Titel:
Beschäftigungsverbot für Mitarbeiterin eines Prostitutionsgewerbes
Normenketten:
VwGO § 80, § 114
BayVwVfG Art. 28, Art. 40, Art. 45
ProstSchG § 15 Abs. 1, § 25 Abs. 2, Abs. 3
GewO § 34a
GastG § 21
Leitsätze:
1. Ob ein Ausnahmefall von der Regel des § 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG vorliegt, muss anhand der Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung entschieden werden, die vorrangig eine charakteristische Nähe zu Delikten der organisierten Kriminalität fordert. (Rn. 41 – 42)
2. Ein Beschäftigungsverbot nach § 25 Abs. 2, Abs. 3 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG setzt neben der Prüfung des Regel-Ausnahmeverhältnis auf Tatbestandsebene auch eine ordnungsgemäße Ermessensausübung auf Rechtsfolgenseite voraus. (Rn. 36)
3. Die Rechtsprechung des BayVGH zur spezifischen Zuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe (§ 34a GewO) lässt sich auf den Zuverlässigkeitsbegriff des § 15 ProstSchG übertragen. (Rn. 42)
Eine in einem Prostitutionsgewerbe beschäftigte Person besitzt die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit iSd § 25 Abs. 3 ProstSchG dann nicht, wenn sie nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihre Tätigkeit im Betrieb künftig ordnungsgemäß ausübt, wobei die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit eine auf die von der Person tatsächlich ausgeübte Tätigkeit bezogene Prognose beinhaltet, ob eine ordnungsgemäße Tätigkeitsausübung in Zukunft wahrscheinlich ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschäftigungsverbot nach § 25 Abs. 3 ProstSchG, Regel-Ausnahmeverhältnis des § 15 Abs. 1 ProstSchG, Beschäftigungsverbot, Prostitutionsgewerbe, Mitarbeiterin, Zuverlässigkeit, Prognose, Ausnahmefall, Regel-Ausnahmeverhältnis, Ermessen, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 36155
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. November 2023 gegen das in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Oktober 2023 (* …*) enthaltene Beschäftigungsverbot wird wiederhergestellt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Oktober 2023 enthaltene, auf § 25 Abs. 3 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) gestützte und gegen ihn als Betreiber gerichtete Beschäftigungsverbot einer Mitarbeiterin seines Prostitutionsgewerbes.
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Am 28. März 2023 wurde dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als Betreiber der Prostitutionsstätte „…“, …, …, per Schreiben bekanntgemacht, dass die gesetzlich vorgeschriebene Zuverlässigkeitsprüfung der Beschäftigten in Prostitutionsstätten durchgeführt wird. Mit diesem Schreiben wurde von dem Antragsteller eine Liste, welche Mitarbeiter in seiner Prostitutionsstätte tätig sind, angefordert. Als Termin für die Abgabe der Liste wurde der 1. Mai 2023 festgesetzt. Für die gemeldeten Beschäftigten musste jedenfalls ein polizeiliches Führungszeugnis für Behörden bis zum 15. Mai 2023 vorgelegt werden (Bl. 1f. der digitalen Behördenakte).
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Am 22. Mai 2023 ging bei der Antragsgegnerin eine Liste ein, mit der der Antragsteller drei Personen meldete, die in der Prostitutionsstätte tätig sind und worin der Tätigkeitsbereich von Frau … (im Folgenden Frau …) mit „Empfang“ umschrieben wurde (Bl. 3f. der digitalen Behördenakte). Die Behördenakte enthält ferner ein als „Meldung und Zuverlässigkeitsprüfung von Personen nach § 25 Abs. 2 ProstSchG“ überschriebenes, von Frau … am 19. Juli 2023 unterschriebenes Schreiben, wonach ihr Aufgabenbereich im Prostitutionsgewerbe die Leitung bzw. Beaufsichtigung des Betriebes umfasst. Ferner wurde explizit angegeben, dass keine anhängigen Strafverfahren bestehen (Bl. 13 der digitalen Behördenakte). Am 28. Juli 2023 ging bei der Antragsgegnerin das auf den 21. Juli 2023 datierte Führungszeugnis der Beschäftigten Frau … ein. Das Führungszeugnis enthielt den Vermerk „keine Eintragung“ (Bl. 22 der digitalen Behördenakte).
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Am 21. Juli 2023 wurde per Fax eine Abfrage an das Polizeipräsidium … gestellt, ob dort Tatsachen bekannt wären, die einer Zuverlässigkeitsprüfung entgegenstehen. Am 14. August 2023 erhielt die Antragsgegnerin die Auskunft vom Kriminalfachdezernat …, welche zwei Anzeigen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 73 Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthielt. Beide Anzeigen erfassten denselben Lebenssachverhalt, wonach der Vorwurf dahingehend lautete, dass der Barbetreiber der Bar „…“ am 30. Oktober 2020 um 22:40 Uhr ordnungswidrig handelte, indem er nach der Sperrstunde seine Bar weiterhin betrieb und Gäste bewirtete (Bl. 25f. der digitalen Behördenakte). Vom Zollkriminalamt wurde am 8. August 2023 gemeldet, dass der Datenabgleich zu der Person von Frau … Erkenntnisse über ein laufendes Strafverfahren wegen Betruges unter dem Az. … erbracht hat (Bl. 19f. der digitalen Behördenakte). Am 24. August 2023 wurde bei der Staatsanwaltschaft … per Fax abgefragt, ob von Seiten der Staatsanwaltschaft Gründe bekannt sind, Frau … die Zuverlässigkeit zu verweigern. Die Staatsanwaltschaft … teilte der Antragsgegnerin mit, dass unter dem Aktenzeichen … ein Strafbefehl gegen Frau … seit dem 24. August 2023 rechtskräftig ist. Sie wurde wegen Betruges durch Unterlassen gemäß §§ 263 Abs. 1, 13 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Ausweislich des rechtskräftig festgestellten Sachverhalts bezog Frau … im Zeitraum vom 1. April 2021 bis 30. Juni 2021 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 681,45 EUR, weil sie entgegen der ihr bekannten Verpflichtung dem Jobcenter … nicht unverzüglich mitteilte, dass sie seit 1. April 2021 einer Beschäftigung nachging (Bl. 28f. der digitalen Behördenakte).
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Nachdem sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 2. Oktober 2023 per Schriftsatz geäußert haben soll, sei eine Anhörung unterblieben. Dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2023 lässt sich eine Stellungnahme in der Sache nicht entnehmen.
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Mit Bescheid vom 27. Oktober 2023, zugestellt am 31. Oktober 2023, regelte die Antragsgegnerin unter anderem Folgendes:
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1. Herrn …, geb. …, wohnhaft …, …, wird untersagt Frau …, geb. am …, wohnhaft …, …, in der Prostitutionsstätte „…“, …, …, zu beschäftigen.
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2. Die sofortige Vollziehung der Anordnung nach Nr. 1 dieses Bescheides wird angeordnet.
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Die Begründung des Bescheides führt in tatsächlicher Hinsicht den oben dargestellten Sachverhalt an. In rechtlicher Hinsicht könne dem Betreiber der Prostitutionsstätte die Beschäftigung einer Person untersagt werden, wenn die Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die erforderliche Zuverlässigkeit liege ausgehend von § 15 Abs. 1 ProstSchG auch dann nicht vor, wenn eine in einer Prostitutionsstätte tätige Person unter anderem innerhalb der letzten fünf Jahre wegen Betruges rechtskräftig verurteilt worden sei (§ 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG). Frau … erfülle angesichts dessen, dass sie seit dem 24. August 2023 rechtskräftig wegen Betruges verurteilt worden sei, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG. Dabei sei die Höhe des Strafmaßes unerheblich, es gehe lediglich um die Tatsache einer Verurteilung. Laut § 15 Abs. 2 ProstSchG sei bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich daraus Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person ergeben. Gegen Frau … seien zwei Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen das IfSG anhängig. Im Gesamtbild und nach ausgiebiger Prüfung werde sie als nicht zuverlässig eingestuft. Ziel des ProstSchG sei es, den Prostituierten den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Die Prostituierten seien in der Regel nur wenige Wochen oder Tage an ein- und demselben Ort und kämen oft auch aus den angrenzenden EU-Gebieten oder aus dem weiteren Ausland. Da sie während der Tätigkeit sehr häufig einen Ortswechsel vornehmen würden, hätten sie in der Regel Bargeld sowie Hab und Gut dabei. Die Prostituierten hätten i. d. R. vor Ort keine bzw. kaum soziale Kontakte und besäßen häufig nur sehr geringe bis gar keine Kenntnisse der deutschen Sprache. Die Prostituierten würden in den verpflichtenden Beratungsgesprächen bei den deutschen Gesundheitsämtern und in den Ausgabestellen der Bescheinigungen auf ihre Rechte und Pflichten hingewiesen werden, die die deutschen Gesetze für sie vorsehen, jedoch seien diese Aufklärungsgespräche im Höchstfall einmal im Jahr verpflichtend und somit, auch wenn sie die Tatsachen schriftlich an die Hand gegeben bekommen hätten, nicht so nachhaltig. Die Prostituierten hätten als Hauptansprechpartner jedoch die Personen, die in den Prostitutionsstätten täglich vor Ort seien. Dies seien in der Regel die Mitarbeiter der Prostitutionsstätte. Sie seien täglich mit ihnen in Kontakt und würden somit eine viel engere Bindung zu den Prostituierten aufbauen, als es den staatlichen Behörden möglich sei. Deshalb sei die Zuverlässigkeit der Betreiber und der Beschäftigten sehr gewissenhaft zu prüfen. Frau … sei wegen Leistungsbetruges rechtskräftig verurteilt worden. Diese Feststellungen dokumentierten, dass Frau … in Geldangelegenheiten die dafür notwendige Sorgfalt fehle. Dabei sei es egal, ob aus Ungewissheit, Vergesslichkeit oder mit Vorsatz gehandelt werde. Sie könne aus diesen Gründen nicht als erste Ansprechpartnerin oder Vertrauensperson von Prostituierten eingesetzt werden. Es könne infolge der Verurteilung und auch im Hinblick auf die beiden Bußgeldbescheide nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Prostituierten im Zweifelsfall über die in Deutschland herrschenden Gesetze aufklärt. Auch müssten Wertgegenstände und das Bargeld bzw. die Kreditkarten der Prostituierten innerhalb der Prostitutionsstätte vor allem durch das eingesetzte Personal gesichert werden können. Die Prostituierten würden die Prostitutionsstätte als ihren geschützten Raum ansehen und dies sollte er auch sein. Es könne davon ausgegangen werden, dass Frau … die Einnahmen der Prostitutionsstätte verwalte, denn der Antragsteller habe gegenüber der Behörde angegeben, dass er oft lange Zeiträume nicht vor Ort wäre, da er beruflich oft auf Reisen sei. Die ordnungsgemäße Handhabung der Einnahmen obliege während dieser Zeit somit voraussichtlich Frau … Das individuelle Interesse des Antragstellers Frau … zu beschäftigen, müsse somit hinter dem Interesse am Schutz der in der Prostitutionsstätte tätigen Personen zurückstehen. Die Entscheidung stelle das mildeste Mittel dar. Dem Antragsteller stehe es frei, eine andere beliebige Person zu beschäftigen, die die Kriterien der Zuverlässigkeitsprüfung erfülle.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides sei nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im öffentlichen Interesse erforderlich, da ohne die Anordnung bei Einlegung von Rechtsmitteln des Antragstellers die aufschiebende Wirkung für den Vollzug dieses Bescheides einsetzen würde. Aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sei für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dieses Bescheids ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich, welches das Aussetzungsinteresse und das Interesse an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes i. S. v. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) des Antragstellers überwiege. Dieses bestehe vorliegend in dem besonderen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr und dem Schutz der im Prostitutionsbetrieb eingemieteten Prostituierten. Das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung einer Klage habe gegenüber dem Schutz der im Bordellbetrieb untergebrachten Personen vor unzuverlässigen Mitarbeitern eine untergeordnete Bedeutung.
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Auf die weitergehende Begründung hinsichtlich der Regelungen zur Zwangsgeldandrohung sowie der Kostenentscheidung (Ziff. 3. und 4. des Bescheides) wird hingewiesen, mit Blick auf den Streitgegenstand des Eilverfahrens jedoch auf eine Darstellung verzichtet.
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Der Antragsteller ließ am 6. November 2023 Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2023 erheben und beantragt gleichzeitig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners über die Erlassung eines Beschäftigungsverbotes für Frau … vom 27.10.2023, zugestellt am 31.10.2023 (Az.: …) wiederherzustellen.
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Mit Antragsbegründung vom 21. November 2023 weist der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht darauf hin, dass die zwei Ordnungswidrigkeitsanzeigen den identischen Lebenssachverhalt betreffen würden. Ferner wird darauf verwiesen, dass bereits mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2023 Widerspruch gegen den vorangegangenen, inzwischen zurückgenommenen Bescheid vom 13. September 2023 eingelegt wurde, durch welchen dem Antragsteller der Einsatz von Frau … untersagt worden sei. Trotz Akteneinsichtsgesuch sei Akteneinsicht nicht gewährt worden. Eine Einlassung zur Sache habe daher nicht erfolgen können. In rechtlicher Hinsicht sei der Antrag zulässig und begründet. Das Interesse an der Weiterbeschäftigung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug, weil der Bescheid über den Erlass des Beschäftigungsverbotes offensichtlich rechtswidrig sei. Frau … besitze die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nach § 25 Abs. 3 ProstSchG. Eine Unzuverlässigkeit liege dann vor, wenn sie nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihre Tätigkeiten im Betrieb künftig ordnungsgemäß ausübt. Die Entscheidung beinhalte eine Prognose im Hinblick auf die tatsächlich durch die Person ausgeübte Tätigkeit dahingehend, ob eine ordnungsgemäße Tätigkeitsausübung in Zukunft wahrscheinlich sei. Neben § 15 ProstSchG sei auf den allgemeinen gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsbegriff zurückzugreifen. Grundlage der Prognose seien die in der Vergangenheit und Gegenwart liegenden Tatsachen, die die ordnungsgemäße Gewerbeausübung wahrscheinlich erscheinen lassen. Je schutzwürdiger die Rechtsgüter seien, die gefährdet werden könnten, umso strengere Anforderungen seien an die Zuverlässigkeit zu stellen. Zu beachten sei, dass der Unzuverlässigkeitsbegriff unter Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit auszulegen sei. Bei der Prognose sei stets eine am Einzelfall orientierte Vergegenwärtigung der von der Betroffenen konkret ausgeübten Tätigkeit notwendig. Die Antragsgegnerin verkenne, dass ein einmaliger Verstoß gegen Strafgesetze nur dann eine Unzuverlässigkeit indizieren könne, wenn es sich um ein gravierendes Delikt handele. Ein solches liege unter Berücksichtigung eines Vermögensschadens i. H. v. 681,45 EUR nicht vor. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein Unterlassungsdelikt handele, welches im Gegensatz zu einem aktiven Handeln regelmäßig einen geringeren Unrechtsgehalt besitze. Mit Blick auf die Anzahl von 20 Tagessätzen sei auch von einer geringen Schuld auszugehen. Mit Blick auf den identischen Lebenssachverhalt sei lediglich von einer Ordnungswidrigkeitsanzeige auszugehen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sei auch davon auszugehen, dass kein Bußgeldbescheid erlassen worden sei. Im Übrigen werde die Berücksichtigungsfähigkeit gemäß § 153 Abs. 7 Gewerbeordnung (GewO), der eine Verwertung untersage, mit Blick auf die Tatzeit (30. Oktober 2020) gerade noch erreicht. Bei dem Vorhalt der Antragsgegnerin, dass aufgrund des Strafbefehls dokumentiert sei, dass Frau … in Geldangelegenheiten die notwendige Sorgfalt fehle, handele es sich um eine reine Unterstellung. Ein einmaliges Vergehen mit dieser Schadenshöhe lasse wohl kaum eine solche Prognose zu. Die Antragsgegnerin übersehe zudem § 18 Abs. 2 Nr. 6 ProstSchG. Die Prostitutionsstätte verfüge selbstverständlich über individuell verschließbare Aufbewahrungsmöglichkeiten für persönliche Gegenstände der Prostituierten. Die beschriebene Gefahr sei aus der Luft gegriffen. Frau … habe schließlich auch keine Aufklärungspflicht über die in Deutschland herrschenden Gesetze. Diese Pflicht obliege der Antragsgegnerin, § 7 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG. Die Antragsgegnerin trage eine Reihe von Mutmaßungen vor. Aus der Verurteilung schließe sie darauf, dass Frau … sich zukünftig fremdes Vermögen rechtswidrig aneignen werde. Obwohl die Antragsgegnerin unterstelle, dass die Prostituierten in der Regel nur wenige Tage vor Ort seien, gehe sie davon aus, dass Frau … eine Vertrauensperson der Prostituierten sei. Hierbei verkenne die Antragsgegnerin, dass noch andere Personen mit der gleichen Funktion beschäftigt seien. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht auf Berufsfreiheit würden es gebieten, bei dieser Faktenlage die Zuverlässigkeit zu bejahen.
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Auf den weiteren Vortrag hinsichtlich einer möglichen Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung wird hingewiesen, mit Blick auf den Streitgegenstand des Eilverfahrens jedoch auf eine Darstellung verzichtet.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 14. November 2023;
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Zur Antragserwiderung wird zunächst auf die Sachverhaltsdarstellung im Bescheid verwiesen. In rechtlicher Hinsicht sei der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag zulässig, aber unbegründet. Die vorzunehmende Interessenabwägung gehe im vorliegenden Fall zu Lasten des Antragstellers. Ausschlaggebend seien in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, da am sofortigen Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein öffentliches Interesse bestehen könne, wie an der aufschiebenden Wirkung eines offensichtlich unbegründeten Rechtsbehelfs. Insoweit sei eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten, aber auch ausreichend. Die gleichzeitig erhobene Klage sei offensichtlich unbegründet, weil die Verfügung des Beschäftigungsverbotes sowie die weiteren im Bescheid getroffenen Regelungen rechtmäßig seien und der Antragsteller dadurch nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werde. Rechtsgrundlage für das Beschäftigungsverbot bilde § 25 Abs. 3 ProstSchG, dessen Voraussetzungen unter entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 ProstSchG vorliegen würden. Der Antragsteller sei richtiger Adressat des Beschäftigungsverbotes. Wesentliche Tatsachen würden die Annahme rechtfertigen, dass die im Betrieb beschäftigte Frau … die erforderliche Zuverlässigkeit für die ordnungsgemäße Ausübung ihrer Tätigkeit im Betrieb nicht besitze. Die Unzuverlässigkeit liege bei einer wie im konkreten Fall vorliegenden Verurteilung regelmäßig vor, unabhängig von der Intensität der Verurteilung. Ferner habe auch eine Auseinandersetzung mit dem im Rahmen der regelmäßigen Zuverlässigkeitsprüfung nach § 15 Abs. 3 ProstSchG weiter gewonnenen Erkenntnissen und sonst bekannten Tatsachen stattgefunden. Berücksichtigung habe hier insbesondere die konkrete Tätigkeit der Frau … im Betrieb des Antragstellers, insbesondere betreffend die Intensität ihres Kontakts zu den Prostituierten, deren Schutz das vordergründige Ziel des ProstSchG sei, gefunden. Eine atypische Fallkonstellation, die ganz ausnahmsweise eine Abweichung von der Regelvorgabe des § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG geboten hätte, liege hier klar ersichtlich nicht vor. Ferner trage das Beschäftigungsverbot auch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit Rechnung und halte sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung.
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Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung werde zunächst auf Ziffer II.3 des Bescheids verwiesen. Nach Drucksache 18/8556 steht hinter der Regelung des § 25 Abs. 2
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ProstSchG das Bedürfnis, „die Zuverlässigkeitserfordernisse ausdrücklich auf einen über die Betriebsleitung hinausgehenden Kreis solcher Personen zu erstrecken, die in der Praxis von Prostituierten und Dritten als „verlängerter Arm“ des Betreibers wahrgenommen werden können“. Dies lasse sich damit begründen, dass nur zuverlässiges Personal effektiv dazu beitragen könne, dem Schutzzweck des ProstSchG Geltung zu verschaffen und ein möglichst hohes Schutzniveau für die Prostituierten zu erreichen. Als Mitarbeiterin am Empfang und reguläre Ansprechpartnerin im Betrieb nehme Frau … ein entsprechendes Vertrauen in Anspruch und befinde sich zu jeder Zeit in engem Kontakt mit den im Betrieb arbeitenden Prostituierten. Durch ihre Position habe Frau … daher eine direkte und weitreichende Einflussmöglichkeit auf die Prostituierten. Es bestehe daher die reelle Gefahr, dass Frau … den Prostituierten ein falsches Bild von der geltenden Rechtsordnung bzw. einen fehlerhaften Umgang mit dem geltenden Gesetz vermittele. Vor allem erhalte sie durch ihre Tätigkeit jedoch unmittelbar die Möglichkeit, auf geldbezogene Angelegenheiten der Prostituierten einzuwirken oder gar auf entsprechende Wertgegenstände, Bargeld o. Ä. zuzugreifen. Die aktuelle Verurteilung wegen eines Vermögensdeliktes zeige nicht nur einen wiederholten Konflikt mit dem Gesetz auf, sondern begründe auch die reelle und gegenwärtige Gefahr für Vermögensinteressen der im Betrieb des Antragstellers tätigen Prostituierten. Mit der Tätigkeit der Frau … im Betrieb des Antragstellers gehe damit fortwährend die naheliegende Möglichkeit einer nachhaltigen, negativen Beeinträchtigung der Interessen der dort arbeitenden Prostituierten einher. Der Schutz dieser Interessen sei in der vorliegenden Fallkonstellation besonders hoch zu gewichten, so dass dem grundlegenden Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs vorliegend ein besonderes, überwiegendes Vollzugsinteresse gegenübersteht.
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Auf das gerichtliche Schreiben vom 22. November 2023 hin ergänzt der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 27. November 2023, dass das Tätigkeitsfeld von Frau … insbesondere den Abschluss von Mietverträgen mit Prostituierten umfasse. Man könne ihr Tätigkeitsfeld unter dem Begriff der „Empfangsdame“ zusammenfassen. Die Begriffe „Leitung bzw. Beaufsichtigung“ des Betriebes seien insoweit ungenau.
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Mit Schreiben vom 27. November 2023 ergänzt die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller verkenne, dass das ProstSchG gegenüber dem allgemeinen Gewerberecht speziellere Regelungen treffe. § 15 Abs. 1 Nr. 1 c) ProstSchG sehe ein Mindeststrafmaß nicht vor. Dies bestätigte sich auch im Umkehrschluss mit Blick auf § 15 Abs. 1 Nr. 1 e) ProstSchG, der ausdrücklich ein Mindeststrafmaß fordere. Ob der Betrug durch aktives Handeln oder ein Unterlassen begangen werde, spiele unter keinem Gesichtspunkt eine Rolle. Frau … habe vorsätzlich sowie in Bereicherungsabsicht Leistungen bezogen, auf die sie keinen Anspruch hatte. Der Vortrag des Antragstellers sei nicht geeignet, einen atypischen Sonderfall zu begründen und die Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Nicht entscheidend sei ferner, ob eine Berücksichtigungsfähigkeit nach § 153 Abs. 7 GewO gerade noch vorliege. Gemäß den bestätigenden Angaben des Antragstellers sowie der Ausführungen seiner anwaltlichen Vertretung sei Frau … die Stellvertreterin des Antragstellers. Ihr würden in dieser Funktion die Tätigkeiten und Aufgaben des Betreibers obliegen. Frau … sei damit die erste Ansprechpartnerin der Prostituierten und u.a. für die Herausgabe der Spindschlüssel und für die übrigen Belange der Prostituierten zuständig. Der Antragsteller habe eine Liste der beschäftigten Personen übersendet, aus welcher hervorgeht, dass neben dem Antragsteller sowie Frau … lediglich eine weitere Person beschäftigt sei. Die geringe Anzahl der Mitarbeitenden stelle noch einmal heraus, wie wesentlich die Funktion von Frau … als Ansprechpartnerin und Vertrauensperson im Betrieb sei. Als eine der wenigen Hauptverantwortlichen vor Ort habe sie die seitens des Gesetzgebers aufgestellten strengen Anforderungen an die Zuverlässigkeit gleichermaßen wie jede andere beschäftigte Person in vergleichbarer Funktion gegen sich gelten zu lassen.
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Auf den weiteren Vortrag hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung wird hingewiesen, mit Blick auf den Streitgegenstand des Eilverfahrens jedoch auf eine Darstellung verzichtet.
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Mit weiterem Schreiben vom 30. November 2023 vertritt der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zum ProstSchG (Bt Ds 18/8556, S. 69), dass die Antragsgegnerin die Systematik des § 15 Abs. 1 ProstSchG verkenne. Der Betrug sei in dieser Passage gerade nicht aufgeführt. Folgerichtig sei bei Betrug die Verhältnismäßigkeit zu beachten, insbesondere die freie Berufsausübung zu berücksichtigen. Insoweit spiele auch die Höhe des Schadens eine Rolle. Die Vermutung der Unzuverlässigkeit müsse nicht durch den Antragsteller widerlegt werden. Vielmehr habe die Antragsgegnerin bei ihrer Begründung die im vorliegenden Fall angesichts der Schadenshöhe nicht gegebene Verhältnismäßigkeit darzulegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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A. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Oktober 2023 geregelte Beschäftigungsverbot ist zulässig und begründet.
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Vorliegend ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Ziffer 2 des Bescheides vom 27. Oktober 2023 enthält die Anordnung der sofortigen Vollziehung des in Ziffer 1 geregelten Beschäftigungsverbotes mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage entfällt, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Der Antrag ist darüber hinaus auch begründet.
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Zwar genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht den an sie gestellten rechtlichen Anforderungen (1.), jedoch fällt die im Zuge des Eilverfahrens vom Gericht zu treffende Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus, weil im konkreten Fall das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt (2.). Das in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthaltene Beschäftigungsverbot erweist sich nach summarischer Prüfung der Hauptsache als voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller daher in seinen subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die in Ziffer 2 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den in formeller Hinsicht an sie gestellten rechtlichen Anforderungen, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster sowie die bloße Wiederholung des Gesetzestextes reichen nicht aus (Gersdorf in BeckOK VwGO, 67. Ed. 1.10.2023, § 80 Rn. 87, vgl. auch VGH BW, B.v. 9.5.2020 – 13 S 2666/89 – juris Rn. 3). Angesichts des Schutzzwecks des Begründungszwanges kann eine unzureichende Begründung nicht durch Nachbesserung geheilt werden (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 § 80 Rn. 56, vgl. auch BayVGH, B.v. 24.2.1988 – 14 CS 88.0004 – juris).
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Die in Ziffer II.3. des streitgegenständlichen Bescheides erfolgte Begründung der sofortigen Vollziehung ist zwar kurz, erweist sich im Ergebnis aber noch als ordnungsgemäß. Sie beschränkt sich nicht auf eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes und stellt sich – auch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des ProstSchG als besonderes Sicherheitsrecht – nicht als bloße formelhafte Wendung dar. Ohne dass es darauf noch ankommt ist jedoch festzuhalten, dass die im Zuge der Antragserwiderung erfolgte Nachbesserung der Begründung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin angesichts der oben dargestellten herrschenden Rechtsprechung nicht berücksichtigungsfähig gewesen ist.
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2. Die im Rahmen des Eilverfahrens zu treffende Interessenabwägung fällt im vorliegenden Fall zu Gunsten des Antragstellers aus, weil sich der streitgegenständliche Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig erweist und den Antragsteller damit in seinen subjektiven Rechten verletzt.
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a) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abwägt. Wesentliches – aber nicht alleiniges – Kriterium für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich Erfolg hat, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als voraussichtlich rechtmäßig und das Hauptsacheverfahren damit als voraussichtlich erfolglos, überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Bei offenen Erfolgsaussichten muss eine reine Interessenabwägung erfolgen (BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 CS 11.2837 – juris Rn. 38, vgl. auch Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 90ff.).
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b) Ausgehend hiervon erweist sich das in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheides geregelte Beschäftigungsverbot nach gebotener summarischer Prüfung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses als voraussichtlich rechtswidrig, weil es insbesondere an einer pflichtgemäßen Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin fehlt. Aus diesem Grund verletzt der streitgegenständliche Bescheid den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für das geregelte Beschäftigungsverbot bildet § 25 Abs. 3 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 c), Abs. 2 Satz 2 ProstSchG. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 ProstSchG kann dem Betreiber eines Prostitutionsgewerbes die Beschäftigung einer Person untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. § 15 Abs. 1 ProstSchG ist hierbei entsprechend anzuwenden (§ 25 Abs. 3 Satz 2 ProstSchG). Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 c) ProstSchG besitzt in der Regel derjenige nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, der innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung rechtskräftig wegen Betruges verurteilt worden ist. Bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich daraus Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person ergeben (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ProstSchG). Überdies konstatiert § 25 Abs. 2 Satz 1 ProstSchG, dass der Betreiber für Aufgaben der Stellvertretung, der Betriebsleitung und -beaufsichtigung, für Aufgaben im Rahmen der Einhaltung des Hausrechts oder der Hausordnung, der Einlasskontrolle und der Bewachung nur Personen einsetzen darf, die über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.
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Das Beschäftigungsverbot erweist sich in materieller Hinsicht als voraussichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das ihr durch § 25 Abs. 3 Satz 1 ProstSchG auferlegte Ermessen nicht ausgeübt hat. Ob die vom Beschäftigungsverbot betroffene Mitarbeiterin tatsächlich als unzuverlässig i. S. d. ProstSchG anzusehen ist, ist damit letztlich nicht streitentscheidend.
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(1) Die Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 ProstSchG ordnet angesichts der systematischen Vergleichbarkeit zu den Regelungen des § 34a Abs. 4 GewO sowie § 21 GastG die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens an. Im Unterschied zu der Entscheidung über eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO steht die Entscheidung nach § 34a Abs. 4 GewO im Ermessen der Behörde, wobei vor dem Hintergrund, dass im Regelfall eine Ermessensreduzierung hin zu einer Untersagung vorliegt, keine allzu hohen Anforderungen an die Ermessensausübung gestellt werden können (VG Schleswig, B.v. 27.3.2017 – 12 B 9/17 – juris Rn. 25). Liegt nach Einschätzung der zuständigen Behörde die Unzuverlässigkeit einer Person i. S. v. § 21 GastG vor, hat sie die Entscheidung, ob sie ein Beschäftigungsverbot nach § 21 Abs. 1 GastG ausspricht, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. Metzner/Thiel, GastG, 7. Aufl. 2023, § 21 Rn. 5). Gemäß Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht in Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens noch ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO), die fehlende Ermessensausübung oder gänzlich neue Ermessenserwägungen jedoch nicht nachschieben (Decker in BeckOK VwGO, 67. Ed. 1.10.2023, § 114 Rn. 41).
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(2) Im vorliegenden Fall ist die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens durch die Antragsgegnerin jedoch unterblieben, weshalb der Bescheid an einem unheilbaren Ermessensfehler i. S. eines Ermessensausfalles leidet.
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Der streitgegenständliche Bescheid enthält keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen erkannt und es pflichtgemäß ausgeübt hat. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung folgt für sich genommen weder aus der Wiedergabe des Wortlautes der Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz1 ProstSchG (S. 3 des Bescheides), noch aus der für sich allein stehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen dem Interesse des Antragstellers sowie dem Schutzinteresse der in der Prostitutionsstätte tätigen Personen (S. 5 des Bescheides) und erst Recht nicht aus dem Verweis in der Antragserwiderung vom 14. November 2023, wonach sich das Beschäftigungsverbot im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung halte. Die Begründung des Bescheides sowie die ergänzenden Stellungnahmen im Zuge des Eilverfahrens zeigen vielmehr, dass das für die Entscheidung der Antragsgegnerin maßgebliche Kriterium einzig und allein die Feststellung der Unzuverlässigkeit der Mitarbeiterin infolge der Annahme eines Regelfalles i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG gewesen ist. Für das Verkennen einer Ermessensentscheidung spricht letztlich auch die Tatsache, dass dem Antragsteller vor Erlass des Bescheides – entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin – tatsächlich keine Möglichkeit gegeben worden ist, zu dem im Raum stehenden Beschäftigungsverbot seiner Mitarbeiterin Stellung zu nehmen (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).
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Aus diesen Gründen war die aufschiebende Wirkung der Klage antragsgemäß wiederherzustellen.
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(3) Abschließend verweist die zuständige Kammer – auch wenn es im hiesigen Fall nicht unmittelbar streitentscheidend ist – darauf, dass sie angesichts des streitgegenständlichen Sachverhalts dazu neigt, im vorliegenden Fall einen Ausnahmefall von der Regel des § 15 Abs. 1 Nr. 1c) ProstSchG anzunehmen.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG soll durch die Formulierung „in der Regel“ sichergestellt werden, dass die Behörde im Einzelfall zu einer anderen Beurteilung kommen kann. Unzuverlässigkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn die antragstellende Person einschlägig vorbestraft ist. Mit Blick auf die gefährdeten Rechtsgüter sind vor allem Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Körperverletzungsdelikte sowie Delikte, die eine charakteristische Nähe zu Menschenhandelsdelikten und zur organisierten Kriminalität aufweisen, relevant (BT-Drucksache 18/8556, S. 80). Ferner müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die beschäftigte Person nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Eine in einem Prostitutionsgewerbe beschäftigte Person besitzt die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit i. S. d. § 25 Abs. 3 ProstSchG dann nicht, wenn sie nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihre Tätigkeit im Betrieb künftig ordnungsgemäß ausübt. Die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit beinhaltet eine auf die von der Person tatsächlich ausgeübte Tätigkeit bezogene Prognose, ob eine ordnungsgemäße Tätigkeitsausübung in Zukunft wahrscheinlich ist (VG Stuttgart, B.v. 15.9.2022 – 4 K 3478/22 – juris Rn. 10). Im Hinblick auf den Bewachungsunternehmer nach § 34a GewO nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) angesichts der Konfliktträchtigkeit und „Nähe“ zur Ausübung von Gewalt das Bedürfnis einer spezifischen Zuverlässigkeit an, weshalb Tatsachen, die Rückschlüsse auf die Einstellung des Gewerbetreibenden zum Umgang mit Konfliktfällen und zur Gewaltvermeidung zulassen auch dann von besonderer Bedeutung sind, wenn sie außerhalb des Gewerbes verwirklicht wurden (BayVGH, B.v. 23.9.2019 – 22 CS 19.1417 – juris Rn. 28, 31).
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Insoweit ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zuzugestehen, dass sich die Strafe von 20 Tagessätzen am untersten Rand des Strafrahmens des § 263 StGB bewegt und damit Ausdruck einer geringen Schuld der Täterin ist, §§ 40 Abs. 1, 46 Abs. 1 StGB. Nachdem der Betrug in der Gesetzesbegründung zum ProstSchG nicht gesondert aufgeführt worden ist, kann seine Daseinsberechtigung in § 15 Abs. 1 ProstSchG lediglich durch Subsumtion unter eine charakteristische Nähe zur organisierten Kriminalität erklärt werden. Eine solche charakteristische Nähe zur organisierten Kriminalität mag bei gewissen Betrugsstraftaten – insbesondere bei aktiven Handlungen im gewerblichen Bereich – zwar anzunehmen sein, jedoch spricht vieles dafür, die durch die Mitarbeiterin konkret verwirklichte Betrugsstraftat durch Unterlassen, welche den Bezug von Sozialleistungen und damit vorrangig die private Sphäre der Mitarbeiterin betrifft, eher als Ausnahme vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall zu sehen. Dies gilt umso mehr, da weder weitere einschlägige, noch vorangegangene nichteinschlägige Eintragungen im Führungszeugnis enthalten sind. In Anwendung der im Hinblick auf das ProstSchG vergleichbaren und übertragbaren Rechtsprechung des BayVGH zum Bewachungsgewerbe lässt die festgestellte Verurteilung keinen spezifischen Bezug auf die Tätigkeit der Mitarbeiterin im Prostitutionsgewerbe des Antragstellers zu. Ferner weist die zuständige Kammer im Hinblick auf die im Raum stehenden zwei Ordnungswidrigkeiten darauf hin, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 ProstSchG zwar grundsätzlich eine Berücksichtigung zulässt. Jedoch lässt sich den Akten weder ein Bußgeldbescheid noch ein anderweitiger Hinweis – wie z. B. ein in der Ordnungswidrigkeitsakte enthaltener Vermerk der Polizei über den festgestellten Sachverhalt – entnehmen. Die bloße Feststellung einer Ordnungswidrigkeitsanzeige inklusive eines auf einen Satz beschränkten Kurzsachverhalts (S. 26 der digitalen Behördenakte) genügt keinesfalls zur Feststellung von Erkenntnissen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ProstSchG.
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(4) Im Übrigen wäre, sofern die Antragsgegnerin weiterhin vom Regelfall des § 15 Abs. 1 Nr. 1 c) ProstSchG ausgeht, neben den oben dargestellten Bedenken hinsichtlich des Regel-Ausnahmeverhältnisses im Rahmen der Ermessens- sowie Verhältnismäßigkeitsprüfung auch zu berücksichtigen, ob angesichts des Wortlautes des § 25 Abs. 3 Satz 1 ProstSchG, der neben der Untersagung der Beschäftigung einer Person auch die Untersagung der Tätigkeit der Person ermöglicht, ein auf das Tätigkeitsfeld der Geldangelegenheiten beschränktes Teiltätigkeitsverbot der Beschäftigten ein milderes, gleich effektives Mittel i. S. d. Erforderlichkeit darstellen würde. Abschließend ist im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Doppelwirkung des Verwaltungsaktes hinzuweisen. Das Beschäftigungsverbot betrifft nicht nur die subjektiven Rechte des Antragstellers, sondern auch die subjektiven Rechte der vom Beschäftigungsverbot betroffenen Mitarbeiterin, weshalb auch ihre verfassungsrechtlich garantierten Belange in die Abwägungsentscheidung Eingang finden müssten.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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C. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.