Titel:
Erfolglose isolierte Anfechtung von naturschutzrechtlichen Nebenbestimmungen in einer Baugnehmigung
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BNatSchG § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 1
Leitsatz:
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten iSd § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine hinreichend sichere Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtstreits zulässt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierte Anfechtung von naturschutzrechtlichen Nebenbestimmungen, Zulassungsantrag, ernstliche Zweifel, Darlegungsanforderungen, Nebenbestimmung, isolierte Anfechtung, fehlende Abtrennbarkeit, rezessive Konzentration, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 17.08.2023 – RN 6 K 21.1072
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35950
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen naturschutzrechtliche Nebenbestimmungen in der ihnen mit Bescheid des Landratsamts Regen vom 3. Mai 2021 erteilten Baugenehmigung für den (bereits errichteten) Neubau eines Nebengebäudes auf ihrem Grundstück. Auf ihre Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. August 2023 die Nebenbestimmung Nr. 3 im Teil II des Bescheids vom 3. Mai 2021 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich der voraussichtlich rechtswidrigen Nebenbestimmungen Nr. 1 und 2 keinen Erfolg habe, weil diese mangels materieller Teilbarkeit von Nebenbestimmung und Verwaltungsakt einer isolierten Aufhebung nicht zugänglich seien. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügen. Es liegen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache die von den Klägern geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
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Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Soweit das Zulassungsvorbringen überhaupt dem Darlegungsgebot genügt (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 19.8.2022 – 15 ZB 22.1400 – juris Rn. 16), ergeben sich aus ihm jedenfalls keine solchen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
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Mit den Ausführungen, das Verwaltungsgericht sei bei der Garage unzutreffend von einem Fremdkörper im Landschaftsbild ausgegangen und habe die Topographie, die anschließende Ackernutzung, die Kreisstraße, Bäume, einen Zaun und die Haselnusssträucher unberücksichtigt gelassen, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf, dass die im Außenbereich errichtete Garage – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – nicht den Eingriffsbegriff des § 14 Abs. 1 BNatSchG erfülle. Das Verwaltungsgericht hat u.a. darauf abgestellt, dass die streitgegenständliche Garage für einen Wohnwagen in dem durch Gartennutzung ohne Gebäude geprägten Landschaftsbild einen Fremdkörper darstelle (UA S. 19). Dieser Argumentation treten die Kläger schon nicht entgegen. Es erschließt sich schon nicht, inwiefern die aufgezählten Aspekte der Annahme des Verwaltungsgerichts entgegenstehen könnten.
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Soweit die Kläger vortragen, eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmungen Nr. 1 und 2 im Teil II der Baugenehmigung vom 3. Mai 2021 sei möglich und das Urteil des Verwaltungsgerichts lasse es insoweit an einer Begründung fehlen, setzen sich die Kläger nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander. Das Verwaltungsgericht hat die fehlende Teilbarkeit mit einer „rezessiven Konzentration“ der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen der Baugenehmigung nach § 17 Abs. 1 BNatSchG begründet (UA S. 23). Mit seiner Formulierung, es würde bei Aufhebung der Nebenbestimmungen eine neue Rechtswidrigkeitslage herbeigeführt, stellt das Verwaltungsgericht darauf ab, dass die Klage – trotz möglicherweise rechtswidriger Nebenbestimmungen – unbegründet ist, wenn der Verwaltungsakt – hier die erteilte Baugenehmigung vom 3. Mai 2021 – ohne die Nebenbestimmungen nicht mit der Rechtsordnung in Einklang stehe (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.2019 – 8 C 14.18 – juris Rn. 19; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 113 Rn. 6; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand 8/2023, Art. 68 Rn. 604). Gegenteiliges lässt sich dem Zulassungsvorbringen, das sich mit dieser Argumentation in den Urteilsgründen nicht auseinandersetzt, nicht entnehmen. Dem Vortrag der Kläger lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Baugenehmigung im Hinblick auf den Eingriff in Natur und Landschaft ohne die angeführten Nebenbestimmungen noch „sinnvoller- und rechtmäßigerweise“ bestehen bleiben könnte (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 70.80 – juris Rn. 14).
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
10
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2022 – 15 ZB 22.732 – juris Rn. 18) und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine hinreichend sichere Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 15 ZB 10.3161 – juris Rn. 14). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Abgesehen davon, dass zu diesem Zulassungsgrund schon nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte vorgetragen wird, ergibt sich aus den obigen Ausführungen nicht, dass sich das Verfahren wegen seiner Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt. Die allein unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2023 – 15 ZB 23.574 – juris Rn. 16).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
13
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).