Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 03.11.2023 – 204 StObWs 221/23
Titel:

Anforderungen an die Haftbedingungen, insbesondere an den Sichtschutz von Toiletten in Haftzellen

Normenketten:
GG Art. 1, Art. 2
StVollzG § 109, § 115 Abs. 3
BayStVollzG Art. 58 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt. (Rn. 18)
2. Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt, jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft. Sie kommt somit vor allem dann in Betracht, wenn die beanstandete Maßnahme oder deren Ablehnung vor der möglichen Erhebung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags auf gerichtliche Entscheidung bereits erledigt war, demzufolge ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag ausgeschlossen ist und damit die Möglichkeit zur Anbringung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG gerade nicht eingreift. (Rn. 19 – 20)
3. Ein besonderes Feststellungsinteresse besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. (Rn. 22)
4. In Bezug auf die Haftbedingungen hängt es grundsätzlich von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände ab, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, wobei folgende Kriterien eine Rolle spielen: die Bodenfläche pro Gefangenem, die Situation der sanitären Anlagen, die Dauer der Unterbringung und die täglichen Einschlusszeiten, die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums sowie die Raumtemperatur und die hygienischen Verhältnisse. (Rn. 30)
5. Danach stellt es sich als rechtswidrig dar, wenn ein Sichtschutz von außerhalb des Gebäudes in Bezug auf die Toilette und das Waschbecken im Einzelhaftraum fehlt. (Rn. 33 – 39)
6. Dagegen ist die Menschenwürde nicht verletzt, wenn die Toilette zwar baulich nicht abgetrennt ist, der Beschwerdeführer aber in der Einpersonenzelle bei der Toilettenbenutzung nicht den Blicken von Zellenmitgenossen ausgesetzt ist und nicht von den Bediensteten der Anstalt beim Betreten der Zelle beobachtet werden kann. (Rn. 31 – 32)
7. Zu anderweitigen kurzzeitigen und unwesentlichen Einschränkungen eines Strafgefangenen in einem Durchgangshaftraum (wie eingeschränkte Duschmöglichkeit, nur zeitweise Versorgung mit warmem Wasser, Feinvergitterung des Fensters, kein TV-Anschluss). (Rn. 41 – 59)
Schlagworte:
Haftbedingungen, Menschenwürde, Toilette, Sichtschutz, Duschmöglichkeit, warmes Wasser, Feinvergitterung der Fenster, TV-Anschluss, Feststellungsinteresse
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth vom -- – 15 StVK 259/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34987

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. April 2023 insoweit aufgehoben, als sein Teilantrag auf Feststellung, dass das Fehlen eines Sichtschutzes von außen in Bezug auf die Toilette und das Waschbecken im Einzelhaftraum der Schub- und Transportabteilung der Justizvollzugsanstalt N. rechtswidrig war, zurückgewiesen worden ist. Mit aufgehoben werden auch die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswertes.
2. Insoweit wird das Verfahren zur neuen Entscheidung – auch über die Kosten erster und zweiter Instanz – an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird als unbegründet verworfen.
4. Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren wird jeweils auf 500 € festgesetzt. Hiervon entfallen 200 € auf den Verfahrensgegenstand „fehlender Sichtschutz von außen hinsichtlich der Toilette und des Waschbeckens“.
5. Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den in Ziffer 1 genannten Verfahrensgegenstand bewilligt. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt L.. Er befand sich wegen eines Gerichtstermins in Bayern vom Freitag, 11.02.2022 bis Dienstag, 15.02.2022 als sog. Durchgangsgefangener in einem rund 8 qm großen Einzelhaftraum der Schub- und Transportabteilung, die sich in der Untersuchungshaftanstalt und damit im sog. Altbaubereich der Justizvollzugsanstalt N. (Antragsgegnerin) befindet.
2
Mit Schreiben vom 25.04.2022 stellte er Feststellungs- und Verpflichtungsantrag auf gerichtliche Entscheidung. Er trug vor, die Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt N. sei aus folgenden Gründen menschenunwürdig gewesen:
3
Es habe keine Toilettenabtrennung gegeben. Toilette und Waschbecken seien offen im Haftraum gestanden. Es seien keine Gardinen oder kein sonstiger Sichtschutz vorhanden gewesen. Von Gefangenen der gegenüberliegenden Seite habe deshalb bei eingeschaltetem Licht im Dunkeln problemlos der Intimbereich eingesehen werden können. Die Toilettenspülung sei defekt gewesen. Nonstop sei permanent etwas Wasser aus der Spülung gelaufen und dauerhaft ein unangenehmes Pfeifen entstanden, so dass Schlafen unmöglich gewesen sei. Es habe keinen vernünftigen Heizungsregler gegeben, sondern nur zwei Stellungen, „an auf 5 oder Heizung aus“. Der Fußboden habe wie in einer Holzhütte brutal geknirscht, wenn man sich im Haftraum bewegt habe. Die Bewegungen im darüber gelegenen Haftraum habe man permanent gehört. Sogar das fest an die Wand geschraubte Bett habe vibriert. Am Fenster habe sich eine Feinvergitterung befunden. Die Matratze sei ebenso wie der Bettbezug erheblich zerrissen gewesen, so dass Keime ohne Ende vorhanden gewesen seien. Der Antragsteller habe weder eine neue Matratze noch einen Matratzenschoner erhalten. Der Haftraum sei allgemein sehr dreckig und ungereinigt gewesen mit Spinnweben an Decke und Zimmerecken. Es hätten sich Farbflecken auf dem Boden und Flecken und Kritzeleien an den Fensterrahmen befunden. Es habe im Haftraum kein Fernsehen und nicht einmal einen TV-Anschluss gegeben. Aus dem Wasserhahn am Waschbecken sei nur kaltes Wasser geflossen. Samstag und Sonntag sei grundsätzlich auch kein Duschen möglich gewesen.
4
Der Antragsteller ist daher der Ansicht, die Unterbringung sei rechtswidrig gewesen. Er hat zunächst beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die genannten Mängel zu beheben. Falls er wieder einen Termin in Bayern habe, bestehe Wiederholungsgefahr. Ein besonderes Feststellungsinteresse sei gegeben wegen eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs, der drohenden Wiederholungsgefahr, aus Gründen der Rehabilitierung sowie der Geltendmachung von Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüchen.
5
Die Antragsgegnerin nahm hierzu mit Schreiben vom 22.09.2022 Stellung, worauf der Antragsteller mit Schreiben vom 18.10.2022 erwiderte.
6
Mit Schreiben vom 29.11.2022 nahm die Antragsgegnerin hierzu nach Aufforderung durch die Strafvollstreckungskammer ergänzend Stellung. Der Antragsteller erhielt gemäß Verfügung vom 28.02.2023 (Bl. 49) seinerseits Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche. Die Justizvollzugsanstalt L. sicherte telefonisch der Vorsitzenden der Strafkammer am 14.03.2023 zu, diese Unterlagen an den Antragsteller zur Stellungnahme mit einer Frist von einer Woche weiterzuleiten.
7
Das Landgericht Nürnberg-Fürth – Kleine Strafvollstreckungskammer – hat mit Beschluss vom 06.04.2023 den Antrag des Antragstellers, ihm als Pflichtverteidigerin Frau Rechtsanwältin M. (Anm.: richtig: B.) beizuordnen, abgelehnt, seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen, die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen dem Antragsteller auferlegt und den Gegenstandswert auf 300 € festgesetzt.
8
Mit Schreiben vom 18.04.2023 beantragte Rechtsanwalt A. gegenüber dem Landgericht Nürnberg-Fürth, ihn dem Antragsteller beizuordnen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
9
Gegen den ihm am 18.04.2023 zugestellten Beschluss der Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerdeführer zur Niederschrift des Amtsgerichts Osnabrück am 03.05.2023 Rechtsbeschwerde eingelegt mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung gemäß seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, hilfsweise auf Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer. Außerdem beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt A.
10
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts, und macht unter anderem eine Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.
11
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 30.05.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.
12
Der Beschwerdeführer sowie sein Verfahrensbevollmächtigter erhielten – unter Übersendung eines Formblatts zur Prozesskostenhilfe – Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Antrag.
13
Eine über die Einreichung des Formblatts hinausgehende Stellungnahme erfolgte nicht.
14
Das Landgericht Nürnberg-Fürth – 4. Zivilkammer – hat mit Beschluss vom 11.11.2022 in dem Rechtsstreit des Antragstellers gegen den Bayerischen Landtag und gegen den Freistaat Bayern (Az. 4 O 3118/22), in dem er wegen behaupteter menschenunwürdiger Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt N. Entschädigungsansprüche geltend macht, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt A. beigeordnet (vgl. Bl. 59 f. d.A.).
II.
15
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1 bis 3 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
16
1. Gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts ist die richtungweisende Beurteilung bestimmter Rechtsfragen und deren höchstrichterliche Durchsetzung. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer hinsichtlich der Unterbringung im Haftraum in der Sache eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG schlüssig geltend.
17
2. Es liegt ein zulässiger Feststellungsantrag auf gerichtliche Entscheidung vor.
18
a) Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender – vom Senat geteilter – Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt [vgl. nur KG, Beschlüsse vom 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz –, StraFo 2017, 521, juris Rn. 5; vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 8; vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz –, juris Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 Ws 184/10 (Vollz) –, juris Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 21; Spaniol in: Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 8. Aufl., Teil IV, § 116 StVollzG, Rn. 4 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kap., Abschn. J Rn. 3].
19
b) Eine der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nachgebildete allgemeine Feststellungsklage ist zwar über die gesetzlich in Art. 208 BayStVollzG i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG aufgeführten Antragsarten hinaus grundsätzlich anerkannt (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 29.08.2007 – 2 Ws 66/07 Vollz –, NStZ-RR 2008, 92, juris Rn. 13; Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34), jedoch ausschließlich zur Schließung ansonsten bestehender Rechtsschutzlücken statthaft (vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 22. Ed. 01.08.2023, StVollzG § 109 Rn. 5).
20
Sie kommt somit vor allem dann in Betracht, wenn die beanstandete Maßnahme oder deren Ablehnung vor der möglichen Erhebung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags auf gerichtliche Entscheidung bereits erledigt war (Spaniol in: Feest/Lesting/ Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 StVollzG, Rn. 73), demzufolge ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag ausgeschlossen ist und damit die Möglichkeit zur Anbringung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG gerade nicht eingreift. In den Fällen, in denen ein zulässiger Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag erhoben wurde, bzw. hätte erhoben werden können, ist die allgemeine Feststellungsklage hingegen subsidiär [vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz –, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.07.2003 – 3 Ws 606/03 –, NStZ-RR 2004, 29; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.06.2017 – 1 Ws (RB) 24/17 –, juris Rn. 3; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2008 – 2 Ws 66/08 –, juris Rn. 23; Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., StVollzG § 109 Rn. 5 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 109 Rn. 5; Spaniol in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 109 StVollzG, Rn. 34; and. Ans. für einen hier nicht vorliegenden Sonderfall OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2005 – 1 Ws 279/04 –, ZfStrVo 2005, 299, juris Rn. 8].
21
Eine solche Subsidiarität der Feststellungsklage ist vorliegend nicht gegeben. Dem Antragsteller wäre es kaum möglich gewesen, innerhalb der fünf Tage dauernden, ein Wochenende umschließenden Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt N. einen Verpflichtungsantrag zu stellen, um rechtzeitig Abhilfe zu erreichen.
22
c) Auch das besondere Feststellungsinteresse ist gegeben. Ein Rechtsschutzinteresse besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden – wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden – Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 08.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 –, BVerfGE 117, 71, juris Rn. 154, und zu Strafvollzugssachen BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2012 – 2 BvR 988/10 –, BVerfGK 19, 326 = NJW 2012, 2790, juris Rn. 27). Nur so kann verhindert werden, dass Rechte und insbesondere Grundrechte in bestimmten Konstellationen in rechtsstaatlich unerträglicher Weise systematisch ungeschützt bleiben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.03.2013 – 2 BvR 67/11 –, BVerfGK 20, 249 = NJW 2013, 1943, juris Rn. 19).
23
Ein derartiger Fall liegt hier bereits deshalb vor, weil der Beschwerdeführer innerhalb der rund fünf Tage dauernden Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt N. gerichtlichen Rechtsschutz nicht hätte erlangen können.
24
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mittlerweile Amtshaftungsklage erhoben hat, stünde allenfalls einer lediglich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gestützten Feststellungsklage entgegen. Hierauf beschränkt sich diese aber nicht. Hinsichtlich eines Teils der beanstandeten Umstände der Unterbringung kann der Beschwerdeführer nämlich einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff geltend machen, wobei insoweit die Anforderungen an das Feststellungsinteresse nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.05.2017 – 2 BvR 249/17 –, StraFo 2018, 41, juris Rn. 3 bis 5).
25
Ob daneben auch noch eine Wiederholungsgefahr vorliegt, weil der Beschwerdeführer möglicherweise wegen laufender Gerichtsverfahren noch weitere Male vorübergehend in die Justizvollzugsanstalt N. verschubt werden wird, kann somit dahinstehen.
III.
26
Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an die Strafvollstreckungskammer zu neuer Entscheidung im tenorierten Umfang (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG),
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1. Soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Strafgefangenen auf Feststellung, dass das Fehlen eines Sichtschutzes von außen in Bezug auf die Toilette und das Waschbecken im Einzelhaftraum der Schub- und Transportabteilung der Justizvollzugsanstalt N. rechtswidrig war, zurückgewiesen hat, hat die Rechtsbeschwerde – jedenfalls vorläufig – Erfolg.
28
a) Allerdings verletzt die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum bei einer Einzelbelegung des Haftraums nicht die Menschenwürde des Strafgefangenen.
29
Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin befindet sich die Toilette in den Einzelhafträumen der Schub- und Transportabteilung direkt neben der Haftraumtür. Wird diese geöffnet, ist die Toilette nicht im Sichtfeld des Bediensteten, sondern wird von der geöffneten Tür verdeckt.
30
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hängt es in Bezug auf Haftbedingungen grundsätzlich von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände ab, ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, wobei folgende Kriterien eine Rolle spielen: die Bodenfläche pro Gefangenem, die Situation der sanitären Anlagen, die Dauer der Unterbringung und die täglichen Einschlusszeiten, die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums sowie die Raumtemperatur und die hygienischen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.12.2020 – 2 BvR 1845/18 –, BVerfGE 156, 182, juris Rn. 62 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG zu den Verhältnissen in deutschen Haftanstalten), wobei – jedenfalls bei gemeinschaftlicher Unterbringung – die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.12.2020 – 1 BvR 149/16 –, juris Rn. 17). Dies zugrunde gelegt kann bei einer nur vorübergehenden und kurzfristigen, hier maximal fünf Tage währenden Verweildauer des Beschwerdeführers in dem Einzelhaftraum der Schub- und Transportabteilung von einer die Menschenwürde verletzenden Unterbringung nicht die Rede sein. In der Kurzzeitigkeit der Unterbringung in einer solchen Zelle liegt der Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 08.06.2021 (Az. 203 StObWs 160/21) zugrunde liegt, in dem es um eine rund sechswöchige Unterbringung ging.
31
Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ergibt sich – anders als bei einer Mehrfachbelegung der Zelle (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.12.2020 – 1 BvR 149/16 –, juris Rn. 21 a.E., Rn. 23) – auch nicht daraus, dass die Toilette baulich nicht abgetrennt war, da der Beschwerdeführer in der Einpersonenzelle bei der Toilettenbenutzung nicht den Blicken von Zellenmitgenossen ausgesetzt war und nicht von den Bediensteten der Anstalt beim Betreten der Zelle beobachtet werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 15.02.2023 – 204 StObWs 490/22 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
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bb) Aus der Verfassung folgt kein Anspruch auf Installation eines Sichtschutzvorhanges in einem Einzelhaftraum. Die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum verletzt in Einzelhafträumen auch unter Einbeziehung internationaler Standards nicht den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde, weil grundsätzlich die Möglichkeit besteht, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18.03.2020 – 2 BvR 1273/19 –, NStZ-RR 2020, 186, juris Rn. 3; vom 13.11.2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 19 ff.). Gefangene, in deren Haftraum die Toilette nicht mit (ausreichendem) Sichtschutz versehen ist, haben allerdings einen aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vermittelten Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch die Bediensteten der jeweiligen Justizvollzugsanstalt. Bedienstete, die einen solchen Haftraum betreten wollen, müssen dies grundsätzlich durch Anklopfen oder in anderer Form ausreichend vernehmbar ankündigen, so dass Gefangenen im Falle der Benutzung der Toilette oder der Waschvorrichtung ein rechtzeitiger Hinweis ermöglicht wird. Im Falle eines solchen Hinweises haben die Bediensteten vom Betreten des Raumes, wenn dieses nicht ausnahmsweise dringend geboten erscheint, für eine den Umständen angemessene Zeitspanne abzusehen. Bei Verstößen gegen dieses Rücksichtnahmegebot können sich die betroffenen Gefangenen beim Anstaltsleiter beschweren (§ 108 StVollzG) oder Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen (§ 109 StVollzG; vgl. zum Ganzen BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18.03.2020 – 2 BvR 1273/19 –, NStZ-RR 2020, 186, juris Rn. 3; vom 13.11.2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 4). Die abstrakte Gefahr einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung somit nicht die Rechtswidrigkeit der Unterbringung in einer Einzelzelle ohne abgetrennte Toilette.
33
b) Eine Verletzung der Menschenwürde des Strafgefangenen läge aber dann vor, wenn der Haftraum durch das Fenster von außen so einsehbar wäre, dass andere Gefangene oder Bedienstete der Justizvollzugsanstalt den Betroffenen bei der Körperpflege oder beim Toilettengang nicht nur schemenhaft beobachten könnten.
34
Ob dies der Fall ist, hat die Strafvollstreckungskammer ausweislich der Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht aufgeklärt, so dass die Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge hin insoweit – jedenfalls vorläufig – Erfolg hat.
35
Der Beschwerdeführer hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er nach Einbruch der Dunkelheit und angeschalteter Innenbeleuchtung während des Waschens und des Toilettengangs von den dem Haftraumfenster gegenüberliegenden Räumen der Justizvollzugsanstalt habe gesehen werden können.
36
Die Justizvollzugsanstalt hat insoweit vorgebracht, dass ein direkter Sichtkontakt aus gegenüberliegenden Hafträumen schon wegen des Blickwinkels und der Entfernung nicht möglich erscheine. Der dem Haftraum D 110 gegenüberliegende Gebäudeteil der Untersuchungshaftanstalt befinde sich in einer Entfernung von rund 36 Metern und bilde die Begrenzung des Innenhofes. Direkt gegenüberliegend befänden sich neben dem Treppenhaus drei weitere Räume, die nicht als Hafträume genutzt würden. Das vor dem Haftraumfenster angebrachte Vorsatzgitter (Feingitter) erschwere die Einsichtnahme von außen zusätzlich.
37
Die Strafvollstreckungskammer folgte ohne weitere Überprüfung diesen Ausführungen der Antragsgegnerin und geht davon aus, dass das angebrachte Feingitter die Sicht auf das Zelleninnere erschwere, so dass nicht davon auszugehen sei, dass einer auf der anderen Seite befindlichen Person ein Blick auf die Toilette möglich sei. Zudem befänden sich ausweislich der Angaben der Anstalt keine Hafträume gegenüber. Der Antragsteller selbst habe zudem ausgeführt, das Gitter sei fein und er habe die mangelnde Lichtzufuhr aufgrund der Vergitterung bemängelt.
38
Demgegenüber hat der Beschwerdeführer erstinstanzlich erwidert, dass sich auf der gegenüberliegenden Seite in einer Entfernung von rund 20 Metern die anderen Hafträume auf derselben Höhe befänden. Sein Haftraum sei im ersten Stock gewesen. Auf der gegenüberliegenden Seite befänden sich vom ersten bis zum fünften Stock mindestens 30 Hafträume, die alle belegt gewesen seien. Insofern sei seine Intimsphäre dauerhaft verletzt gewesen.
39
Die Strafvollstreckungskammer hat zwar erkannt, dass der Antragsteller die Ausführungen der Justizvollzugsanstalt in Abrede stellte. Sie hat es aber unterlassen, die Widersprüche aufzuklären und vor allem sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, ob und wie deutlich nach Einbruch der Dunkelheit und eingeschaltetem Licht ein Gefangener bei der Körperhygiene oder dem Toilettengang von der dem Haftraumfenster gegenüberliegender Seite gesehen werden kann. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer, insbesondere sei hierbei nicht der Intimbereich des Verurteilten verletzt, wenn beispielsweise lediglich die Silhouette des Verurteilten gesehen werden könne, beruhen nicht auf einer belastbaren Tatsachengrundlage.
40
2. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 3 StVollzG).
41
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, dass die Unterbringung im Einzelhaftraum für fünf Tage wegen des nicht vorhandenen Warmwasseranschlusses menschenunwürdig gewesen sei.
42
aa) Unstreitig ist in dem betreffenden Haftraum lediglich ein Waschbecken mit einem Kaltwasserhahn vorhanden.
43
Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin finde in der Transportabteilung montags bis freitags von 08:30 Uhr bis 11:00 Uhr der tägliche Aufschluss statt. Während dieser Zeit sei es jedem Gefangenen gestattet, zu duschen. Am Wochenende sei dies wegen fehlenden Aufschlusses nicht möglich. Den Gefangenen werde an diesen Tagen um 06:00 Uhr und um 14:00 Uhr jeweils heißes Wasser zur Verfügung gestellt, so dass eine rudimentäre Körperpflege mit warmem Wasser auch am Wochenende gewährleistet sei.
44
Nach dem Vorbringen des Antragstellers habe er vor seiner Verschubung nach Nürnberg zuletzt am 10.02.2022 geduscht. Am Morgen des 11.02.2022 (einem Freitag) sei er nach Nürnberg verschubt worden und habe erst am 14.07.2022 (einem Montag) wieder duschen können. Dies sei menschenunwürdig, da man in Niedersachsen als Gefangener mehrmals am Tag duschen könne.
45
bb) Ein Anspruch auf tägliches Duschen ergibt sich nicht aus Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG. Danach ist für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen zu sorgen. Es ist aber nichts dazu festgestellt und nichts dafür erkennbar, dass das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen ohne tägliches Duschen, unter den gegebenen Umständen (Duschen zweimal in der Woche, daneben Möglichkeit des normalen Waschens in der Nasszelle) leidet (so – zu § 43 Abs. 1 S. 1 StVollzG NRW – OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – III-1 Vollz (Ws) 529/15 –, juris Rn. 12). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer am Wochenende und wegen der Umstände des Verschubs auch am vorangegangenen Freitag bei der Körperpflege auf eine normale Körperwaschung ausweichen musste, ist gegenüber der Inhaftierung als solcher von so geringem zusätzlichen Gewicht, dass allein hierdurch das soziale Wohlergehen nicht wesentlich, auch nicht der Angleichungsgrundsatz und erst Recht nicht die Menschenwürde beeinträchtigt ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – III-1 Vollz (Ws) 529/15 –, juris Rn. 12, 15 f. und 17 zur nur zweimaligen Duschmöglichkeit pro Woche), zumal Ausnahmesituationen (etwa schweißtreibender oder schmutzverursachender Arbeitseinsatz) bei einem Durchgangsgefangenen nicht ersichtlich sind und auch nicht dargelegt wurden.
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Dass der Beschwerdeführer somit an drei Tagen seines Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt N. nicht duschen konnte, stellt keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Rechte dar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ihm an diesen drei Tagen im Haftraum nur kaltes fließendes Wasser zur Verfügung stand und ihm, was er nicht in Abrede gestellt hat, am Samstag und Sonntag zusätzlich zweimal am Tag heißes Wasser zur Verfügung gestellt wurde.
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Dem Angleichungsgrundsatz ist allerdings grundsätzlich nur dann Genüge getan, wenn den Gefangenen zumindest überwiegend die Möglichkeit eingeräumt wird, die Körperhygiene mit Warmwasser durchzuführen (OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – III-1 Vollz (Ws) 529/15 –, juris Rn. 21). In der Rechtsprechung wird es in diesem Sinne als unzumutbar angesehen, wenn der betreffende Gefangene an fünf Wochentagen auf eine Körperhygiene mit Kaltwasser verwiesen wäre, denn die ausschließliche Möglichkeit des Waschens mit kaltem Wasser birgt insbesondere in der kälteren Jahreszeit das Risiko eines Unterlassens der Körperreinigung und damit einer Vernachlässigung der Körperhygiene (OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2016 – III-1 Vollz (Ws) 529/15 –, juris Rn. 22). Eine drohende Verwahrlosung des Gefangenen läuft dem in Art. 5 Abs. 3 BayStVollzG normierten Ziel zuwider, dem Gefangenen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit, in welchem z.B. der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben sowie auch sonstige soziale Kontakte durch eine unzureichende Körperhygiene deutlich erschwert werden können, einzugliedern. Dieser Gefahr wird nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nur dann hinreichend begegnet, wenn dem Gefangenen zumindest an den überwiegenden Wochentagen, mithin zumindest viermal wöchentlich die Möglichkeit gegeben ist, die Körperreinigung mit Warmwasser durchzuführen, wobei dahinstehen kann, ob diesem Erfordernis durch weitere Möglichkeiten des Duschens oder aber anderweitigen Zuganges zu Warmwasser entsprochen wird (Beschluss vom 05.01.2016 – III-1 Vollz (Ws) 529/15 –, juris Rn. 23). Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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b) Offensichtlich unbegründet ist die Rechtsbeschwerde auch, als sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsantrags in Bezug auf die vor dem Fenster angebrachte Feinvergitterung, durch die der Antragsteller sich wie in einem Käfig gefühlt habe, als verfassungswidrig und menschenunwürdig wendet. Durch dieses gelange weniger Tageslicht in den Haftraum, was zu einer deprimierenden und unfreundlichen Atmosphäre geführt habe.
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Nach Vorbringen der Antragsgegnerin ist ein sog. Vorsatzgitter (Feingitter) angebracht, welches verhindern soll, dass Gefangene Gegenstände aus dem geöffneten Fenster werfen oder durch dieses hineinziehen.
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Bereits das Oberlandesgericht Hamm hat ausgeführt, dass nicht ernsthaft behauptet werden kann, dass durch eine – wie hier – aus sachlich nachvollziehbaren Gründen angebrachte Feinvergitterung an dem Zellenfenster des Strafgefangenen die durch das Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde und das Verbot unmenschlicher Behandlung gezogene Grenzen für die Ausgestaltung des Haftraumes, einschließlich ihrer unmittelbaren Umgebung verletzt sein könnte (OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2005 – 1 Vollz (Ws) 83/05 –, juris Rn. 1). Soweit das Bundesverfassungsgericht die Menschenwürde des Strafgefangenen aus Art. 1 Abs. 1 GG durch das Anbringen von Schutzvorrichtungen vor den Zellenfenstern als möglicherweise verletzt angesehen hat, betraf dies den mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall der möglicherweise unzureichenden Frischluftzufuhr im Hochsommer bei angebrachten Lochblechen vor den Fenstern (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2017 – 2 BvR 336/16 –, juris Rn. 25). Eine unzureichende Frischluftzuführung machte der Antragsteller jedoch nicht vor der Strafvollstreckungskammer, sondern erst mit der Rechtsbeschwerde geltend, in der neuer Tatsachenvortrag aber nicht mehr berücksichtigt werden kann.
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In einem weiteren Verfahren ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Anbringung einer Sichtblende vor dem Haftraumfenster den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG nicht verletzen kann, da durch eine solche die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Betroffenen nicht in Frage gestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.11.2007 – 2 BvR 939/07 –, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 24). Auch wenn in der dort zitierten Rechtsprechung und Literatur verschiedentlich darauf hingewiesen wurde, dass die Anbringung einer Sichtblende vor dem Fenster nur in Betracht kommt, wenn dem Insassen der Blick ins Freie nicht völlig genommen wird, der Haftraum tagsüber nicht künstlich beleuchtet werden muss, eine ausreichende Belüftung des Haftraumes sichergestellt ist und gesundheitliche Beeinträchtigungen vermieden werden, liegen derartige Einschränkungen hier nicht vor, zumal das Fenster des gegenständlichen Haftraums nach eigenen Angaben des Antragstellers eine Größe von rund einem Meter Breite und zwei Metern Höhe aufweist. Auf einen Augenschein konnte die Strafvollstreckungskammer insoweit bereits auf der Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Fenstergröße verzichten.
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c) Offensichtlich unbegründet ist die Rechtsbeschwerde auch, als sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsantrags in Bezug auf die ständige Geräuschkulisse durch den defekten Spülkasten, durch die Holzböden ohne Trittschalldämmung, sowie durch den defekten Heizregler wendet.
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Die Antragsgegnerin bringt hierzu vor, dass Schadensmeldungen hinsichtlich des defekten Spülkastens und des defekten Heizreglers seitens des Antragstellers nicht erfolgt seien. Solches hat auch der Antragsteller gegenüber der Strafvollstreckungskammer nicht vorgebracht, sondern erst mit der Rechtsbeschwerde, in der neuer Tatsachenvortrag aber nicht mehr berücksichtigt werden kann.
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d) Die Rechtsbeschwerde ist auch insoweit offensichtlich unbegründet, als sie die Matratze betrifft.
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Soweit sich der Antragsteller erstinstanzlich dagegen gewendet hat, dass die Matratze erheblich zerrissen und auch der Bettbezug zerrissen gewesen seien, er habe weder eine neue Matratze noch einen Matratzenschoner erhalten, hat die Antragsgegnerin ausgeführt, die Matratzen seien mit einem Schonbezug versehen und würden nach jeder Belegung des Haftraums gereinigt. Sollte eine Matratze beschädigt sein, werde diese umgehend ausgetauscht, wenn der Gefangene dies mitteile. Im vorliegenden Fall sei kein Mangel der Matratze durch den Antragsteller angezeigt worden In seiner Stellungnahme vom 18.10.2022 ist der Antragsteller nicht mehr auf diesen Punkt eingegangen.
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Soweit er erstmals in der Rechtsbeschwerde vorbringt, er habe das JVA-Personal auf die Matratze hingewiesen, dieses habe jedoch lediglich neue Bettwäsche und ein Laken zur Verfügung gestellt, ist dies ein im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässiger neuer Sachvortrag, lässt aber erkennen, dass er hinsichtlich der Bettwäsche an seinem Feststellungsantrag nicht festhalten will.
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Hinsichtlich der Matratze würde auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Rechtsbeschwerde, dass diese an mehreren Stellen zerrissen und durchlöchert gewesen sei und ihm trotz Nachfrage kein Matratzenschoner ausgehändigt worden sei, da ein solcher in der Transportabteilung generell nicht ausgegeben werde, die vorübergehende Unterbringung des Beschwerdeführers für fünf Tage noch nicht zu einer menschenunwürdigen machen.
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e) Dies gilt auch für die beanstandete Verschmutzung, vor allem im Hinblick auf Spinnweben an Decke und Zimmerecken.
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f) Der Umstand, dass im Durchgangshaftraum kein TV-Anschluss vorhanden ist, macht die dortige vorübergehende Unterbringung für fünf Tage ebenfalls nicht menschenunwürdig. Denn diese Hafträume verfügen über ein eingebautes Hörfunkempfangsgerät, welches von den Inhaftierten unentgeltlich genutzt werden kann. Wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat, ist hierdurch dem Grundrecht des Beschwerdeführers auf Informationsfreiheit in ausreichendem Maße Genüge getan.
IV.
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1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 121 Rn. 1).
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2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für beide Instanzen beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
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3. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Umfang des Erfolges der Rechtsbeschwerde für den Beschwerdeführer beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 2 StVollzG, §§ 114, 115, 119 Abs. 1 ZPO. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen ergeben sich aus den Erklärungen des Beschwerdeführers im Formblatt vom 19.07.2023, dem Beschluss der Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2022 (4 O 3118/22) sowie den Angaben der Justizvollzugsanstalt L. gegenüber dem Oberlandesgericht Celle vom 22.03.2022 (Bl. 17 d.A.), wonach freies Eigengeld nicht vorhanden ist, der Beschwerdeführer monatlich rund 40 € Taschengeld erhält und Vorpfändungen vorhanden sind.
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Der Beiordnung eines Rechtsanwalts bedurfte es nicht, da bereits aufgrund der vom Beschwerdeführer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde die Sache teilweise an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist, so dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr erforderlich ist (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 2 StVollzG, § 121 Abs. 2 ZPO; st. Rspr. des Senats, u.a. Beschlüsse vom 09.11.2022 – 204 StObWs 322/22 –, vom 23.08.2021 – 204 StObWs 83/21 –, juris Rn. 24, und vom 07.02.2023 – 204 StObWs 22/23 –).