zu entfallen. Danach bestehe ein Anspruch auf Herabsetzung der Versicherungsprämie, wenn wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart worden sei und diese Umstände nach Antragstellung oder Vertragsschluss weggefallen oder bedeutungslos geworden seien.
87
Die Diagnosen seien bereits zum Vertragsschluss am 01.01.2014 nicht mehr relevant gewesen. Es habe kein höheres Risiko vorgelegen, das einen Beitragszuschlag rechtfertigen würde. Der Kläger habe einen Anspruch auf Reduzierung des Risikozuschlags ab Vertragsbeginn auf Null.
88
Ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung ab dem Zeitpunkt zu, an dem er diesen geltend gemacht habe. Dies sei mit E-Mail vom 02.10.2018 geschehen. Der Anspruch berechne sich auf 585,15 €.
89
4. Damit bestehe auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 €.
90
Der Kläger beantragt,
1.
Das Urteil des Landgerichts Kempten vom 08.10.2021, Az.: 32 O 185/21 Ver, wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, 5.372,28 € als Alterungsrückstellung zugunsten des Klägers an die [neue Krankenversicherung], Versicherungs-Nr. …, zu übertragen.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 585,15 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem aktuellen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
4.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
91
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
92
Er führt aus:
93
1. Ein ruhendes Vertragsverhältnis sei kein bestehendes Vertragsverhältnis. Als bestehendes Verhältnis könne nur ein Verhältnis betrachtet werden, aus dem Leistungs- bzw. Deckungsansprüche bestünden bzw. erwachsen könnten.
94
Er sei nicht verpflichtet, eine Anwartschaftsversicherung anzubieten. Diese gebe nur einen Anspruch auf Aktivierung der Versicherung ohne neue Gesundheitsprüfung. Bei Abschluss der kleinen Anwartschaft gingen die Alterungsrückstellungen verloren.
95
Die Rückstellung gehöre nicht dem Kläger, sondern dem Beklagten.
96
§ 204 Abs. 5 VVG regele nicht die Portabilität. Eine uneingeschränkte Portabilität sei diskutiert, aber nicht gesetzlich geregelt worden. Dabei sei es aber auch nur um die betragsmäßige Begrenzung, niemals um die Ausdehnung der Portabilität auf Anwartschaftsversicherungen gegangen. Eine erweiternde Auslegung der Norm wäre verfassungsrechtlich bedenklich.
97
Ein Ausschluss der gesetzlichen Regelung der Übertragung der Altersrückstellung in den Ruhensbedingungen wäre unwirksam (§ 208 Abs. 1 Satz 1 VVG).
98
Zudem folge daraus, dass § 13 Abs. 8 AVB (§ 13 Abs. 8 MB/KK entsprechend) die Portabilität für den Fall der Kündigung einer Krankheitskostenvollversicherung vorsehe, im Umkehrschluss, dass die Kündigung einer bloßen Anwartschaftsversicherung nicht den Übertragungsanspruch auslösen könne.
99
2. Zutreffend sei, dass eine übereinstimmende Erledigungserklärung vorliege. Dies ändere an der Kostenentscheidung aber nichts.
100
Der Senat hat am 27.04.2023 mündlich verhandelt. Insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 213 – 215 d.A.).
101
Ergänzend wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil, die Hinweise des Senats vom 25.10.2022 (Bl. 166 – 176 d.A.) und 22.12.2022 (Bl. 186 f. d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
102
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
103
1. Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO) und ist auch im Übrigen zulässig.
104
2. Die Berufung ist teilweise begründet.
105
Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Kläger Ansprüche auf Übertragung seiner Alterungsrückstellung und Erstattung der ihm in diesem Zusammenhang entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend macht. Sie ist unbegründet, soweit sie auf den Wegfall der vertraglich vereinbarten Risikozuschläge gestützt wird.
106
a) Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übertragung der Alterungsrückstellung an die BBK aus § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG zu.
107
(1) Nach dieser Regelung kann ein Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Vertrags, der ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann, bei einem anderen Krankenversicherer die kalkulierte Alterungsrückstellung des Teils der Versicherung, dessen Leistungen dem Basistarif entsprechen, an den neuen Versicherer überträgt, sofern die gekündigte Krankheitskostenversicherung nach dem 01.01.2009 abgeschlossen wurde.
108
(2) Die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs sind unter Zugrundelegung des Wortlauts der Norm erfüllt.
109
aa) Der Kläger hat zum 01.01.2020 seinen bis dahin bestehenden Krankenversicherungsvertrag mit dem Beklagten gekündigt und zugleich einen neuen Krankenversicherungsvertrag bei der BBK abgeschlossen.
110
bb) Die Zielversicherung bei der [neuen Krankenversicherung des Klägers] stellt eine unbefristete substitutive Krankheitskostenversicherung (vgl. dazu Prölss/Martin/Voit, § 204 VVG, Rdnr. 40) dar.
111
cc) Dass es sich bei der gekündigten Versicherung, die der Kläger vor dem Versichererwechsel bei dem Beklagten unterhalten hatte, nur um eine „kleine“ Anwartschaftsversicherung gehandelt hatte, ist nach dem Wortlaut des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG unschädlich (vgl. Prölss/ Martin/Voit, § 204 VVG, Rdnr. 40).
- Dass die sog. „kleine Anwartschaftsversicherung“ im Wortlaut der o.g. Regelung nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist, für sich betrachtet, ein auslegungsneutrales Kriterium. Der Gesetzgeber hat insoweit weder ausdrücklich festgestellt, dass die Norm auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar ist, noch hat er ihre Anwendbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt ausdrücklich ausgeschlossen.
- Das den Relativsatz „der ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann“ einleitende Pronomen „der“ steht im Singular, so dass sich der Relativsatz – der das Erfordernis einer substitutiven Krankenversicherung aufstellt – grammatikalisch nur auf den unmittelbar zuvor angesprochenen „neuen Vertrag“, nicht aber auf den davor erwähnten gekündigten alten Vertrag bezieht.
- Hinsichtlich des alten Vertrags muss daher nur ein „bestehendes Versicherungsverhältnis“ vorliegen. Dies ergibt sich zum einen aus der Einleitung des Satzes (“Bei bestehendem Versicherungsverhältnis […]“), zum anderen daraus, dass der Tatbestand an eine „Kündigung des [alten] Vertrags“ anknüpft, eine solche aber nur dann erklärt werden kann, wenn zuvor noch ein Vertragsverhältnis bestand.
112
Dies war hier der Fall. Dass der alte Vertrag mit dem Beklagten ruhend gestellt war, ändert daran nichts, da sich aus dem Vertrag nach wie vor Rechte und Pflichten der Parteien ergaben. So war der Kläger zur Zahlung eines – wenn auch nur „symbolischen“ – Beitrags verpflichtet. Umgekehrt stand dem Kläger nach Ziff. 3.1 Satz 1 BRKV das Recht zu, bei Wegfall der vertraglichen Voraussetzungen des Ruhens die Leistungspflicht der ruhenden Tarife ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder in Kraft zu setzen. Insoweit handelt es sich auch nicht nur um nachvertragliche Rechte bzw. Pflichten der Parteien, da im Falle der erneuten Inkraftsetzung der Tarife Leistungsansprüche des Klägers für nach diesem Zeitpunkt eintretende Versicherungsfälle bestanden hätten.
113
(3) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer im Sinne des Beklagten vorgenommenen einschränkenden Auslegung des § 204 VVG.
114
aa) Aus der Systematik der Norm ergibt sich kein anderes Ergebnis. Insbesondere kann ein solches nicht darauf gestützt werden, dass der Anspruch auf Übertragung des Übertragungswerts in § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG und die Anwartschaftsversicherung in § 204 Abs. 5 VVG geregelt sind. Es handelt sich insoweit um zwei verschiedene Regelungsgegenstände.
115
Wenn § 204 Abs. 5 VVG ein Recht des Versicherungsnehmers und der versicherten Person begründet, einen gekündigten Versicherungsvertrag in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzuführen, folgt daraus lediglich, dass trotz der Kündigung weiterhin ein Versicherungsvertrag zwischen den Vertragsparteien besteht.
116
Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass in diesem Fall des fortgeführten bzw. -bestehenden Versicherungsvertrags die Regelung des § 204 Abs. 1 VVG nicht zur Anwendung kommen sollte, wäre umgekehrt zu erwarten gewesen, dass auch diese Konstellation in der die Anwendbarkeit des § 204 Abs. 1 VVG ausdrücklich ausschließenden Regelung des (befristete Versicherungsverhältnisse betreffenden) § 204 Abs. 4 VVG angesprochen worden wäre. Insoweit ist davon auszugehen, dass § 204 Abs. 4 VVG eine abschließende Ausnahmeregelung vom Grundsatz des § 204 Abs. 1 VVG darstellt.
117
bb) Der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG entnehmen. Umgekehrt spricht auch die im Gesetzentwurf der damaligen Regierungsfraktionen der CDU/CSU und SPD enthaltene Formulierung „Für Versicherungsnehmer, die aus einem anderen Tarif in einen Vollversicherungstarif bei einem anderen PKV-Unternehmen wechseln, […]“ (BT-DrS 16/3100, S. 92) dafür, dass der gesetzliche Tatbestand lediglich hinsichtlich der Zielversicherung, nicht aber hinsichtlich des alten Vertrags qualitative Anforderungen aufstellen sollte, da gerade nicht erwähnt wird, dass es sich auch bei dem Tarif, aus dem der Wechsel erfolgt, um einen Vollversicherungstarif handeln müsste.
118
cc) Hinsichtlich des Zwecks der Norm kann einerseits auf die Regelung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG, andererseits auf die Regelung des § 204 Abs. 5 VVG abgestellt werden. Beiden Ansätzen lassen sich keine Anhaltspunkte für eine im Sinne des Beklagten vorgenommene einschränkende Auslegung der Norm entnehmen.
- Zwecke des § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG waren die Herstellung eines funktionierenden Wettbewerbs im Markt der privaten Krankenversicherungen und die Ausweitung der Wahl- und Wechselmöglichkeiten des Versicherten in der privaten Krankenversicherung (vgl. BT-DrS 16/3100, S. 86; BVerfG, NJW 2009, 2033 = BVerfGE 123, 186, Rdnr. 203).
- Das durch § 204 Abs. 5 VVG garantierte Recht des Versicherungsnehmers und der versicherten Person, einen gekündigten Versicherungsvertrag in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzuführen, dient (neben der Möglichkeit, ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder eine Krankheitskostenvollversicherung abschließen zu können) auch dem Zweck, aufgebaute Altersrückstellungen aufrechterhalten und zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückgreifen zu können (Prölss/Martin/Voit, § 204 VVG, Rdnr. 49).
- Die Kombination beider Zwecke führt auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Versicherers. Umgekehrt hätte das Fehlen einer Kombinationsmöglichkeit zur Folge, dass der Versicherungsnehmer – dessen Schutz der Gesetzgeber bezweckt hat – in einer Situation wie der dem streitgegenständlichen Fall zugrunde liegenden gezwungen wäre, auf einen Teil der ihm gesetzlich eingeräumten Rechte zu verzichten. Dies entspräche nicht dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen.
119
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger während der Dauer der Anwartschaftsversicherung keine weitere Alterungsrückstellung aufgebaut hat, da sein Antrag auch nur auf die Übertragung der während der Dauer der Krankheitskostenvollversicherung aufgebauten Alterungsrückstellung gerichtet ist.
120
(4) Die vom Beklagten vertretene einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelung folgt auch nicht aus dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung.
121
aa) Die Einführung einer teilweisen Portabilität der Alterungsrückstellungen greift nicht in die Berufswahlfreiheit, jedoch in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherer ein und bedarf daher der Rechtfertigung durch legitime Gemeinwohlinteressen (BVerfG, NJW 2009, 2033 = BVerfGE 123, 186, Rdnr. 198 f.).
122
bb) Eine solche Rechtfertigung ist gegeben. Die Portabilität der Alterungsrückstellungen dient dem Ziel, im Markt der privaten Krankenversicherungen einen funktionierenden Wettbewerb herzustellen und den Versicherten einen Wechsel zu einem anderen Versicherungsunternehmen zu erleichtern (BVerfG, NJW 2009, 2033 = BVerfGE 123, 186, Rdnr. 203). Die gesetzliche Regelung fördert insofern mehr Kundenorientierung, führt zu mehr Vertragsparität und stärkt die Selbstbestimmung der gegenüber den Versicherern strukturell benachteiligten Versicherungsnehmer in einer den Unternehmen zumutbaren Weise (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 210).
123
cc) Zwar ist nicht zu verkennen, dass eine „additive“ Wirkung mehrerer für sich betrachtet geringfügiger Eingriffe in ihrer Gesamtwirkung die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten kann (BVerfG, NJW 2009, 2033 = BVerfGE 123, 186, Rdnr. 239). Ein kritisches Potenzial für sog. Risikoselektionsprozesse durch erhebliche Wechselbewegungen in den Basistarif kann aber allenfalls längerfristig ausgelöst werden (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 200; Bach/Moser/HaaseUhländer, § 204 VVG, Rdnr. 146). Insoweit unterliegt der Gesetzgeber einer Beobachtungspflicht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 241; Bach/Moser/Haase-Uhländer, a.a.O.). Dadurch ist ein hinreichender Schutz der Grundrechte der Versicherer gewährleistet.
124
(5) Soweit § 13 Abs. 8 AVB einen Anspruch des Versicherungsnehmers davon abhängig macht, dass der Versicherungsnehmer gleichzeitig eine Krankheitskostenvollversicherung kündigt und einen neuen substitutiven Vertrag abschließt, stellt dies eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG dar, so dass die vertragliche Klausel gemäß § 208 Abs. 1 VVG unwirksam ist.
125
b) Der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus § 280 Abs. 1 BGB.
126
c) Der darauf bezogene Zinsanspruch folgt aus §§ 291 i.V.m. 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
127
d) Der weiter geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der vom Kläger im Zeitraum vom 03.10.2018 bis zum 31.03.2019 gezahlten Risikozuschläge in Höhe von 585,15 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht, da die Zahlungen – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht ohne rechtlichen Grund erfolgten.
128
Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzung eines Wegfalls gefahrerhöhender Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss erfüllt ist, kann sich der Kläger bereits deshalb nicht auf eine Herabsetzung seiner Prämie nach § 41 VVG berufen, weil eine solche Herabsetzung lediglich ex nunc ab dem Zugang eines entsprechenden Herabsetzungsverlangens des Versicherungsnehmers erfolgt (vgl. BeckOK VVG/Klimke, § 41 VVG, Rdnr. 11; Prölss/Martin/Reiff, § 41 VVG, Rdnr. 11).
129
Das Herabsetzungsverlangen stellt ein Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers dar. Es muss zum Ausdruck bringen, dass die Prämie wegen einer bestimmten Gefahrverminderung herabgesetzt werden soll (BeckOK VVG/Klimke, a.a.O., Rdnr. 10).
130
Diese Voraussetzung erfüllt weder die E-Mail des Klägers vom 07.06.2016 (Anlage B 10), noch die E-Mail des Klägers vom 02.10.2018 (vgl. Klageschrift vom 31.01.2021, S. 15). Beide E-Mails beinhalten lediglich an den Beklagten gerichtete Anfragen bzw. Bitten um Prüfung. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass bereits aufgrund der jeweiligen Erklärung des Klägers eine Beitragsreduzierung eintreten sollte, was jedoch Voraussetzung einer Herabsetzung der Prämie nach § 41 VVG wäre. Demgegenüber erfüllt das Schreiben des Klägervertreters vom 14.04.2020 (Anlage K 6) die Anforderungen an ein Herabsetzung i.d.S., konnte aber aus den o.g. Gründen keine Rückwirkung entfalten.
131
e) Insoweit steht dem Kläger mangels Hauptanspruchs auch kein Zinsanspruch zu.
132
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91 a Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 97 Abs. 1 ZPO.
133
Zutreffend ist, dass die erstinstanzliche Entscheidung insoweit fehlerhaft ist, als das Landgericht vom Vorliegen einer einseitigen Teilerledigungserklärung ausgegangen ist. Der Beklagte hatte der mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 19.07.2021 abgegebenen Teilerledigung in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2021 zugestimmt. Dem für erledigt erklärten Antrag auf Auskunftserteilung über die Höhe der gebildeten Alterungsrückstellung kommt allerdings im Rahmen der Kostenentscheidung neben dem auf Übertragung des Übertragungswerts gerichteten Berufungsantrag zu 2. kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu.
134
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 i.V.m. §§ 543 Abs. 1 Nr. 1, 554 Abs. 1, 2 Satz 1 ZPO (vgl. OLG München – 29. Zivilsenat –, BeckRS 2019, 11885, Rdnr. 65).
135
5. Die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof folgt aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 Abs. 1 EGZPO. Die Frage der Anwendbarkeit des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) VVG auf den vorliegenden Fall des Wechsels aus einer Anwartschaftsversicherung in eine substitutive Krankheitskostenversicherung hat grundsätzliche Bedeutung.