Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 13.11.2023 – 4 U 51/23
Titel:

Umfang des Schadensersatzanspruchs

Normenkette:
BGB § 249, § 251
Leitsätze:
1. Entstehen dem Geschädigten durch den Schaden vermehrte Bedürfnisse, verletzungsbedingte immer wiederkehrende Aufwendungen, kann ein Ausgleich durch eine Rente oder einer einmaligen Kapitalabfindung erfolgen, Kapitalzahlungen im Sinne einer laufenden „Abfindung“ einzelner konkret abgerechneter Positionen sieht das Gesetzt nicht vor. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird die Betreuung ehrenamtlich geführt und fällt weder eine Vergütung noch Aufwandsentschädigung an, ist insoweit kein Schaden entstanden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vermehrte Bedürfnisse, Betreuung, Heilbehandlung, Schadensersatz, Aufwandsentschädigung
Vorinstanz:
LG Bamberg, Urteil vom 15.03.2023 – 24 O 268/19 Hei
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35981

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 15.03.2023, Aktenzeichen 24 O 268/19 Hei, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.326,23 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bamberg vom 15.03.2023 Bezug genommen. Ergänzend wird, insbesondere auch wegen der im Berufungsverfahren gestellten Anträge, auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21.09.2023 verwiesen.
II.
2
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 15.03.2023, Aktenzeichen 24 O 268/19 Hei, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
3
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 21.09.2023 Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass. Die Berufung erweist sich weiterhin als aussichtslos. Lediglich ergänzend sind folgende Ausführungen veranlasst:
4
1.) Die vom Kläger gewünschte konkrete Abrechnung vermehrter Bedürfnisse, also der verletzungsbedingten ständigen, demnach immer wiederkehrenden Aufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (vgl. BGH, VI ZR 108/79, Rn. 8 – juris), sieht das Gesetz nicht vor. Grundsätzlich ist zur Vermehrung der Bedürfnisse der Ausgleich durch Renten als wiederkehrende Leistungen vorgesehen (vgl. Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 28. Auflage 2020, Kapitel 4, Rn. 62). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kommt auch eine Entschädigung in Gestalt einer einmaligen Kapitalabfindung aller (auch künftigen) vermehrten Bedürfnisse in Betracht. Auf die Ausführungen unter Ziffer II. 1. im Hinweisbeschluss vom 21.09.2023 wird insoweit verwiesen. Kapitalzahlungen im Sinne einer laufenden „Abfindung“ einzelner konkret abgerechneter Positionen sind dagegen nicht vorgesehen.
5
2.) Soweit vermehrte Bedürfnisse in besonders gelagerten Fällen durch einen im Sinne der §§ 249, 251 BGB einmalig zu leistenden Ersatzbetrag auszugleichen sein können, betrifft das solche Fallgestaltungen, in denen das vermehrte Bedürfnis für die Zukunft auf diese Weise hinreichend befriedigt wird, etwa durch die Anschaffung eines Rollstuhls (vgl. Geigel/Pardey, a.a.O., Kapitel 4, Rn. 62).
6
Derartige Konstellationen sind jedoch von der Berufung des Klägers nicht betroffen. Die mit der Klage geltend gemachten einmaligen Kosten für Reparaturen des Behindertenfahrzeuges in Höhe von 323,68 € und des Fahrstuhls in Höhe von 1.123,43 € wurden bereits in der angefochtenen Entscheidung zuerkannt. Auf Ziffer II. 2. im Hinweisbeschluss vom 21.09.2023 wird verwiesen. Zudem wurden und werden Kosten für außerplanmäßige Reparaturen und Schäden schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der Gegenerklärung von der Haftpflichtversicherung der Beklagten ersetzt (Gegenerklärung S. 7).
7
3.) Wegen der prozessualen Anforderungen an eine auf Abänderung gerichtete Leistungsklage wird auf die Ausführungen unter Ziffer II. 1. im Hinweisbeschluss des Senats nebst den dort konkret benannten Fundstellen verwiesen.
8
Diesen Anforderungen wird der klägerische Sachvortrag trotz des entsprechenden Hinweises in Ziffer II. 1. des Senatsbeschlusses vom 21.09.2023 weiterhin nicht gerecht. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung der Beurteilung keinen Anlass. Sie sind vollständig allgemeiner Natur und lassen die Schilderung von konkreten Auswirkungen auf die Höhe der betroffenen einzelnen Schadenspositionen im Vergleich zum Zeitpunkt des Ortstermins im Mai 2015 vermissen. Allgemeine Ausführungen zur Inflation ohne Bezug zur Höhe der einzelnen Schadenspositionen genügen den dargelegten Anforderungen nicht. Wenn in der Gegenerklärung mitgeteilt wird, Stromkosten seien ursprünglich noch gar nicht geltend gemacht worden (Gegenerklärung S. 6) und damit offenbar vorgetragen werden soll, dass Kosten für Strom in der einvernehmlich seit dem Ortstermin im Mai 2015 gezahlten Pauschale nicht berücksichtigt worden seien, widerspricht dies den bindenden Feststellungen des Landgerichts im unstreitigen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (LGU S. 4).
9
Soweit in der Gegenerklärung zur Darstellung von Kostensteigerungen auf die erstinstanzlichen klägerischen Schriftsätze vom 05.11.2021 und vom 04.04.2022 verweisen wird (Gegenerklärung S. 6), hat sich der Senat auch mit dem Inhalt dieser Schriftsätze bereits unter Ziffer II. 1. im Hinweisbeschluss vom 21.09.2023 auseinandergesetzt. Welche konkreten Ausführungen im Zusammenhang mit der Begründung einer auf Abänderung gerichteten Leistungsklage der Senat bislang unberücksichtigt gelassen haben soll, zeigt die Gegenerklärung nicht auf.
10
4.) Soweit der Kläger eine Vergütung von Betreuungskosten für Tätigkeiten gegenüber Behörden, Versicherungen, Besprechungen mit Rechtsanwälten etc. geltend macht, wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3. im Senatsbeschluss vom 21.09.2023 verwiesen.
11
Die Betreuung wird ehrenamtlich geführt. Die Voraussetzungen für eine Vergütung gemäß § 1836 BGB in der bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.) liegen nicht vor. Auf die vom Betreuungsgericht zu beantwortende Frage, ob Umfang und Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte im Fall des Klägers die Bewilligung einer Vergütung gemäß § 1836 BGB a.F. (nicht gemäß § 1876 BGB) rechtfertigen, kommt es hier nicht entscheidungserheblich an. Weder liegt eine betreuungsgerichtliche Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung vor, noch hat das Betreuungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den ehrenamtlichen Betreuern eine angemessene Vergütung zu bewilligen. Auch von den Möglichkeiten der Geltendmachung einer pauschalen Aufwandsentschädigung gemäß § 1835 a BGB a.F. oder des Anspruchs auf Ersatz der notwendigen und tatsächlich entstandenen Aufwendungen gemäß § 1835 BGB a.F. haben die Betreuer des Klägers keinen Gebrauch gemacht. Wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt, ist dem Kläger damit ein ersatzfähiger Schaden durch die o.g. Tätigkeiten seiner Betreuer nicht entstanden.
12
Unabhängig davon fehlt es jedenfalls aber auch insoweit an dem notwendigen Sachvortrag zur Begründung einer auf Abänderung gerichteten Leistungsklage. Die Darlegung konkreter Tätigkeiten in den streitgegenständlichen Zeiträumen sowie der Verweis auf umfangreiche Anlagen genügen nicht für den notwendigen Vortrag dahingehend, von welchem Tätigkeitsumfang die Parteien bei dem Ortstermin im Mai 2015 ausgegangen sind und welche Veränderungen sich diesbezüglich zwischenzeitlich ergeben haben und eine Abänderung erforderlich machen.
13
Dies gilt auch, soweit der Kläger unter dem Begriff der Betreuungsleistungen unter Verweis auf Pflegetagebuchaufzeichnungen Aufwendungen für von seinen Betreuern (oder sonstigen Angehörigen) erbrachte Pflegetätigkeiten geltend macht, deren Erstattungsfähigkeit als vermehrte Bedürfnisse grundsätzlich in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang weist die Gegenerklärung auch zu Recht darauf hin, dass die etwa von Familienangehörigen kostenlos erbrachten Pflegeleistungen den Schädiger nicht voll entlasten sollen (vgl. Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 13. Auflage 2020, Rn. 264 f. m.w.N.). Der zur Begründung einer auf Abänderung gerichteten Leistungsklage notwendige Sachvortrag liegt jedoch auch insoweit nicht vor.
14
Auf die Frage der Vorteilsausgleichung und die Regelung des § 843 Abs. 4 BGB kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.
III.
15
1.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
16
2.) Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO.
IV.
17
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren erfolgt gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.