Titel:
Erlass eines Zwangsgelds wegen Nichtvorlage der Bescheinigung über eine ordnungsgemäße Bauausführung
Normenketten:
BayVwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2, Art. 38
VwGO § 101 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Androhung ist dann erfolglos iSd Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG, wenn der Pflichtige innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist der Anordnung nicht nachgekommen ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Nachfrist von einem Monat bei vorheriger mehrmaliger Fristverlängerung nach Bescheidzustellung ist angemessen iSd Art. 36 Abs. 1 S. 2 VwZVG. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Erlass einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung stellt keinen Verfahrensmangel dar, auf dem die Entscheidung beruhen kann, wenn die Beteiligten wie in § 101 Abs. 2 VwGO vorgegeben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt haben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierte Zwangsgeldandrohung., isolierte Zwangsgeldandrohung, Nachfristsetzung, Ermessensfehler, Verfahrensmangel
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 24.03.2023 – AN 9 K 22.2109
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35979
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 750,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen die erneute Androhung eines Zwangsgeldes.
2
Die Beklagte verpflichtete den Kläger nach mehrfacher erfolgloser Aufforderung mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. Dezember 2020, eine Bescheinigung über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes (Bescheinigung Brandschutz II) innerhalb einer Frist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheides vorzulegen (Nr. 1) und drohte für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an (Nr. 2). Nach erfolglosem Verstreichen der gesetzten Frist und mehrmaliger Fristverlängerung (bis zum 1.3.2022, 30.3.2022, 30.4.2022, 31.5.2022, 30.6.2022 sowie letztmalig bis zum 31.7.2022) setzte die Beklagte dem Kläger mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16. August 2022 zur Erfüllung der Pflicht aus Nr. 1 des Bescheides vom 1. Dezember 2020 eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung (Nr. 1). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 Euro an (Nr. 2).
3
Mit Urteil vom 24. März 2023 hat das Verwaltungsgericht die gegen die Nachfristsetzung und Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sowie Verfahrensmängel geltend.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
5
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
a) Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in diesem Sinn bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1521/17 – juris Rn. 10; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 8 ZB 21.23 – juris Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall.
7
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren folgendes zu bemerken:
8
aa) Der Einwand des Klägers, er sei hinsichtlich der Erlangung des Brandschutznachweises nicht „untätig“ geblieben, weckt keine ernstlichen Zweifel am erstinstanzlichen Urteil. Ein erneutes Zwangsgeld kann gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG angedroht werden, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Die Androhung ist dann erfolglos, wenn der Pflichtige innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist der Anordnung nicht nachgekommen ist (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2013, Art. 36 VwZVG Anm. IV. 1.). Davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen, da der Kläger die Bescheinigung Brandschutz II (gemäß Art. 77 Abs. 2 BayBO i.V.m. § 19 PrüfVBau) nicht innerhalb der in der Grundverfügung vom 1. Dezember 2020 gesetzten Frist vorgelegt hat. Auf die von ihm vorgetragenen Bemühungen zur Erfüllung der Anordnung kommt es dagegen nicht an.
9
bb) Auch kann der Kläger damit, dass die gesetzte Nachfrist von einem Monat ab Bescheidzustellung unangemessen kurz sei, nicht durchdringen. Eine Frist ist angemessen und zumutbar, wenn sie einerseits das behördliche Interesse an der Dringlichkeit der Ausführung berücksichtigt und andererseits dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2021 – 9 ZB 19.1610 – juris Rn. 25; B.v. 15.3.2021 – 9 CS 20.2927 – juris Rn. 17 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat dies seinem Urteil zugrunde gelegt und die zuletzt festgesetzte einmonatige Nachfrist vor allem deshalb als angemessen angesehen, weil der Kläger bereits 2015, 2017 und mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. Dezember 2020 zur Vorlage der Bescheinigung aufgefordert wurde. Dagegen ist nichts zu erinnern. Der Kläger setzt sich hiermit nicht auseinander. Warum trotz mehrmaliger Fristverlängerung seit Bescheiderlass die nochmalige Nachfristsetzung von einem Monat nicht angemessen sein könnte, erschließt sich nicht. Falls der Kläger – trotz der von ihm geschilderten Bemühungen – aus anderen Gründen nicht in der Lage sein sollte, den geforderten Nachweis zu erbringen, könnte sich im Übrigen die Frage stellen, ob die bauaufsichtlichen Anforderungen tatsächlich eingehalten sind und ob der erforderliche Brandschutz gewährleistet ist (vgl. zur Bedeutung des Nachweises Wolf in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2023, Art. 77 Rn. 58 ff.).
10
cc) Der Einwand, es lägen Ermessensfehler hinsichtlich der Entschließung zum erneuten behördlichen Tätigwerden und der Höhe des Zwangsgeldes vor, überzeugt nicht. Soweit der Kläger der Sache nach geltend macht, dass er zur Erbringung der Bescheinigung Brandschutz II anstelle der Wohnungseigentümergemeinschaft herangezogen werde, wendet er sich gegen die bestandskräftige Grundverfügung. Die streitgegenständliche isolierte Zwangsgeldandrohung kann aber nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG). Soweit der Kläger geltend macht, die Behörde habe anlässlich seines Schreibens vom 22. März 2023 ihr Ermessen „aktualisieren“ müssen, greift dies ebenfalls nicht durch. Dabei kann dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung von Ermessensfehlern abzustellen wäre. Jedenfalls ergibt sich aus dem Schriftsatz kein Anhaltspunkt für eine Änderung der Sach- und Rechtslage. Der als Anlage vorgelegten E-Mail ist zu entnehmen, dass der Prüfsachverständige eine vorgeschlagene „Lösung“ für möglich hält, jedoch eine Ergänzung der für die Prüfung erforderlichen Angaben fordert. Dies entspricht dem bisherigen Vortrag, dass sich der Kläger bemüht, eine positive Bescheinigung zu erhalten, ein Brandschutznachweis aber noch nicht vorliegt.
11
b) Die Zulassung der Berufung hat nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu erfolgen.
12
aa) Der Erlass der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung stellt keinen Verfahrensmangel dar, auf dem die Entscheidung beruhen kann, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 22. und 23. März 2023 erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. Soweit das Rubrum insoweit fehlerhaft ist, ist dies unschädlich, da dies auf die Entscheidung ohne Einfluss ist.
13
bb) Ein Verfahrensmangel liegt auch insoweit nicht vor, als das Gericht dem klägerischen Vorschlag aus dem Schriftsatz vom 22. März 2023 nicht gefolgt ist und der Beklagten keine Frist zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO) gesetzt hat. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts lag kein Ermessensfehler vor, so dass sich eine entsprechende Fristsetzung nicht in Betracht kam. Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung geltend macht, ist diese nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
14
Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Schriftsatz „mit Nachweisen zur Zustimmung des Sachverständigen bezüglich der Umsetzung der letzten Maßnahme zum Erhalt des Brandschutznachweises II“ Entscheidungserhebliches in Bezug auf die streitgegenständliche Frage der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung enthalten haben könnte.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
16
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
17
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).