Titel:
Erfolglose staatsanwaltschaftliche Beschwerde gegen Nichtzulassung einer Anklage
Normenketten:
StGB § 184b Abs. 3, Abs. 7
StPO § 203, § 304, § 311
Leitsatz:
Wer sich nach Einstellung eines gegen ihn wegen Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB geführten Ermittlungsverfahrens infolge nicht nachweisbaren Tatvorsatzes weigert, sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung bei ihm sichergestellter Datenträger zu erklären, auf denen sich noch möglicherweise kinderpornografische Inhalte befinden, macht sich dadurch nicht gemäß § 184b Abs. 3 StGB strafbar. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kinderpornografische Inhalte, Besitz, Mobiltelefon, Laptop, Datenträger, formlose Einziehung, Einverständnis, Verweigerung, Eigenbesitzverschaffung
Vorinstanz:
AG Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 17.10.2023 – 2 Ls 520 Js 4015/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35646
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 17.10.2023 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Aufgrund eines Anfangsverdachts im Bezug auf kinderpornografische Inhalte durchsuchte die KPI W. i.OB am 24.02.2022 die Wohnung des Angeschuldigten. Dabei wurde unter anderem ein Smartphone, ein Laptop und eine SD-Karte sichergestellt, zu welchen der Angeschuldigte freiwillig Zugangsdaten mitteilte. Die Auswertung der sichergestellten Gegenstände durch einen externen Sachverständigen ergab auf dem Laptop und dem Smartphone jeweils 3 möglicherweise kinderpornografische thumbnails (Vorschaubilder) in entsprechenden Verzeichnissen sowie zwei möglicherweise kinderpornografische Filme im gelöschten Bereich sowie im Verzeichnis LOST.DIR der SD-Karte. Der Sachverständige prüfte den Aufwand einer Löschung nicht konkret, sondern verwies ganz allgemein darauf, dass die Kosten für eine Löschung der Daten „nach internationalen Standards regelmäßig den Zeitwert der ausgewerteten Gegenstände bei weitem überschreiten“. Weiter wurde zur Prüfung der Löschung nichts unternommen.
2
Mit Verfügung vom 16.12.2022 stellte die Beschwerdeführerin dieses Verfahren gegen den Angeschuldigten mangels Nachweises des Tatvorsatzes ein.
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Zugleich mit der Einstellungsverfügung belehrte die Beschwerdeführerin den Angeschuldigten über seine Rechte gem. StrEG. Weiter teilte sie mit, dass davon ausgegangen werde, dass mit der formlosen Einziehung des Smartphones und des Laptops Einverständnis bestehe, wenn nicht binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine gegenteilige Stellungnahme vorliege. Andernfalls müsse „ggf. ein kostenpflichtiges förmliches Einziehungsverfahren durchgeführt werden“. Der Angeschuldigte wurde zudem darauf hingewiesen, dass sich auf den Gegenständen inkriminierte Inhalte befänden, wovon er nun Kenntnis erlangt habe. Bei einer Rückgabe würde er sich wegen des Besitzes kinderpornografischer Inhalte strafbar machen.
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Mit Schreiben vom 03.01.2023 und vom 17.01.2023, eingegangen bei der Beschwerdeführerin am 18.01.2023 und am 19.01.2023 erklärte der Angeschuldigte wortgleich: „Im Zusammenhang mit der o.g. Angelegenheit bin ich mit einer Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände nicht einverstanden und beantrage die Herausgabe derselbigen.“ Zudem beschwerte er sich darüber, dass die Einstellungsverfügung in unverschlossenem Briefumschlag formlos in den Briefkasten eingeworfen worden sei.
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Mit Verfügung vom 04.04.2023 sandte die Beschwerdeführerin dem Angeschuldigten ein Schreiben in welchem diesem mitgeteilt wurde, dass eine Rückgabe des Smartphones und des Laptops nicht möglich seien, da sich darauf kinderpornografische Inhalte befänden. Dies wisse er nun. Deswegen würde er sich wegen des Besitzes kinderpornografsicher Inhalte gem. § 184b Abs. 3 StGB strafbar machen, würden die Geräte an ihn zurückgegeben. Ihm werde daher nochmals die Gelegenheit gegeben, sich bis spätestens 19.04.2023 zur entschädigungslosen Einziehung zu erklären. Eine Reaktion des Angeschuldigten erfolgte nicht.
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Mit Verfügung vom 25.05.2023 wies die Beschwerdeführerin die KPI W. an, den Angeschuldigten zuhause aufzusuchen, ihm das von der Beschwerdeführerin am 04.04.2023 verfasstes Schreiben persönlich auszuhändigen, zu erläutern und unter Benutzung eines Formulars erneut das Einverständnis mit der formlosen Einziehung einzuholen.
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Die von der KPI beauftragte PI G. suchte den Angeschuldigten am 05.06.2023 zuhause auf. Der Angeschuldigte erklärte sich nicht einverstanden und verweigerte die Unterschrift unter das ihm vorgelegte Formular zur „Einverständniserklärung mit der form- und entschädigungslosen Einziehung“.
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Daraufhin leitete die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 27.06.2023 ein neues Verfahren gegen den Angeschuldigten ein und beauftragte die KPI W. mit der Beschuldigtenvernehmung. Der Angeschuldigte machte keine Angaben zur Sache.
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Am 04.08.2023 erhob die Beschwerdeführerin Anklage zum AG Garmisch-Partenkirchen – Schöffengericht – aufgrund des vorgenannten Sachverhaltes, wonach der Angeschuldigte es unternommen habe, sich den Besitz an kinderpornografischen Inhalten zu verschaffen, strafbar als Eigenbesitzverschaffung an kinderpornografischen Inhalten gem. § 184b Abs. 3 StGB.
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Mit Verfügung vom 28.08.2023 hat das Amtsgericht die Rücknahme der Anklage angeregt. Die Gesetzesregelung zur Einziehung zeige, dass der Angeschuldigte grundsätzliche keine Zustimmung erteilen müsse. Es stünden dann eben die Regelungen zu Einziehung und das selbständige Einziehungsverfahren zur Verfügung. Im Übrigen sei mit dem Angeschuldigten nicht geklärt worden, ob er mit einer endgültigen Löschung einverstanden sei. Ein (untauglicher) Versuch liege nicht vor, weil der Angeschuldigte nicht ausdrücklich kinderpornografisch Bilder verlange.
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Die Beschwerdeführerin hielt mit Verfügung vom 14.09.2023 die Anklage aufrecht. Der Angeschuldigte nehme einen Besitz zumindest billigend in Kauf. Die Durchführung einer „vollständigen und endgültigen Löschung der Daten, insbesondere ausschließlich der inkriminierten Daten“ sei „aus organisatorischen, wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht möglich“.
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Am 20.09.2023 bat das Amtsgericht um erneute rechtliche Prüfung. Es liege kein unmittelbares Ansetzen vor. Insbesondere sei hierbei nach dem BGH das aus der Sicht des Täters erreichte Maß der konkreten Rechtsgutsgefährdung zu berücksichtigen. Kein vernünftiger Mensch halte es nach den Schreiben der Beschwerdeführerin für möglich, dass diese aufgrund der fehlenden Zustimmung tatsächlich Datenträger mit inkriminierten Inhalten herausgeben werde.
13
Die Beschwerdeführerin hielt mit Verfügung vom 10.10.2023 weiter an der Anklage fest. Es liege nach den Ausführungen des Amtsgerichts ein untauglicher Versuch vor, der die Strafbarkeit nicht ausschließe.
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Mit dem angegriffenen Beschluss vom 17.10.2023 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen ab. Das Herausgabeverlangen des Angeschuldigten erfülle nicht den Tatbestand der Eigenbesitzverschaffung. Es liege kein Versuchsbeginn vor, weil aus Sicht des Angeschuldigten die Entschließung der Strafverfolgungsbehörden, ihm die inkriminierten Gegenstände herauszugeben ein notwendiger Zwischenschritt sei, mit dem er nicht rechnen könne. Es wiederholte die Ausführungen aus den vorgenannten Verfügungen und verwies zudem auf rechtspolitische Einwände gegen die Strafvorschrift.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit der sofortigen Beschwerde vom 23.10.2023. Diese wird im wesentlichen damit begründet, dass ein unmittelbares Ansetzen vorgelegen habe. Aus Tätersicht seien die Herausgabe der Gegenstände und damit die Besitzerlangung bei ungestörtem Fortgang die nächsten Schritte gewesen.
16
Die gem. §§ 304, 311 StPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Amtsgerichts zum Versuch wird verwiesen. Dem Herausgabeverlangen und der Verweigerung des Einverständnisses kann letztlich schon kein Besitzverschaffungsvorsatz entnommen werden.
18
Ein Übergang in das objektive Verfahren war dem Amtsgericht trotz des Einziehungsantrags in der Anklage nicht möglich, weil dies einen konkreten entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraussetzt, vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2020 – 2 StR 79/20. Diesen hat die Staatsanwaltschaft bisher nicht gestellt; eine entsprechende Umdeutung des Antrags aus der Anklage ist im Hinblick auf vorgenannte Rechtsprechung mangels konkreten Antrags nicht möglich, auch wenn sich die Stellung eines solchen Antrags aufgedrängt hätte (vgl. auch Vermerk Bl. 72 Rs.).
19
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.