Titel:
Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen altersgerechte Wohnung in Denkmal-Ensemble
Normenketten:
BauGB § 34, § 212a
BayBO Art. 8, Art. 59
BayDSchG Art. 6 Abs. 1
Leitsätze:
Die Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege hat besonderes Gewicht und die Verwaltungsgerichte dürfen schlüssige und nachvollziehbare Äußerungen übernehmen, zumal im Rahmen einer summarischen Prüfung. (Rn. 41)
1. Fragen der bauordnungsrechtlichen Verunstaltung (Art. 8 BayBO) werden nicht vom Prüfungsumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens und damit der Regelungswirkung einer in diesem Verfahren ergangenen Baugenehmigung umfasst. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Neue Vorhaben müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen, noch haben sie zu unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem Denkmal messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Maß der baulichen Nutzung, Gebot der Rücksichtnahme, Denkmalschutz, Neubau, Verunstaltung, vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, erdrückende Wirkung, Unbestimmtheit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.11.2023 – 9 CS 23.1538
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35978
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer altersgerechten Wohnung in …, … Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke in der Gemarkung …, Fl.-Nrn.: …, … und …, in …, … Das Flurstück … ist mit einem Gebäude (Schloss …*), welches unter Denkmalschutz steht, bebaut. Der Beigeladene ist Eigentümer des angrenzenden Grundstücks …, welches mit einer Burg bebaut ist und ebenfalls unter Denkmalschutz steht. Die Grundstücke bilden ein Ensemble, Burg und Schlossanlagen …, und sind in der Denkmalliste des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege als Baudenkmal eingetragen.
2
Am 29.08.2022 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer altersgerechten Wohnung. Mit Bescheid vom 06.10.2022 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung.
3
Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 31.10.2022, am 02.11.2022 beim Gericht eingegangen, erhob der Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung vom 06.10.2022.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 21.06.2023 begehrt der Bevollmächtigte des Antragstellers einstweiligen Rechtsschutz.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass der Beigeladene zwischenzeitlich begonnen habe, das Bauvorhaben zu realisieren. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletze den Antragsteller in seinen drittschützenden Rechten.
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Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssten vollständig, richtig und eindeutig sein. Zudem müssten Baugenehmigungen nach Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) inhaltlich hinreichend bestimmt sein, so dass sie vollständig, klar und unzweideutig seien. Dies bedeute, dass die im Genehmigungsbescheid getroffene Regelung und damit auch der Inhalt, die Reichweite und der Umfang der genehmigten Nutzung für die Beteiligten des Verfahrens – ggf. nach Auslegung – eindeutig zu erkennen sein müssen. Unvollständigkeiten, Ungenauigkeiten und sonstige Unrichtigkeiten in eingereichten Bauvorlagen gingen daher zu Lasten des Bauherrn. Dem komme die beantragte Baugenehmigung nicht nach. Die Burg und die anderen Bauwerke seien aus Sandstein. Das neue Gebäude füge sich wegen der zu verwendenden Baustoffe nicht in die historische Struktur ein und stelle einen Fremdkörper dar. Die vom Beigeladenen vorgesehene Wohnnutzung füge sich auch nicht in der Eigenart der näheren Umgebung ein, da der Beigeladene das Anwesen zur gewerblichen Weitervermietung an Hotelgäste nutzen wolle. Damit liege tatsächlich keine Eigennutzung (Wohnungsnutzung) – wie angegeben – vor. Über die beabsichtigte Nutzung mache der Beigeladene hier falsche Angaben. Dies habe natürlich entscheidungserheblich Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit. Ferienwohnungen seien planungsrechtlich anders zu beurteilen wie reine Wohnnutzung. Nachbarrechte könnten aber dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung bzw. der Unvollständigkeit, Unrichtigkeit bzw. Uneindeutigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstoße. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten des Nachbarn nicht ausgeschlossen werden könne. Die historische Schlossanlage habe ein einheitliches Bild. Die Masse und die Höhe mit 8 m zerstöre das Ensemble. Der Neubau passe nicht zu der historischen Anlage. Er zerstöre die Ansicht und die bauliche Gestaltung (Innenhof). Zudem würden die alten Mauern (Wehranlage) zerstört. Der Antragsteller habe viel Geld in die originalgetreue Sanierung des Schlosses investiert. Ein Neubau in unmittelbarer Nähe (Ensemble) entwerte dies. Der historische Innenhof diente der Belichtung.
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Das Bauvorhaben liege im Außenbereich. Unbebaute Grundstücke in Ortsrandlage befänden sich im Außenbereich und dürften daher nicht bebaut werden. Dies gelte auch vorliegend. Ein qualifizierter Bebauungsplan existiere nicht. Die vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers und des Beigeladenen bildeten eine vordere und hintere Baulinie. Der Neubau solle in der Mitte im Hof errichtet werden. Befinde sich ein unbebautes Grundstück, hier in der Hofanlage, und sei dort keine weitere Bebauung vorhanden, so sei eine weitere Bebauung gemäß § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig. Eine Privilegierung liege auch nicht vor. Gegenstand der Baugenehmigung sei, dass im Hofbereich hier ein 8 m hoher Neubau errichtet werden solle. Das Bauvorhaben werde wie folgt beschrieben: Bruttorauminhalt 718,64 m3, Bruttogrundfläche 136,26 m2, die Höhe sei 8 m, es solle ein Dachstuhl mit 58° Neigung aufgesetzt sein. Auch werde die Dachhöhe falsch bewertet, da diese doppelt so hoch sei (8 m). Die jetzigen Glashäuser seien nur 3 m. Nehme man hier 5 m Höhe dazu, ergebe sich die erdrückende Wirkung des Neubaus.
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Hinsichtlich der denkmalschutzrechtlichen Stellungnahme sei man von falschen Tatsachen ausgegangen. Im Bereich Innenhof unter dem Neubauvorhaben liefen unterirdische Gänge.
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Die Abstandsflächen würden nicht eingehalten. Hier liege eine erdrückende Wirkung vor. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt. Durch den Neubau werde die Sichtfläche des Antragstellers, die Sonneneinstrahlung und die Ansicht gestört. Durch den errichteten Neubau erlange auch der Nutzer dort unmittelbare Einsicht in das Wohngebäude des Hauses des Antragstellers. Durch den Ensembleschutz sei ein prägendes nachbarschaftliches Austauschverhältnis vorhanden; ein Neubau wäre hier störend. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass im Boden offensichtlich noch Reste der historischen Anlage als Denkmal vorhanden sind. Diese sollten unzerstört und für die Nachwelt erhalten bleiben.
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Die angefochtene Baugenehmigung verletze das Rücksichtnahmegebot. Dies richte sich nach § 34 Abs. 2 BauBG i.V.m. mit der Baunutzungsverordnung – BauNVO, da das Vorhaben in einem Denkmalensemble genehmigt worden sei. Die Vorschrift über die Art der baulichen Nutzung §§ 2 – 14 BauNVO sei für Grundstücke im Planungsgebiet nachbarschützend (Gebietserhaltungsanspruch). Vorliegend verstoße das Bauvorhaben gegen § 15 Abs. 1 BauNVO, da bauliche Anlagen unzulässig seien, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprächen. Hier liege eine unzumutbare Beeinträchtigung der Umgebung (Denkmalensemble) vor.
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Weiterhin verstoße die Baugenehmigung gegen das geltende Denkmalschutzrecht. Damit könne die Verletzung von öffentlichen Baunachbarrechten nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme hinzu, dass auch Denkmaleigentümer Drittschutz beanspruchen könnten, wenn ein zugelassenes Vorhaben zu Lasten des betroffenen Denkmals den objektiv gebotenen denkmalschutzrechtlichen Umgebungsschutz nicht einhalte. Der nachbarrelevante Umgebungsschutz sei vorliegend nicht eingehalten. Das auf dem Grundstück des Antragstellers befindliche Denkmal sei vor einer heranrückenden neuen Wohnbebauung zu schützen. Der in Rede stehende Bereich sei früher als Innenhof/Wiese genutzt worden. Hier wäre durch das Neubauvorhaben eine Nutzungsänderung gegeben. Der Ensemblecharakter des Baudenkmals würde durch einen Neubau gestört. Eigentümer eines geschützten Baudenkmals könnten Abwehransprüche gegen Nachbarbauvorhaben haben. Vorliegend liege ein Bauen im Außenbereich und damit eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, da hier die Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigt seien (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB).
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Zwischenzeitlich habe der Antragsteller auch mit dem Antragsgegner Kontakt wegen der begonnenen Maßnahme des Beigeladenen aufgenommen. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass die Errichtung wohl im Sinne der Baugenehmigung sei. Es komme zu unwiderbringlichen Schäden der historischen Gänge unter dem Innenhof, weshalb ein sofortiger Baustopp bis zur Entscheidung in der Hauptsache unumgänglich wäre.
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Der Antragsteller lässt durch seinen Bevollmächtigten beantragen,
- 1.
-
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 06.10.2022 anzuordnen,
- 2.
-
den Antragsgegner zu verpflichten, die erforderlichen Maßnahmen zur vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen, Fl.-Nr. …, … in … zu ergreifen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Zur Begründung führt er mit Schriftsatz vom 22.06.2023 aus, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache keinen Erfolg haben könne, da der verfahrensgegenständliche Bescheid rechtmäßig sei und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletze. Zur Begründung werde vollumfänglich auf die Klageerwiderung vom 06.02.2023 im Hauptsacheverfahren verwiesen (Az. B 2 K 22.1033). Im hier vorliegenden Verfahren seien keine Gründe vorgetragen, die eine andere Beurteilung des Sachverhaltes erforderlich machten. Insbesondere seien in der Klageerwiderung vom 06.02.2023 unter Ziffer 3 die Wandhöhe von 3,25 m sowie die Dachhöhe von 4,75 m zutreffend angegeben. Dies ergebe in Summe eine Gebäudehöhe von 8 m – analog der Bauantragsunterlagen. Wie bereits in der Klageerwiderung ausführlich dargelegt, sei das streitgegenständliche Vorhaben genehmigungsfähig. Insbesondere seien die denkmalfachlichen Aspekte ausreichend betrachtet worden, die Abstandsflächen seien eingehalten, das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Landratsamt habe wegen der vorgenommenen Bauarbeiten bereits Kontakt mit dem Bauherrn gehabt. Das Landratsamt sehe momentan keine Veranlassung bauaufsichtlich einzuschreiten. Der Baubeginn des streitgegenständlichen Vorhabens wäre trotz der eingereichten Klage unproblematisch, solange nicht die aufschiebende Wirkung angeordnet sei. Nach Auffassung des Beklagten sei die streitgegenständliche Baugenehmigung aber rechtmäßig erteilt worden, so dass der gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen sei.
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Mit Schriftsatz vom 29.06.2023 beantragt der Bevollmächtigte des mit Beschluss vom 21.06.2013 beigeladenen Bauherrn, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 21.06.2023 zurückzuweisen.
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Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass seiner Klage, welche gegen die Baugenehmigung vom 06.10.2022 gerichtet sei, eine aufschiebende Wirkung zukomme. Infolge dessen könne auch der Antragsgegner nicht verpflichtet werden, die Einstellung der Bauarbeiten des Beigeladenen in … zu besorgen.
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Der Antragsteller behaupte, durch das Bauvorhaben des Beigeladenen würden ihm Licht und Luft genommen werden. Es würden sowohl sein Ausblick als auch die Ansicht seines Schlosses beeinträchtigt werden, welches unter Denkmalschutz stehe. Darüber hinaus befürchte er, dass von dem neuen Objekt aus Einblick in das Innere seines Anwesens genommen werden könnte. Weiterhin werde vorgetragen, dass durch das Bauvorhaben des Beigeladenen historisch wertvolle, unterirdische Gänge beschädigt werden würden. Darüber hinaus, so der Antragsteller, beabsichtige der Beigeladene nicht die altersgerechte Unterbringung seiner Mutter zu bewerkstelligen. Er ziele darauf ab, eine gewerbliche Weitervermietung an Hotelgäste vorzunehmen.
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Dem sei Folgendes entgegenzuhalten:
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1. Das Schloss des Antragstellers liege höher als das Anwesen des Beigeladenen. Die Bebauung auf dem Flurstück des Beigeladenen, sei es ehemals die Pension, sei es aktuell das Glashaus und sei es zukünftig das Gebäude für die Mutter des Beigeladenen, lägen im Innenhof und dort in einer Mulde. Dies bedeute, dass Licht und Luft durch das Projekt des Beigeladenen dem Antragsteller nicht genommen werden könne. Die Fenster des Schlosses zum Innenhof des Beigeladenen befänden sich in einer Höhe, die etwa 10 m über dem Dach des Neubaus liegen werde. Dies bedeute, dass ein Einblick in das Innere des Schlosses des Antragstellers in der Vergangenheit nicht möglich gewesen sei und in Zukunft auch nicht möglich sein werde.
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2. Den – ebenerdigen – Ausblick habe sich der Antragsteller selbst versperrt und zwar durch eine Palisade, die etwa 2,5 m hoch sei. Der Blick aus dem Schloss selbst könne durch das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht beeinträchtigt werden, da die Fenster des Schlosses das Dach des Gebäudes des Antragstellers weit überragen würden.
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3. Das Gebäude des Antragstellers und das des Beigeladenen befänden sich auf einer Anhöhe von … Beide Objekte seien weit hin sichtbar. Etwas anderes gelte für den Innenhof. Dieser könne – von unten, vom Fuß der Anhöhe – nicht eingesehen werden. Dies bedeute, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen dem Charakter des denkmalgeschützten Gebäudes des Antragstellers (und des Beigeladenen) nicht entgegenstehe. Zu beachten sei weiterhin, dass der Denkmalschutz gewahrt worden sei, als die klotzige Pension sich im Innenhof befunden habe. Nun werde diese durch ein wesentliches grazileres Bauwerk ersetzt, bei welchem erst recht der Denkmalschutz nicht mehr in Frage gestellt werden könne. So habe dies auch das Landesamt für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme vom 20.09.2022 gesehen:
„Unter Beachtung von Art. 6 Abs. 4 DSchG werden denkmalfachliche Bedenken zurückgestellt. Das kleine Gebäude fügt sich als Nebengebäude mit seiner Kubatur und architektonischen Formen ohne nennenswerte Beeinträchtigung für das Baudenkmal in den Hofraum ein.“
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4. Völlig absurd sei die Behauptung des Antragstellers, dass durch das Bauvorhaben historisch wertvolle unterirdische Gänge in Gefahr seien. Unterirdische Gänge auf dem Grundstück des Beigeladenen gebe es nicht. Hinzu komme, dass die Bodenplatte der Pension erhalten worden sei. Auf diese werde das neue Bauvorhaben gestellt werden. Dies bedeute, dass sich Erdarbeiten erübrigten, welche möglicherweise geeignet wären, unterirdische Gänge zu beschädigen. Tatsächlich existierten solche nicht. Neuerdings entfalte auch der Antragsteller auf seinem Grundstück Bauarbeiten. Er setze einen schweren Bagger ein. Würden sich auf dem Grundstück des Antragstellers unterirdische Gänge befinden, so könnten schwere Bagger und Bohrgeräte keine Verwendung finden. Es bestünde die Gefahr, dass diese einbrechen oder zumindest die Gänge zerstören. Zutreffend sei, dass der Beigeladene in der Vergangenheit zwei Mal eine Nutzungsüberlassung im Rahmen des Konzeptes Airbnb vorgenommen hatte. Dies bedeutet nicht, dass der Beigeladene beabsichtigte oder in Zukunft beabsichtige, einen „Hotelbetrieb“ zu eröffnen. Die entsprechende Werbung im Internet sei auch zwischenzeitlich „offline“. Die Ehegattin des Beigeladenen habe ein Forschungsprojekt in Spanien betreut und sich dort monatelang aufgehalten. Sie sei vom Beigeladenen dementsprechend auch längere Zeit besucht worden. Das Forschungsprojekt laufe jetzt am 30.06.2023 aus. Zukünftig werde das Anwesen „…“ ausschließlich vom Beigeladenen und seiner Familie (inklusive Mutter) bewohnt werden. Die Behauptung, dass der Beigeladene zukünftig eine Vermietung an Dritte vornehmen würde, sei falsch.
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Zusammenfassend sei somit festzuhalten, dass die Einwendungen des Antragstellers gegen die zugunsten des Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht durchgreifen. Dies habe zur Folge, dass er in der Hauptsache keinen Erfolg haben werde. Der Antrag vom 21.06.2023 sei daher zurückzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 14.07.2023 (Antragsteller) und vom 25.07.2023 (Beigeladener) machten die Beteiligten ergänzende Ausführungen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakte.
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I. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Dem Dritten steht aber die Möglichkeit offen, sich nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO an das Gericht zu wenden und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zu beantragen. Bei der Entscheidung über diesen Antrag hat das Gericht insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen.
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Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung einschließlich erteilter Befreiungen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, drittschützende Wirkung zukommen kann.
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Nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage verstößt das Bauvorhaben der Beigeladenen gegen keine zu Gunsten des Antragstellers drittschützende Vorschrift (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei gibt, nachdem es sich bei dem Bauvorhaben nicht um einen Sonderbau handelt, Art. 59 BayBO den Prüfungsrahmen eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens vor. Innerhalb dieses Prüfungsrahmens liegt eine Verletzung von Nachbarrechten nicht vor.
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1. Das Vorhaben verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO). Das Vorhaben des Beigeladenen ist an dem gewählten Standort nach seiner Art der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig. Das Vorhabensgrundstück ist dem unbeplanten Innenbereich und nicht – wie der Bevollmächtigte des Antragstellers behauptet – dem Außenbereich zuzuordnen. Insofern stimmt das Gericht der Auffassung des Landratsamtes und den hierzu getroffenen Ausführungen vollumfänglich zu: „Der maßgebliche Gemeindeteil … stellt einen Ortsteil dar. Ein Ortsteil setzt einen Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde voraus, der nach Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerseite verneint zu Unrecht den Bebauungszusammenhang. Anders als von der Antragstellerseite behauptet sind die umliegenden Gebäude nicht zu weit entfernt, um einen Bebauungszusammenhang annehmen zu können. Für die Abgrenzung zum Außenbereich sind die tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde zu legen. Deshalb lässt sich auch die Größe eines unbebauten Grundstücks, die erforderlich ist, um einen Bebauungszusammenhang zu unterbrechen, nicht abstrakt bestimmen. Auch bei größeren Freiflächen ist entscheidend, inwieweit die Bebauung dennoch den Eindruck der Geschlossenheit aufweist. Insbesondere können größere Freiflächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit der Bebauung entzogen sind, unbeachtlich sein. Im Gemeindeteil … ist die Bebauung zwar stellenweise dichter, aber andererseits auch wieder weiter; so wie es in ländlichen Regionen typisch ist. Zudem sind großflächige Grundstücke vorhanden, so dass auch eine größere Entfernung nicht derart ungewöhnlich erscheint und aus dem Gesamtbild herausragt. Die Burg und das Schloss liegen auf einem zu zwei Seiten steil abfallenden Bergsporn, der bewaldet ist und an der südwestlichen Spitze eines Hügels liegt. Damit wäre die Bebauung in unmittelbarer Nähe, zwischen Burg bzw. Schloss und restliche Bebauung des Ortsteils, ohnehin nur schwer realisierbar. Hinter den Grundstücken des Antragstellers und des Beigeladenen beginnen größere unbebaute Waldflächen, die einen Abschluss der Bebauung darstellen. Die Gesamtbetrachtung erweckt den Eindruck, dass die Burg und das Schloss noch zum Bebauungszusammenhang der übrigen Grundstücke in … gehören und gebieten keine Abtrennung dieser Grundstücke. Abgesehen von der nicht in gegenständlicher Distanz zur restlichen Bauung ist auch zu berücksichtigen, dass gar kein eigenständiges unbebautes Grundstück zwischen der restlichen Bebauung und der Burg bzw. dem Schloss liegt. Stattdessen sind lediglich die streitgegenständlichen Grundstücke des Antragstellers bzw. des Beigeladenen sehr großflächig. Die verbindenden Grundstücke zur restlichen Bebauung des Ortsteils … sind also nicht völlig ohne Bebauung, sondern mit der Burg bzw. dem Schloss bebaut. Die bebauten Grundstücke grenzen somit direkt aneinander und an die restliche Bebauung des Ortsteils. Ein bebautes Grundstück unterbricht den Bebauungszusammenhang jedoch nur dann, wenn die Bebauung im Verhältnis zur Größe des Grundstücks von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Weder die Burg noch das Schloss erwecken den Eindruck einer völlig untergeordneten Bebauung auf den jeweils weitläufigen Grundstücken.“ Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich daher nach §§ 29 Abs. 1, 34 des Baugesetzbuchs – BauGB -. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die bebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
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a. Das Vorhaben, das von Wohnbebauung umgeben ist, fügt sich nach seiner Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Der geplante Neubau soll dem Wohnen dienen. Es ist nicht ersichtlich, dass die genehmigte Wohnnutzung unzulässig sein könnte. Die nähere Umgebung besteht überwiegend aus Wohnhäusern.
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b. Ob sich das Bauvorhaben auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) kann grundsätzlich dahinstehen. Verstößen gegen diese Merkmale kommt nämlich keine unmittelbare nachbarschützende Wirkung zu, so dass dem Antragsteller daraus auch kein Abwehranspruch aufgrund der Verletzung eigener Rechte erwachsen kann. Das Vorhaben dürfte sich jedoch bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung in die Umgebung einfügen, wobei hier vornehmlich auf die Höhe des Vorhabens (Wandhöhe von 3,25 m, einer Dachhöhe von 4,75 m, vgl. Blatt 15 der Verfahrensakte) abzustellen ist. Mit einer Grundfläche von 110,84 m2 und einem Bruttorauminhalt von 718,64 m3 ist das Vorhaben sogar kleiner als die bisherige Bebauung. Auch das vom Antragsteller gerügte Nichteinfügen bezüglich der überbaubaren Grundstücksflächen sieht das Gericht nicht als gegeben an. Eine vom Antragsteller dargelegte faktische Baugrenze an der Rückseite der Burg kann das Gericht nicht erkennen. Es sind vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine solche städtebauliche Situation ersichtlich.
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c. Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen das städtebauliche Gebot der Rücksichtnahme, wie es in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO verankert ist.
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Auch wenn ein Vorhaben seiner Art nach an dem gewählten Standort grundsätzlich zulässig ist (s.o. a, b.) und sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt es sich dann nicht in seine nähere Umgebung ein, wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene, Bebauung fehlen lässt. Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (zum Ganzen BayVGH, B.v. 22.01.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11 m.w.N.). Die Grenze ist dabei erreicht, wenn dem Betroffenen die nachteiligen Folgen des streitigen Vorhabens billigerweise nicht mehr zugemutet werden können (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BeckRS 1981, 31321248). Das Bauvorhaben des Beigeladenen hat aber unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile, keine rücksichtslosen bzw. unzumutbaren Auswirkungen auf das Grundstück des Antragstellers.
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Durch das Bauvorhaben ergibt sich keine, den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigende, erdrückende Wirkung. Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 ff: zwölfgeschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 f.: grenznahe 11,50 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem 7 m breiten Nachbargrundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2011 – 15 ZB 11.286 – juris Rn. 13; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – BauR 2014, 810 f.; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 5). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – BeckRS 2016, 51753 Rn. 30). Dabei kommt der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen eine Indizwirkung zu. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet danach in aller Regel aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Denn in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das entsprechende Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat. Die landesgesetzlichen Grenzabstandsvorschriften stellen insoweit also eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme dar. (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244.84 – NVwZ 1985, 653; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 23).
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An den genannten Grundsätzen ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus vom 23.12.2020 (GVBl. 2020, 663) und der damit verbundenen Reduzierung der erforderlichen Abstandsflächentiefe auf grundsätzlich 0,4 H (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) mit Wirkung vom 01.02.2021 festzuhalten. Diese Verringerung der Abstandsflächen steht zum einen im Einklang mit der (planungsrechtlichen) Zielvorgabe des Bundesgesetzgebers, eine Nachverdichtung von bestehenden Siedlungsstrukturen der Inanspruchnahme bisher unbebauter Flächen vorzuziehen (§ 1a Abs. 2 BauGB, vgl. dazu OVG NW, U.v. 30.5.2017 – 2 A 130/16 – juris. Rn. 45). Zum anderen hat der Landesgesetzgeber mögliche Auswirkungen der Abstandsflächenverringerung durchaus erkannt, ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass auch ein Abstandsflächenmaß von 0,4 H, insbesondere auch aufgrund des beibehaltenen Mindestabstandes von 3 m, in ausreichendem Maß sicherstellt, dass die Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts – Belichtung, Belüftung, Besonnung und Sozialabstand – gewahrt und die Mindeststandards der DIN 5034 – Tageslicht in Innenräumen – eingehalten werden (LT-Drs. 18/8547, S. 13 f.). Nach alledem kommt der Einhaltung der Abstandsflächen auch nach deren Verringerung durch den Landesgesetzgeber weiterhin die oben genannte Indizwirkung zu (vgl. OVG NW, U.v. 30.5.2017 – 2 A 130/16 – juris. Rn. 45; BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 15 ZB 21.2360 – juris Rn. 16; VG Würzburg, B.v. 7.12.2021 – W 4 S 21.1250 – juris Rn. 31, 32).
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Ausweislich der vorgelegten Planunterlagen hält das Vorhaben die gesetzlichen Abstandsflächen von 0,4 H zum Grundstück des Antragstellers problemlos ein (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BayBO; vgl. Blatt 14 der Verfahrensakte). Schon aufgrund dieser Tatsache, dass das Vorhaben zum Grundstück des Antragstellers die erforderlichen Abstandsflächen einhält, liegt eine baurechtlich unzulässige, nachbarbeeinträchtigende oder erschlagende Wirkung nicht vor. Die von der Einhaltung der Abstandsflächen ausgehende, gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sprechende Indizwirkung wird durch die übrigen Umstände des Falles auch nicht ausnahmsweise erschüttert. Dabei ist dem Antragsteller durchaus zuzugestehen, dass das Vorhaben des Beigeladenen auf das antragstellerische Grundstück eine gewisse, vom aktuellen Zustand abweichende Wirkung entfalten wird. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die bauliche Anlage des Beigeladenen dem benachbarten Wohnhaus des Antragstellers förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass das Nachbargebäude nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. OVG NW, U.v. 19.7.2010 – 7 A 3199/08 – BauR 2011, 248 ff.; B. v. 14.6.2016, – 7 A 1251/15 – juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 27.4.2015 – 8 B 10304/15 – juris Rn. 6). Das Schloss des Antragstellers liegt höher als das Anwesen des Beigeladenen. Die Bebauung auf dem Flurstück des Beigeladenen, sei es ehemals die Pension, sei es aktuell das Glashaus und sei es zukünftig das Gebäude für die Mutter des Beigeladenen, liegt im Innenhof und dort in einer Mulde und ist kleiner als das Schloss des Antragstellers. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers eine erdrückende Wirkung geltend macht und damit das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sieht, weil durch den Neubau die Sichtfläche des Antragstellers, die Sonneneinstrahlung und die Ansicht gestört werde und durch den errichteten Neubau auch der Nutzer dort unmittelbare Einsicht in das Wohngebäude des klägerischen Hauses erlange, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Licht und Luft können durch das Vorhaben des Beigeladenen dem Antragsteller nicht genommen werden. Die Fenster des Schlosses zum Innenhof des Beigeladenen befinden sich in einer Höhe, die etwa 10 m über dem Dach des Neubaus liegen werden. Dies bedeutet, dass ein Einblick in das Innere des Schlosses des Antragstellers in der Vergangenheit nicht möglich gewesen ist und in Zukunft auch nicht möglich sein wird. Der Blick aus dem Schloss selbst kann durch das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht beeinträchtigt werden, da die Fenster des Schlosses das Dach des Gebäudes des Antragstellers weit überragen werden. Im Übrigen hat sich der Antragsteller den – ebenerdigen – Ausblick wohl selbst versperrt und zwar durch eine Palisade, die etwa 2,5 m hoch ist. Läge das Vorhaben entsprechend der Auffassung des Antragstellers tatsächlich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, würde sich am Ergebnis nichts ändern.
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2. Wie bereits erwähnt, hält das Bauvorhaben die gesetzlichen vorgeschriebenen Abstandsflächen zu den Grundstücken des Antragstellers, Fl.-Nrn.: …, … und …, der Gemarkung …, ein (siehe oben unter 1.; Art. 59 Satz 1 Nr. 1b BayBO).
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3. Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot behauptet, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Dies zunächst schon deshalb, weil das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot nicht innerhalb des Prüfungsrahmens eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens liegt. Anders als im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO, in dem alle Anforderungen der Baunutzungsverordnung geprüft werden (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO), wird im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO grundsätzlich nur das Abstandsflächenrecht nach Art. 6 BayBO geprüft (Art. 59 Satz 1 Nr. 1b BayBO). Folglich sind Fragen der bauordnungsrechtlichen Verunstaltung (Art. 8 BayBO) nicht vom Prüfungsumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens und damit von der Regelungswirkung der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasst. Nach Einschätzung des Gerichts liegt eine bauordnungsrechtliche Verunstaltung aber auch nicht vor und teilt insofern die Auffassung des Antragsgegners. Eine Verunstaltung wird in der Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn eindeutig eine ästhetische Grenze überschritten ist. Dies ist hier nicht der Fall. Das geplante Gebäude stellt vorliegend ein schlichtes Gebäude mit gewöhnlichen Formen und viel Glas dar. Es wirkt modern und einfach konstruiert. Es hebt sich von den beiden, deutlich älteren umliegenden Gebäuden stilistisch ab. Die Burg und die anderen Bauwerke sind zwar aus Sandstein. Dadurch bildet das geplante Gebäude einen gewissen Kontrast zu diesen, hat aber keinerlei Anhaltspunkte von Hässlichkeit. Das neue Gebäude fügt sich trotz der zu verwendenden Baustoffe in die historische Struktur ein und stellt keinen Fremdkörper dar. Es zeigt keinerlei ungewöhnliche gestalterische Merkmale oder besondere Auffälligkeiten. Stattdessen hält es sich im Rahmen einer ästhetischen Gesamterscheinung.
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4. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt keine Rechte des Antragstellers als Eigentümer eines Denkmals (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz – GG –). Die Errichtung von Anlagen in der Nähe von Baudenkmälern – und damit die Errichtung des kleinen Wohnhauses in der Nähe des in die Denkmalliste eingetragenen Schlosses – bedarf nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Denkmalschutzgesetz (DSchG) einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis. Hier wird diese Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG von der erforderlichen (Art. 55 Abs. 1 BayBO) Baugenehmigung ersetzt und bei deren Erteilung hat die Baugenehmigungsbehörde nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO auch die Vorschriften des Denkmalschutzrechts zu prüfen. Die Baugenehmigung darf nur ergehen, wenn nicht Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift darf die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG dient nach herkömmlichem Verständnis grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse, ohne dem Einzelnen subjektive (Abwehr-) Rechte einzuräumen. Dem bayerischen Denkmalschutzgesetz lässt sich kein allgemeiner Drittschutz zugunsten des Denkmaleigentümers entnehmen. Es besteht allerdings ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals erheblich auswirkt (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – BVerwGE 133, 347; BayVGH, B.v. 10.8.2020 – 1 CS 20.1440 – juris Rn. 3; U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – BauR 2013, 940). Das ist der Fall, wenn von dem Vorhaben eine „erhebliche“ Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung des Denkmals ausgeht und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Als erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals ist nicht nur eine Situation anzusehen, in der ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird, sondern auch die Tatsache, dass die Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element geschmälert wird. Neue Vorhaben müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen, noch haben sie zu unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem Denkmal messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen. Die genannten Merkmale müssen in schwerwiegender Weise gegeben sein, damit von einer erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden kann (BayVGH, U.v. 25.6.2013 – 22 B 11.701 – juris Rn. 29 ff.; U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – juris Rn. 28 ff.). Eine erhebliche Beeinträchtigung des Baudenkmals wird von der unteren Denkmalschutzbehörde in Abstimmung mit dem Referenten des Landesamts für Denkmalpflege vorliegend aus nachvollziehbaren Gründen nicht gesehen (vgl. Stellungnahme vom 20.9.2022, Blatt 25 der Verfahrensakte). Die Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege hat besonderes Gewicht und die Verwaltungsgerichte dürfen schlüssige und nachvollziehbare Äußerungen übernehmen, zumal im Rahmen einer summarischen Prüfung (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 5. Mai 2021 – Au 4 K 20.1326 –, Rn. 39, juris m.w.N.). Mit Ausnahme einer abweichenden Meinung hat der Antragsteller dem Fachurteil nichts Substantielles entgegengesetzt.
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5. Eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung liegt nicht vor. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die im Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt dann vor, wenn die Unbestimmtheit der Genehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Genehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Antragsunterlagen Gegenstand und Umfang der Genehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Genehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Genehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (BayVGH, B.v. 10.1.2022 – 1 CS 21.2776 – juris Rn. 13). Soweit der Antragsteller behauptet, dass der Beigeladene in seinen Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben gemacht habe, da der Beigeladene das Anwesen zur gewerblichen Weitervermietung an Hotelgäste nutzen wolle und diesbezüglich der Beigeladene über die beabsichtigte Nutzung hier falsche Angaben mache, ist dies eine reine Behauptung. Der Beigeladene bestreitet dies und bekräftigt, dass zukünftig das Anwesen „…“ ausschließlich vom Beigeladenen und seiner Familie (inklusive Mutter) bewohnt werden wird. Diese Angaben hat der Antragsgegner bei seiner Genehmigung zu Grunde gelegt. Jede andere Nutzung wäre ein Abweichen von den genehmigten Bauvorlagen und würde ggfs. bauaufsichtliches Einschreiten nach sich ziehen.
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II. Soweit der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beantragen lässt, den Antragsgegner zu verpflichten, die erforderlichen Maßnahmen zur vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen, Fl.-Nr. …, … in … zu ergreifen, bleibt dieser Antrag ebenfalls ohne Erfolg. Letztlich kann hinsichtlich Sachverhalt und Begründung auf die obigen Ausführungen des Gerichts verwiesen werden, in dem das Gericht den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung abgelehnt hat. Nachdem der Beigeladene also auch weiterhin über eine vollziehbare Baugenehmigung verfügt, verbleibt für eine Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zur Baueinstellung kein Raum.
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Als unterlegener Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Beigeladene einen Sachantrag gestellt und sich damit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch seine außergerichtlichen Kosten trägt, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5, 9.7.1 und 9.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.