Titel:
Widersprüchlichkeit einer Probezeitbeurteilung
Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenngleich nicht erforderlich und wohl auch nicht zweckmäßig, wenn bei einer Probezeitbeurteilung wie bei dienstlichen Beurteilungen von Lebenszeitbeamten eine 16-teilige Punkteskala für das Gesamturteil und die Einzelbewertungen zugrunde gelegt wird; in diesem Fall ist die Punkteskala in das Bewährungsurteil "umzurechnen", um die Bewährung während der Probezeit zu plausibilisieren. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Widersprüchlichkeit der Probezeitbeurteilung ergibt sich, wenn in einem ersten Schritt die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung mit acht Punkten – damit eine den Anforderungen genügende oder diese übersteigende Leistung – bewertet und dann in einem zweiten Schritt die Bewährung während der Probezeit verneint und auf einem gesonderten Beiblatt begründet wird. (Rn. 4 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Probezeitbeurteilung geht von einem falschen Maßstab für das Bewährungsurteil aus, wenn als Bewährungsmaßstab nicht die sich aus dem Eingangsstatusamt der Laufbahn ergebenden Anforderungen zugrunde gelegt werden (ebenso BVerwG BeckRS 2019, 16122), sondern ein Quervergleich mit den anderen Probezeitbeamtinnen und Probezeitbeamten erfolgt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Probezeitbeurteilung, 16-teilige Punkteskala, Umrechnung, Widersprüchlichkeit der Probezeitbeurteilung, Maßstab für das Bewährungsurteil, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, Bewährungsmaßstab, Eingangsstatusamt
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 27.09.2023 – AN 1 S 23.1742
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35965
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.163,76 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 28. August 2023 (AN 1 K 23.1743) gegen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe (Bescheid vom 14.8.2023) zu Unrecht wiederhergestellt hätte.
2
1. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen festgestellt, dass die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfalle, weil sich die Entlassungsverfügung vom 14. August 2023 bei summarischer Prüfung als materiell rechtswidrig erweise. Die Probezeiteinschätzung vom 20. Mai 2019 und die Probezeitbeurteilungen vom 4. Februar 2020, 7. Mai 2021 sowie 31. Mai 2023 seien widersprüchlich und könnten der Entlassungsverfügung nicht zugrunde gelegt werden. Die Antragstellerin habe jeweils ein Gesamturteil von mehr als sieben Punkten erhalten, sodass nach den Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin davon ausgegangen werden müsse, dass ihre Leistungen in jeder Hinsicht den Anforderungen genügten bzw. diese überstiegen. Gleichwohl sei die Antragsgegnerin zu der Einschätzung gelangt, dass sich die Antragstellerin nicht für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bewährt habe.
3
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2022 (2 B 41.21 – juris Rn. 13). Danach setzt die Rechtmäßigkeit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen mangelnder Bewährung nicht den formellen Fortbestand der verwerteten Probezeitbeurteilung und deren Rechtmäßigkeit voraus. Maßgebend ist allein, ob der in ihr mitgeteilte Sachverhalt zutrifft, den der Dienstherr zur Begründung des negativen Urteils über die Bewährung und damit der Entlassung herangezogen hat, und ob sich der Dienstherr mit den darauf gestützten oder herangezogenen Wertungen im Rahmen der ihm eingeräumten Beurteilungsermächtigung hält.
4
Die Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung rechtfertigt nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil sich aus der letzten und entscheidenden Probezeitbeurteilung vom 31. Mai 2023 aufgrund der bereits vom Verwaltungsgericht festgestellten Widersprüchlichkeit kein belastbarer Sachverhalt für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ergibt. Die Widersprüchlichkeit ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin in einem ersten Schritt die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung der Antragstellerin wie bei einer Lebenszeitbeamtin innerhalb einer Punkteskala (1 – 16) bewertet und in einer ergänzenden Bemerkung (unter 3.) plausibilisiert hat. Hier erhielt die Antragstellerin acht Punkte. Unter 6. der Probezeitbeurteilung wird dann in einem zweiten Schritt die Bewährung der Antragstellerin während der Probezeit verneint und auf einem gesonderten Beiblatt begründet (siehe Bl. 124 der Behördenakte).
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Es ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenngleich nicht erforderlich und wohl auch nicht zweckmäßig, wenn die Antragsgegnerin den Probezeitbeurteilungen wie bei dienstlichen Beurteilungen von Lebenszeitbeamten ihre 16-teilige Punkteskala für das Gesamturteil und die Einzelbewertungen zugrunde legt. In diesem Fall ist die Punkteskala in das Bewährungsurteil „umzurechnen“. Diese „Umrechnung“ ist auch erforderlich, um die von der Antragsgegnerin verneinte Bewährung der Antragstellerin während der Probezeit zu plausibilisieren.
6
Nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung für Beamtinnen/Beamte und unbefristete Lehrkräfte im Beschäftigungsverhältnis der Antragsgegnerin entspricht das Gesamturteil von acht Punkten eine den Anforderungen genügende oder diese übersteigende Leistung, was bedeutet, dass damit eine positive Bewährungsentscheidung getroffen worden ist (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 7.5.2019 – 2 A 15.17 – juris Rn. 58 zu einer neunteiligen Punkteskala; vgl. auch Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2023, Art. 55 LlbG Rn. 11 zur Punktebewertung bei der Probezeitbeurteilung).
7
Ergibt also die Umrechnung im ersten Teil der Probezeitbeurteilung – wie hier – eine positive Bewährungsentscheidung, an der die Antragsgegnerin festzuhalten ist, kann dem keine gegensätzliche, weil negative Einschätzung gegenübergestellt werden. Insoweit ist die Probezeitbeurteilung wegen Perplexität unwirksam, zumal die Hauptdefizite der Klägerin (bei der selbständigen und eigenverantwortlichen Sachbearbeitung sowie im Teamverhalten) jeweils mit acht Punkten bewertet worden sind. Die insoweit durch Einzelbeispiele begründete Nichteignung für Sachbearbeitertätigkeiten in der 3. Qualifikationsebene wird dadurch wieder relativiert und lässt sich nicht für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe heranziehen.
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Das Hauptmanko der Probezeitbeurteilung ist jedoch, dass sie von einem falschen Maßstab für das Bewährungsurteil ausgeht. Maßstab für die Beurteilung der Bewährung sind die sich aus dem Eingangsstatusamt der Laufbahn ergebenden Anforderungen (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.2019 a.a.O. Rn. 60). Die Antragsgegnerin hat jedoch ausweislich der Anlage zur Probezeitbeurteilung und auch im Rahmen der ergänzenden Bemerkungen diesen Maßstab nicht beachtet, sondern einen „Quervergleich mit den anderen Probezeitbeamt*innen“ vorgenommen.
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2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 (wie Vorinstanz).
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3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).