Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 03.07.2023 – 203 StObWs 225/23
Titel:

Begründungsumfang der Ablehnung von Lockerungen im Vollzug durch Vollzugsbehörde und Strafvollstreckungskammer

Normenketten:
BayStVollzG Art. 13 Abs. 1 Nr. 2
StVollzG § 11, § 109
Leitsätze:
1. Will die JVA eine Lockerung wegen Missbrauchsgefahr ablehnen, hat sie nachvollziehbar darzulegen, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernstlich zu befürchten steht, der Gefangene werde die Maßnahme zur Begehung einer Straftat ausnutzen. Der Missbrauch bezieht sich auf Straftaten aller Art, nicht nur erheblicher. (Rn. 17)
2. Die Vollzugsbehörde hat dazu eine Prognoseentscheidung zu treffen. In ihrem Bescheid hat sie nachvollziehbar darzulegen, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernstlich zu befürchten steht, der Gefangene werde die Maßnahme zur Begehung einer Straftat ausnutzen. (Rn. 18)
3. Dazu sind die relevanten Tatsachen von der Vollzugsbehörde konkret festzustellen; sodann ist eine Gesamtabwägung aller für die Entscheidung relevanten Umstände vorzunehmen. (Rn. 19 – 26)
4. Weiteren bis zur Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bei ihr anhängig gemachten Verpflichtungsanträgen auf Gewährung von Ausgang steht das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. (Rn. 33)
Schlagworte:
Strafvollzug, Lockerungen, Ausgang, Missbrauchsgefahr, Vollzugsbehörde, Strafvollstreckungskammer, Begründungsumfang, Rechtsbeschwerde
Vorinstanz:
AG Straubing, Beschluss vom 13.04.2023 – SR StVK 1222/22
Fundstellen:
LSK 2023, 34985
BeckRS 2023, 34985
NStZ 2024, 699

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 13. April 2023 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1000.- EUR festgesetzt.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.
4. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird als unzulässig verworfen.

Gründe

A
1
Der Beschwerdeführer, der sich seit dem 9. Dezember 2019 in Haft befindet und seit dem Jahr 2022 vermehrt Anträge auf Ausgang stellt, wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 13. April 2023. Der Entscheidung lag zugrunde, dass die Justizvollzugsanstalt (JVA) St. mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 die Gewährung eines vom Beschwerdeführer am 15. Oktober 2022 für den 11. Dezember 2022 beantragten Ausgangs abgelehnt hatte. Zuletzt hat der Antragsteller im Strafvollzugsverfahren beantragt, festzustellen, dass die Ablehnung des Antrags vom 15. Oktober 2022 auf Ausgang für den 11. Dezember 2022 mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 rechtswidrig gewesen sei, sowie die Justizvollzugsanstalt (JVA) St. schnellstmöglich zu verpflichten, ihm Lockerungen in Form von Ausgang zu gewähren, hilfsweise ihn neu zu verbescheiden. Die Justizvollzugsanstalt hat im Strafvollzugsverfahren die Voraussetzungen für die beantragte Lockerung als nicht gegeben erachtet und die Bewilligung von Ausgang unter Berufung auf die Missbrauchsgefahr verweigert. Die Strafvollstreckungskammer hat zunächst mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 einen Antrag als „unzulässig unbegründet“ zurückgewiesen und ist nunmehr, nachdem jene Entscheidung mit Beschluss des Senats vom 6. Februar 2023 auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen hin aufgehoben worden ist, nach Anhörung der Anstalt und des Betroffenen in dem angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen in Form eines Ausgangs nicht vorliegen. Sie hat daraufhin sowohl den Feststellungsantrag als auch den Verpflichtungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Strafgefangene und macht mit seiner erneuten Rechtsbeschwerde formelle und materielle Rügen geltend. Er beantragt neben der Aufhebung der Entscheidung die Verpflichtung der JVA, ihm Ausgang zu gewähren, ferner die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die Beiordnung eines Rechtsanwalts und die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und erhebt die Verzögerungsrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
B
2
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Rechtsbeschwerde bietet Anlass, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
C
3
Die Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet.
4
I. Die Verfahrensrügen sind unzulässig.
5
1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG) geltend macht, weil die Strafvollstreckungskammer seine Anträge auf Vernehmung eines Vollzugsinspektors und auf Einholung eines Lockerungsgutachtens übergangen habe, sind entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.
6
a) Nach der genannten Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Diese Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Beschwerdebegründung ohne Rückgriff auf die Akten und sonstige Unterlagen prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2023 – 203 StObWs 502/22 –, juris Rn. 6 m.w.N.).
7
b) Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer bestimmte Tatsachen, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, sowie die Beweismittel, derer sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, benennt; ferner bedarf es der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (st. Rspr., vgl. Senat, a.a.O. Rn. 6 m.w.N.).
8
c) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gerecht. Denn seinem Vortrag lässt sich weder die bestimmte Behauptung einer Beweistatsache noch die Behauptung eines Beweisergebnisses entnehmen. Sein Vorbringen, die Therapie sei eine psychologische Angelegenheit, die Strafvollstreckungskammer und die JVA wären hingegen Volljuristen, ist nicht geeignet, ein Aufklärungsdefizit aufzuzeigen. Denn die Rechtsbeschwerde übersieht, dass dem Versagungsbescheid die Beurteilung des psychologischen Dienstes zugrunde lag. Welchen Erkenntnisgewinn die Vernehmung des Vollzugsinspektors erbracht hätte, erschließt sich dem Vortrag der Rechtsbeschwerde nicht.
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2. Die Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den oben benannten Anträgen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, sind ebenfalls entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.
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a) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert nach gefestigter Rechtsprechung neben der Angabe der Tatsachen, aus denen sich aus der Sicht des rügenden Betroffenen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt, einen substanziierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung einschließlich der Darlegung, warum nicht auszuschließen sei, dass die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung anders ausgefallen wäre; zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Gehörsverstoßes gehört somit auch die Angabe, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen sei, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (st. Rspr., vgl. Senat a.a.O. Rn. 12 m.w.N.). Will der Beschwerdeführer beanstanden, das Gericht habe einen Antrag übergangen, ist er somit gehalten, den Antrag und die in der ersten Instanz angebrachte Begründung in der Rechtsbeschwerde nachvollziehbar darzulegen.
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b) Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, der sich auf die Behauptung beschränkt, die Therapie sei eine psychologische Angelegenheit, die Strafvollstreckungskammer und die JVA wären hingegen Volljuristen, genügt diesen Anforderungen nicht. Denn er lässt nicht erkennen, mit welcher Begründung der Antrag bei der Strafvollstreckungskammer gestellt worden ist. Es ist nicht die Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, auf eine Verfahrensrüge hin den Akteninhalt darauf zu prüfen, ob, wann und mit welchem Inhalt der Antragsteller bei der Strafvollstreckungskammer Anträge gestellt hat.
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3. Auch die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit einem früheren Beschluss der Strafvollstreckungskammer im Jahr 2019 geltend macht, ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG begründet worden und erweist sich ebenfalls als unzulässig.
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Der Beschwerdeschrift lässt sich nicht entnehmen, was der Beschwerdeführer im Verfahren der Strafvollstreckungskammer zu dem Beschluss „SR StVK 48/19“ vorgetragen hat und weshalb sich die Strafvollstreckungskammer mit diesem Beschluss hätte auseinandersetzen müssen. Dass der Antragsteller nunmehr in der Rechtsbeschwerde zum Inhalt des Beschlusses vorträgt, genügt den Anforderungen von § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht. Es ist nicht die Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, auf eine Verfahrensrüge hin den Akteninhalt darauf zu prüfen, ob, wann und mit welchem Inhalt der Antragsteller bei der Strafvollstreckungskammer zum Beschluss „SR StVK 48/19“ vorgetragen hat.
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II. Die Überprüfung der Entscheidung auf die Sachrüge hin hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ist weder zu besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer von rechtlich unzutreffenden oder unzureichenden Grundlagen bezüglich der vom Beschwerdeführer beantragten und von der Justizvollzugsanstalt (JVA) abgelehnten Gewährung einer Lockerung ausgegangen ist, noch, dass sie den für die Beurteilung zugrunde zu legenden Maßstab verkannt hat.
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1. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Antragstellers dahingehend verstanden, dass er neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung eines Ausgangs am 11. Dezember 2022 mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 auch die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt beantragt hat, ihm zum nächstmöglichen Zeitpunkt Ausgang zu gewähren. Jedenfalls nachdem die Justizvollzugsanstalt auch letzteres im laufenden Vollzugsverfahren ausdrücklich abgelehnt hat, war der Strafvollstreckungskammer eine Entscheidung auch über den Verpflichtungsantrag eröffnet.
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2. Rechtsfehlerfrei hat die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung sowohl bezüglich des Feststellungsantrags als auch bezüglich des Verpflichtungsantrags an der Regelung von Art. 13 BayStVollzG gemessen.
17
a) Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 BayStVollzG kann als Lockerung des Vollzugs angeordnet werden, dass Gefangene für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht Vollzugsbediensteter (Ausgang) verlassen dürfen. Nach Absatz 2 der Vorschrift dürfen Lockerungen mit Zustimmung der Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass die Gefangenen sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden. Vollzugslockerungen sind danach zwingend zu versagen, wenn zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerung zu Straftaten missbrauchen werde. Ein Ermessen ist in diesem Fall nicht eröffnet. Der Missbrauch bezieht sich auf Straftaten aller Art, nicht nur erheblicher (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 11 Rn. 9; Harrendorf/Ullenbruch in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 10. Kapitel Vollzugsöffnende Maßnahmen C II Rn. 53).
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b) Die Vollzugsbehörden haben dazu eine Prognoseentscheidung zu treffen (BeckOK Strafvollzug Bund/Setton, 23. Ed. 1.2.2023, StVollzG § 11 Rn. 27; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. Rn. 53). Etwaige Zweifel bei der geforderten Prognose gehen, wie sich dem Begriff des Befürchtens entnehmen lässt, zulasten des Gefangenen (Arloth/Krä a.a.O., § 11 Rn. 9).
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3. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Vollzugsbehörde bezüglich der unbestimmten Rechtsbegriffe der Flucht- und Missbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum zusteht mit der Folge, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 21. September 2020 – 203 StObWs 318/20 –, juris Rn. 21; KG Berlin, Beschluss vom 22. August 2011 – 2 Ws 258 und 260/11 Vollz –, juris Rn. 50; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. Rn. 51). Die Strafvollstreckungskammer prüft insoweit nur, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt hat und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraumes eingehalten hat.
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4. Wenn Gefangene wie hier mit einem Verpflichtungsantrag die Bewilligung vollzugsöffnender Maßnahmen begehren, kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (Harrendorf/Ullenbruch a.a.O Rn. 55). Auch dies hat die Strafvollstreckungskammer beachtet.
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5. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zu der gebotenen Darstellungsdichte einer Entscheidung der Vollzugsbehörde, Lockerungen zu versagen, sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
22
a) Will die JVA eine Lockerung wegen Missbrauchsgefahr ablehnen, hat sie nachvollziehbar darzulegen, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernstlich zu befürchten steht, der Gefangene werde die Maßnahme zur Begehung einer Straftat ausnutzen (KG Berlin, Beschluss vom 8. Juni 2009 – 2 Ws 20/09 Vollz –, juris Rn. 35; Setton a.a.O. Rn. 26).
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aa) Dazu sind die relevanten Tatsachen von der Vollzugsbehörde konkret festzustellen; allgemeine Befürchtungen, pauschale Wertungen oder nur formelhafte Begründungen genügen nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2021 – 203 StObWs 514/20 –, juris Rn. 26; Senat, Beschluss vom 21. September 2020 – 203 StObWs 318/20 –, juris Rn. 22; vgl. auch BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 17. September 2019 – 2 BvR 650/19-, juris Rn. 21; stattgebende Kammerbeschlüsse vom 18. September 2019 – 2 BvR 681/19-, juris Rn. 18 und – 2 BvR 1165/19-, juris Rn. 17, Rn. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – III-1 Vollz (Ws) 340/16 –, juris Rn. 17).
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bb) Für ihre Prognose hat die Anstalt sodann eine Gesamtabwägung aller für die Entscheidung relevanten Umstände vorzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. September 2018 – III-1 Vollz (Ws) 376/18 –, juris Rn. 21; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. Rn. 54). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Persönlichkeit des Betroffenen, sein Vorleben, etwaige frühere Verurteilungen, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, der Umgang mit der Tat, die Persönlichkeitsentwicklung, das Verhalten im Vollzug sowie die Eignung für eine Therapie und die Durchführung einer solchen.
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cc) Die Beurteilung hat zudem lockerungsbezogen zu erfolgen (OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2020 – III-1 Vollz (Ws) 5/20 –, juris; OLG München, Beschluss vom 17. Dezember 2012 – 4 Ws 204/12 (R) –, juris; Arloth/Krä a.a.O. § 11 Rn. 11a; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. Rn. 53).
26
b) Auch diese Anforderungen hat die Strafvollstreckungskammer beachtet.
27
aa) Ihre Ausführungen unter Berücksichtigung des Inhalts des Bescheids der Justizvollzugsanstalt, deren Stellungnahmen und des Vortrags des Antragstellers zeichnen ein nachvollziehbares Bild von der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner vollzuglichen Entwicklung. Sie befassen sich mit der dem aktuellen Strafvollzug zugrundeliegenden Tat und deren Vorgeschichte, mit seinem Verhalten und seiner Einstellung im Vollzug und stellen die Bemühungen der Anstalt um einen Anreiz zu einer Verhaltensänderung dar.
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bb) Die Prognose der Anstalt und die Versagung der Lockerung sind das Ergebnis einer Konferenz vom 19. Oktober 2022. Darin einbezogen sind die Erkenntnisse aus dem Strafurteil, die Erkenntnisse der Anstalt zu den Vorstrafen, die sozialen Beziehungen des Gefangenen und sein Beschäftigtenstatus sowie die Beurteilung des psychologischen Dienstes der Anstalt unter Berücksichtigung des auf den 7. April 2025 vorgemerkten Strafendes.
29
Dem aktuellen Strafvollzug liegt eine Verurteilung des Landgerichts Regensburg vom 17. Juli 2020 zugrunde. Der Antragsteller war wegen Diebstahls in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt worden, nachdem er im September und November 2019 in Freizeitbäder eingedrungen war und dort Diebstähle begangen hatte. Der Antragsteller war erst kurz vor den verfahrensgegenständlichen Einbruchdiebstählen, nämlich am 29. August 2019, nach der Verbüßung einer siebenjährigen Haftstrafe aus der JVA entlassen worden und befand sich zum Tatzeitpunkt unter Führungsaufsicht. Sein Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 10. Februar 2021 weist insgesamt 19 Eintragungen auf. Der Antragsteller fiel bereits in der Vergangenheit wiederholt mit der Begehung von Einbruchdiebstählen auf. Von den Gerichten eingeräumte Bewährungschancen konnte er bislang nicht für sich nutzen. Vielmehr mussten mehrere Freiheitsstrafen vollzogen werden. Der Antragsteller geht in der JVA unverschuldet keiner Beschäftigung nach. Seine sozialen Kontakte bestehen in Telefonaten mit zwei Bekannten und regelmäßigen Besuchen einer ehrenamtlichen Betreuerin. Der psychologische Dienst der JVA hat dem Antragsteller die Teilnahme an einer therapeutischen Maßnahme empfohlen. Dabei handle es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes und in der JVA bewährtes Programm für Straftäter, das der Vermittlung und des Trainings kognitiver Fähigkeiten und Werte diene. Es würden kognitive Übungen und Fähigkeiten wie Problemlösen und Ärger-Management trainiert mit dem Ziel einer Veränderung von impulsiven, egozentrischen, unlogischen und rigiden Denkstrukturen von Delinquenten. Der Antragsteller lehnt allerdings die Teilnahme an allen in der JVA verfügbaren therapeutischen und sozialen Behandlungsangeboten und an den Freizeitangeboten ab.
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cc) Dem Versagungsbescheid lässt sich entnehmen, dass die JVA die relevanten Gesichtspunkte vor ihrer Entscheidung ermittelt und entsprechend gegeneinander abgewogen hat. Die JVA ist in ihrer Begründung stimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Antragsteller mit Blick auf die Rückfallgeschwindigkeit im Jahr 2019 im unmittelbaren Anschluss an die Verbüßung einer langjährigen Freiheitsstrafe und das in der Wiederholung der Straftaten zum Ausdruck gebrachte eingeschliffene Verhaltensmuster auch ein Mindestmaß an einer für eine Bewilligung eines unbegleiteten Ausgangs unerlässlichen Absprachefähigkeit derzeit nicht zugesprochen werden könne. Auch hat die Anstalt dem Gefangenen perspektivisch mit der Teilnahme an einer Gruppenmaßnahme einen Weg aufgezeigt, diese deliktischen Verhaltensweisen aufzubrechen. Allerdings verweigert der Gefangene die Teilnahme und macht auch keinen Gebrauch von alternativen Angeboten der Anstalt.
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dd) Die Vollzugsbehörde hat in ihrer Entscheidung rechtsfehlerfrei einerseits die Rechte des Antragstellers, insbesondere sein Freiheitsrecht und sein Recht auf Resozialisierung, bedacht und in die Abwägung eingestellt, andererseits jedoch auch, den Vorgaben von Art. 13 Abs. 2 BayStVollzG entsprechend, das Sicherungsinteresse der Allgemeinheit abgewogen. Die Ausführungen der JVA lassen somit eine konkrete Missbrauchsgefahr besorgen. Inwieweit darüber hinaus auch eine konkrete Fluchtgefahr dargetan ist, kann dahinstehen.
32
c) Die Einwände des Antragstellers zeigen keinen Rechtsfehler der angegriffenen Entscheidung auf. Von einer vorzeitigen Entlassung auf Bewährung musste die Anstalt nach dem Ergebnis der Konferenz nicht ausgehen. Eine „nicht unerhebliche“ Gefahr musste die Anstalt nicht darlegen; für die Bejahung einer Missbrauchsgefahr bedarf es keines Aufzeigens eines Risikos von Kapitalverbrechen oder besonders schweren Straftaten. Der statistischen Quote derer, die nach einer Lockerung nicht zurückkehrten, kommt für die Beurteilung der Missbrauchsgefahr keine Bedeutung zu. Auf frühere Versagungsbescheide hat die JVA die Versagung nicht gestützt. Sie hat vielmehr die Faktenlage aktualisiert und eine daran angepasste Beurteilung der Missbrauchsgefahr vorgenommen. Den Ausführungen der Anstalt im Versagungsbescheid ist auch keine unzulässige Auflage für die Lockerung, wie sie der Antragsteller besorgt, zu entnehmen. Zwar dürfte die JVA die Ablehnung von Lockerungen nicht allein auf eine fehlende Therapiebereitschaft gründen. Die Bereitschaft eines Gefangenen, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten, kann aber ein Gesichtspunkt unter vielen bei der Beurteilung sein, ob Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von Art. 13 Abs. 2 BayStVollzG gegeben ist (OLG München, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 5 Ws 21/16 (R) –, juris Rn. 26). Die Ausführungen des Antragstellers zu einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens können der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da der Vollzugsbehörde hier nach Art. 13 Abs. 2 BayStVollzG kein Ermessensspielraum eröffnet war. Eine signifikante Verbesserung der finanziellen Situation des Gefangenen musste die Strafvollstreckungskammer ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen. Der Antragsteller gesteht auch in der Rechtsbeschwerde zu, weiterhin an einer Finanzschwäche zu leiden. Auch mit den vom Antragsteller in der Rechtsbeschwerde auszugsweise zitierten Rechtsausführungen einer Strafvollstreckungskammer in einem vormaligen gesonderten Verfahren im Jahr 2019 zur Unzulässigkeit des Nachschiebens von Gründen im Strafvollzugsverfahren bezogen auf die damalige Begründung eines früheren Versagungsbescheids zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf. Denn die Behörde hat im vorliegenden Verfahren keine Gründe nachgeschoben. Es bestand daher für die Strafvollstreckungskammer kein Anlass, diese Thematik zu erörtern.
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6. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass weiteren im Zeitraum vom 20. Oktober 2022 bis zum 13. April 2023 vom Antragsteller bei der Strafvollstreckungskammer anhängig gemachten Verpflichtungsanträgen auf Gewährung von Ausgang das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit entgegensteht (vgl. etwa Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. August 2022 – 1 Ws 228/22 –, juris Rn. 11; KG Berlin, Beschluss vom 8. Juni 2021 – 2 Ws 32/21 Vollz –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2017 – III-1 Vollz (Ws) 390/17 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2017 – 2 Ws 70/17 Vollz –, juris Rn. 3) und es nunmehr die Rechtskraft dieser Entscheidung zu beachten gilt.
D
34
Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und erweist sich im Rechtsbeschwerdeverfahren als unzulässig.
E
35
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 208 StVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Die Entscheidung über den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.
36
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).