Inhalt

OLG München, Endurteil v. 15.11.2023 – 7 U 3448/22
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtung mangels erstattungsfähigen Schadens

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems rechtfertigt die Bewertung als sittenwidriges Verhalten für sich genommen indes auch bei unterstellter Gesetzwidrigkeit der Applikation nicht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sowohl beim Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als auch beim kleinen Schadensersatz nach § 826 BGB sind die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeuges nur insoweit und erst dann schadensmindernd anzurechnen, wenn sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen. Erreichen sie den ursprünglich gezahlten Kaufpreis, besteht kein Schaden. Dem vollständigen Wegfall des Schadens stehen auch die Grundsätze des Unionsrechts nicht entgegen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
EA 288, Differenzschaden, unzulässige Abschalteinrichtung, Dieselskandal, On-Board-Diagnosesystem
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 06.05.2022 – 43 O 15795/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35045

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 06.05.2022, Az. 43 O 15795/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz im Rahmen des Dieselskandals.
2
Am 15.12.2020 kaufte die Klagepartei bei der … GmbH & Co oHG in M. den gebrauchten Pkw … (Fahrzeugidentifikationsnummer …) zum Preis von 19.947,00 € brutto (vgl. den Kaufvertrag laut Anl. K 1). Das Fahrzeug, das am 12.07.2016 erstmals zugelassen worden war, ist mit einem Dieselmotor EA 288, Schadstoffklasse Euro 6 ausgestattet und verfügt über einen SCR-Katalysator. Zum Zeitpunkt des Kaufs wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 77.866 und am 14.11.2023 von 121.093 auf.
3
Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs.
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Die Klagepartei behauptete, in der Motorsoftware seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut.
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Die Klagepartei beantragte,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 18.767,60 € (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageeinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 300.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zzgl. Zinsen aus dem sich dadurch ergebenden Klageforderungsbetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … … mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer … .
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte erwiderte, dass in dem Motor EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung implementiert sei und sie vollumfänglich mit dem KBA kooperiert habe. Das KBA habe die Motorsteuerungssoftware auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen untersucht und das Nichtvorhandensein mehrfach bestätigt.
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Mit Endurteil vom 06.05.2022, Az. 43 O 15795/21, wies das Landgericht München I die Klage ab. Es bestünden weder vertragliche Rückabwicklungsansprüche noch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass es dem klägerischen Vorbringen keinerlei greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Manipulationssoftware in Form einer unzulässigen Abschalteinrichtung erkennen könne. Das bloße Vorliegen einer Prüfstands- oder Fahrkurvenerkennung stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar, da eine Einwirkung auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs nicht erkennbar sei. Auch aus dem Umstand, dass – wie die Klagepartei behaupte – im Straßenbetrieb anders als auf dem Prüfstand die gesetzlichen Grenzwerte überschritten würden, lasse sich für eine Haftung nichts ableiten. Im Übrigen sei der Motor EA 288 umfänglich durch die Untersuchungskommision … und das KBA untersucht worden, ohne dass unzulässige Abschalteinrichtungen gefunden worden wären. Auch habe das KBA hinsichtlich des gleichen Motors in einem anderen Verfahren mitgeteilt, dass es keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gebe. Selbst wenn man aber den objektiven Tatbestand des § 826 BGB bejahen sollte, so fehle es jedenfalls an der subjektiven Komponente.
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Ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei nach § 823 Abs. 2 iVm. Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 715/2007 bestehe nicht, da diese Vorschrift nicht drittschützend sei.
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Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
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Die Klagepartei verfolgt mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
12
Die Klagepartei beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 18.767,60 € abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 300.000 km zu berechnenden [sic] Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zzgl. Zinsen aus dem sich dadurch ergebenden Klageforderungsbetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … … mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer … .
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 € freizustellen.
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Für den Fall, dass der Senat der Meinung sei, dass der Klagepartei lediglich ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zustehe,
beantragt die Klagepartei hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs … …, FIN: …, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 2.992,05 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
Die Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.
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Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.
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Der Senat hat am 15.11.2023 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2023 (Bl. 615/619 d.A.), die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
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Die zulässige Berufung der Klagepartei bleibt ohne Erfolg, da die zulässige Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet ist. Die Klagepartei kann von der Beklagten weder verlangen, den Kaufvertrag vom 15.12.2020 mit der … GmbH in M. über das streitgegenständliche Fahrzeug rückgängig zu machen (großer Schadensersatz), noch ihr einen Differenzschaden zu erstatten (kleiner Schadensersatz).
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I. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf den großen Schadensersatz, d.h. die Rückabwicklung des Kaufvertrags, besteht nicht.
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1. Vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte, die Herstellerin des Fahrzeugs, aber nicht Verkäuferin ist, kommen nicht in Betracht.
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2. Die Voraussetzungen für einen Anspruch gem. §§ 826, 31 BGB liegen nicht vor. Es fehlt vorliegend bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten.
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a. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rdnr. 15 m.w.N.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, aaO).
22
Danach liegt ein sittenwidriges Verhalten eines Fahrzeugherstellers vor, wenn dieser sich im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, sich die Typengenehmigungen durch arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamts (KBA) zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze macht (BGH, aaO, Rdnr. 25). Dies ist der Fall, wenn der Automobilhersteller dem KBA zwecks Erlangung der Typengenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Software, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden (Umschaltlogik), wahrheitswidrig vorspiegelt, die Fahrzeuge würden die festgelegten Grenzwerte einhalten (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 17).
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Im Übrigen kann ein objektiv sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht allein daraus abgeleitet werden, dass im Fahrzeug der Klagepartei Einrichtungen vorhanden sein sollen, die die Abgasemissionen beeinflussen und möglicherweise als unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren sind. Im Falle einer Abschalteinrichtung, die – anders als die Umschaltlogik – nicht danach differenziert, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 18), ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem Gesetzesverstoß weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, aaO, Rdnr. 19). Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 19). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Klagepartei als Anspruchsteller (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 19). Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es an einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB.
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b. Die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug ist unstreitig abhängig von der Umgebungstemperatur. Streitig sind allerdings die genauen Temperaturdaten, zu denen eine Verminderung oder eine Abschaltung erfolgen soll. Die Klagepartei behauptet, die Abgasbehandlung würde nur im Bereich zwischen 20 C und 30 C beanstandungsfrei funktionieren. Die Beklagte bestreitet dies und behauptet, dass die Abgasrückführung im Temperaturbereich zwischen -24°C und +70°C ohne Abrampung vollständig aktiv sei.
25
Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems rechtfertigt die Bewertung als sittenwidriges Verhalten für sich genommen indes auch bei unterstellter Gesetzwidrigkeit der Applikation nicht (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 13 und Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 16). Denn anders als die Umschaltlogik differenziert das Thermofenster im vorliegenden Fall nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 18).
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Bei dieser Sachlage wäre – wie ausgeführt – der Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem – unterstellten – Gesetzesverstoß weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließe (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 19). Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Applikation der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urteil vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20, Rdnr. 28).
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Davon ist hier nicht auszugehen. Die Rechtsfrage, ob das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt oder nicht, war hoch umstritten. Der Bericht der Untersuchungskommission … vom April 2016 ging von der Zulässigkeit des Thermofensters aus. Daher liegt es keineswegs auf der Hand und kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Beklagte von der Unzulässigkeit des Thermofensters ausging oder die Augen hiervor bewusst verschlossen hätte (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 30). Zwar könnten sich unter Umständen aus einer etwaigen Verschleierung im Typengenehmigungsverfahren, dass die Abgasrückführungsrate (auch) temperaturabhängig ist, Anhaltspunkte für ein Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen, eine unzulässige Einrichtung einzusetzen, und mithin für eine Täuschungsabsicht ergeben (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 24). Indes lässt sich aus dem Klägervortrag hier keine derartige Verschleierung ableiten, der ein solcher Indizcharakter zukäme. Eine unterbliebene Offenlegung des Thermofensters oder dessen genauer Wirkungsweise gegenüber dem KBA reichen insofern nicht aus (BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnr. 15; Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 26; Urteil vom 24.03.2022 – III ZR 270/20, Rdnr. 22).
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Ebenso fehlt es an dem für § 826 BGB erforderlichen Schädigungsvorsatz. Allein aus einer etwaigen objektiven Unzulässigkeit des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer; im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Klagepartei hätte aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/22, Rdnr. 32; BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnr. 23).
29
c. Die Behauptungen der Klagepartei zu weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs sind nicht substantiiert genug, um die Annahme eines Anspruchs aus § 826 BGB oder auch nur eine weitere Beweisaufnahme hierzu zu rechtfertigen.
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Zwar ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblicks in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnrn 26 f.). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnr. 28).
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Auch bei Zugrundelegung dieser strengen Grundsätze verfehlen die Behauptungen der Klagepartei zu weiteren Abschalteinrichtungen die Substantiierungsanforderungen.
32
aa. Ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Fahrkurvenerkennung implementiert ist, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klagepartei hat eine Fahrkurvenerkennung behauptet, die nach Erkennen des Prüfstands den SCR-Katalysator früher als im Normalbetrieb, nämlich schon bei Temperaturen unter 200 C zuschalte, wobei zugleich eine höhere Menge AdBlue zur Verringerung der Nox-Emissionen eingedüst werde und abweichend vom Normalbetrieb die Abgasrückführungsrate nach dem Zuschalten des SCR-Katalysators nicht reduziert werde, sondern unverändert hoch bleibe. Im Normalbetrieb hingegen werde die Abgasrückführungsrate ab 200 C reduziert (vgl. Klageschrift, S. 8 ff.). Die Beklagtenpartei ist dem entgegengetreten (Klagerwiderung S. 6).
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Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob die klägerische Sachverhaltsdarstellung zutrifft und eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 vorliegt. Denn jedenfalls lässt sich anders als bei der Umschaltlogik der EA 189 Motoren nicht schon aus der Verwendung der behaupteten und – unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtung ein arglistiges Verhalten der Beklagten ableiten. Eine Fahrkurvenerkennung/Zykluserkennung ist für eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB nämlich nur dann relevant, wenn eine auf dem Prüfstand erkannte Fahrkurve Auswirkungen auf das Emissionsverhalten hat (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnr. 48). Daran fehlt es aber.
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Es fehlen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der (unterstellte) Einsatz der Fahrkurvenerkennung für die Einhaltung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen durch den streitgegenständlichen Motor im Prüfstand relevant war. Das KBA hat u. a. mit Auskünften vom 13.11.2020 (Anlage B 18) und vom 15.12.2020 (Anlage B 15) zum Motortyp EA 288 ausdrücklich bestätigt, dass auch bei Deaktivierung der Funktion der Fahrkurvenerkennung die Grenzwerte im Prüfverfahren eingehalten werden. Speziell zur Motorkonfiguration mit EU6 und 110 kW hat das KBA mit Auskunft gegenüber dem Landgericht Freiburg vom 12.10.2020 (Teil des Anlagenkonvoluts B 40) bestätigt, dass nach Tests keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens bestehe. Die EA 288-Motoren wurden vom KBA gerichtsbekannt insgesamt dreimal überprüft: zunächst im Rahmen der Untersuchungskommission … vom Oktober 2015 bis April 2016, sodann in den Jahren 2017 bis 2019 vor Freigabe des freiwilligen Software-Updates (im Hinblick auf das Nationale Forum Diesel) und nochmals in den Jahren 2019 und 2020. Dabei war das KBA durch die vorher bekannt gewordene, auch nach Ansicht des KBA unzulässige, Umschaltlogik im Rahmen des EA 189 sensibilisiert. Zudem hatte die Beklagte das KBA u. a. mit Schreiben vom 29.12.2015 (Anlage B5) von der Fahrkurvenerkennung in Motoren EA 288 unterrichtet. Dennoch kam das KBA bei den Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht vorliege und die Grenzwerte im NEFZ auch ohne die Fahrkurvenerkennung eingehalten würden. Aufgrund dieser Untersuchungen des KBA kommt es auch nicht darauf an, ob – wie die Klagepartei behauptet – der Privatsachverständige Dr. H. in der Motorsteuerungssoftware eine Prüfstandserkennung festgestellt haben will (vgl. Anl. K 10).
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Die Implementierung einer Funktion, die vom KBA nach mehrfachen ausführlichen Untersuchungen als zulässig angesehen wurde, vermag den Vorwurf einer arglistigen Erschleichung der Typengenehmigung nicht zu tragen.
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Zudem kann vorliegend das Verhalten der Beklagten in Bezug auf eine etwaige Fahrkurvenerkennung keinesfalls mehr bei Erwerb des fraglichen Fahrzeugs durch die Klagepartei am 15.12.2020 als verwerflich angesehen werden. Wie ausgeführt hatte die Beklagte das KBA schon mit Schreiben vom 29.12.2015 (Anlage B 5, Klageschrift S. 8 ff.) über Fahrkurvenerkennung unterrichtet.
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bb. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den „Applikationsrichtlinien“ vom 18.11.2015 ableiten. Zum einen sind diese mit dem KBA vereinbart worden (Anlage B 7, S. 2), was die Klagepartei nicht in Abrede stellt. Nach unbestrittenem Beklagtenvortrag hat die Beklagte die Richtlinie dem KBA mit Schreiben vom 29.12.2015 (Anlage B 5) zur Kenntnis gegeben. Dies spricht gegen eine Täuschungsabsicht der Beklagten. Im Übrigen ergeben sich aus der Richtlinie keinerlei Anhaltspunkte für eine (vom KBA nach eingehenden Prüfungen verneinte) Grenzwertrelevanz der Fahrkurvenerkennung auf dem Prüfstand. Ein Anhaltspunkt für ein die Haftung gegenüber der Klagepartei begründendes sittenwidriges Verhalten der Beklagten ergibt sich hieraus, wie dargelegt, nicht.
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Auch weitere von der Klagepartei behauptete Auswirkungen der Prüfstanderkennung (insbesondere eine erhöhte Abgasrückführungsrate) bleiben nach dem Vorstehenden ohne Substanz. Ein Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist nicht notwendige Bedingung für eine Haftung gem. §§ 826, 31 BGB, kann aber einen greifbaren Anhaltspunkt für den klägerischen Vortrag bieten. Ein solcher Rückruf ist nicht erfolgt. Aus Rückrufen von anderen Fahrzeugmodellen kann die Klagepartei keine Rechte ableiten, da das streitgegenständliche Fahrzeug offensichtlich nicht betroffen ist.
39
cc. Der Vorwurf der Klagepartei, die Beklagte habe ferner mittels eines manipulierten On-Board-Diagnosesystems (OBD) getäuscht bzw. die Programmierung des OBD belege den Täuschungsvorsatz, rechtfertigt gleichfalls nicht die Annahme eines Anspruchs aus § 826 BGB. Nach Absatz 3.3.2 des Anhangs 11 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 muss das OBD-System die Fehlfunktion eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems anzeigen, wenn diese Fehlfunktion dazu führt, dass die Abgasemissionen bestimmte Schwellenwerte übersteigen. Danach ist es plausibel und deutet nicht auf eine bewusste Manipulation hin, wenn eine Fehlermeldung nicht erscheint, wenn und weil die Fahrzeugkomponenten programmgemäß – und also aus der Perspektive der Fahrzeugtechnik ordnungsgemäß und nicht fehlerhaft – arbeiten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2022, 6 U 128/20, Rdnr. 65). Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit ein manipuliertes Diagnosesystem eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen sollte, da es nicht auf das Abgasreinigungssystem einwirkt, sondern lediglich Fehlfunktionen anzeigen soll. Im Ergebnis kann sogar offenbleiben, ob das OBD-System tatsächlich falsch programmiert ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde es sich um einen „schlichten“ Mangel des Fahrzeuges handeln, den ggf. der Verkäufer zu beseitigen hätte. Indes liegt weder eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, noch sind die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs gegen die Beklagte gegeben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11.01.2022 – 7 U 84/21, Rdnr. 55).
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dd. Aufgrund der oben unter aa. dargelegten mehrmaligen eingehenden KBA-Untersuchungen und deren Ergebnis, wonach bei dem streitgegenständlichen Motor EA 288 unzulässige Abschalteinrichtungen nicht festzustellen waren, gibt es auch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die von der Klagepartei behauptete Manipulation der AdBlue-Einspritzung (vgl. Klageschrift, S. 40 ff.).
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ee. Die Klagepartei behauptet des Weiteren, die in dem Motor implementierte Software wirke auf das Getriebe des Fahrzeugs dergestalt ein, dass auf die Schaltpunkte Einfluss genommen werde, sobald das Lenkrad um mehr als 15 Grad gedreht werde. Da die Schaltpunkte des Getriebes bei einem kalten Motor ohne Lenkradeinschlag höher als nach einem Lenkradeinschlag seien, würden auf dem Prüfstand geringere Kohlenstoffdioxid- und Stickoxidwerte gemessen als im normalen Straßenverkehr. Das Landgericht ist diesem von der Beklagten bestrittenen Vorbringen aufgrund seiner Unsubstanziiertheit zu Recht nicht nachgegangen. Denn wie sich aus dem Bericht der Untersuchungskommission (Anl. B 1) ergibt, hat das KBA im Rahmen der Messungen zur Vorbereitung dieses Berichts Tests im normalen Straßenbetrieb, bei dem es offenkundig zwangsläufig zu Lenkradeinschlägen kommt, vorgenommen, die allesamt keine Hinweise auf eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Lenkwinkeleinschlagerkennung ergaben.
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Zwar ist eine Behauptung erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Auch unter Anwendung dieser strengen Maßstäbe fehlen aber für eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Lenkwinkelerkennung in den Schriftsätzen des Klägervertreters aus den oben bezeichneten Gründen jegliche Anhaltspunkte.
43
ff. Auch in einer Gesamtschau des klägerischen Vortrags zu Abschalteinrichtungen fehlen greifbare Anhaltspunkte zum Beleg für sittenwidriges Handeln der Beklagten, sodass ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB nicht in Betracht kommt.
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3. Mangels vorsätzlichen Handelns scheidet auch ein Anspruch gem. §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB aus.
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II. Der Klagepartei hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auf Erstattung des Differenzschadens, den der Senat vorliegend mit 10% des Kaufpreises des Fahrzeugs bemisst, da der Klagepartei unter Berücksichtigung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung ein Schaden nicht verblieben ist. Ein solcher Anspruch steht der Klagepartei deshalb unbeschadet des – wie oben unter I dargelegt – ohnehin fehlenden Vorsatzes der Beklagten auch als kleiner Schadensersatz aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 I.V.m. § 263 Abs. 1 StGB nicht zu. Es kann deshalb im vorliegenden Fall offenbleiben, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.
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1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Differenzschaden vorbehaltlich der im Einzelfall vorzunehmenden Vorteilsausgleichung auf eine Bandbreite zwischen 5 und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzt (BGH, Urteile vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnr. 73 und vom 20.07.2023 – III ZR 267/20, Rdnr. 34). Für die gemäß § 287 ZPO vorzunehmende Festlegung des Schadens innerhalb dieser Bandbreite sind die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Betrachtung zu gewichten. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, welches Ausmaß an behördlichen Anordnungen auf Grund der festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung drohte und wie groß die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Anordnungen war, welches Gewicht dem festgestellten Verstoß des Herstellers bezogen auf das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte zukommt und schließlich mit welchem Verschuldensgrad der Hersteller den Verstoß verwirklicht hat.
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Hiervon ausgehend erscheint dem Senat die Bemessung des Schadens im vorliegenden Fall mit 10% des Kaufpreises als sachgerecht, da es sich um einen mit Blick auf die genannten Kriterien durchschnittlichen Fall handelt. Besondere Umstände, welche diesen Fall in die eine oder andere Richtung gegenüber anderen Fällen hervorheben würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.11.2023 – 24 U 14/21, Rdnrn 125 f.). Daraus folgt, dass der Differenzschaden im Streitfall im Ausgangspunkt mit 1.947,00 € zu bemessen ist (§ 287 ZPO).
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2. Im Wege des Vorteilsausgleichs muss sich der Geschädigte diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Er darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr; vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rdnr. 65). Diese Grundsätze führen im Streitfall dazu, dass der Klagepartei zum Schluss der mündlichen Verhandlung – dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt für die Bewertung der anzurechnenden Vorteile (etwa: BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Rdnr. 23 mwN) – ein Schaden nicht verbleibt.
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a. Im Streitfall folgt dies allerdings noch nicht allein aus der Berücksichtigung des Restwertes und der von der Klagepartei gezogenen Nutzungsvorteile. Sowohl beim Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als auch beim kleinen Schadensersatz nach § 826 BGB sind die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeuges nur insoweit und erst dann schadensmindernd anzurechnen, wenn sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnrn. 44 und 80; zu § 826 BGB BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Rdnr. 22). Erreichen sie den ursprünglich gezahlten Kaufpreis, besteht kein Schaden (OLG Stuttgart, Urteil vom 09.11.2023 – 24 U 14/21, Rdnr 128). Dem vollständigen Wegfall des Schadens stehen auch die Grundsätze des Unionsrechts nicht entgegen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24.07.2023 – VIa ZR 752/22, Rdnr. 12 mwN).
50
b. Die Bewertung der gezogenen Nutzungen schätzt der Senat auf Basis der vom Bundesgerichtshof für zulässig erachteten Methode der linearen Wertminderung (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19, Rdnrn 12 f. und Beschluss vom 12.10.2021 – VIII ZR 255/20, Rdnrn 22 f.) gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km. Dies ergibt bei einer Restlaufleistung von 222.134 km (= 300.000 km – 77.866 km Stand bei Kauf), 43.227 von der Klagepartei gefahrenen Kilometern (aktueller Kilometerstand 121.093 – 77.866 Stand bei Kauf) und einem Bruttokaufpreis von 19.947,00 € einen Nutzungsvorteil von 3.881,66 €.
51
c. Hinsichtlich des für das Fahrzeug anzusetzenden Restwerts legt der Senat den Händlereinkaufspreis des Fahrzeuges zu Grunde (§ 287 ZPO), welchen er über die allgemein bekannte Datenbank der DAT unter Angabe der FIN des Fahrzeuges, seines Erstzulassungsdatums und der aktuellen Laufleistung von 121.093 km ermittelt. Demnach ist zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung von einem Händlereinkaufswert von 16.135,00 € auszugehen. In jeder Hinsicht fernliegend ist die Annahme der Klagepartei, es sei nur der Schrottwert des Fahrzeugs anzusetzen.
52
d. Die Summe aus Nutzungsvorteilen und Händlereinkaufswert in Höhe von 20.016,66 € übersteigt damit den Bruttokaufpreis von 19.947,00 €, sodass der Klagepartei kein auszugleichender Schaden verblieben ist.
53
3. Soweit das Oberlandesgericht Hamburg im Rahmen der Vorteilsausgleichung einen bei der Klagepartei verbliebenen Restwert des Fahrzeuges nicht berücksichtigen will, sofern dieser nicht tatsächlich im Wege der Weiterveräußerung realisiert wurde (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 06.10.2023- 3 U 183/21, Rdnrn 56 ff.), folgt der Senat dem nicht, da dies in Widerspruch zu den ausdrücklichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs steht (u.a. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnr. 80; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 9.11.2023 – 24 U 14/21, Rdnr. 134).
54
III. Da die Klagepartei gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch hat, hat sie auch weder einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Entgegennahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs noch auf Erstattung ihr entstandener vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
C.
55
I. Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
56
II. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
57
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt. Der Senat folgt auch bezüglich der Vorteilsausgleichung der Rechtsprechung des BGH. Das davon abweichende Urteil des OLG Hamburg vom 06.10.2023 begründet deshalb keinen Revisionsgrund.