Titel:
Dublin-Verfahren (Spanien)
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a, § 34a Abs. 2 S. 1
Dublin III-VO Art. 8 Abs. 4, Art. 13 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5,Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
In Spanien bestehen weder systemische Mängel des Asylverfahrens noch der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Dublin III-VO, Abschiebungsanordnung nach Spanien, Bezugnahme auf Bescheid, Systemische Mängel (verneint), Minderjährigkeit (verneint), Behördliche Altersfestsetzung, Sierra-leonische Geburtsurkunde, Abschiebungsanordnung, Geburtsurkunde, Minderjährigkeit, vorläufige Inobhutnahme, Sierra-Leone, Spanien, Aufnahmebedingungen, systemische Mängel
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35252
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die angeordnete Überstellung nach Spanien im Rahmen des sogenannten „Dublin-Verfahrens“.
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Der Antragsteller, ein sierra-leonischer Staatsangehöriger, reiste am … ... 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er äußerte ein Asylgesuch, von dem die Antragsgegnerin am … ... 2023 Kenntnis erhielt. Der förmliche Asylantrag datiert vom … August 2023.
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Bei der Registrierung der persönlichen Daten gab der Antragsteller unter dem … ... 2023 an, am … 2004 geboren zu sein, und unterschrieb dies.
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Aufgrund der Eurodac-Treffermeldung vom ... 2023, die einen Treffer der Kategorie 2 für Spanien vom … Dezember 2022 enthielt, richtete die Antragsgegnerin am … ... 2023 ein Aufnahmegesuch an die spanischen Behörden, das am gleichen Tag dort einging. Die spanischen Behörden erklärten die Übernahme des Antragstellers mit Schreiben vom … ... 2023, das bei der Antragsgegnerin am gleichen Tag einging. In Spanien ist der Antragsteller mit Geburtsdatum … ... 2000 registriert.
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Am … ... 2023 wurde der Antragsteller vorläufig in Obhut genommen, weil er unter Vorlage eines Ausweispapiers angab, am … 2008 geboren zu sein. Da im rechtsmedizinischen Gutachten vom … ... 2023 die Volljährigkeit des Antragstellers festgestellt wurde, setzte die Landeshauptstadt M. unter dem … 2023 das Geburtsdatum des Antragstellers auf … 2005 fest und beendete mit Bescheid vom gleichen Tag die vorläufige Inobhutnahme. Über den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Antragstellers ist noch nicht entschieden. Zur Begründung des Widerspruchs wird auf eine in Kopie vorgelegte sierra-leonische Geburtsurkunde verwiesen, nach der der Antragsteller am … 2008 geboren ist.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom … September 2023, dem Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Kanzleieingangsstempels am … September 2023 als Einschreiben zugestellt, wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, die Abschiebung nach Spanien sowie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG für die Dauer von 21 Monaten ab dem Tag der Abschiebung angeordnet. Dabei wird im Bescheid die behördliche Altersfestsetzung (Geburtsdatum ... 2005) zugrunde gelegt, da der Antragsgegnerin bis zum Entscheidungszeitpunkt das Original der sierra-leonischen Geburtsurkunde, die das Geburtsdatum … 2008 enthält, nicht vorgelegt worden ist. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21. September 2023, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen diesen Bescheid erhoben (Az. M 10 K 23.51015). Gleichzeitig wird beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wird auf die bisherigen Angaben des Antragstellers Bezug genommen. Der Antragsteller sei am … 2008 geboren, wie sich aus der in Kopie vorgelegten sierra-leonischen Geburtsurkunde, ausgestellt am … ... 2019, ergebe. Der Antragsteller werde das Original nachreichen. Gegen den Bescheid über die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme habe der Antragsteller Widerspruch eingelegt. Der Antragsteller sei minderjährig. Deswegen sei Deutschland für die Bearbeitung seines Asylantrags zuständig.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 25. September 2023,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Nach Vorlage der originalen Geburtsurkunde bei der Antragsgegnerin am … Oktober 2023 beruft sich die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom … November 2023 darauf, dass im vorliegenden Fall von einer Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei, ohne dass es auf eine Echtheitsprüfung der originalen Geburtsurkunde ankomme. In der Akte befänden sich bis zur Anhörung des Antragstellers jedenfalls ganz überwiegend Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller volljährig sei. Sowohl in der Anlaufbescheinigung als auch bei der Registrierung der persönlichen Daten sei das Geburtsdatum … 2004 angegeben worden. Bei den spanischen Behörden sei der Antragsteller mit Geburtsdatum … 2000 registriert. Im Übrigen gehe die Altersfestsetzung der Landeshauptstadt M. aufgrund einer rechtsmedizinischen Untersuchung vom Geburtsdatum … 2005 aus. Medizinische Altersfeststellungen hätten grundsätzlich einen hohen Grad an Gewissheit und seien ein valides und plausibles Beweismittel im Asylverfahren. Im Übrigen herrsche in vielen afrikanischen Staaten, auch im Nachbarland S. L.s, Guinea, ein chronisch unzuverlässiges Urkundenwesen. Hierzu werde auf den Bericht des Auswärtigen Amts vom 7. April 2021 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea, verwiesen, da für S. L. kein aktueller Lagebericht existiere.
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Hierauf hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. November 2023 repliziert, dass er seit seiner Einreise in Deutschland sein Geburtsdatum immer mit … 2008 angegeben habe. Man habe ihm jedoch nicht geglaubt. Die Behörden hätten sein Geburtsdatum daher auf … 2004 geschätzt. Trotz seines diesbezüglichen Protests sei eine Änderung des Geburtsdatums nicht erfolgt. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe von Anfang an sein Geburtsdatum mit … 2004 angegeben, sei falsch. Schon das Datum … 2004 deute darauf hin, dass es sich um ein gewillkürtes und von den Behörden geschätztes Datum handle. Auch u.a. bei der Landeshauptstadt M. habe der Antragsteller sein Geburtsdatum mit ... 2008 angegeben. Auch in den Behördenakten der Antragsgegnerin werde verschiedentlich als Geburtsdatum der … 2008 geführt. Die originale Geburtsurkunde habe dem Antragsteller erst kurz vor der Klageerhebung zur Verfügung gestanden. Es wird daher nochmals die Echtheitsprüfung der originalen Geburtsurkunde beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 10 K 23.51015, sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist nicht begründet.
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Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG) – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
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Letzteres ist vorliegend der Fall. Nach summarischer Prüfung sind die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid als gering anzusehen. Die Abschiebungsanordnung erweist sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, da der Asylantrag zutreffend nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG als unzulässig abgelehnt worden ist.
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1. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG i.V.m. der Dublin III-VO ist Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
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Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO (Art. 7 ff. Dublin III-VO) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, zuständig.
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a) Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Zuständigkeit Deutschlands nicht aus Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO aufgrund des Vortrags, dass der Antragsteller minderjährig sei.
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Gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ist bei Abwesenheit eines Familienangehörigen, eines Geschwisters oder eines Verwandten der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
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Nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage und des Sachvortrags der Beteiligten ist nicht von einer Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen. Dies ergibt sich mangels belastbarer anderer Nachweise aus der behördlichen Altersfestsetzung vom ... 2023, die als Geburtsdatum des Antragstellers den … 2005 festlegt. Dies zugrunde gelegt, war der Antragsteller im Zeitpunkt der Stellung seines Asylantrags in Deutschland am … 2023 gemäß Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts: BVerwG, U.v. 16.11.2015 – 1 C 4/15 – juris Rn. 17) volljährig.
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Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller gegen die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme vom … 2023, die auf der behördlichen Altersfestsetzung beruht, Widerspruch eingelegt hat. Denn das Gericht ist an diese Altersfestsetzung (tatbestandlich) gebunden. Die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme ist sofort vollziehbar. Der dagegen gerichtete Widerspruch hat gemäß § 42f Abs. 3 Satz 1 SGB VIII keine aufschiebende Wirkung.
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Nach summarischer Prüfung wird ein anderer Geburtstag des Antragstellers auch nicht durch die vorgelegte sierra-leonische Geburtsurkunde bewiesen, ohne dass es auf deren Echtheitsprüfung durch deutsche Behörden ankäme.
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Grundsätzlich würde zum Beweis der Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Bundes genügen (vgl. § 438 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 98 VwGO). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht möglich. Die Legalisation sierra-leonischer Urkunden nach § 13 KonsularG wurde durch die Deutsche Botschaft ... (die auch für S. L. zuständig ist) ab 1. Juli 2010 eingestellt, da in S. L. die Voraussetzungen zur Legalisation von öffentlichen Urkunden nicht gegeben sind. Ein hoher Prozentsatz der vorgelegten Urkunden war inhaltlich unrichtig. Zudem wurden der Botschaft regelmäßig gefälschte oder verfälschte Urkunden vorgelegt (vgl. hierzu: Merkblatt der Deutschen Botschaft A.zur Einstellung der Legalisation sierra-leonischer Urkunden und möglicher Urkundenüberprüfungen im Wege der Amtshilfe, Stand: Juli 2017, abgerufen im Internet am 24.11.2023 unter: https://...).
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Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 438 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO, die an die Stelle der nicht möglichen Legalisation tritt, sprechen vorliegend nach summarischer Prüfung die überwiegenden Umstände des Falles dafür, dass der vorgelegten Geburtsurkunde kein Beweiswert zukommt. Unabhängig davon, ob die Geburtsurkunde echt ist, spricht viel dafür, dass sie inhaltlich unrichtig ist. Denn es ist gerichtsbekannt, dass in S. L. kein zuverlässiges Urkundenwesen besteht. Insbesondere ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass in S. L. problemlos echte, aber inhaltlich unrichtige Dokumente beschafft werden können. Die Deutsche Botschaft ...hat die Legalisation von öffentlichen Urkunden gerade deswegen eingestellt (s. hierzu bereits oben), weil ein hoher Anteil der vorgelegten Urkunden inhaltlich unrichtig ist. Regelmäßig wurden gefälschte oder verfälschte Urkunden vorgelegt. Ferner existiert in S. L. kein geordnetes Meldewesen (vgl. hierzu: VG München, U.v. 7.8.2020 – M 30 K 17.70084 – juris Rn. 22), so dass auch keine zuverlässige Führung eines Geburtenregisters anzunehmen ist. Im Übrigen ist in vielen afrikanischen Staaten das Urkundenwesen unzuverlässig, so auch im Nachbarland von S. L., G.. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Guinea vom 7. April 2021 (Stand: Januar 2021, S. 17 f.), der mangels aktuellem Lagebericht für S. L. herangezogen wird, herrscht in Guinea ein chronisch unzuverlässiges Urkundenwesen mit allen damit einhergehenden Möglichkeiten der Identitätsverschleierung. In der Praxis geschieht dies oft über Nachbeurkundungen zur Geburt. Es gibt neben einer Vielzahl gefälschter Urkunden auch eine Fülle echter, aber inhaltlich unrichtiger Urkunden, meist in Form der genannten Nachbeurkundungen zur Geburt (vgl. hierzu ebenso die Situation im nahe gelegenen Gambia: Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 12.1.2022, Stand: Dezember 2021, S. 15).
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Hinzu kommen die Umstände des konkreten Einzelfalls. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit unterschiedliche Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht, was ein weiteres Indiz gegen die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Geburtsurkunde mit Geburtsdatum … ... 2008 ist. Jedenfalls bei der Registrierung der persönlichen Daten am … ... 2023 in Deutschland hat er selbst handschriftlich angegeben und unterschrieben, am … 2004 geboren zu sein. Darüber hinaus ist er in Spanien mit dem Geburtsdatum … ... 2000 registriert. Zudem ist die vorgelegte Geburtsurkunde nachträglich, nämlich am … ... 2019, ausgestellt worden, was eine oben geschilderte zwar echte, aber inhaltlich unrichtige Nachbeurkundung nahelegt.
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b) Die Zuständigkeit Spaniens folgt vielmehr aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO, da der Antragsteller dort zuerst eingereist ist.
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Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Der Eurodac-Treffer „ES2“ belegt die illegale Einreise des Antragstellers nach Spanien, da der Antragsteller nach dem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen worden ist und ihm am … Dezember 2022 Fingerabdrücke genommen worden sind, vgl. Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 VO (EU) 603/2013 über Eurodac zum Fingerabdruckdaten-Abgleich (Eurodac-VO). Dies wird zudem durch die Angaben des Antragstellers in seiner Anhörung bestätigt, da der Antragsteller ausgeführt hat, zuerst in Spanien eingereist zu sein. Die Zuständigkeit Spaniens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO infolge Ablaufs der einjährigen Frist nach Grenzübertritt beendet.
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Das Aufnahmegesuch an Spanien ist am … ... 2023 und damit innerhalb der nach Art. 18 Abs. 1a, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO geltenden Frist von zwei Monaten gestellt worden, weil diese Frist mit der Eurodac-Treffermeldung vom ... 2023 begonnen hat. Diesem Aufnahmeersuchen haben die spanischen Behörden am … ... 2023 und somit innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO zugestimmt.
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2. Die Abschiebung nach Spanien kann durchgeführt werden (vgl. § 34a Abs. 1 AsylG). Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Spanien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre. Zunächst wird diesbezüglich auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 3 AsylG), die die derzeitige Situation für Asylbewerber in Spanien sowie die Rechtsprechung, nach der systemische Mängel verneint werden, detailliert wiedergibt.
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Im Einklang mit der aktuell herrschenden Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (vgl. hierzu aktuell: VG München, B.v. 19.9.2023 – M 10 S 23.50966 – n.v. m.w.N.; VG Düsseldorf, B.v. 20.1.2023 – 22 L 2724/22.A – juris; VG Leipzig, B.v. 7.10.2022 – 6 L 578/22.A – juris; VG Ansbach, B.v. 6.10.2022 – AN 17 S 22.50150 – juris; für anerkannt Schutzberechtigte: ThürOVG, B.v. 18.1.2023 – 2 ZKO 283/22 – juris).
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Vor diesem Hintergrund bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass der Antragsteller, der jung, gesund und arbeitsfähig ist, bei einer Rückkehr nach Spanien in extreme materielle Not gerät, die es nicht ermöglicht, die elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Gegenteiliges hat der Antragsteller auch nicht behauptet.
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3. Auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet aus, da der Antragsteller bereits keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum Nachweis der behaupteten körperlichen Beschwerden vorgelegt hat. Im Übrigen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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4. Auch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ist weder vorgetragen noch erkennbar. Insbesondere ist nicht von einer Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen (s.o.).
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5. Ferner ist ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot weder behauptet noch ersichtlich.
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6. Schließlich liegen individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen würden, nicht vor. Ein besonderer Ausnahmefall, in dem sich das der Antragsgegnerin im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Ermessen zu einer Pflicht zum Selbsteintritt verdichten würde, ergibt sich insbesondere nicht aus der behaupteten Minderjährigkeit des Antragstellers. Nach summarischer Prüfung ist von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen (s.o.).
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).