Titel:
Aufhebung eines Herausgabebescheids über in Verwahrung genommenes Geld
Normenketten:
BayHintG Art. 8, Art. 18
EGGVG § 23, § 24 Abs. 1
Leitsätze:
„Eine Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG und ein Antrag nach Art. 8 Abs. 3 BayHintG, § 23 Abs. 1 EGGVG sind auch dann noch zulässig, wenn gemäß Art. 18 Abs. 1 BayHintG die Herausgabe des hinterlegten Gegenstands angeordnet und bereits vollzogen ist“. (Rn. 21)
Liegt nur eine Zug-um-Zug Verurteilung vor und ist die Gegenleistung noch nicht erbracht, liegen die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 BayHintG zur Freigabe nicht vor. (Rn. 35 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinterlegung, Auszahlung, Vollzug, Zug-um-Zug Verurteilung, Beschwerde
Vorinstanz:
AG Schwandorf vom -- – 62 HL 8/12
Fundstellen:
LSK 2023, 35743
NJOZ 2024, 220
BeckRS 2023, 35743
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
3. Der Geschäftswert wird auf 650.631,39 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Aufhebung eines Beschwerdebescheids, der eine zu seinen Gunsten ergangene Herausgabeanordnung in einem Hinterlegungsverfahren aufgehoben hat.
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Die N. KG hinterlegte aufgrund entsprechender Annahmeanordnungen unter Verzicht auf das Rücknahmerecht beim Amtsgericht Schwandorf, Az. 62 HL 8/12, von April 2012 bis November 2016 Mieten in Höhe von insgesamt 650.631,39 €. Hierzu führte sie aus, ihr Vermieter, der hiesige Antragsteller habe die von ihr angemietete Immobilie an H. verkauft und mit diesem eine Abtretungsvereinbarung über sämtliche Mietzinsansprüche getroffen. H. habe seine Ansprüche auf den Mietzins an die V. abgetreten. Nach Ansicht des Antragstellers sei der Kaufvertrag samt der darin vereinbarten Abtretung aber unwirksam, da die Stadt C. ihr Einverständnis zu der erforderlichen Grundstücksteilung verweigere. Als mögliche Empfänger der Mieten wurden von der Hinterlegerin zunächst der Antragsteller und die V., später zusätzlich der Beteiligte H. benannt. Die V. verzichtete mit Schreiben vom 16. April 2021 auf ihre Beteiligtenstellung im Hinterlegungsverfahren.
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Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 27. Januar 2023 die Auszahlung des hinterlegten Gesamtbetrags auf ein Konto von B. (Beteiligte im Verfahren gemäß §§ 23 ff. EGGVG). Hierzu übersandte er eine mit einem Rechtskraftvermerk versehene Ausfertigung des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021, Az. 9 U 1213/17, berichtigt mit Beschluss vom 8. Dezember 2021. Das zwischen dem Antragsteller als Kläger und dem im Hinterlegungsverfahren Beteiligten H. als Beklagten ergangene Urteil lautet in Tenor I Ziffer 2 wie folgt:
„2. Der Beklagte wird verurteilt,
a) die von der N. KG bei dem Amtsgericht Schwandorf – Hinterlegungsstelle – zum Az. 62 HL 8/12 hinterlegten Mieten in Höhe von 650.631,39 € zugunsten des Klägers freizugeben,
d) … all dies Zug um Zug gegen Zahlung von 1.367.685,00 € nebst Zinsen aus 956.220,00 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2021.“
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Tenor I. Ziffer 3 hat folgenden Wortlaut:
„Es wird festgestellt, dass der Beklagte kein Besitzrecht an dem Flurstück 286/193, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts C. … hat“.
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Mit Bescheid vom 1. Februar 2023 ordnete die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Schwandorf die Herausgabe der hinterlegten Geldsumme von 650.631,39 € auf „Antrag des Antragstellers“ an. Als Begründung verweist der Bescheid auf die vorgelegte rechtskräftige gerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021 und zitiert Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG. Der Bescheid wurde der Hinterlegerin, dem Antragsteller und dem Beteiligten H. sowie der Landesjustizkasse B.samt Kassenanordnung formlos übermittelt. Die Landesjustizkasse B.veranlasste am 6. Februar 2023 nach Verrechnung eines Betrags von 4.498,00 € die Auszahlung von 646.133,39 € auf das angegebene Konto der benannten Empfängerin B.
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Mit Schreiben vom 2. Februar 2023 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten H. Beschwerde gegen den Herausgabebescheid ein. Das Oberlandesgericht Dresden habe die hinterlegte Geldsumme in ein Zug um Zug Verhältnis dergestalt eingestellt, dass zwar der Antragsteller einen Anspruch auf die hinterlegte Geldsumme habe, aber nur dann, wenn er seinerseits die Forderungen des Beteiligten H. erfülle. In dem Herausgabebescheid werde nicht erwähnt, ob der Antragsteller die von ihm geforderte Zug um Zug Leistung erbracht habe. Tatsächlich habe dieser bislang Zahlungen weder geleistet noch angeboten. Der Beteiligte H. beantragte, im Weg der einstweiligen Verfügung dem Amtsgericht Schwandorf die Auszahlung vorläufig zu untersagen.
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Die Rechtspflegerin der Hinterlegungsstelle half der Beschwerde nicht ab. Mit Beschwerdebescheid vom 8. Februar 2023 entschied der stellvertretende Direktor des Amtsgerichts ohne vorherige Anhörung des Antragstellers, dass auf die Beschwerde des Beteiligten H. der Bescheid vom 1. Februar 2023 aufgehoben und der Auszahlungsantrag des Antragstellers L. vom 27. Januar 2023 abgelehnt werde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Herausgabe der hinterlegten Geldsumme lägen nicht vor. Der Antrag enthalte entgegen Art. 19 Abs. 2 Nr. 1 BayHintG weder die Anschrift der Empfängerin B. noch Name und Anschrift des weiteren Beteiligten H. Ferner sei die Empfangsberechtigung des Antragstellers nicht dargelegt und nachgewiesen. In dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Dresden sei der Beteiligte H. in I Ziffer 2 Buchst. a) des Tenors zwar zur Freigabe der hinterlegten Mieten verurteilt worden, aber nur Zug um Zug gegen Zahlung von 1.367.685,00 € nebst Zinsen. Es liege damit zwar eine rechtskräftige Entscheidung vor, diese stelle allerdings nicht im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG die Empfangsberechtigung des Antragstellers mit Wirkung gegen den Beteiligten H. fest. Die Fiktionswirkung der Abgabe der Willenserklärung der Freigabe trete gemäß § 894 Satz 2 ZPO erst ein, wenn gemäß §§ 726, 730 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt sei. Eine solche habe der Antragsteller hinsichtlich I Ziffer 2 Buchst.
a) des Urteilstenors nicht vorgelegt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller und B. jeweils am 10. Februar 2023 zugestellt.
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Mit Schreiben des Amtsgerichts Schwandorf vom 10. Februar 2023 wurden der Antragsteller und die Empfängerin B. aufgefordert, den ausgezahlten Betrag sofort zurückzuüberweisen. Dem kamen sie nicht nach. Am 24. Februar 2023 erließ das Amtsgericht Schwandorf einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid. Mit diesem wurde der Herausgabebescheid vom 1. Februar 2023 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen und ausgesprochen, dass die Zahlung in Höhe von 646.133,39 € vom Antragsteller und der Empfängerin B. als Gesamtschuldner der Staatskasse zu erstatten sei. Der Herausgabebescheid sei rechtswidrig gewesen, Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG, da der Antragsteller seine Empfangsberechtigung nicht nachgewiesen habe. Der Antragsteller habe auf den Bestand des Herausgabebescheids nicht vertrauen dürfen, da dieser mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen gewesen sei und er daher mit einer Beschwerde durch den Beteiligten H. habe rechnen müssen. Zudem sei der Antragsteller telefonisch am 9. Februar 2023 und mit Schreiben vom 10. Februar 2023 zur Rückzahlung aufgefordert worden. Die Empfängerin B. habe auf den Bestand des Herausgabebescheids nicht vertrauen können, da ihr dieser nicht bekanntgegeben worden und auch sie mit Schreiben vom 10. Februar 2023 zur Rückzahlung aufgefordert worden sei. Der Bescheid wurde dem Antragsteller und der Empfängerin B. am 28. Februar 2023 zugestellt und dem Beteiligten H. formlos übermittelt.
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Mit Schriftsatz vom 10. März 2023, eingegangen am selben Tag, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers für diesen gegen die Beschwerdeentscheidung des Amtsgerichts Schwandorf Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt. Zur Begründung führt der Antragstellervertreter in mehreren Schriftsätzen aus, der Herausgabebescheid sei rechtmäßig. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 Nr. 1 BayHintG führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, es handele sich um eine bloße Formvorschrift. Die Empfangsberechtigung des Antragsstellers sei durch das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021 nachgewiesen. Zwar fehle es an einer vollstreckbaren Ausfertigung bezüglich I Ziffer 2 Buchst. a) des Tenors. Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG fordere aber nur die Vorlage einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung. Zudem habe er eine vollstreckbare Ausfertigung bezüglich I Ziffer 3 des Tenors vorgelegt. In dieser werde festgestellt, dass der Beteiligte H. kein Recht zum Besitz an dem streitgegenständlichen Grundstück habe. Das Recht auf Vereinnahmung der hinterlegten Mieten folge unmittelbar aus dem Recht zum Besitz dieses Grundstücks. Damit stehe fest, dass der Beteiligte H. auch kein Recht zum Besitz an den Mieten habe und somit keine Auszahlung an sich verlangen könne. Die Gläubigerungewissheit sei damit beseitigt. Es sei nicht Aufgabe des Hinterlegungsverfahrens zu klären, ob dem Beteiligten H. (noch) ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021 berechtige den Beteiligten H. auch nicht zur Zwangsvollstreckung seiner mit der Zug um Zug Verurteilung berücksichtigten Forderung. Das habe das Amtsgericht Chemnitz in einem Bescheid vom 21. Februar 2022 festgestellt, mit dem ein Antrag auf Akteneinsicht des Beteiligten H. in die Zwangsverwaltungsakten bezüglich des Grundstücks abgelehnt worden sei. Die fehlende Empfangsberechtigung des Beteiligten H. ergebe sich ferner aus einem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 2018, Az. 5 U 527/18, zwischen dem Zwangsverwalter des fraglichen Grundstücks und einer Mieterin. Danach stünden die Mieten für die Zeit vor Anordnung der Zwangsverwaltung grundsätzlich dem Eigentümer, also dem Antragsteller zu, und nicht dem Beteiligten H. Zudem seien das Hinterlegungsverhältnis und das Hinterlegungsverfahren mit Auszahlung der hinterlegten Mieten beendet, so dass auch keine Beschwerdeentscheidung mehr ergehen könne beziehungsweise eine solche sinnlos sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gebe es jedenfalls nicht mehr. Im Übrigen bedürfte es der Regelung in Art. 18 Abs. 5 BayHintG zur Rücknahme beziehungsweise zum Widerruf nicht, wenn der Vollzug der Herausgabe nicht zur Beendigung des Hinterlegungsverfahrens führte. Die Beschwerdeentscheidung sei zudem wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs aufzuheben. Die Entscheidung sei ergangen, bevor dem Antragsteller die Beschwerde des Beteiligten H. übersendet worden sei. Der Antragsteller habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Bei vorheriger Gewährung rechtlichen Gehörs hätte er ergänzend, insbesondere zum Bescheid des Amtsgerichts Chemnitz und zum Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 2018, Az. 5 U 527/18 vorgetragen. Es sei nicht auszuschließen, dass das Beschwerdegericht dann anders entschieden hätte. Eine bloße Bestätigung der Entscheidung des Beschwerdegerichts sei daher nicht möglich; ansonsten werde dem Antragsteller eine Instanz genommen. Gegebenenfalls sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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Der Antragsteller beantragt,
Die Beschwerdeentscheidung des Amtsgerichts Schwandorf vom 8. Februar 2023, 62 HL 8/12, wird aufgehoben und die Beschwerde des Empfängers H. vom 2. Februar 2023 zurückgewiesen sowie die Herausgabeentscheidung des Amtsgerichts Schwandorf vom 1. Februar 2023, 62 HL 8/12, aufrechterhalten.
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Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
den Antrag nach § 23 EGGVG als unbegründet zu verwerfen.
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Das Amtsgericht Schwandorf sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller seine Empfangsberechtigung nicht wirksam nachgewiesen habe. Bezüglich I Ziffer 2 Buchst. a) des Tenors fehle es an einer vollstreckbaren Ausfertigung; eine solche sei aufgrund der Zug um Zug Verurteilung erforderlich gewesen. Der Einwand, das Hinterlegungsverfahren sei schon beendet gewesen, verfange nicht. Art. 18 Abs. 5 BayHintG spreche nur von der Beendigung des Hinterlegungsverhältnisses, nicht des Hinterlegungsverfahrens. Eine Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Beschwerdeentscheidung sei wegen zu befürchtender Nachteile für den Beteiligten H. nicht veranlasst gewesen. Dies zeige sich daran, dass der Antragsteller trotz telefonischer und schriftlicher Aufforderung zur Rückzahlung das überwiesene Geld der Staatskasse nicht erstattet habe. Außerdem spreche das Argument der prozessualen Waffengleichheit dagegen, da auch der Beteiligte H. zum ursprünglichen Auszahlungsbegehren des Antragstellers nicht angehört worden sei.
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Der Senat hat dem Antragstellervertreter den Beschwerdeschriftsatz des Beteiligten H. zugeleitet und ihm ebenso wie der weiteren Beteiligten im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG B. Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Antragstellervertreter hat erklärt, auch die Beteiligte B. zu vertreten, und hat mit Schriftsatz vom 18. August 2023 für den Antragsteller und die Beteiligte B. Stellung genommen.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet. Das Amtsgericht Schwandorf hat zu Recht den Herausgabebescheid vom 1. Februar 2023, 62 HL 8/12, aufgehoben und den Auszahlungsantrag zurückgewiesen.
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1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
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a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 25 Abs. 2 EGGVG, Art. 12 Nr. 3. AGGVG zuständig.
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b) Der Antragsteller hat die Aufhebung der ihm am 10. Februar 2023 zugestellten Beschwerdeentscheidung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. März 2023, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag, form- und fristgerecht gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG beantragt.
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c) Der Antrag ist nach Art. 8 Abs. 3 BayHintG statthaft. Gegenstand des Rechtsbehelfs ist grundsätzlich die Ausgangsentscheidung der Hinterlegungsstelle in der Gestalt, die sie durch die Beschwerdeentscheidung gefunden hat (BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 VA 29/20, NJW-RR 2020, 1209 [juris Rn. 22]; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, 2012, Art. 8 Rn. 40; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 23 Rn. 49). In dem – hier vorliegenden – Fall der Aufhebung der Ausgangsentscheidung der Hinterlegungsstelle ist Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nur die Beschwerdeentscheidung, die den Antragsteller erstmals beschwert. Dies entspricht der Regelung in § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (BayObLG, a. a. O.).
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Der Antragsteller musste nicht seinerseits ein Beschwerdeverfahren nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG i. V. m. § 24 Abs. 2 EGGVG durchführen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 und 3 BayHintG und der ratio legis. Die Selbstkontrolle der Verwaltung hat stattgefunden und die Durchführung eines weiteren Beschwerdeverfahrens bei erstmaliger Beschwer durch die Beschwerdeentscheidung würde zur Verzögerung des Rechtsschutzes führen (BayObLG, a. a. O., [juris Rn. 23]).
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d) Der Antragsteller macht eine Verletzung in eigenen Rechten geltend, § 24 Abs. 1 EGGVG, da der zu seinen Gunsten ergangene Herausgabebescheid durch den Beschwerdebescheid aufgehoben und der Auszahlungsantrag abgewiesen wurde.
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e) Der Umstand, dass die Herausgabeanordnung bereits vollzogen wurde und das Hinterlegungsverhältnis dadurch gemäß Art. 18 Abs. 1 BayHintG beendet ist, steht der Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG nicht entgegen. Die zugunsten des Antragstellers ergangene Herausgabeanordnung wurde nach Vollzug mit Beschwerdebescheid vom 8. Februar 2023 aufgehoben. Wenn, wie der Antragsteller meint, die Anfechtung einer vollzogenen Herausgabeanordnung mit der Beschwerde bereits unzulässig wäre, hätte der Beschwerdebescheid am 8. Februar 2023 nicht mehr ergehen dürfen und müsste zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar und aufhebbar sein. Nach zutreffender Ansicht (siehe unten Ziffer 2 a]) cc]) kann allerdings auch eine vollzogene Herausgabeanordnung noch durch Beschwerde angefochten oder durch gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG aufgehoben werden. Bedenken gegen die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 23 EGGVG ergeben sich bei dieser Ansicht daher ebenfalls nicht.
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f) Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung fehlt nicht aufgrund des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 24. Februar 2023 das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller wendet sich im Parallelverfahren 102 VA 31/23 des Bayerischen Obersten Landesgerichts auch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid und begehrt dessen Aufhebung. Der Beschwerdebescheid vom 8. Februar 2023 hat die Herausgabeanordnung bereits vor Erlass des Rücknahme- und Erstattungsbescheids vom 24. Februar 2023 aufgehoben. Der Antragsteller kann die Wiederherstellung der ihm günstigen Herausgabeanordnung vom 1. Februar 2023 daher nur erreichen, wenn auch der Beschwerdebescheid vom 8. Februar 2023 beseitigt wird.
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2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht Schwandorf hat zutreffend den Herausgabebescheid vom 1. Februar 2023 aufgrund der zulässigen und begründeten Beschwerde des Beteiligten H. vom 2. Februar 2023 aufgehoben und den Antrag auf Auszahlung abgewiesen.
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a) Die Beschwerde vom 2. Februar 2023 war zulässig.
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aa) Die Herausgabeanordnung nach Art. 18 Abs. 2 BayHintG ist eine beschwerdefähige Entscheidung gemäß Art. 8 Abs. 1 BayHintG (Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 8 Rn. 7).
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bb) Der Beteiligte H. war beschwerdebefugt, da er geltend gemacht hat, die Herausgabeanordnung sei rechtswidrig und verletze ihn in eigenen Rechten (vgl. zu dieser Voraussetzung Wiedemann/Armbruster, a. a. O.,Art. 8 Rn. 17). H. wurde von der Hinterlegerin der Mieten als ein möglicher Empfänger genannt und ist daher Beteiligter nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG. Die Herausgabeanordnung erging zu seinen Lasten, ohne dass der Beteiligte H. eine Bewilligung nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG erteilt hätte. Im Übrigen macht der Beteiligte geltend, dass in dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021, Az. 9 U 1213/17, auf das die Herausgabeanordnung gestützt wurde, die Pflicht zur Freigabe der hinterlegten Mieten nur Zug um Zug gegen Bezahlung von 1.367.685,00 € nebst Zinsen an ihn vorgesehen, diese Zahlung aber nicht erfolgt sei.
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cc) Die Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG war trotz des zwischenzeitlichen Vollzugs der Herausgabeanordnung auch noch am 8. Februar 2023 zulässig.
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Zwar endet nach Art. 18 Abs. 1 BayHintG das Hinterlegungsverhältnis mit dem Vollzug der Herausgabe. Dementsprechend wird teilweise die Anfechtung einer vollzogenen Herausgabeanordnung für unzulässig gehalten, weil sie nicht rückgängig gemacht werden und die Verfügungsmacht der Hinterlegungsstelle über den hinterlegten Gegenstand nicht wiederherstellen könne. Zur Begründung werden ferner Vorschriften wie der frühere § 18 HintO herangezogen, der den Betroffenen nach einer (rechtswidrigen) Herausgabe auf Amtshaftungsansprüche verwies (so zu dem Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 16. März 2010: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. April 2019, 3 VA 9/18, juris Rn. 20; zu der bis 31. November 2010 geltenden Hinterlegungsordnung: OLG Hamm, Beschluss vom 10. Dezember 2009, 15 VA 11/09, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Februar 2006, 20 VA 1/06, juris Rn. 6; OLG Dresden, Beschluss vom 11. Oktober 2001, 6 VA 5/01, juris Rn. 10; Bülow/Mecke/Schmidt, Hinterlegungsordnung, 3. Aufl. 1993, § 3 Rn. 20).
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Dieser Auffassung ist aber jedenfalls für das Bayerische Hinterlegungsgesetz nicht zu folgen (so auch Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 8 Rn. 23; vgl. auch OLG Sachsen-Anhalt, Beschl v. 17.4.2013, 2 Wx 61/11, juris Rn. 23, das die Rücknahme einer Herausgabeanordnung trotz Vollzugs für möglich hält). Das Bayerische Hinterlegungsgesetz enthält gerade keine dem § 18 HintO oder § 23 Abs. 3 HintG NRW bzw. § 26 Abs. 2 HintG NRW a. F. entsprechende Regelung, die die Betroffenen nach Herausgabe auf Amtshaftungsansprüche verweist.
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Ferner kann auch keine Erledigung durch den Vollzug angenommen werden, da die Herausgabeanordnung den fortbestehenden Rechtsgrund für die Beendigung des Hinterlegungsverhältnisses, für die Herausgabe des Gegenstands an den Empfänger und für die Zuweisung der weiteren Ansprüche aus dem Hinterlegungsverhältnis (Art. 13 BayHintG) liefert (Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Rn. 23; vgl. auch Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Ed. Stand 1. Oktober 2023, § 43 Rn. 55, wonach eine Erledigung eines Verwaltungsakts durch die Leistungsbewirkung regelmäßig nicht eintritt, solange der Verwaltungsakt Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung sein kann). Die Rückabwicklung einer fehlerhaften Herausgabeanordnung erscheint auch rechtlich und tatsächlich möglich. Eine rechtswidrige Herausgabeanordnung kann entweder bereits im Rahmen der Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG aufgehoben, unter den Voraussetzungen der Art. 18 Abs. 5 BayHintG i. V. m. Art. 48 BayVwVfG von der Hinterlegungsstelle zurückgenommen oder vom Gericht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG aufgehoben werden. In letzterem Fall kann das Gericht nach § 28 Abs. 1 Satz 2 EGGVG auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Wird die Herausgabeanordnung mit Rückwirkung aufgehoben, hat das Hinterlegungsverhältnis mangels wirksamer Herausgabeanordnung nach Art. 18 BayHintG unverändert fortbestanden. Die Hinterlegungsstelle hat somit ohne Rechtsgrundlage herausgegeben und hat dies – gegebenenfalls gemäß richterlicher Anordnung nach § 28 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EGGVG bzw. gemäß Art. 49a BayVwVfG – rückgängig zu machen (Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Rn. 23).
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers lässt sich auch aus Art. 18 Abs. 5 BayHintG nicht ableiten, dass nach Vollzug der Herausgabeanordnung die Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG unzulässig wäre. Art. 18 Abs. 5 BayHintG ermöglicht durch den Verweis auf Art. 48 BayVwVfG der Hinterlegungsstelle, von sich aus eine fehlerhafte Entscheidung zu korrigieren und damit Rechtsfrieden zu schaffen (Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Art. 18 Rn. 25 f.). Dagegen eröffnet Art. 8 Abs. 1 BayHintG einem durch die Herausgabeanordnung negativ betroffenem anderen Beteiligten einen Rechtsbehelf, um eine Überprüfung zu erzwingen und gegebenenfalls eine gerichtliche Entscheidung (§ 23 Abs. 1, § 24 Abs. 2 EGGVG) zu erhalten.
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dd) Die Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG unterliegt keiner Frist; nichts anderes gilt, wenn es um die Anfechtung einer vollzogenen Herausgabeanordnung geht (Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Art. 8 Rn. 23).
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b) Die Beschwerde war auch, wie vom Amtsgericht Schwandorf angenommen, begründet, da die Herausgabeanordnung rechtswidrig war und den Beschwerdeführer, den Beteiligten H., in seinen Rechten verletzte.
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Eine Herausgabeanordnung zugunsten eines Beteiligten, Art. 18 Abs. 2 BayHintG, kann nur erfolgen, wenn die hierfür in Art. 19, 20 BayHintG statuierten formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Daran fehlt es vorliegend. Der Antragsteller hat seine Empfangsberechtigung nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BayHintG nachgewiesen.
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aa) Art. 20 Abs. 1 BayHintG enthält eine abschließende Regelung der Tatbestände, die zum Empfang des hinterlegten Gegenstands berechtigen. Die Hinterlegungsstelle wird damit von der Klärung materieller Rechtsfragen entlastet (Wiedemann/Armbruster, a. a. O, Art. 20 Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2021, 102 VA 56/21, juris Rn. 60). Hat ein staatliches Gericht eine endgültige Sachentscheidung über die Frage der Empfangsberechtigung getroffen, ist auch die Hinterlegungsstelle daran gebunden. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG setzt dies voraus, dass die Entscheidung die Empfangsberechtigung mit Wirkung gegen die Beteiligten oder den Freistaat Bayern feststellt. Ohne Belang ist dabei, ob sich die Beurteilung im Tenor oder den Gründen findet. Allerdings muss das Gericht eine ausdrückliche Sachentscheidung darüber getroffen haben, wem die hinterlegte Sache zustehen soll, und nicht nur über einzelne Vorfragen einer Empfangsberechtigung (BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 VA 182/21 – nicht veröffentlicht; Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Art. 20 Rn. 28). Als gerichtliche Entscheidungen nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG kommen Sachurteile zwischen den Beteiligten in Betracht, die eine Beurteilung der Frage der Empfangsberechtigung enthalten. Nicht hierzu zählen allerdings Urteile, die auf Abgabe der Bewilligung lauten, denn diese zielen auf eine Erfüllung des Tatbestands nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG (Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Art. 20 Rn. 31 Fußnote 25). Nach dieser Vorschrift ergibt sich die Berechtigung zum Empfang des hinterlegten Gegenstands auch aus einer Bewilligung der übrigen Beteiligten. Ob ein Antragsteller von einem anderen Beteiligten die Bewilligung verlangen kann, ist eine Frage des materiellen Rechts. Ist der Beteiligte zur Abgabe der Bewilligung rechtskräftig verurteilt, so wird deren Erteilung durch § 894 ZPO vollstreckungsrechtlich fingiert (BayObLG, Beschluss vom 24. Februar 2021, 101 VA 151/20, NJW-RR 2021, 509 [juris Rn. 31 ff.]; Wiedemann/Armbruster, a. a. O., Rn. 26) .
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsteller vorliegend seine Empfangsberechtigung nicht nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG nachgewiesen.
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Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021, 9 U 1213/17, berichtigt mit Beschluss vom 8. Dezember 2021, ist zwar zwischen dem Antragsteller als Kläger und dem Beteiligten H. als Beklagten ergangen und in einer mit einem Rechtskraftvermerk versehenen Ausfertigung vorgelegt. Indessen genügt die Feststellung in I Ziffer 3 des Tenors, wonach dem Beklagten H. kein Besitzrecht an dem fraglichen Flurstück zustehe, nicht als Sachentscheidung über die Frage der Empfangsberechtigung für die hinterlegten Mieten. Allenfalls könnte es sich um eine Vorfrage hierzu handeln. Eine ausdrückliche Entscheidung dazu, wem die Mieten zustehen, lässt sich dem Tenor I Ziffer 3 nicht entnehmen. Zwar werden die hinterlegten Mieten in Tenor I Ziffer 2 ausdrücklich erwähnt. Indessen hat das Oberlandesgericht insoweit den Beklagten verurteilt, die hinterlegten Mieten freizugeben Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrags von 1.367.685,00 € nebst Zinsen durch den Kläger an den Beklagten. Dieser Tenor zielt ab auf eine Freigabebewilligung durch den Beklagten im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG und fällt mithin nicht unter Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG. Zudem stellt der Tenor I Ziffer 2 gerade keine voraussetzungslose Empfangsberechtigung des Klägers fest, sondern knüpft den Erhalt der Freigabebewilligung an die Erfüllung von Zahlungspflichten durch den Kläger.
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Anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen des Urteils. In diesen führt das Oberlandesgericht aus (siehe S. 23), es bestehe lediglich ein einheitlicher Bereicherungsanspruch auf Ausgleich des Saldos gegenseitiger, sich aus dem abzuwickelnden Verhältnis ergebender Ansprüche. Daher sei auszusprechen, dass der Beklagte dem Kläger die eingenommenen Mieten zu erstatten und die von der N. KG hinterlegten Mieten zugunsten des Klägers freizugeben sowie im Gegenzug der Kläger dem Beklagten einen Ausgleich für die Werterhöhung des Grundstücks zu zahlen sowie den Kaufpreis zu erstatten habe. Das Oberlandesgericht hat mithin nur einen einheitlichen Anspruch des Klägers auf Ausgleich des Saldos bejaht. Die Verurteilung Zug um Zug in Tenor I Ziffer 2 ist dem Umstand geschuldet, dass der Freigabeanspruch des Klägers mit einem Zahlungsanspruch des Beklagten technisch nicht saldiert werden kann. Eine Empfangsberechtigung allein für die hinterlegten Mieten ohne Berücksichtigung der Gegenansprüche des Beklagten lässt sich daher auch den Entscheidungsgründen nicht entnehmen.
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cc) Dass der Beteiligte H. eine Bewilligung nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG abgegeben hätte, ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet. Die Bewilligung der Herausgabe gilt auch nicht nach § 894 ZPO als abgegeben. Zwar ist das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021, 9 U 1213/17, in einer Ausfertigung mit Rechtskraftvermerk vorgelegt. Indessen genügt dies zur Fiktion der Freigabebewilligung nicht. Gemäß § 894 Satz 2 ZPO gilt die Willenserklärung, wenn sie von einer Gegenleistung abhängig gemacht wurde, erst dann als abgegeben, wenn nach den Vorschriften der §§ 726, 730 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist. Wenn also ein Beklagter – wie vorliegend – zur Abgabe einer Willenserklärung Zug um Zug gegen Zahlung einer bestimmten Summe verurteilt wurde, gilt die Willenserklärung nicht schon mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben, sondern erst wenn nach §§ 726, 730 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung vorliegt (Seibel in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 894 Rn. 9). Gemäß § 726 Abs. 2 ZPO setzt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung den Beweis voraus, dass der Schuldner befriedigt ist oder sich in Annahmeverzug befindet.
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Im vorliegenden Fall hätte eine Herausgabeanordnung nur ergehen dürfen, wenn die Freigabebewilligung des Beteiligten H. als abgegeben gegolten hätte. Dafür hätte es aber, wie ausgeführt, einer Vorlage nicht nur einer Ausfertigung des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden mit Rechtskraftvermerk, sondern einer vollstreckbaren Ausfertigung zu Tenor I Ziffer 2 Buchst. a) bedurft. Eine solche wurde vom Antragsteller nicht vorgelegt. Im Übrigen behauptet der Antragsteller selbst nicht, er habe dem Beteiligten H. 1.367.685,00 € nebst Zinsen bezahlt oder die Zahlung in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Dass der Antragsteller über eine vollstreckbare Ausfertigung zu Tenor I Ziffer 1 und Ziffer 3 verfügt, wie er im Schriftsatz vom 18. August 2023 versichert, genügt gerade nicht.
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dd) Unbehelflich ist auch der Vortrag des Antragstellers zum Bescheid des Amtsgerichts Chemnitz vom 21. Februar 2022, Az. 24 L 124/16, 24 L 125/16 (vorgelegt als Anlage ASt 1). Es handelt sich dabei nicht um eine gerichtliche, zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten H. ergangene Sachentscheidung über die Empfangsberechtigung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG. Das Amtsgericht hat lediglich einen Antrag des Beteiligten H. auf Einsicht in eine Zwangsvollstreckungsakte mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Verurteilung Zug um Zug werde der Anspruch auf die Gegenleistung nicht rechtskräftig festgestellt. Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Oktober 2021 habe daher für den dortigen Beklagten H. keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Dass die hinterlegten Mieten dem Antragsteller ohne weitere Voraussetzungen bzw. Gegenleistungen zustünden, lässt sich dem Bescheid des Amtsgerichts nicht entnehmen.
42
Ohne Relevanz ist ferner das vom Antragssteller vorgelegte Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. November 2018, Az. 5 U 527/18 (vorgelegt als Anlage ASt 5). Das Urteil ist schon nicht zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten H., sondern zwischen dem Zwangsverwalter des fraglichen Grundstücks und einer Mieterin ergangen. Schon aus diesem Grund scheidet es als Nachweis der Empfangsberechtigung gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG aus. Zudem lässt sich dem Urteil auch keine ausdrückliche Sachentscheidung dazu entnehmen, dass die hinterlegten Mieten ohne weitere Voraussetzung dem Antragsteller und nicht dem Beteiligten H. zustünden.
43
ee) Die Vorlage des Darlehensvertrags zwischen dem Beteiligten H. und der V. (Anlage ASt 2), des Vertragsangebots des Beteiligten H. und der Annahmeerklärung des Antragstellers (Anlagen ASt 3 und ASt 4) sowie die Ausführungen dazu, wem nach diesen Vereinbarungen die hinterlegten Mieten zustünden, sind ebenfalls unbehelflich. Die materielle Berechtigung am hinterlegten Gegenstand wird im formellen Verwaltungsverfahren nicht geprüft. Sie ist auch nicht Gegenstand der Prüfung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG. Eine gerichtliche Sachentscheidung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BayHintG darüber, wem der hinterlegte Gegenstand zusteht, kann in diesem Verfahren nicht erlangt werden (BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 VA 182/21 – zum hiesigen Hinterlegungsverfahren; Beschluss vom 19. August 2021, 102 VA 56/21, juris Rn. 51).
44
c) Dahingestellt bleiben kann, ob der Antragsteller vor Erlass der Beschwerdeentscheidung hätte angehört werden müssen. Dem Antragsteller wurde vom Senat die Beschwerdeschrift zugeleitet und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Hiervon hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. August 2023 Gebrauch gemacht. Die Ausführungen des Antragstellers werden vom Senat berücksichtigt (vgl. oben b), geben zu einer inhaltlich abweichenden Beurteilung aber keinen Anlass. Da die Herausgabeanordnung vom 1. Februar 2023 zwingend aufzuheben und der Auszahlungsantrag zurückzuweisen war, besteht entgegen der Ansicht des Antragstellers auch kein Anlass für eine Zurückverweisung an das Amtsgericht Schwandorf.
45
1. Eine Entscheidung über die Kostentragung ist nicht erforderlich, weil der Antragsteller schon kraft Gesetzes dazu verpflichtet ist, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG).
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2. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.
47
Dass auch nach Vollzug des Herausgabebescheids eine Beschwerde nach Art. 8 Abs. 1 BayHintG und ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG noch möglich sind, entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Kommentarliteratur. Anderweitige Entscheidungen zum Bayerischen Hinterlegungsgesetz sind nicht ersichtlich. Irrelevant ist demgegenüber, dass zu den in maßgeblichen Aspekten abweichenden Regelungen der nicht mehr gültigen Hinterlegungsordnung sowie zu den ebenfalls divergierenden Vorschriften der Hinterlegungsgesetze anderer Länder abweichende Ansichten vertreten werden.
48
Die Folge einer Verurteilung Zug um Zug für den Nachweis der Empfangsberechtigung gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BayHintG ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 894 Satz 2 ZPO. Abweichende Entscheidungen anderer Gerichte sind weder vom Antragsteller dargetan noch sonst ersichtlich.
49
Ob der Antragsteller vor Erlass der Beschwerdeentscheidung hätte angehört werden müssen, ist, wie oben ausgeführt, nicht entscheidungserheblich.
50
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Er entspricht dem an der Höhe des hinterlegten Betrags zu bemessenden wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers (BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 VA 182/21 – zum hiesigen Hinterlegungsverfahren).