Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 23.10.2023 – 204 StObWs 397/23
Titel:

Pfändung des Eigengelds eines Strafgefangenen

Normenketten:
StVollzG § 51 Abs. 4, § 109
BayStVollzG Art. 52, Art. 208
ZPO § 766, § 767 Abs. 2, § 850c
InsO § 35, § 36, § 80
Leitsätze:
1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt. (Rn. 11)
2. Der Antragsteller muss einen so hinreichend bestimmten Sachverhalt vortragen, dass es dem Gericht ohne Zuhilfenahme weiterer Erklärungen und Unterlagen möglich ist zu prüfen, ob - auf einen entsprechenden Antrag des Antragstellers hin - eine Maßnahme der Vollzugsbehörde vorliegt, deren Erlass oder Ablehnung ihn möglicherweise in seine Rechten verletzt. (Rn. 13)
3. Auf Grundlage von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen erfolgende Überweisungen durch die Justizvollzugsanstalt von dem Eigengeldkonto des Strafgefangenen auf das Konto des Vollstreckungsgläubigers stellen regelmäßig keine Maßnahmen zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG dar, sondern Handlungen der Justizvollzugsanstalt als Drittschuldnerin in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Wendet sich der Strafgefangene gegen die Rechtmäßigkeit der Pfändung selbst, kann er demnach nur nach den vollstreckungsrechtlichen Regeln der Zivilprozessordnung, also mit der Erinnerung nach § 766 ZPO oder mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO, dagegen vorgehen. (Rn. 21 – 22)
4. Eine von der Anstalt zu verantwortende mit §§ 109 ff. StVollzG anfechtbare Handlung liegt dagegen dann vor, wenn sich diese bei ihren Maßnahmen nicht an den Inhalt der zivilrechtlichen Grundlage der Überweisung, z.B. des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses oder des Insolvenzbeschlags gehalten und etwa irrig von dem Guthaben des Antragstellers Beträge abgebucht hat, die nicht gepfändet worden sind und nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen. (Rn. 24 – 25)
5. Gemäß Art. 52 BayStVollzG zu bildendes Eigengeld eines Strafgefangenen genießt Pfändungsschutz nur nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG; §§ 850 ff. ZPO sind nicht anwendbar. Darüber hinaus unterliegt es dem Insolvenzbeschlag, §§ 35, 36 InsO. (Rn. 29)
Schlagworte:
Rechtsbeschwerde, Fortsetzungsfeststellungsantrag, Eigengeld, Drittschuldner, Insolvenzverwalter, Pfändungsschutz
Vorinstanz:
LG Augsburg vom -- – StVK 27/23
Fundstellen:
ZVI 2024, 192
ZInsO 2024, 146
LSK 2023, 34990
BeckRS 2023, 34990
NStZ-RR 2024, 231

Tenor

1. Dem Strafgefangenen Z. wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist gewährt; Kosten werden insoweit nicht erhoben.
2. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Landsberg am Lech vom 31.05.2023 wird, soweit der Strafgefangene einen Fortsetzungsfeststellungsantrag und einen Antrag auf Festsetzung von niedrigen Raten zur Ansparung des Übergangsgeldes gestellt hat, als unzulässig, im Übrigen als unbegründet verworfen.
3. Der Strafgefangene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500,00 EUR festgesetzt.
5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren samt Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.  

Gründe

I.
1
Der in der Justizvollzugsanstalt L. untergebrachte Strafgefangene beantragte mit Schreiben vom 18.01.2023 im Wege eines Fortsetzungsfeststellungsantrags die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. der Abhängigkeit einer Auszahlung/Freigabe seines Eigengeldes und der rechtswidrigen Einbehaltung/Rückhaltung des Eigengeldes.
2
Im Rahmen dieser Feststellung solle zugleich die nicht angekündigte Verwertung/Freigabe des angeblich gebundenen Eigengeldes im Juli 2022 überprüft werden. Dem lag zu Grunde, dass die Justizvollzugsanstalt L. am 12.07.2022 einen Betrag von 97,90 € aus dem Eigengeld des Strafgefangenen an den Insolvenzverwalter des Strafgefangenen überwiesen hatte. Der Strafgefangene ist der Meinung, dass die Überweisung unrechtmäßig gewesen sei, weil das Übergangsgeld zu diesem Zeitpunkt noch nicht in voller Höhe angespart gewesen sei.
3
Darüber hinaus beantragte der Strafgefangene, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, eine niedrige Sparrate zur Ansparung des Übergangsgeldes festzusetzen.
4
Die Justizvollzugsanstalt L. wies mit Schreiben vom 16.02.2023 zunächst darauf hin, dass sie dem Schreiben des Strafgefangenen keine konkreten Anträge entnehmen könne. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Abbuchung der 97,90 € aus dem Eigengeld des Strafgefangenen beantragte sie aber, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, da keine Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorliege, sondern diese nur ihre zivilrechtlichen Verpflichtungen als Drittschuldner erfüllt hätte. Diese Stellungnahme wurde dem Strafgefangenen mit einem gerichtlichen Hinweis auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des gestellten Antrags mitgeteilt.
5
Mit Schreiben vom 13.03.2023 erwiderte der Strafgefangene hierauf und stellte noch einmal klar, dass aus seiner Sicht die Überweisung der 97,90 € aus dem Eigengeld rechtswidrig gewesen wäre und an ihn zurücküberwiesen werden solle, woraufhin die Justizvollzugsanstalt L. mit Schreiben vom 14.04.2023 erneut auf die fehlende Sachverhaltsdarstellung hinwies. Auch dieser Hinweis wurde dem Strafgefangenen vom Gericht bekanntgemacht.
6
Mit Beschluss vom 31.05.2023 wies die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Landsberg am Lech den Antrag vom 18.01.2023 als unzulässig zurück. Zur Begründung stellte die Strafvollstreckungskammer darauf ab, dass die Überweisung der 97,90 € aus dem Eigengeld an den Insolvenzverwalter keine eigene Maßnahme der Justizvollzugsanstalt gewesen sei.
7
Dieser Beschluss wurde dem Strafgefangenen am 02.06.2023 zugestellt. Am 19.06.2023 beantragte er bei der Justizvollzugsanstalt L. einen Termin zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bei der Rechtsantragsstelle des Landgerichts Augsburg. Am 22.06.2023 beantragte er erneut die Ausführung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit weiterem Antrag vom 04.07.2023 beantragte er nochmals bei der Justizvollzugsanstalt die Ausführung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde und eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit weiterem Schreiben vom 08.07.2023 beantragte der Strafgefangene direkt beim Amtsgericht Landsberg am Lech einen Termin zur Entgegennahme einer Rechtsbeschwerde und erhielt diesen am 17.07.2023. Am 17.07.2023 legte der Strafgefangene sodann zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Landsberg am Lech Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 31.05.2023 ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II.
8
Dem Strafgefangenen war gemäß Art. 208 BayStVollzG, § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG, § 44 S. 1, § 45, § 46 Abs. 1 StPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen, da er die Frist trotz rechtzeitigem Bemühen zur Einlegung der Rechtsbeschwerde wegen der ihm nicht zurechenbaren Verzögerungen der Justizvollzugsanstalt und des angeforderten Urkundsbeamten unverschuldet versäumt hat.
9
III. 1. Die Rechtsbeschwerde vom 17.07.2023 ist – nach gewährter Wiedereinsetzung – gemäß Art. 208 BayStVollzG, § 116 Abs. 1, § 118 Abs. 1 bis 3 StVollzG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, soweit sich der Strafgefangene gegen die Überweisung eines Betrages in Höhe von 97,90 € am 12.07.2022 an seinen Insolvenzverwalter wendet.
10
2. Im Übrigen (Fortsetzungsfeststellungsantrag und Antrag auf Festsetzung von niedrigen Raten zur Ansparung des Übergangsgeldes) ist die Rechtsbeschwerde aber – trotz gewährter Wiedereinsetzung – unzulässig, weil insoweit bereits kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 109 Abs. 1 StVollzG vorliegt und der Beschwerdeführer diesen Antrag mit seiner Rechtsbeschwerde weiterverfolgt.
11
Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt (st. Rspr. des Senats, Beschlüsse vom 19.03.2020 – 204 StObWs 2688/19, vom 24.01.2022 – 204 StObWs 9/22, vom 29.06.2022 – 204 StObWs 263/22, vom 01.12.2022 – 204 StObWs 198/22, jeweils nicht veröffentlicht; KG, Beschlüsse vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 6, vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz, juris Rn. 8, vom 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz, juris Rn. 5; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Auflage 2020, 12. Kap., Abschn. J, Rn. 3).
12
a) Soweit der Strafgefangene beantragt hatte, im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. der Abhängigkeit einer Auszahlung/Freigabe seines Eigengeldes und der rechtswidrigen Einbehaltung/Rückhaltung des Eigengeldes zu treffen, war dieser Antrag unzulässig, da der Strafgefangene insoweit keinen Sachverhalt vorgetragen hat, der einer rechtlichen Prüfung zugänglich ist, insbesondere hat er keine konkrete Maßnahme i.S.d. § 115 Abs. 3 StVollzG geschildert, die sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hätte.
13
Nach § 109 Abs. 2 StVollzG ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn der Strafgefangene geltend macht, durch eine Maßnahme der Vollzugsbehörde oder ihre Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies bedeutet, dass er Tatsachen vortragen muss, die, wenn sie gegeben wären, eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lassen. Der Strafgefangene muss also einen Sachverhalt vortragen, der die Annahme einer Rechtsverletzung nicht von vornherein als völlig abwegig und ausgeschlossen erscheinen lässt. Dem Gericht muss es aufgrund des Sachvortrags möglich sein, einen solchen Sachverhalt ohne Zuhilfenahme weiterer Erklärungen und Unterlagen zu erkennen. Dabei muss die Begründung des Antrags erkennen lassen, welche Maßnahme der Vollzugsbehörde der Antragsteller beanstandet und inwiefern er sich in seinen Rechten verletzt fühlt (KG Berlin, Beschluss vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 8; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 13). Die Anforderungen an das Antragsvorbringen dürfen mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG freilich nicht überspannt werden, insbesondere ist eine schlüssige Darstellung, also einer solchen, die – ihre Richtigkeit unterstellt – eine Rechtsverletzung belegt, nicht erforderlich (KG Berlin a.a.O. Rn. 5; Arloth/Krä a.a.O., § 109 Rn. 13 m.w.N.). Die Anforderungen des § 109 Abs. 2 StVollzG gelten auch für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.01.2021 – 2 Ws 146/20, juris Rn. 5).
14
Unter den Begriff der Maßnahme fällt jedes vollzugsbehördliche Handeln, das im Einzelfall auf die Gestaltung von Lebensverhältnissen mit zumindest auch rechtlicher Wirkung gerichtet ist. Für die Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen einer Justizvollzugsanstalt eine regelnde Maßnahme darstellt, kommt es darauf an, ob die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Antragstellers besteht. Maßnahmen i.S.d. § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG können sowohl Verwaltungsakte als auch Realakte (wie z.B. die Zellendurchsuchung) sein (vgl. Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 109 Rn. 6 mwN). Dabei ist unerheblich, in welcher Form die angefochtene Maßnahme ergeht (zu mündlicher Bescheidung vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2021, 228), ob sie vom Anstaltsleiter oder einem nachgeordneten Bediensteten getroffen wird und ob dieser hierfür auch tatsächlich zuständig gewesen ist. Maßgeblich ist allein, ob die Maßnahme der Vollzugsbehörde zuzurechnen ist (Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 109 Rn. 7 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 24. Ed. 01.08.2023, StVollzG § 109 Rn. 7).
15
Vorliegend hat der Strafgefangene auch nach mehrfachen ihm vom Gericht bekanntgemachten Hinweisen der Justizvollzugsanstalt, dass diese aus den Schreiben des Strafgefangenen einen konkret bezeichneten Sachverhalt nicht erkennen könne, nicht vorgetragen, um welche Maßnahme, deren Rechtswidrigkeit er festgestellt haben will, es sich gehandelt habe. Nachdem es insoweit an einem für die Zulässigkeit des gestellten Antrags erforderlichen Vortrag einer ihn in seinen Rechten verletzenden Maßnahme fehlt, war dieser Antrag und damit auch die Rechtsbeschwerde insoweit unzulässig.
16
b) Soweit der Strafgefangene beantragt hatte, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, eine niedrige Sparrate zur Ansparung des Überbrückungsgeldes auf das Überbrückungsgeldkonto festzusetzen, war der Antrag und damit auch die Rechtsbeschwerde ebenfalls unzulässig, weil Voraussetzung eines derartigen Verpflichtungsantrags ist, dass der Strafgefangene vorher einen derartigen Antrag an die Justizvollzugsanstalt gestellt hat, den diese dann abgelehnt oder nicht verbeschieden hat (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 24. Ed. 01.08.2023, StVollzG § 109 Rn. 6). Nach dem eigenen Vortrag des Strafgefangenen ist derartiges nicht erfolgt.
IV.
17
Im Übrigen hat die Rechtsbeschwerde, soweit sie zulässig ist, in der Sache keinen Erfolg, da die Überweisung eines Betrages von 97,90 € aus seinem Eigengeld an den Insolvenzverwalter am 12.07.2022 rechtmäßig erfolgte.
18
Eine Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung ist vorliegend nicht geboten, da die Sache insoweit gemäß § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG spruchreif ist. Der Senat kann deshalb an Stelle der Strafvollstreckungskammer in der Sache selbst entscheiden.
19
1. Die Strafvollstreckungskammer ist in ihrem Beschluss vom 31.05.2023 davon ausgegangen, dass insoweit der Rechtsweg nach §§ 109 ff. StVollzG nicht eröffnet und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung damit unzulässig gewesen ist.
20
Die Erwägung des Landgerichts, dass die Überweisung vom Eigengeldkonto des Strafgefangenen keine Maßnahme zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs i. S. d. § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG darstellt, sondern bei der Verwaltung der Gelder des Strafgefangenen lediglich zivilrechtliche Entscheidungen beachtet hat, ist aber so nicht tragfähig.
21
Für die Ausführung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ist nach der fast einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung zwar anerkannt, dass, wenn die Justizvollzugsanstalt diese lediglich als Drittschuldnerin ausführt, die auf dieser Grundlage erfolgenden Überweisungen von dem Eigengeldkonto des Strafgefangenen auf das Konto des Vollstreckungsgläubigers regelmäßig keine Maßnahmen zur Regelung einer Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG darstellen, sondern Handlungen der Justizvollzugsanstalt als Drittschuldnerin in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 08.03.2013 – 2 Ws 56/13 Vollz, juris Rn. 12; NStZ 1991, 56; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.06.1995 – 3 Vollz (Ws) 11/95, juris Rn. 12; jeweils zur Überweisung gepfändeten Eigengelds; Schwind/ Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kap., Abschn. B Rn. 15; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 24; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 30.12.2021 – 204 StObWs 393/21, juris Rn. 14).
22
Dies gilt jedenfalls, wenn sich der Strafgefangene gegen die Rechtmäßigkeit der Pfändung selbst, also gegen deren Wirksamkeit und deren Umfang wendet (vgl. BGHSt 37, 176 = BGH, Beschluss vom 11.09.1990 – 5 AR Vollz 28/90 –, juris Rn. 11). Hiergegen kann der Strafgefangene nur nach den vollstreckungsrechtlichen Regeln der Zivilprozessordnung, also mit der Erinnerung nach § 766 ZPO oder mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO vorgehen (vgl. KG, a.a.O., juris Rn. 12; Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 52 Rn. 5; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. P Rn. 24; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 30.12.2021 – 204 StObWs 393/21, juris Rn. 14).
23
Diese Grundsätze gelten auch für den Fall – wie hier – der Überweisung einer dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Forderung des Strafgefangenen, da hier eine der Überweisung und Pfändung vergleichbare Situation besteht. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt eine Teilung des Schuldnervermögens in Insolvenzmasse als Sondervermögen und (insolvenz-) freies Vermögen. Die Entstehung der Insolvenzmasse als Sondervermögen ist eine Folge des Insolvenzbeschlags. Für den Schuldner bedeutet der Insolvenzbeschlag vor allem, dass er die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen verliert, § 80 InsO (Uhlenbruck/Hirte/Praß, 15. Aufl. 2019, InsO § 35 Rn. 5).
24
Anders verhält es sich aber, wenn die behauptete Rechtsverletzung in einer von der Anstalt zu verantwortenden Handlung gesehen wird (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.07.2004 – 1 Ws 259/04, juris Rn. 12), etwa wenn der Strafgefangene geltend macht, dass sich die Vollzugsbehörde bei ihren Maßnahmen nicht an den Inhalt der zivilrechtlichen Grundlage der Überweisung, z.B. des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses oder wie hier des Insolvenzbeschlags gehalten und etwa irrig von dem Guthaben des Antragstellers Beträge abgebucht hätte, die nicht gepfändet worden sind oder dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Dann läge eine außerhalb des Vollstreckungsschutzes liegende Maßnahme der Anstalt vor, die der Gefangene mit einem Antrag nach §§ 109 ff. StVollzG anfechten kann (vgl. BGH a.a.O., juris Rn. 11; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 27.04.2015 – 1 Ws 531/14 –, juris Rn. 12; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 30.12.2021 – 204 StObWs 393/21, juris Rn. 15).
25
So liegt der Fall auch hier. Es ergibt sich aus dem Vortrag des Strafgefangenen und den von ihm zitierten Formulierungen im Insolvenzbeschlag (“… auf Zahlung des zurzeit hinterlegten und künftig erwachsenen Eigengeldes, soweit es das zu bildende Übergangsgeld übersteigt …“), dass bereits dort der nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 51 Abs. 4 StVollzG unpfändbare Teil des Eigengeldes (in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen vorhandenem und zu bildendem Überbrückungsgeld) ausdrücklich vom Insolvenzbeschlag ausgenommen wurde. Träfe also die Rechtsauffassung des Strafgefangenen zu, dass es sich bei dem an den Insolvenzverwalter am 12.07.2023 abgeführten Betrag von 97,90 € um nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 51 Abs. 4 StVollzG geschütztes Eigengeld gehandelt hätte, dann hätte sich der Anstaltsleiter mit der Auszahlung von dem Eigengeldkonto gerade nicht an den – dem gesetzlichen Pfändungsschutz Rechnung tragenden – Inhalt des Insolvenzbeschlags gehalten und in Wirklichkeit nicht in Beschlag genommene Beträge abgeführt. Insoweit ist der Rechtsweg nach §§ 109 ff. StVollzG eröffnet.
26
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nicht begründet, da der vom Eigengeldkonto des Antragstellers an den Insolvenzverwalter abgeführte Betrag in Höhe von 97,90 € keinem Pfändungsschutz gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG unterlag und deshalb auch nicht durch die einschränkende Formulierung des Insolvenzbeschlags ausgenommen war.
27
Das Eigengeld eines Strafgefangenen wird gemäß Art. 52 BayStVollzG aus dem bei Aufnahme in den Vollzug mitgebrachten Geld (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), den Bezügen des Gefangenen, soweit sie nicht nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes für andere Zwecke, etwa als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder als Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2), und aus dem für den Gefangenen während des Vollzugs von Dritten eingezahlten Geld (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) gebildet, und zwar durch Gutschrift auf einem von der Anstalt für den Strafgefangenen einzurichtenden und zu führenden Eigengeldkonto (Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 52 Rn. 3).
28
Das Eigengeld ist rechtlich ein Anspruch gegen das Land als Träger der Anstalt und besteht aus einem Guthaben, über das der Gefangene gemäß Art. 52 Abs. 2 BayStVollzG grundsätzlich frei verfügen kann, soweit es nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist, und von dem ihm bestimmte Beträge zur Verwendung innerhalb des Vollzuges überlassen werden können (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.01.1988 – 3 Ws 589/87, juris; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O., Kap. 4 Abschn. I Rn. 103).
29
Damit ist das Eigengeld als Forderungsrecht grundsätzlich in vollem Umfang pfändbar – die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO sind nicht anwendbar (Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., Rn. 4; BGH, Beschluss vom 16.07.2004 – IXa ZB 287/03 –, juris Rn. 7 ff.) – und unterliegt somit dem Insolvenzbeschlag, §§ 35, 36 InsO. Eine Ausnahme hiervon gibt es gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG nur für den Teil des Eigengeldes, in dessen Höhe das Überbrückungsgeld noch nicht angespart wurde.
30
Zu Unrecht geht der Strafgefangene davon aus, dass es innerhalb des Eigengeldes eine unterschiedliche Behandlung gibt in Ansehung der Herkunft desselben. Auch durch Dritte bei der Justizvollzugsanstalt für den Strafgefangenen eingezahltes und dem Eigengeldkonto gutgeschriebenes Guthaben ist pfändbar (Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 52 Rn. 4). Daher kommt es nicht darauf an, ob auf dem Eigengeldkonto nur Arbeitsentgelt oder auch Einzahlungen, z.B. der Mutter, vorhanden sind.
31
Vorliegend war der Betrag in Höhe von 97,90 € pfändbar und unterlag damit dem Insolvenzbeschlag, so dass dessen Überweisung an den Insolvenzverwalter rechtmäßig erfolgte.
32
Der Strafgefangene hatte am 12.07.2023 vor der Abbuchung der 97,90 € auf seinem Eigengeldkonto ein Guthaben von 178,31 €. Gleichzeitig betrug das Guthaben auf seinem Überbrückungsgeldkonto 2.051,09 €, der zu erreichende Überbrückungsgeldbetrag war auf 2.131,50 € festgesetzt. Insoweit fehlte noch ein Betrag in Höhe von 80,41 € auf dem Überbrückungsgeldkonto. Nur um diesen Betrag war das Guthaben auf dem Eigengeldkonto gegen Pfändungen geschützt (BeckOK Strafvollzug, a.a.O., § 52 Rn. 9). Für Abbuchungen oder Pfändungen stand damit ein Betrag von (178,31 € – 80,41 € =) 97,90 € zur Verfügung. Dieser Betrag entspricht dem an den Insolvenzverwalter abgeführten Betrag.
V.
33
1. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.
34
2. Die Entscheidung über den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG.
35
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren samt Beiordnung eines Rechtsanwalts wird mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückgewiesen (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).