Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.12.2023 – 2 CS 23.1169
Titel:

Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegen Kiesabbau - Lärmbelästigungen

Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Es ist im Grundsatz zulässig, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegungen zu regeln und hierdurch die Nachbarrechte zu sichern, wenn das Vorhaben bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Emissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten. Es muss gewährleistet sein, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereiches können sich Nachbarn nicht berufen, weil dieser Grundsatz nicht dem Schutz von Dritten, sondern maßgeblich der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilverfahren, Schädliche Umwelteinwirkungen durch Kiesabbau, Nachbarrechte, Lärmbelästigung, Zu- und Abfahrtsverkehr, zielorientierte Festlegungen, Betriebsleiterwohnung, Gebot der Rücksichtnahme, Erschließung, Schonung des Außenbereichs
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 02.06.2023 – M 9 SN 22.5931
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35958

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beigeladenen hin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 2. Juni 2023 in Nummern I. und II. aufgehoben.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen. Die Antragsteller haben die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750, – Euro festgesetzt.

Tatbestand

I.
1
Die Antragsteller begehren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der der Beigeladenen erteilten Abgrabungsgenehmigung zum Kiesabbau mit Verfüllung. Sie befürchten unzumutbare Lärmbelästigungen insbesondere durch den Zu- und Abfahrtsverkehr.
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Die Antragsteller sind Miteigentümer des in einem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks FlNr. … der Gemarkung S. …, das mit einem Wohngebäude und einer Steinmetzwerkstatt mit Schulungsraum bebaut ist. Die Zufahrt zu dem Vorhabengrundstück verläuft entlang der südlichen Grundstücksgrenze der Antragsteller. Deren östliche Grundstücksgrenze befindet sich ca. 150 m entfernt von der geplanten Kiesabbaufläche. Das Wohnhaus hat zur geplanten Zufahrt des Vorhabens einen Abstand von ca. 10 m.
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Mit Bescheid vom 28. September 2022 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine befristete abgrabungsrechtliche Genehmigung zum Kiesabbau und Verfüllung auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung S. …, mit lärmschutzrechtlichen Auflagen. Auf das im Genehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegte Lärmschutzgutachten vom 13. Juli 2020 von H. ... wird Bezug genommen.
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Auf die Beschwerde der Antragsteller hin ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Juni 2023 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die abgrabungsrechtliche Genehmigung vom 28. September 2022 an. Zur Begründung führt das Gericht aus, es sei nach summarischer Prüfung nicht sichergestellt, dass die Antragsteller durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sein werden. Dass von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren als Grundlage vorgelegte Gutachten könne nicht als Nachweis der Unbedenklichkeit des Vorhabens im Hinblick auf den Schutz der Nachbarschaft anerkannt werden, da hiergegen durchgreifende Zweifel bestünden.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen. In der zur Glaubhaftmachung vorgelegten weiteren schalltechnischen Stellungnahme vom 6. Juli 2023 von H. ... wurden, die Bedenken des Verwaltungsgerichts aufgreifend, ergänzend an weiteren Immissionsorten, insbesondere auch am Grundstück der Antragsteller, schalltechnische Berechnungen durchgeführt, die Einmündungssituation in die öffentliche Straße mit Bremsvorgängen und Beschleunigung gesondert berücksichtigt und ein Parallelbetrieb von Abkiesung und Verfüllung überprüft.
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Auf Antrag der Beigeladenen änderte das Landratsamt mit Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 den ursprünglichen Bescheid dahingehend, dass in der Nebenbestimmung Ziffer 5.8.3.6. als zusätzlicher maßgeblicher Immissionsort das Grundstück der Antragsteller FlNr. … aufgenommen und als neue Nebenbestimmung in Ziffer 5.8.3.7 festgelegt wurde, dass die Anzahl der Lkw-Fahrten, die im Zusammenhang mit Betriebsabläufen gemäß Nr. 5.8.1.5 stehen, auf maximal 36 pro Tag (jeweils 36 Hin- und 36 Rückfahrten) beschränkt ist.
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Die Antragsteller treten der Beschwerde entgegen. Sie legen ein Gegengutachten von S. ... vom 19. September 2023 vor, das die Ausführungen des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachtens vom 6. Juli 2023 in Frage stellt. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass die schalltechnische Stellungnahme vom 6. Juli 2023 an erheblichen Mängel leide und eine abschließende Beurteilung der Geräuschsituation nicht zulasse. So sei die korrekte Auswahl der Positionierung der Immissionsorte in der Stellungnahme nur unzureichend erkennbar. Die Emissionen durch den Lkw-Verkehr im Einmündungsbereich seien zwar durch Maximalpegel berücksichtigt worden, die Lage dieser punktuellen Geräuschquellen sei jedoch unplausibel weit in den Straßenraum der F. …-Straße nach Westen verschoben worden. Darüber hinaus hätten in der schalltechnischen Stellungnahme vom 6. Juli 2023 nur deshalb die Einhaltung der Immissionsrichtwerte von 59 dB(A) am Wohnort der Antragsteller nachgewiesen werden können, da nicht der Schallleistungspegel des tatsächlich verwendeten Radladers, sondern ein Gerät mit einem geringeren Schallleistungspegel in Ansatz gebracht worden sei. Dieser sehr niedrige Schallleistungspegel des Motorgeräusches eines Radladers mit geringer Motorleistung sei mit einem mittleren Impulszuschlag kombiniert worden. Richtigerweise hätte aber der tatsächlich verwendete und letztendlich im Genehmigungsbescheid auch beauflagte Radlader mit einem Schallleistungspegel von L WA= 104 dB(A)mit dem Impulszuschlag 6,6 dB(A) kombiniert werden müssen. Würde man den tatsächlich verwendeten Radlader sowie einen entsprechenden Impulszuschlag berücksichtigen, würde der zulässige Wert von 59 dB(A) um 1,5 dB(A) überschritten werden. Schließlich seien die zusätzlichen Einzelereignisse der Lkw-Fahrten auf der Zufahrt zu dem Kiesgelände – die Warnsignale bei der Rückwärtsfahrt von Radlader und Lkw und die erhöhten Fahrgeräusche der Lkw auf Kiesflächen – nicht ausreichend berücksichtigt worden. Im Ergebnis werde daher voraussichtlich sowohl am nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsort der Betriebsleiterwohnung wie auch am Grundstück der Antragsteller der zulässige Immissionsrichtwert um mindestens 2 dB(A) überschritten. In dem Evaluierungsgutachten von M. ... seien diese ausgeführten Schwächen des vorgelegten Gutachtens vom 6. Juli 2023 nicht erkannt worden.
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Hierauf repliziert die Beigeladene mit Schreiben vom 3. November 2023. Als Anlage legte sie eine weitere schalltechnische Stellungnahme von H. ... vom 27. Oktober 2023 sowie eine weitere Stellungnahme von M. ... vom 16. Oktober 2023 vor, in welchen die jeweiligen Sachverständigen die Einwände des Gegengutachtens der Antragsteller von S. ... vom 19. September 2023 aufgreifend widerlegen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die berechneten Emissionsbelastungen für das Wohnhaus der Antragsteller zutreffend ermittelt worden seien und die alternativen Berechnungen von S. ... nicht geeignet seien, das Berechnungsergebnis infrage zu stellen. Selbst wenn aber die pauschalen und fachlich unzutreffenden Einwände der Antragsteller in die Berechnungen eingestellt werden würden, wäre, so die alternativen Berechnungen von H. ..., der Richtwert an dem Immissionsort der Antragsteller immer noch eingehalten.
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Das Landratsamt nahm mit Schreiben vom 27. Oktober 2023 erneut zu dem Verfahren Stellung, insbesondere zu den von den Antragstellern angegriffenen Emissionsdaten des Radladers in der schalltechnischen Stellungnahme vom 6. Juli 2023, den angeblich nicht eingestellten Tonzuschlägen für Warnsignale bei der Rückwärtsfahrt des Radladers sowie den nicht berücksichtigten Fahrgeräuschen der Lkw auf Kiesflächen. Es kam hierbei zu dem Ergebnis, dass die Besorgnis, das Vorhaben könne zu schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm beitragen und damit das Gebot der Rücksichtnahme verletzen, aus fachtechnischer Sicht unter Berücksichtigung vorhandener Auflagen zum Anlagenbetrieb nicht gegeben sei, vielmehr würden in der überwiegenden Betriebszeit die Beurteilungspegel an den Immissionsorten die Immissionsrichtwerte um sogar mehr als 10 dB(A) unterschreiten und diese damit außerhalb des Einwirkbereichs der Anlage liegen.
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Mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 nahmen die Antragsteller erneut zu dem Verfahren Stellung. Sie legten eine weitere schalltechnische Stellungnahme vom 30. November 2023 der Firma S. ... GmbH vor, in der auf die schalltechnische Stellungnahme von H. ... vom 27. Oktober 2023, von M. ... vom 16. Oktober 2023 sowie auf die Stellungnahme des Landratsamts vom 27.Oktober 2023 eingegangen wird. Auch in dieser Stellungnahme kommen die Sachverständigen abschließend zu dem Ergebnis, dass der Richtwert von 59 dB(A) am Anwesen der Antragsteller um 1,8 dB(A) überschritten werde, wenn Pegelspitzen von Einzelereignissen (zum Beispiel Bremsenquietschen) auch im Bereich vor der Südfassade des Anwesens der Antragsteller aufträten und dass am Immissionsort der Betriebsleiterwohnung der Beurteilungspegel 60,5 dB(A) betrage, wenn man nur den Schallleistungspegel vom Motorgeräusch des Radladers von L WA = 101,8 dB(A) auf L WA = 104 dB(A) erhöhe.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Juni 2023 abzuändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte abgrabungsrechtliche Genehmigung vom 28. September 2022 abzulehnen.
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Die Antragsteller beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – nimmt zu der Beschwerde Stellung und schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen an.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat Erfolg (§§ 146 Abs. 1, 147 VwGO). Die von der Beigeladenen innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe rechtfertigen eine Änderung der angefochtenen Entscheidung, weil die mit weiteren Auflagen versehene Abgrabungsgenehmigung in der geänderten Fassung voraussichtlich keine drittschützenden subjektiv-öffentlichen Rechte der Antragsteller verletzt.
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1. Unter sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO entsprechend) – die Beigeladene hat den Ergänzungsbescheid vom 25. Juli 2023 nicht ausdrücklich in ihrem Antrag aufgenommen – ist Gegenstand des zulässigen Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz nicht mehr – wie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – die Genehmigung für den Kiesabbau in ihrer ursprünglichen Fassung vom 28. September 2022, sondern diese Genehmigung in der Fassung des Bescheides vom 25. Juli 2023 (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2006 – 1 CS 06.983 – juris Rn. 14). Die Antragsteller haben der Berücksichtigung des Änderungsbescheides zwar widersprochen; sie ist aber in der Sache dienlich und mithin zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung). Die Beschränkung des Streitstoffs auf die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) steht dem im hier zu entscheidenden Fall nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2009 – 15 CS 09.860 – juris Rn. 10). Diese der Beschleunigung des Verfahrens dienende Vorschrift gilt nicht zwingend, wenn der angegriffene Verwaltungsakt während eines zulässigen Beschwerdeverfahrens geändert wird. Hier entspricht es der Prozessökonomie, auch die neuen Regelungen des Änderungsbescheids zum Gegenstand der Prüfung zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2004 – 1 CS 03.328 – juris Rn. 16), weil der Änderungsbescheid die Bedenken des Erstgerichts aufgreift und diesen Rechnung trägt, sodass eine erneute Befassung des Erstgerichts im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO entbehrlich erscheint.
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2. Die Beschwerde ist begründet, da der zulässige Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unbegründet ist.
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Nach den im Eilverfahren vorliegenden Erkenntnissen gehen nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung von dem Vorhaben des Beigeladenen keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB aus, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Antragsteller führen werden. Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt die Antragsteller nicht in drittschützenden Rechten, da schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm auf dem Grundstück der Antragsteller ausweislich der vorgelegten nachvollziehbaren Gutachten der Beigeladenen voraussichtlich nicht drohen. Die gegen die immissionsschutzrechtlichen Berechnungen der Beigeladenen erhobenen Einwände der Antragsteller führen zu keinem anderen Ergebnis.
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2.1. Bei dem Vorhaben der Beigeladenen handelt es sich um ein privilegiertes Vorhaben, sodass sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 BauGB beurteilt. Der vom Antragsteller geltend gemachte Schutz vor schädlichen Lärmeinwirkungen kann sich grundsätzlich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, in der auf die Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG verwiesen wird und eine Konkretisierung des im Einzelfall nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme darstellt (vgl. BVerwG 28.10.1993 – 4 C 5.93 – NVwZ 1994, 686), ergeben. Schädliche Umwelteinwirkungen gem. § 3 Abs. 1 BImSchG sind alle Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Sind – wie hier – Lärmimmissionen zu erwarten, so kann bei der Beurteilung der Zumutbarkeit auf Grundsätze und Begriffe des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden, die ihrerseits wiederum durch die Bestimmungen der auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 BImSchG erlassenen TA Lärm konkretisiert werden. Die TA Lärm ist hier auch anwendbar, da das Vorhaben der Beigeladenen im Katalog der Nr. 1 vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausdrücklich ausgenommenen Anlagenarten nicht aufgeführt ist und es sich beim Kiesabbau um eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 22 Abs. 1 BImSchG handelt.
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2.2. Durch die Aufnahme der geänderten bzw. neuen Nebenbestimmung in den Bescheid vom 28. September 2022 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juli 2023 wurde den Bedenken des Verwaltungsgerichts, dass nicht ohne weiteres nachvollziehbar sei, ob durch die Prüfung des Immissionsortes an der Betriebsleiterwohnung in der F. …-Str. … sicher geschlossen werden könne, dass die Anlage nirgendwo sonst zu schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche relevant beitrage, Rechnung getragen. Mit Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 wurde in der Nebenbestimmungen Ziffer 5.8.3.6 neu geregelt, dass durch den Betrieb der Gesamtanlage (Kiesabbau einschließlich Verfüllung und zugehörigem Fahrverkehr) auch auf dem Grundstück der Antragsteller – bislang war insoweit nur der Immissionsschutzort der Betriebsleiterwohnung in der F. …-Str. … aufgeführt – der reduzierte Immissionsrichtwert von 59 dB(A) im Tageszeitraum nicht überschritten werden darf. Als Nebenbestimmung Ziffer 5.8.3.7 wurde neu aufgenommen, dass die Zahl der Lkw-Fuhren, die im Zusammenhang mit Betriebsabläufen gemäß Nr. 5.8.1.5 stehen, auf maximal 36 pro Tag beschränkt sind (jeweils 36 Hin- und 36 Rückfahrten).
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Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist es im Grundsatz zulässig, den Lärmschutz in dieser Weise durch zielorientierte Festlegungen zu regeln (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2009 – 15 CS 09.860 – juris Rn. 14 m.w.N.) und die Nachbarrechte zu sichern, wenn das Vorhaben bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Emissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (vgl. BayVGH, B.v 31.5.2007 – 15 CS 07.389 – juris Rn. 20). Es muss gewährleistet sein, dass die Richtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2011 – 15 CS 11.1858 – juris Rn. 20). Hierfür hat der Bauherr im Genehmigungsverfahren Art und technische Merkmale der geplanten Anlage darzustellen und nachzuweisen, dass diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 20). Diesen Nachweis hat die Beigeladene durch das im Genehmigungsverfahren vorgelegte Gutachten vom 13. Juli 2020 sowie durch die im Beschwerdeverfahren ergänzende schalltechnische Stellungnahme von H. ... vom 6. Juli 2023 sowie vom 27. Oktober 2023 erbracht (siehe 2.3.).
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2.3. Ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten erweist sich das Vorhaben unter Nachbarschutzgesichtspunkten als zulässig, da schädliche Einwirkungen in Form von grenzwertüberschreitenden Emissionen am Wohnhaus der Antragsteller voraussichtlich nicht drohen.
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In den schalltechnischen Stellungnahmen vom 6. Juli und vom 27. Oktober 2023 gehen die Sachverständigen von H. ... davon aus, dass an dem Grundstück der Antragsteller (Immissionsort 2) durch die von der Anlage (Kiesabbau) und dem LkwVerkehr ausgehenden Geräuschemissionen trotz der zusätzlich gegenüber dem Gutachten vom 20. Juli 2020 in Ansatz gebrachter Prognosesicherheiten unter anderem bezüglich des Lkw-Fahrverkehrs und den damit verbundenen Geräuschen auf der Zu- und Abfahrt zur F. …-Straße eine Unterschreitung der Immissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet um 8 dB(A) zu erwarten sei. Auch an dem Immissionsort Betriebsleiterwohnung auf Höhe des am stärksten betroffenen Dritten Obergeschosses sei immer noch eine Unterschreitung des zulässigen Immissionsrichtwertes um 6 dB(A) zu erwarten. Nach den durchgeführten schalltechnischen Prognoseberechnungen könne insbesondere eine Überschreitung des Spitzenpegelkriteriums der TA Lärm durch die Betriebsgeräusche der Lkw zur Tagzeit gesichert ausgeschlossen werden. Dabei wurden explizit die Einmündungssituation mit Bremsvorgängen und Beschleunigung berücksichtigt und hierfür zusätzlich zwei Schallquellen in das Prognosemodell integriert, welche je 36 Beschleunigungen sowie 36 Bremsvorgänge bis zum Stillstand jeweils 5 Sekunden simulierten. Die Ergebnisse der Gutachten werden sowohl durch das Evaluierungsgutachten von M. ... vom 13. Juli 2023 und vom 16. Oktober 2023 sowie durch den Fachbereich Immissionsschutz des Landratsamtes vom 13. Juli 2023 und vom 27. Oktober 2023 bestätigt.
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2.4. Die Einwendungen der Antragsteller insbesondere durch das Gutachten von S. ... vom 25. November 2022, vom 19. September 2023 sowie vom 30. November 2023 sind nach summarischer Prüfung nicht geeignet, das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten sowie die ergänzenden schalltechnischen Stellungnahmen von H. ... und von M. ... sowie die Auffassung des Landratsamtes, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass die Immissionsrichtwerte an dem Grundstück der Antragsteller während des Kiesabbaus voraussichtlich eingehalten werden, zu erschüttern.
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2.4.1. Soweit S. ... in ihrer Prüfung der Geräuschsituation vom 19. September 2023 („Gegengutachten“) noch eingewandt hat, dass die von H. ... gewählten Immissionsorte nicht den Vorgaben der TA Lärm A.1.3 entsprechen würden – gemessen werden muss 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109 –, da sich aus dem Geodatensystem Bayern Atlas plus ergebe, dass die gewählten Immissionsorte teilweise unmittelbar an der Fassade lägen bzw. nicht unmittelbar vor dem jeweils am stärksten betroffenen Fenster gemessen worden sei, wurde dieser Einwand in der Stellungnahme vom 31. November 2023 nicht mehr aufrecht erhalten. Denn in der Stellungnahme vom 27. Oktober 2023 hat H. ... hierzu ausgeführt, dass die Immissionsorte selbstverständlich TA-Lärm konform im Abstand von 0,5 m zu den jeweiligen Gebäudefassaden des verwendeten Gebäudemodells positioniert worden seien. Zur Positionierung der Immissionsorte sei das Gebäudemodell des Bayerischen Landesamtes für die Digitalisierung, Breitband und Vermessung verwendet worden, das, anders als bei Bayern Atlas plus, eine zentimetergenaue Positionierung der Immissionsorte als Ausgangspunkt der lärmtechnischen Berechnung ermögliche. Die Beurteilungspegel – an der West-, Südwest-, Süd- und Ostseite des Wohngebäudes – würden sowohl auf Höhe des Erdgeschosses als auch auf Höhe des ersten Obergeschosses 0,5 m vor sämtlichen Fassaden den Wert von 57 dB(A) nicht überschreiten. Die Immissionsorte seien an der westlichen, der südwestlichen Fassade sowie an der südlichen und östlichen Fassade des Gebäudes gewählt worden. Dabei hat H. ... nachgewiesen, dass die Immissionswerte von 59 dB(A) an allen Stellen der Fassade 0,5 m vor der Fassade, also auch vor den maßgeblichen Fenstern, flächendeckend unterschritten würden. Der höchste prognostizierte Beurteilungspegel liege bei 56,8 dB(A). Dies bestätigte auch M. ... in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2023, die darüber hinaus überzeugend ausführt, dass hinsichtlich der Wahl der Immissionsorte vorliegend nicht davon auszugehen sei, dass Abstandsvariationen von wenigen Zentimetern zu relevanten Abweichungen bei den Berechnungsergebnissen führten.
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2.4.2. Die von den Antragstellern beauftragten Sachverständigen S. ... geben weiter hinsichtlich der gewählten Emissionsansätze für die Fahrwege der Lkw zu bedenken, dass H. ... fehlerhaft den Eindruck erwecke, dass in dem gewählten Emissionsansatz ein beachtlicher Sicherheitszuschlag enthalten sei bzw. der verwendete Emissionsansatz auf der sicheren Seite läge, was nicht der Fall sei. Dieser Einwand vermag die Ergebnisse des von der Beigeladenen vorgelegten Berechnungen nicht zu erschüttern. Denn zum einen führen S. ... selber aus, dass der von H. ... eingestellte Emissionsansatz für eine Lkw-Fahrbewegung pro Stunde mit einem längenbezogenen Schallleistungspegel von L WA pro Stunde = 63 dB(A) für den Fahrvorgang ohne Einzelereignisse (wie Quietschgeräusche, Druckluftgeräusche, Scheppern von Fahrzeugaufbauten u.ä.) grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Auch erläutern H. ... dezidiert und nachvollziehbar, aus welchen Gründen sie davon ausgehen, dass die Heranziehung des längenbezogenen Schallleistungspegels von 63 dB(A) einen Sicherheitszuschlag enthalte. Der ermittelte längenbezogene Schallleistungspegel liege bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h bei 59,7 dB(A) und bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h bei 61,5 dB(A), wobei die Antragsteller verkennen würden, dass bei einer geringeren Geschwindigkeit sich deshalb ein höherer längenbezogener Schallleistungspegel ergebe, da hierbei eine längere Einwirkzeit auf den Immissionsort vorliege. Dass in die Berechnungen nicht tatsächlich auch ein längenbezogener Schalleistungspegel von 63 dB(A) eingestellt wurde, haben die Antragsteller auch unter Berücksichtigung ihres Schriftsatzes vom 5. Dezember 2023 nicht substantiiert dargelegt.
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Soweit S. ... insbesondere die nicht berücksichtigten Einzelereignisse, wie Quietschgeräusche (vgl. zuletzt in der Stellungnahme vom 30.11.2023), Scheppern von Fahrzeugaufbauten und Scheppern der Ladebordwand, beanstandet, geht auch das Gericht im Einklang mit den Ausführungen der Beigeladenen davon aus, dass diese auf der Zufahrt zum Abbaugrundstück bei dem nach Stand der Technik gewarteten Fahrzeugen und einer fachgerechten baulichen Ausführung der Zufahrt nicht in relevantem Maße zu erwarten bzw. diese Immissionen zumindest vermeidbar sind.
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Den Einwänden der Antragsteller durch ihre Sachverständigen, zuletzt in der Stellungnahme vom 30. November 2023, dass, entgegen den Annahmen der Beigeladenen, der Bremsvorgang mit entsprechenden Quietsch- und Druckluftgeräuschen schon ca. 30 m vor der Einmündung beginne und daher der Druckluftstoß der Betriebsbremse an jeder Stelle des Bremsweges und auch mehrfach, nicht nur bei der Ausfahrt, sondern auch bei der Einfahrt, und insbesondere auch auf dem Fahrwegabschnitt vor dem Wohnhaus der Antragsteller auftreten könne und dass die Lage der Punktschallquellen in den Berechnungen nicht nachvollzogen werden könne, da diese am äußersten Ende des Fahrweges fast schon im Bereich des Straßenraums in der F. …-Straße angeordnet worden seien, begegnet die schalltechnische Stellungnahme vom 27. Oktober 2023 überzeugend. So führt H. ... hierzu nachvollziehbar aus, dass das Entlüftungsgeräusch des Bremsluftsystems deshalb zutreffend als stationäre Schallquelle angesetzt worden sei, da es ausschließlich im unmittelbaren Kreuzungsbereich bei der Ein- und Ausfahrt der Lkw auftrete und nicht über den gesamten Bremsweg von 30 m, wie dies die Antragsteller geltend machten. Denn das Entlüftungsgeräusch des Bremsluftsystems trete erst beim Lösen der Bremse und nicht bei deren Treten auf. Es sei lebensfremd, dass die Bremse bereits 30 m vor der Ausfahrt und damit unmittelbar vor dem Wohnhaus der Antragsteller gelöst werde. Das Einzelereignis sei daher nur punktuell erfasst und trete unter keinen Umständen, wie die Antragsteller unterstellen, unmittelbar vor dem Wohngebäude der Antragsteller auf. Die Schallquellen seien auch – entgegen der Annahme von S. ... – zutreffend im Kreuzungsbereich positioniert worden, da die Bremsvorgänge und damit auch das Entlüftungsgeräusch des Bremsluftsystems vor der Einfahrt in die Zufahrt, also noch auf der F. …-Straße anfalle, da der jeweilige Lkw notwendigerweise bereits in diesem Bereich zum Stillstand gelangen müsse. Entsprechend hierzu sei die Punktschallquelle für die Ausfahrt der Lkw auf die F. …-Straße im Bereich der errichteten Zufahrt angesetzt worden, da die entsprechenden Vorgänge im Kreuzungsbereich anfallen würden. Diese Ausführungen überzeugen den Senat, zumal nach den Berechnungen von H. ... an beiden Punktschallquellen jeweils 36 Anfahrten und 36 Bremsvorgänge in die Berechnung einbezogen worden sind, was der maximal zulässigen Anzahl an Lkw-Fahrbewegungen am Tag entspricht. Nachvollziehbar wird hierzu ausgeführt, dass es lediglich eine theoretische Erwägung sei, dass die Lkw bei jeder Fahrtbewegung der Ein- und Ausfahrt zum vollständigen Stillstand gelangen und damit ihr volles Emissionspotenzial ausschöpfen, sodass auch hierin ein weiterer Sicherheitsansatz liege. Aufgrund der übersichtlichen Verkehrssituation zumindest bei der Einfahrt auf die errichtete Z. straße, in der regelmäßig kein Gegenverkehr zu erwarten sei, sei ein vollständiges Abbremsen der Lkw nicht zu erwarten.
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2.4.3. Maßgeblich wenden die Antragsteller durch die Sachverständigen S. ... gegen die schalltechnischen Stellungnahmen der Beigeladenen ein, dass in dieser nur deshalb die Einhaltung der Immissionsrichtwerte von 59 dB(A) am Wohnort der Antragsteller hätten nachgewiesen werden können, da nicht der Schallleistungspegel L WA = 104 dB(A) aus dem Datenblatt des tatsächlich verwendeten und beauflagten Radladers, sondern ein Gerät mit einem geringeren Schallleistungspegel L = 101,8 dB(A) in Ansatz gebracht worden sei. Dieser sehr niedrige Schallleistungspegel des Motorgeräusches eines Radladers mit geringer Motorleistung sei kombiniert worden mit einem eher mittleren Wert des Impulszuschlages von 6,6 dB. Richtigerweise hätte aber der tatsächlich verwendete und letztendlich im Genehmigungsbescheid auch beauflagte Radlader mit einem Schallleistungspegel des Motorgeräuschs von L WA= 104 dB(A) mit dem Impulszuschlag 6,6 dB kombiniert werden müssen. Die Geräuschemissionen des Radladers seien also nicht mit 108,4 dB(A), sondern mit 110,6 dB(A), also 2,2 dB(A) höher, in der Geräuschprognose anzunehmen. Würde man den tatsächlich verwendeten Radlader mit 104 dB(A)sowie einen entsprechenden Impulszuschlag berücksichtigen, wären die Geräuschemissionen für den Kiesabbau um 2,2 dB(A) höher anzusetzen.
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Diese Argumentation vermag das rechnerische Ergebnis der Beigeladenen, wonach an dem Grundstück der Antragsteller keine Überschreitung der Immissionswerte zu erwarten sind, nicht zu erschüttern. Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass, soweit S. ... in seiner Stellungnahme vom 19. September 2023 den von H. ... in den Ausführungen vom 6. Juli 2023 eingestellten Impulszuschlag von 6,6 dB beanstandet, dies insofern nicht überzeugt, als S. ... im Bericht vom 25. November 2022 (Seite 12) noch selbst ausführte, dass ein mittlerer Impulszuschlag von 5,4 dB gemäß Ziffer A.2.5.3. des Anhangs der TA Lärm angemessen sei, nicht dagegen der von H. ... in dem Gutachten vom 13. Juli 2020 angenommene Impulszuschlag von 3 dB. Nachdem die Antragsteller durch ihre Sachverständigen zudem ausführen ließen, dass für die Geräuschprognose „insbesondere die Impulshaltigkeit von Bedeutung“ sei, hat H. ..., diesen Einwand aufgreifend, in der Stellungnahme vom 6. Juli 2023 einen erhöhten Impulszuschlag von 6,6 dB – also einen höheren Impulszuschlag, als von S. ... ursprünglich gefordert – dem Schallleistungspegel des Radladers hinzugerechnet. Dass im Gegenzug hierbei nicht mehr der im Datenblatt des tatsächlich verwendeten Radladers aufgeführte Schallleistungspegel angesetzt wurde, sondern der in der Anlage E 43 des Technischen Berichts zur Untersuchung der Geräuschemissionen von Baumaschinen des hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie von 2004 aufgeführte Wert von 101,8 dB(A), ist nachvollziehbar dem Umstand geschuldet, dass im garantierten Schallleistungspegel nach der RL 2000/14/EG bereits Sicherheitszuschläge zur Berücksichtigung von Messunsicherheiten und der Unsicherheiten durch Produktionsschwankungen enthalten sind, der bestehenden Prognoseunsicherheit aber bereits durch den erhöhten Impulszuschlag Rechnung getragen wurde. H. ... führt insoweit substantiiert aus, dass entscheidend die konkrete Nutzung des Gerätes sei, wie sich aus der Gegenüberstellung der Anlagen E 42 und E 43 des technischen Berichts ergebe. H. ... führt weiter aus, dass ein Sicherheitsansatz dadurch eingestellt worden sei, dass die genannten Werte lückenlos für den gesamten zehnstündigen Einsatz des Radladers an einem Arbeitstag angesetzt worden sind, obwohl dieser nicht durchgehend für solche Tätigkeiten eingesetzt wird, die den vollen Impulszuschlag von 6,6 dB rechtfertigen würden, da regelmäßig auch Zeiten ohne impulshaltige Geräusche (reine Fahrbewegungen, Pausen ohne Radladerbetrieb) stattfinden würden. Schließlich sei die Ermittlung der Impulszuschläge der Veröffentlichung des hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (siehe oben) ausschließlich im unmittelbaren Nahbereich erfolgt. Das Landratsamt führt hierzu aber überzeugend aus, dass Messerfahrungen zeigten, dass sich die in 20 m Entfernung ermittelte Impulshaltigkeit nicht in gleicher Höhe an weiter entfernten Emissionsorten hinter Beugungskanten wiederfinde, sondern mit der Entfernung abnehme. Das Landratsamt geht insofern weiterhin davon aus, dass ein Impulszuschlag von 3 dB über die gesamten 10 Stunden Betriebszeit aus fachtechnischer Sicht einen realistischen Ansatz für die Emissionen des Radladerbetriebes darstelle. Dies überzeugt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich – wie vom Landratsamt ausgeführt – die Impulshaltigkeit eines Geräusches mit dem Abstand ändert, was die Stellungnahme vom 30. November 2023 in Abrede stellt. Denn wie ausgeführt hat man nicht nur 3 dB(A), wie vom Landratsamt gefordert, sondern den vollen Impulszuschlag von 6,6 dB(A) in die Berechnung einfließen lassen.
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Festzuhalten ist damit, dass die Sachverständigen H. ... bei beiden alternativen Berechnungen zu dem Ergebnis kamen, dass sowohl bei Ansatz eines Schallleistungspegels von 104 dB(A), wie er im Datenblatt des tatsächlich verwendeten Radladers angegeben wird, zzgl. eines geringeren, aber nach Ansicht auch von M. ... und dem Landratsamt dennoch ausreichenden Impulszuschlag von 3 dB (vgl. Gutachten vom 13. Juli 2020), aber auch bei Annahme eines realistischeren Ansatzes des Schallleistungspegels (differenziert nach der unterschiedlichen Nutzung) von 101,8 dB(A) zzgl. eines höheren Impulszuschlages von 6,6 dB, der aber über die gesamten 10 Stunden Betriebszeit und auch für Tätigkeiten, die nicht im Nahbereich des Wohnhauses der Antragsteller stattfinden, angenommen wurde (vgl. Stellungnahme vom 6. Juli 2023), die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Schließlich hat H. ... darüber hinaus noch eine weitere „hypothetische Berechnung“ durchgeführt, um den Einwänden von S. ... in der Stellungnahme vom 19. September 2023 zu begegnen (S. 15 der Stellungnahme vom 27.10.2023), auch wenn ausdrücklich betont wird, dass sowohl für die ursprüngliche Emissionsprognose vom 13. Juli 2020 und erst recht für die ergänzende Stellungnahme vom 6. Juli 2023 sämtliche fachliche Anforderungen erfüllt worden und alle Schallquellen in Form eines mehrfachen Sicherheitsansatzes berücksichtigt worden seien. In der hypothetischen Berechnung wurde der garantierte Schallleistungspegel des beauflagten Radladers von 104 dB(A) aus dem Datenblatt zzgl. des im Nahbereich messtechnisch ermittelten Zuschlages für Impulshaltigkeit von K I = 6,6 dB angesetzt, wobei aber, nachdem durch die Übernahme des Wertes des Datenblattes die Prognosesicherheit bereits massiv erhöht worden sei, die besonders lauten Pegel nicht mehr – wie in der Stellungnahme von 6. Juli 2023 – über die gesamte 10-stündige Einsatzzeit in Ansatz gebracht wurden, sondern nur über 5 Stunden. Hierbei komme man, so H. ..., unter Berücksichtigung von tonhaltigen Rückfahrwarneinrichtungen sowie einem Zuschlag für die Kiesflächen zu einem Gesamtschallleistungspegel von 107,1 dB(A) und damit zu einem Beurteilungspegel an dem am stärksten betroffenen Immissionsort, der Betriebsleiterwohnung, von 59,1 dB(A). Somit wären auch nach dieser „hypothetischen Berechnung“, in welcher versucht wurde, sämtliche Bedenken der Antragsteller aufzugreifen, immer noch die zulässigen Immissionsrichtwerte auf dem Grundstück der Antragsteller eingehalten. Auch diese hypothetische Berechnung ist unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Einwände von S. ... in der Stellungnahme vom 30. November 2023 nachvollziehbar.
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2.4.4. Soweit die Antragsteller ausführen, dass in der Emissionsprognose der erforderliche Tonzuschlag für die Warnsignale bei der Rückwärtsfahrt von Radlader und Lkw nicht berücksichtigt worden sei, der aber den Beurteilungspegel um ca. 1,8 dB(A) erhöhe, wird von der Beigeladenen wie auch vom Landratsamt im Schreiben vom 6. November 2023 nachvollziehbar erwidert, dass die Rückfahrwarneinrichtungen insbesondere der Warnung Dritter dienen würden. Da sich im Kiesabbaubereich in der Regel weder Passanten noch unbeteiligte Mitarbeiter aufhalten, gebe es aber vorliegend keine zu schützenden Dritte und damit auch nicht die Notwendigkeit, Rückfahrwarneinrichtungen zu betreiben. Zudem gebe es geeignete Alternativen wie Rückfahrkameras oder breitbandiges Rauschen, die im vorliegenden Fall zum Einsatz kommen könnten, um die Emissionen zu reduzieren. Der Beigeladenen wäre es daher auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Schriftsatz vom 5. Dezember 2023 nach Ansicht des Senats ohne Probleme möglich, die Emissionen des Vorhabens dadurch zu reduzieren und so die Genehmigungsfähigkeit des Kiesvorhabens sicherzustellen, indem auf tonhaltige Warnsignale bei den Rückwärtsfahrten verzichtet wird, auch wenn solche alternative Möglichkeiten in der Genehmigung – bislang – nicht beauflagt worden sind
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2.4.5. Auch die erhöhten Fahrgeräusche der Lkw auf Kiesflächen, die nach Ansicht der Antragsteller bislang immer noch nicht berücksichtigt worden seien, führen nach Ansicht der Beigeladenen, die den Senat überzeugt, voraussichtlich nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Grenzwerte. Denn H. ... führt ebenso wie das Landratsamt (Schreiben vom 27.10.2023) und M. ... (Schreiben vom 16.10.2023) schlüssig aus, dass im vorliegenden Fall der Emissionspegel eindeutig durch die bei der Kiesverladung hervorgerufenen Geräuschentwicklung des Radladers dominiert werde und alle weiteren zu berücksichtigenden Geräusche der Lkw selbst, wie Türenschlagen, Rangieren, Motorleerlauf etc. keine nennenswerten Pegelbeiträge zur schalltechnischen Gesamtsituation auf der Kiesabbaufläche liefern würden. Dieses Ergebnis kann auch der Abbildung auf Seite 14 des Gutachtens vom 27. Oktober 2023 entnommen werden. Ein entsprechender Zuschlag für das Befahren und Rangieren der Lkw auf Kies von K Stro = 4 dB (A) hätte somit keinerlei relevanten Einfluss auf die Gesamtsituation. Die Fahrgeräusche auf Kies im Kiesabbaubereich (die Z. straße bis zum Kiesabbaubereich ist asphaltiert, vgl. Ziffer 5.8.2.1 des Genehmigungsbescheids) seien – so auch überzeugend das Landratsamt – unabhängig von etwaigen Zuschlägen irrelevant, da das Geräusch ausschließlich durch den Betrieb des Radladers geprägt sei (S. 14, Stellungnahme vom 27.10.2023). Dies ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Stellungnahme vom 30. November 2023 nachvollziehbar und überzeugt.
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2.4.6. Die Sachverständigen S. ... wenden des Weiteren ein, dass es nicht sachgerecht sei, wenn die Geräuschquelle des Radladers mit Ladetätigkeit im Rechenmodell von H. ... 1 m unterhalb des Urgeländes angenommen werde, da sich die immissionsrelevante Höhe der Geräuschquellen 1 bis 2 m über dem Abbaugelände befinde, wenn sich der Radlader oder der Lkw in 1 m Höhe unterhalb des Urgeländes bewege. Wenn also in der Berechnung die betrachteten Schallquellen jeweils 1 m unter Urgelände modelliert worden seien, müsste die Höhe der Abbausohle bereits bei ca. 3 m unter Urgelände liegen. Folglich liege nicht für „alle Abbauhöhen oberhalb der Abbausohle minus 3 m“ eine Geräuschimmissionsprognose vor (Seite 14 des Schreibens vom 19.9.2023). Auch dieser Einwand wird nach Ansicht des Senats von H. ... schlüssig widerlegt. Es wird insoweit ausgeführt, dass bereits in der ursprünglichen Berechnung vom 13. Juli 2020 (Seite 22) dargestellt worden sei, dass eine betriebliche Tätigkeit auf 1 m unterhalb des Urgeländes betrachtet werde. Entgegen der Annahme der Antragsteller sei in den Berechnungen aber nicht angenommen worden, dass die Geräuschquellen auf dieser Höhe lägen (Seite 7 des Gutachtens vom 6. Juli 2023). Nachdem im Übrigen der tatsächliche Realbetrieb des Kiesabbaus mit weiterem Fortschritt desselben vornehmlich unter einem deutlich tieferen Geländeniveau stattfinden wird, geht der Senat auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 30. November 2023, wonach in dem Gutachten vom 13. Juli 2020 zwar tatsächlich eine Emissionshöhe über Gelände angegeben worden sei, nicht jedoch die Geländehöhe, weshalb die Geräuschquellenhöhe der Berechnung nicht abgeleitet werden könne (S. 29), davon aus, dass auch die lärmabschirmenden Geländekanten zu einer deutlichen Immissionsminderung beitragen werden, die in den Berechnungen von H. ... („Worst-Case-Szenario“) nicht berücksichtigt worden sind.
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2.4.7. Soweit die Antragsteller schließlich erstmals in Ihrem Schreiben vom 5. Dezember 2023 darauf hinweisen, dass in den bisherigen schallschutztechnischen Gutachten nicht sämtliche Geräuschquellen berücksichtigt worden seien, da z.B. weder die auf dem Zufahrtsweg bereits errichtete Reifenwaschanlage (vgl. Ziffer 5.8.2.4. des Genehmigungsbescheids) noch die Waage für Lastwagen berücksichtigt worden seien und zudem nicht eingestellt worden sei, dass die Lkws als Zufahrt zwischen den einzelnen Bauabschnitten eine Strecke außerhalb der Kiesgrube und damit außerhalb der errichteten Lärmschutzwälle nutzten, legt dieser Vortrag bereits nicht substantiiert dar, dass diese zusätzlichen Lärmquellen zu einer erhöhten Lärmbelastung an den maßgeblichen Immissionsorten führen.
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2.4.7. Der Senat geht nach alledem bei der im Eilverfahren nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen davon aus, dass der Immissionsrichtwert von 59 dB(A) am Grundstück der Antragsteller eingehalten werden kann, weshalb auch die Festsetzung der Nebenbestimmung 5.8.3.6. im Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023, in der als zusätzlich maßgeblicher Immissionsort das Grundstück der Antragsteller genannt wird, an dem der Immissionsrichtwert von 59 dB(A) einzuhalten ist, eine zulässige Möglichkeit ist, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegungen zu regeln (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2009 – 15 CS 09.860 – juris Rn. 14 m.w.N.).
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2.5. Soweit die Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 vorbringen, die Erschließung des Vorhabens hätte auch über den weiter südlich gelegenen „Dritten Querweg“ erfolgen können, wodurch eine größtmögliche Schonung des Außenbereiches dadurch erreicht worden wäre, dass dieser bestehende Weg nicht aus Gründen des Lärm- und Staubschutzes hätte asphaltiert werden müssen, geht ihr Einwand ins Leere. Auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereiches können sich die Antragsteller bereits deswegen nicht berufen, da dieser Grundsatz nicht drittschützend ist, also nicht dem Schutz von Dritten, sondern maßgeblich der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist. Doch auch als Rüge der Verletzung des durch § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zwar nicht ausdrücklich aufgeführten, aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Vorschrift hineinzulesenden Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2019 – 4 B 21.19 – juris) verstanden, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn eine Erschließung über den südlich gelegenen Dritten Querweg ist bereits aus verkehrsrechtlichen Gründen deshalb deutlich schwieriger, weil im Bereich der Einmündung des Dritten Querwegs in die Kreisstraße . … diese als freie Straße ohne verkehrsregelnde Lichtzeichen ausgestaltet ist und es entsprechend auf die Verkehrssicherheit einen deutlich größeren negativen Einfluss hätte, hier langsam fahrende Lkws ein- und abbiegen zu lassen, als wenn diese zunächst über in die gemeindliche F. …-Straße und erst dann über die gut ausgebaute Kreuzung F. …-Straße/Kreisstraße . … in die Kreisstraße einfahren (vgl. E-Mail des StBA Freising vom 1.2.2021- GA S. 154). Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme wäre aber nur dann anzunehmen, wenn beide Erschließungsvarianten gleichermaßen möglich wären, aber eine davon deutlich geringere negative Auswirkung für die Antragsteller hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Das mit der gewählten Erschließung verfolgte Interesse, die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs nicht zu beeinträchtigen, ist verständlich und unabweisbar, sodass bei der im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme erforderlichen Interessenabwägung (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris; U.v. 21.1.1983 – 4 C 59.79 – NVwZ 1983,609) ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht gegeben ist.
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Nach alledem bestehen keine überwiegenden Erfolgsaussichten für die Antragsteller, sodass die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführende Interessenabwägung zu ihren Lasten ausfällt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind – insoweit als gesetzlich vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung – dem Antragsgegner aufzuerlegen (§ 155 Abs. 4 VwGO). Bei richtiger Sachbehandlung bzw. ausreichender Sachverhaltsaufklärung (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.1975 – VIII C 48.74 – juris = BeckRS 1975, 31291841) hätte keine positive Verbescheidung des ursprünglich gestellten Abgrabungsgenehmigungsantrags erfolgen dürfen, worauf bereits das Erstgericht zu Recht hingewiesen hat. Aufgrund der Komplexität des immissionsschutzrechtlichen Sachverhalts, der ohne Vorlage der Parteigutachten im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend hätte aufgeklärt werden können, entspricht es im hier zu entscheidenden Fall auch nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
42
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 VwGO i.V.m. Nr. 1.5 und in Anlehnung an Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, die von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wurde.
43
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).