Inhalt

OLG München, Beschluss v. 27.11.2023 – 11 W 1289/23 e
Titel:

Vergütung des Nachlasspflegers - grundsätzlich keine Einwände bezüglich der Zulässigkeit der Anordnung der Nachlasspflegschaft und des Vorliegens einer Amtspflichtverletzung zulässig

Normenketten:
VBVG § 3
FamFG § 58 ff., § 168d, § 292 Abs. 1, § 1888, § 1960
Leitsätze:
Gegen die Festsetzung der Vergütung eines Nachlasspflegers kann – auch nach neuem Recht – nicht eingewandt werden, die Nachlasspflegschaft sei zu Unrecht angeordnet worden und nur in Ausnahmefällen, der Pfleger habe seine Amtspflichten verletzt. (Rn. 15, 16 und 21)
Im Verfahren der Festsetzung der Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers ist der Einwand mangelhafter Amtsführung jedoch grundsätzlich nur ausnahmsweise, im Falle einer schweren, zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs führenden Pflichtverletzung beachtlich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütungsfestsetzung, Nachlasspfleger, Vergütung, Amtspflichtverletzung, Verwirkung, Untreue, Erbenermittlung
Vorinstanz:
AG Rosenheim, Beschluss vom 21.09.2023 – VI 1507/23
Fundstellen:
FamRZ 2024, 555
MDR 2024, 176
ErbR 2024, 222
FGPrax 2024, 37
NJW-RR 2024, 136
ZEV 2024, 133
LSK 2023, 36109
BeckRS 2023, 36109

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Alleinerbin/=Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Nach dem Tod des Erblassers – zwischen dem 13. und dem 17.04.2023 – wandte sich die später als Alleinerbin festgestellte Frau A. K. zunächst mit zwei Schreiben vom 18.04. und 08.05.2023 an das Nachlassgericht: Sie teilte u.a. mit, sie werde Bankvollmacht und ein in ihren Händen befindliches Testament dem Nachlassgericht nur „nachweislich und persönlich“ aushändigen; einen Erbschein beantrage sie nur „unter der Bedingung, wenn ich als Erbin festgestellt bin“; das Haus des Erblassers sei versiegelt; es sei anzunehmen, dass sich dort weitere Wünsche zur Bestattung finden, zudem seien „Schäden“ zu erwarten. Gleichzeitig bat sie das Nachlassgericht um Mitteilung, wie lange es zur „Erbfeststellung“ benötigen werde.
2
Am 24.05.2023 meldete sich die geschiedene Ehefrau des Erblassers (=Beteiligte zu 3) bei Gericht und bat um Information darüber, wem die Nachlassverwaltung übertragen worden sei. Für den Fall, dass keine Regelung des Nachlasses erfolgt sei, übersandte sie in Abschrift ein gemeinschaftliches Testament der vormaligen Eheleute aus dem Jahr 1993.
3
Das Nachlassgericht forderte hierauf das Scheidungsurteil an. Mit Schreiben vom 11.07.2023 teilte die Alleinerbin dem Gericht mit, die Versiegelung des Hauses könne „objektiv nur begrüßt“ werden, das Verhältnis des Verstorbenen zu seiner geschiedenen Ehefrau werde sie nicht kommentieren. Gleichzeitig trug sie vor, das Grundstück verwahrlose immer mehr.
4
Ausweislich zweier Telefonvermerke in den Akten telefonierte der zuständige Rechtspfleger des Nachlassgerichts am 25.07.2023 sowohl mit der geschiedenen Ehefrau als auch mit der Alleinerbin; Gegenstand dieser Gespräche waren insbesondere die verwandtschaftlichen Verhältnisse des Erblassers. Unter demselben Datum wandte sich das Nachlassgericht an die Alleinerbin und bat um weitere Informationen. Mit Beschluss vom 31.07.2023 ordnete das Gericht Nachlasspflegschaft an und bestellte Frau Rechtsanwältin K., M., zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasshausgrundstückes sowie Ermittlung der (gesetzlichen) Erben.
5
Mit Schreiben vom 30.07.2023, beim Nachlassgericht eingegangen am 01.08.2023, erklärte die Alleinerbin die Annahme der Erbschaft.
6
Die geschiedene Ehefrau des Erblassers teilte mit einem Schreiben vom 01.08.2023, bei Gericht am 04.08.2023 eingegangen, mit, von ihrer Seite bestünden keine Einwendungen gegen die festgesetzte Erbfolge.
7
Sodann erhob die Alleinerbin am 10.08.2023 Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts, wonach Nachlasspflegschaft angeordnet wurde. Zur Begründung wird im Wesentlichenangeführt, zumal angesichts des vorliegenden Testaments habe es einer Nachlasspflegschaft nicht bedurft, sie habe die Erbschaft angenommen, Pflichtteilsberechtigte seien ohnehin nicht vorhanden.
8
Mit Beschluss vom 11.08.2023 hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft wieder auf: Die Erbin habe die Erbschaft angenommen, das Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf das Nachlasshausgrundstück sei damit entfallen.
9
Die Nachlasspflegerin legte mit Schriftsatz vom 24.08.2023 eine von ihr erstellte Fotodokumentation zu dem Hausgrundstück vor und informierte das Gericht, aufgrund der Aufhebung der Nachlasspflegschaft seien eine beabsichtigte Entsorgung von Lebensmitteln nicht mehr erfolgt, ebenso wenig weitere Maßnahmen zur Erbenermittlung. Von ihr sichergestellte Nachlassgegenstände habe der Verfahrensbevollmächtigte der Alleinerbin in ihrer Kanzlei abholen lassen. Gleichzeitig beantragte sie die Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von € 672,35 nebst Auslagen von € 57,96; ihr Zeitaufwand habe fünf Stunden betragen; auf den Antrag im Einzelnen wird Bezug genommen. Die Alleinerbin ließ hierzu vorbringen, die Pflegerbestellung sei „ohne Rechtsgrundlage“ erfolgt; ein Vergütungsanspruch der Nachlasspflegerin bestehe nicht, insbesondere seien auch Besichtigung und Durchsuchung der Nachlasswohnung nicht gerechtfertigt gewesen. Zur Erwiderung der Nachlasspflegerin hierauf wird auf deren Schriftsatz vom 14.09.2023 Bezug genommen: Sie habe die Nachlassakte persönlich abgeholt, da sie bei Gericht ohnehin den Schlüssel für das Haus habe übernehmen müssen; die Akte habe sie auf dem Postweg zurückgesandt. Bei Abholung der Akte habe eine Annahmeerklärung nicht vorgelegen.
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Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 21.09.2023 setzte das Nachlassgericht die Vergütung antragsgemäß fest. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Pflegschaft sei die Erbschaft noch nicht angenommen gewesen. Die Alleinerbin habe die Sorge vorgetragen, dass Schäden am Nachlassgrundstück eintreten und auch telefonisch mitgeteilt, das Grundstück bedürfe der Sicherung und Verwaltung. Nach Annahme und Mitteilung der ausgeschlossenen testamentarischen Erbin (der früheren Ehefrau), wonach keine Einwände bestünden, sei die Pflegschaft unverzüglich aufgehoben worden. Der Zeitaufwand sei plausibel und nachvollziehbar dargelegt.
11
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Erbin, zu deren Begründung im Wesentlichen angeführt wird, sie habe die Erbschaft unverzüglich angenommen, das Gericht jedoch gleichwohl die Nachlasspflegschaft angeordnet. Die Einsetzung der Pflegerin habe jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, was mit der Beschwerde vom 10.08.2023 auch geltend gemacht worden sei. Die Alleinerbin habe nie eine Nachlassverwaltung gewollt. Die Bestellung sei „in höchster Eile“ vorgenommen worden, die Nachlasspflegerin habe sich am 10.08.2023 dann „noch schnell“ auf den Weg gemacht; diese habe die Bestellung ablehnen müssen.
12
In dem Nichtabhilfebeschluss vom 25.10.2023 erklärt der Rechtspfleger, bei Anordnung der Nachlasspflegschaft habe ihm eine Annahmeerklärung noch nicht vorgelegen. Nachdem die ehemalige Ehefrau des Erblassers keine Einwendungen gegen das Erbrecht der Alleinerbin vorgetragen habe, habe er die Pflegschaft – sofort nach Urlaubsrückkehr – aufgehoben. Gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FamFG seien die gesetzlichen Erben im Falle der testamentarischen Erbfolge zu beteiligen gewesen. Die ausgeschlossene Erbin habe das Vorhandensein eines nichtehelichen Sohnes des Vaters des Erblassers erwähnt; dem habe er nachgehen müssen. Die Zusammenarbeit mit der Nachlasspflegerin sei – entgegen entsprechenden Vermutungen der Alleinerbin – „zum ersten Mal“ erfolgt.
II.
13
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 f. FamFG zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
14
1. Die Festsetzung der Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers bestimmt sich hier nach dem neuen, ab 01.01.2023 geltenden Recht, nämlich §§ 168 d, 292 Abs. 1 FamFG, 1888 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 VBVG (s. Müko/BGB-Schneider, 9. Aufl., § 1888 Rn. 1, 10; Müko/BGB-Leipold, a.a.O., § 1960 Rn. 44 ff., 101 ff.).
15
a) Dabei gilt, dass bei der Vergütungsfestsetzung die Voraussetzungen für die Bestellung nicht zu überprüfen sind, das heißt, ein Erbe kann in diesem Verfahren nicht einwenden, die Anordnung der Pflegschaft sei nicht notwendig gewesen. Grundlage des Vergütungsanspruchs ist allein die Mühewaltung, formell-rechtliche oder materiell-rechtliche Mängel sind demgegenüber nicht beachtlich; die Notwendigkeit der Bestellung des Pflegers ist in diesem Verfahren kein Prüfungsgegenstand (ganz herrschende Ansicht, siehe nur etwa MüKo/BGB-Leipold, 9. Aufl., § 1960 Rn. 101 a.E.; Staudinger-Besina, BGB, Stand 2017, § 1960 Rn. 37 mit zahlr. Nachw.; deutlich auch bereits BayObLG, Beschl. v. 24.01.1997 – 3 Z BR 328/96 Tz. 13).
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b) Die herrschende Auffassung ist zutreffend und entspricht auch kostenrechtlichen Grundsätzen, insbesondere demjenigen, dass bei der kostenrechtlichen Festsetzung einer Vergütung die Kostengrundentscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden kann (wobei nicht verkannt wird, dass hier der Rechtspfleger auch die Bestellung vorgenommen hat – und nicht etwa eine richterliche Entscheidung umzusetzen ist wie bei §§ 104 ff. ZPO).
17
aa) Die Anordnung der Nachlasspflegschaft selbst ist vielmehr mit einem gesonderten Rechtsmittel angreifbar, das hier auch eingelegt wurde.
18
Ob sich wegen der Aufhebung der Bestellung in dem die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Nachlasspflegschaft betreffenden Beschwerdeverfahren die Hauptsache im Sinne von § 62 FamFG erledigt hat, mag dahinstehen, denn ein diesbezüglicher Antrag ist nicht gestellt und hätte auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt; die Frage des Bestehens von Schadensersatzansprüchen der Alleinerbin wegen der Anordnung (oder deren nicht rechtzeitiger Aufhebung) wäre nämlich einem gerichtlichen Amtshaftungsprozess vorbehalten. Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 62 Abs. 1 FamFG in Bezug auf die aufgehobene Bestellung wäre nicht gegeben, siehe etwa Sternal-Göbel, FamFG, 21. Aufl., § 62 Rn. 25).
19
bb) Abgesehen davon ließe sich bei einigermaßen objektiver Betrachtung des Verfahrensganges anhand der vorliegenden Akte eine Rechtswidrigkeit der Anordnung der Pflegschaft nicht erkennen: Aus den Schreiben der Alleinerbin ist zu entnehmen, dass sie Schäden an dem Haus befürchtete, eine Versiegelung werde „objektiv begrüßt“ und deutlich erkennbar ist ferner, dass es eine weitere testamentarische Erbin gab, zu der das Verhältnis ausweislich der Darstellungen der Alleinerbin angespannt zu sein schien. Ein Erbschein wurde nur für den Fall der „Erbfeststellung“ beantragt, das heißt bereits die Verfasserin schien davon auszugehen, dass es zunächst einer Feststellung der Erben bedarf und die Möglichkeit bestand, dass diese sich hinzieht. Nicht dargelegt wird von der Beschwerde ferner, aufgrund welcher Umstände das Nachlassgericht sichere Kenntnis davon gehabt haben sollte, dass der von der früheren Ehefrau des Erblassers erwähnte „uneheliche Sohn“ des Vaters des Erblassers nicht existiert. Ausweislich der Akte ging auch die Annahmeerklärung für die Erbschaft erst am 01.08. – und damit nach Erlass des Anordnungsbeschlusses – bei Gericht ein.
20
2. Neben der Anordnung an sich greift die Beschwerde auch das Verhalten der Nachlasspflegerin selbst an und geht offensichtlich von Amtspflichtverletzungen aus:
21
a) Im Verfahren der Festsetzung der Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers ist der Einwand mangelhafter Amtsführung jedoch grundsätzlich nur ausnahmsweise, im Falle einer schweren, zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs führenden Pflichtverletzung beachtlich (vgl. zuletzt etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.01.2021 – 3 Wx 236/19; Müko/BGB-Leipold, a.a.O., § 1960 Rn. 103 m.w.N.); die Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Nachlasspflegers wird nur dann bejaht, wenn gewichtige, vorsätzliche oder mindestens leichtfertige Verstöße gegen die Treuepflichten gegenüber den (potentiellen) Erben ohne Weiteres festgestellt werden können (siehe weiter z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.01.2019 – 20 VV 316/16 Tz. 25 ff., 32 ff.). Der Vorwurf der Untreue, ebenso wie derjenige der Verwirkung im Übrigen, kann demnach im Vergütungsfestsetzungsverfahren dann nicht berücksichtigt werden, wenn zu dessen Feststellung umfangreichere Ermittlungen, etwa auch Vernehmung von Zeugen, erforderlich wären. Vorwürfe dieser Art sind vielmehr in einem Zivilprozess oder einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aufzuklären (OLG Frankfurt, a.a.O., Tz. 29; ebenso bereits BayObLG, Beschl. v. 24.03.1988 – BReg 3 Z 188/87 Tz. 8), jedoch nicht vom Rechtspfleger im kostenrechtlichen Verfahren der Festsetzung der Vergütung (ergänzend Grüneberg-Weidlich, a.a.O., § 1960 Rn. 26 – insoweit erfolgte keine Änderung durch neues Recht).
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b) Bei Beachtung dieser Grundsätze enthält die Akte keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, es gehe hier „nicht mit rechten Dingen“ zu. Pflichtverletzungen der oben bezeichneten Art sind nicht ersichtlich, geschweige denn schwere im erforderlichen Sinne. Ausweislich der Akte (siehe insbesondere die Herausgabeverfügung vom 31.07.2023) hat die Nachlasspflegerin diese am 31.07.2023 abgeholt; demgegenüber ging die Annahmeerklärung der Erbin erst am 01.08.2023 bei Gericht ein. Insoweit deckt sich die Darstellung der Nachlasspflegerin mit der Paginierung der Akte: Zum Zeitpunkt der Abholung befand sich das Schreiben mit der Annahmeerklärung noch nicht darin. Enthalten waren allerdings die Schreiben der späteren Alleinerbin, die auf ein Sicherungsbedürfnis hinsichtlich des Hausgrundstückes und auf ein nicht konfliktfreies Verhältnis mehrerer Erbprätendenten schließen ließen.
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Auch im Übrigen sind relevante Pflichtverletzungen der Nachlasspflegerin nicht erkennbar. Für das von der Beschwerde in den Raum gestellte kollusive Zusammenwirken zwischen ihr und Gericht finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.
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3. Hinsichtlich der Höhe der hier festgesetzten Vergütung teilt der Senat die Auffassung des Rechtspflegers, wonach diesbezüglich keine Bedenken bestehen, insbesondere rechtfertigen die Besichtigung des Hauses und die vorgelegte Dokumentation den angegebenen zeitlichen Aufwand: Angesichts des Wertes einer bebauten Immobilie benötigt das Nachlassgericht aussagekräftige Informationen über den Nachlassgegenstand. Dem Nachlasspfleger wird in dieser Hinsicht von der Rechtsprechung ein Ermessensspielraum zuzubilligen (siehe hierzu zuletzt BGH, Beschl. v. 14.03.2018 – IV ZB 16/17 Tz. 22 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.03.2015 – 11 Wx 11/15; Grüneberg-Weidlich, a.a.O., § 1960 Rn. 23 sowie 28); dessen Überschreitung ist vorliegend nicht erkennbar. Aus der Akte plausibel ist ferner die Erforderlichkeit von Fotokopien.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.