Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 12.10.2023 – 3 Ta 184/23
Titel:

Zusammenrechnung des Gegenstandswerts bei Einleitungserzwingungsantrag des Betriebsrats und Widerantrag des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung

Normenketten:
BetrVG § 99 Abs. 1, Abs. 4, § 101
GKG § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33 Abs. 1
Leitsätze:
Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats bzgl. der Eingruppierung von Arbeitnehmern in bestimmte Vergütungsgruppen und Wideranträge der Arbeitgeberin auf gerichtliche Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung betreffen nicht denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG und werden nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammengerechnet. (Rn. 26 – 28)
1. Maßgeblich für die Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit für das Einleitungserzwingungsverfahren analog § 101 BetrVG sind seine Qualifizierung als nichtvermögensrechtlicher Gegenstand und sein Charakter als "bloßes Vorverfahren" zum Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Dies rechtfertigt es, den Hilfswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 RVG zugrunde zu legen und einen deutlichen Abschlag vom Hilfswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 RVG vorzunehmen, dessen Höhe nach der Bedeutung des Falles variieren kann und im Regelfall 80 % des Hilfswerts beträgt (Anschluss an LAG Düsseldorf BeckRS 2012, 73159; LAG Hamm BeckRS 2007, 46747). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zustimmungsersetzungsanträge in Eingruppierungssachen sind nach § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 RVG zu bewerten (Festhaltung LAG München BeckRS 2019, 44098). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entscheidung des Erstgerichts ist durch das Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern das Beschwerdegericht trifft eine eigene, unabhängige Ermessensentscheidung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gegenstandswert, Einleitungserzwingungsverfahren, Wideranträge auf, Zustimmungsersetzung, Streitwert, Widerantrag
Vorinstanzen:
ArbG München, Beschluss vom 19.06.2023 – 27 BV 208/22
ArbG München, Beschluss vom 24.05.2023 – 27 BV 208/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35393

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) wird der Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.06.2023 – 27 BV 208/22 – teilweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und für den Vergleich wird auf je 12.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.
2
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens waren zwei Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats betreffend die Eingruppierung von zwei Arbeitnehmern in die Tarifgruppe TG V des Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der deutschen Immobilienwirtschaft, die als Projektleitung für Z und Y bzw. X eingestellt wurden, sowie zwei Wideranträge der Arbeitgeberin auf gerichtliche Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung dieser beiden Arbeitnehmer in die Tarifgruppe TG IV des genannten Tarifvertrags. Durch Beschluss vom 17.03.2023 gab das Arbeitsgericht München den Wideranträgen der Arbeitgeberin teilweise statt und wies die Anträge des Betriebsrats ab.
3
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, den Gegenstandswert auf 20.000,00 € festzusetzen, und nach Anhörung beider Verfahrensbevollmächtigten hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 19.06.2023 – 27 BV 208/22 – den Gegenstandswert für das Verfahren insgesamt auf 10.000,00 € festgesetzt. Streitig sei die Frage, die auch im Widerantrag zum Ausdruck komme, ob die Arbeitnehmer richtig eingruppiert seien und die nicht erteilte Zustimmung zu ersetzen sei.
4
Den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wurde der Beschluss am 20.06.2023 zugestellt, gegen den sie noch am selben Tage Beschwerde eingelegt und ihren Festsetzungsantrag weiterverfolgt haben. Die Wideranträge seien zwar nicht eigenständig zu bewerten, aber werterhöhend zu berücksichtigen. Die Wideranträge erhöhten den anwaltlichen Aufwand, also den Umfang der Sache. Dies spiegele sich auch in der Länge des Beschlussverfahrens wider. Auch sei die Vorläufigkeit der Maßnahme zu berücksichtigen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.08.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Die Wideranträge begründeten keine Werterhöhung. Die Wideranträge stellten positiv betrachtet das dar, was der Betriebsrat zu erreichen suchte, nämlich die Achtung des Mitbestimmungsrechts, wenn auch zu einer anderen Entgeltgruppe. Die „Vorläufigkeit der Maßnahme“ sei nicht streitgegenständlich gewesen.
6
Im Rahmen der Stellungnahme auf den Nichtabhilfebeschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hiergegen geltend gemacht, dass die Wideranträge erst nach der Umsetzung der zustimmungspflichtigen Maßnahmen ohne Ersetzung der Zustimmung gestellt worden seien, so dass sie nur so verstehen sein, dass auch die Rechtmäßigkeit der vorläufig durchgeführten Maßnahme erkannt werde.
7
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
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Die nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig und zu einem Teil begründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
10
Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist bei einem um 10.000,00 € höheren Gegenstandswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG. Darüber hinaus wurde die Frist von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde, § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG, gewahrt.
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2. Die Beschwerde ist aber nur teilweise begründet. Der Gegenstandswert für das Verfahren ist auf 12.000,00 € festzusetzen, §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG, § 45 Abs. 1 GKG analog.
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a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 50 f.).
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b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2018, abgedruckt in NZA 2018, 497 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 – 4 Ta 83/14 – Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 – 2 Ta 72/21 – Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 – 1 Ta 280/15 – Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 – 5 Ta 264/15 – Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 – 5 Ta 7/16 – Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 – 4 Ta 172/13 (2) unter II. 1 der Gründe¸ LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 – 8 Ta 198/22 – Rn. 11; LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 52 f.). Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist.
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c) Die Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats und die Wideranträge der Arbeitgeberin auf gerichtliche Zustimmungsersetzung sind gebührenrechtlich zunächst getrennt zu bewerten (ebenso LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.05.2019 – 5 Ta 36/19 – Rn. 6). Dies folgt aus § 45 Abs. 1 analog, der die allgemeine Wertvorschrift für Klage und Widerklage enthält und auch für die Gebühren der Rechtsanwälte maßgebend ist (vgl. GK-ArbGG/Schleusener, Nov. 2020, § 12 ArbGG Rn. 172). § 45 Abs. 1 S. 1 GKG setzt mit der grundsätzlichen Zusammenrechnung von Klage und Widerklage ihren zunächst je getrennten Wert voraus. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG kann nur deshalb die Maßgeblichkeit des Wertes des höheren Anspruchs bestimmen, wenn Klage und Widerklage wertmäßig getrennt sind.
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d) Die Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats sind mit 2.000,00 € zu bewerten.
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aa) Der aktuell gültige Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit enthält keine Empfehlung zur Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit für das Einleitungserzwingungsverfahren nach § 101 BetrVG analog. Die in Ziff. II Nr. 14.6 Streitwertkatalog 2018 genannte Empfehlung betrifft die Verfahren nach § 101 BetrVG in direkter Anwendung, in denen es um die Rückgängigmachung einer vorläufigen oder endgültigen, ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrats bereits durchgeführten personellen Maßnahme, nicht aber für einen Antrag des Betriebsrats gem. § 101 BetrVG analog auf Durchführung eines Einleitungserzwingungsverfahrens bezüglich der Eingruppierung eines Mitarbeiters geht (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.05.2019 – 5 Ta 36/19 – Rn 14; LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2022 – 2 Ta 31/22 – Rn. 13). Ziff. II. 14.3 Streitwertkatalog 2018 ist gleichfalls nicht einschlägig. Das vorliegend angestrebte Einleitungserzwingungsverfahren gem. § 101 BetrVG analog unterscheidet sich vom Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG grundlegend. In ersterem ist lediglich zu prüfen, ob ein Eingruppierungstatbestand als solcher gegeben ist. Erst im Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG wird geprüft, ob die von der Arbeitgeberseite für richtig erachtete Eingruppierung zutreffend ist (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.05.2019 – 5 Ta 36/19 – Rn 14 m. w. Nachw.).
17
Maßgeblich für die Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit für das Einleitungserzwingungsverfahren gemäß § 101 BetrVG analog ist deshalb seine Qualifizierung als nichtvermögensrechtlicher Gegenstand (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2022 – 2 Ta 31/22 – Rn. 14) und sein Charakter als „bloßes Vorverfahren“ zum Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Dies rechtfertigt es, den Hilfswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 HS. 2 RVG zugrunde zu legen (vgl. LAG München, Beschluss vom 17.06.2019 – 3 Ta 127/19 – Rn.15 zur Bewertung des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG) und einen deutlichen Abschlag vom Hilfswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 HS. 2 RVG vorzunehmen, dessen Höhe nach der Bedeutung des Falles variieren kann (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2022 – 2 Ta 31/22 – Rn. 15). Teilweise wird regelmäßig ein Abschlag von 80% eines Verfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG für angemessen erachtet (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2007 – 10 TaBV 133/05 –; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2011 – 2 Ta 81/11 – Rn 18 ff mwN –; GK-ArbGG/Schleusener, Stand Nov. 2020, § 12 Rn. 469), teilweise wird ein Abschlag von 50% vom Hilfswert als zutreffend angesehen, wenn sich die Arbeitgeberin grundsätzlich weigert, bestimmte Beschäftigtengruppen überhaupt einzugruppieren und hierin eine über das Normalmaß hinausgehende Bedeutung des Streits liegt (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2022 – 2 Ta 31/22 -Rn. 15). Für den Regelfall schließt sich die Beschwerdekammer des LAG München der Auffassung eines Abschlags von 80% vom Hilfswert an, weil das Interesse des Betriebsrats allein darauf gerichtet ist, die Arbeitgeberin zu veranlassen, ein Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten, damit der Betriebsrat in diesem Verfahren sein Mitbeurteilungsrecht ausüben kann (vgl. bereits Beschluss vom 19.09.2023 – 3 Ta 145/23 – zur Veröffentlichung bestimmt).
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bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergibt sich der o. g. Wert.
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Der Antrag 1 ist in Bezug auf die betroffene Mitarbeiterin H. mit 1.000 € zu bewerten. Der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG i. H. v. 5.000 € ist wegen des Abschlags für das Einleitungserzwingungsverfahren auf 20% bzw. ein Fünftel zu reduzieren.
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Gleiches gilt für den Antrag 2 in Bezug auf den betroffenen Mitarbeiter N. Eine weitere Reduzierung entsprechend der Empfehlung zu Ziff. II.14.7 des Streitwertkatalogs 2018, wonach bei objektiver Antragshäufung mit wesentlich gleichem Sachverhalt, insbesondere bei einer einheitlichen unternehmerischen Maßnahme und parallelen Zustimmungsverweigerungsgründen und/oder vergleichbaren Eingruppierungsmerkmalen eine gestaffelt reduzierte Bewertung vorzunehmen ist, kam vorliegend nicht in Betracht. Die Arbeitnehmer sind auf verschiedenen Positionen eingesetzt, so dass sich die Wertigkeit ihrer Tätigkeiten unterscheiden kann.
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e) Die Wideranträge der Arbeitgeberin sind mit je 5.000,00 €, d. h. mit insgesamt 10.000,00 € zu bewerten.
22
aa) Der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit lässt es offen, ob Beschlussverfahren betreffend die Zustimmungsersetzung bei Eingruppierung von Mitarbeitern (§ 99 Abs. 4 BetrVG) nach dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 HS 2 RVG oder nach § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG bewertet werden (vgl. Streitwertkatalog Ziff. II. Nr. 14.3 i.V.m. 14.2.1 und 14.2.2).
23
Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung fest, Zustimmungsersetzungsanträge in Eingruppierungssachen nach § 23 Abs. 3 Satz 2 HS 2 RVG zu bewerten (vgl. LAG München, Beschluss vom 17.09.2019 – 3 Ta 127/19 – Rn. 15 ff.). Hierfür spricht, dass mit einer an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG orientierten Wertfestsetzung die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers im konkreten Einzelfall in den Vordergrund gestellt würden, obwohl der Betriebsrat bei der Eingruppierung vornehmlich kollektive Interessen verfolgt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen soll gewährleisten, dass der betroffene Arbeitnehmer der zutreffenden Vergütungsgruppe zugeordnet wird. Dies dient vor allem der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis. Welcher Wert der Durchsetzung einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung beizumessen ist, hängt nicht ausschließlich von der im Einzelfall gegebenenfalls eintretenden Entgeltdifferenz ab. Der Gesichtspunkt der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit ist nicht mehr oder weniger gewichtig, nur weil der betroffene Arbeitnehmer bei der von dem Betriebsrat für richtig gehaltenen Ein- oder Umgruppierung eine höhere oder niedrigere Vergütungsdifferenz beanspruchen könnte (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 26.02.2015 – 17 Ta (Kost) 6014/15 –; ihm folgend LAG Nürnberg, Beschluss vom 24.08.2017 – 4 Ta 135/17 –; Sächsisches LAG, Beschluss vom 18.11.2014 – 4 Ta 168/14 –; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.05.2015 – 1 Ta 103/15 –; siehe auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.09.2009 – 5 Ta 104/11 –). Der Betriebsrat verfolgt unzweifelhaft dann keine wirtschaftlichen Interessen des betroffenen Arbeitnehmers, wenn dieser nach seiner Auffassung einer tieferen Vergütungsgruppe zuzuordnen wäre. Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer seine individuellen Vergütungsansprüche ggf. auf den Ausgang des Zustimmungsersetzungsverfahrens stützen kann (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994 – 1 ABR 58/93 –), ist Folge, nicht aber Gegenstand des zu bewertenden Beschlussverfahrens.
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Schließlich ist die Variante nach § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG nicht deshalb vorzugswürdig, weil sie die Kostenbelastung der Arbeitgeberin möglichst geringhielte. Je nach zu zahlender Vergütung könnte der Gegenstandswert auch mehr als 5.000,00 € betragen.
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bb) Dementsprechend ist für beide Anträge je der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 HS 2 RVG zugrunde zu legen. Wertbestimmende Faktoren, die im vorliegenden Fall eine Erhöhung oder Reduzierung dieses Wertes gebieten, sind nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats haben sich allein gegen die wertmäßige Nichtberücksichtigung der Wideranträge gewandt, für sie aber auch je 5.000,00 € zugrunde gelegt haben.
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f) Die Anträge des Betriebsrats auf Durchführung eines Einleitungserzwingungsverfahrens bezüglich der Eingruppierung der Mitarbeiter H. und N. und die Wideranträge der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung dieser beiden Mitarbeiter in eine niedrigere Tarifgruppe sind zu addieren, § 45 Abs. 1 S. 1 GKG analog. Sie betreffen gebührenrechtlich nicht denselben Gegenstand, so dass § 45 Abs. 1 S. 3 GKG analog mit der Folge, dass nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist, nicht greift.
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aa) Stehen sich Antrag und Widerantrag gegenüber, so sind die Gegenstandswerte grundsätzlich zusammenzurechnen, sofern sie nicht denselben Gegenstand betreffen, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG analog. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 S. 3 GKG handelt es sich um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 12.09.2013 – I ZR 61/11 – Rn. 6). Ein und derselbe Gegenstand liegt vor, wenn die beiderseitigen Ansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.10.2020 – I ZR 172/19 – Rn. 60; GK-ArbGG/Schleusener, Nov. 2020 § 12 ArbGG Rn. 183 m. w. Nachw.; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.04.2019 – 26 Ta (Kost) 6010/19 – Rn. 6).
28
bb) Danach betreffen die hier streitgegenständlichen Anträge und Wideranträge nicht denselben Gegenstand. Das rechtliche Schicksal des hiesigen Einleitungserzwingungsverfahrens und die Wideranträge sind voneinander unabhängig. Die Anträge des Betriebsrats, gerichtet auf die Eingruppierung der beiden Arbeitnehmer in die Tarifgruppe TV V des einschlägigen Tarifvertrags – ggf. nach gerichtlicher Zustimmungsersetzung –, haben ein Initiativrecht zum Gegenstand, das dem Betriebsrat im Bereich der Mitbestimmung nicht zusteht. Dem Arbeitgeber kann nur die Einleitung eines ergebnisoffenen Zustimmungsverfahrens aufgegeben werden, nicht aber die Zuordnung einer ausgeübten Tätigkeit zu einer bestimmten Entgelt- oder Lohngruppe; auf dieser Grundlage besteht kein Anspruch auf die Durchführung eines Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG. (vgl. BAG, Beschluss vom 25.08.2010 – 4 ABR 104/08 – Rn. 43). Die Anträge sind also abzuweisen, ohne dass dies die Stattgabe der Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin betreffend die Eingruppierung der beiden Arbeitnehmer in die Tarifgruppe TV IV des einschlägigen Tarifvertrags bedingt. Tatsächlich hat das Arbeitsgericht bei Abweisung der Anträge des Betriebsrats nur dem Zustimmungsersetzungsantrag betreffend die Eingruppierung des Arbeitnehmers N. in die Tarifgruppe TV IV des einschlägigen Tarifvertrags entsprochen und den anderen Zustimmungsersetzungsantrag zurückgewiesen (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.05.2019 – 5 Ta 36/19 – Rn. 16: keine Addition, sondern Maßgeblichkeit des Antrags mit dem höheren Wert in dem Fall, dass im Rahmen des Einleitungserzwingungsverfahrens keine bestimmte Vergütungsgruppe begehrt wird).
III.
29
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG. Die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG wird nicht ermäßigt, weil die Beschwerde überwiegend (8.000,00 €) zurückgewiesen wird.
IV.
30
Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO BAG, Beschluss vom 17.03.2003 – 2 AZB 21/02 –).