Inhalt

OLG München, Beschluss v. 13.12.2023 – 31 U 1786/23 e
Titel:

Vorläufige Vollstreckbarkeit, Aussetzung des Verfahrens, Kostenentscheidung, Vorlagebeschluß, Streitwert, Kosten des Berufungsverfahrens, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Dsgvo, Erheblichkeitsschwelle, Sicherheitsleistung, Klageerwiderung, Angefochtenes Urteil, Personenbezogene Daten, Entscheidung des Berufungsgerichts, Allgemeines Lebensrisiko, Bestimmung, Rechtsmittel, Aussicht auf Erfolg, Klagepartei, Landgerichte

Schlagworte:
Berufung zurückgewiesen, Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels, Keine grundsätzliche Bedeutung, Keine mündliche Verhandlung geboten, Keine Aussetzung des Verfahrens
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 23.03.2023 – 26 O 1859/22
Fundstellen:
GRUR-RS 2023, 35719
BeckRS 2023, 35719

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.03.2023, Aktenzeichen 26 O 1859/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.100,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.03.2023, Aktenzeichen 26 O 1859/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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2. Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 16.08.2023 (Bl. 84/88 d. Berufungsakten) Bezug genommen.
3
RiLG ..., der an dem Beschluss nicht mitgewirkt hat, tritt der darin geäußerten Rechtsauffassung des Senats bei und macht sie sich zur eigen.
4
3. Im Hinblick auf die Stellungnahmen der Parteien sind ergänzend folgende Ausführungen veranlasst:
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Eine Aussetzung des Verfahrens (analog) § 148 ZPO im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.09.2023 im Verfahren mit dem Az. VI ZR 97/22 (vgl. Hinweis des Senats mit Verfügung vom 28.09.2023, Bl. 93 d. Berufungsakten) ist nicht veranlasst.
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a) Die dortige Vorlagefrage Ziffer 4 ist wie folgt formuliert:
„Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?“ (vgl. BGH GRUR 2023, 1724 Rn. 31, beck-online).
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Diese Frage knüpft an die Entscheidung des EuGH vom 04.05.2023 in der Rechtssache C300/21 an, in der der Gerichtshof ausgeführt hat, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen sei, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreiche, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, sondern darüber hinaus der Eintritt eines konkreten Schadens erforderlich sei (vgl. EuGH GRUR 2023, 980 = WRP 2023, 686 Rn. 31 ff., 42 – Öster- – Seite 3 – reichische Post; beck-online). Weiter hat der EuGH ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehe, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (vgl. EuGH GRUR 2023, 980 Rn. 51 = WRP 2023, 686 – Österreichische Post). Allerdings hat der Gerichtshof auch erklärt (vgl. EuGH GRUR 2023, 980 Rn. 50 – Österreichische Post), dass die Ablehnung einer Erheblichkeitsschwelle nicht bedeute, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv Art. 82 dieser Verordnung darstellen (vgl. auch BGH GRUR 2023, 1724 Rn. 32, beck-online).
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Der dem Vorlagebeschluss des BGH zugrundeliegende Sachverhalt ist allerdings eine spezielle Konstellation, die sich von dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheidet. Im dortigen Fall ging es um Weitergabe von personenbezogenen Daten im Rahmen eines Bewerbungsprozesses über das Online-Portal X., in dessen Zuge eine Mitarbeiterin der dortigen Beklagten über den Messenger-Dienst des Portals eine nur für den dortigen Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte, nicht am Bewerbungsprozess beteiligte Person versandt hatte. Der BGH formulierte seine Vorlagefrage in Bezug auf die „Befürchtung der Weitergabe der Daten an in der gleichen Branche tätige Dritte, Kenntnis einer Person über Umstände, die der Diskretion unterliegen, Schmach wegen des Unterliegens in Gehaltsverhandlungen und der Kenntnis Dritter davon“ (vgl. BGH GRUR 2023, 1724 Rn. 33, beck-online). Das ist mit der hiesigen Sachverhaltskonstellation nicht zu vergleichen.
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b) Entscheidungserheblich ist im Übrigen, dass vorliegend die Kausalität zwischen dem Datenvorfall und der behaupteten großen Zahl von erhaltenen E-Mails, Nachrichten und Anrufen nicht feststeht. Es ist nämlich unstreitig geblieben, dass der Kläger bei mindestens drei weiteren (früheren) Gelegenheiten Opfer eines „Datenvorfalls“ wurde, bei dem sein Vor- und Nachname, die E-Mail-Adresse sowie die Telefonnummer abgegriffen wurden (Vgl. LGU 11; Klageerwiderung 20, 4; Anlage B8; siehe schon Hinweis des Senats vom 16.08.2023, Seite 2).
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Dem Umstand, dass der Kläger befürchtet, er könne in der Zukunft Opfer eines konkreten Missbrauchs seiner Daten werden (vgl. zuletzt BB 29), trägt das angefochtene Urteil insoweit Rechnung, als es die Verpflichtung der Beklagten feststellt, dem Kläger etwaige künftige materielle Schäden zu ersetzen, die ihm durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten entstanden sind.
II.
11
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
12
2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr.1 ZPO.
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3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt.