Titel:
zur Zulassung eines Bürgerbegehrens
Normenketten:
BayGO Art. 18a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 4
BayLEP2023 Nr. 3.3
Leitsätze:
1. Die Begründung eines Bürgerbegehrens muss gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit erfüllen, um den Gemeindebürger in die Lage zu versetzen, Bedeutung und Tragweite seiner Unterschriftsleistung erkennen zu können; insbesondere darf der vorgelegte Begründungstext nicht in wesentlichen Punkten in die Irre führen, indem z. B. die maßgebliche Rechtslage unzutreffend und unvollständig dargelegt wird. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Bürgerbegehren, das lediglich auf einen allgemeinen Prüfauftrag an die Gemeinde gerichtet ist, ist mit der nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 BayGO formulierten Normierung einer „zu entscheidenden Fragestellung“ unvereinbar. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kommunales Bürgerbegehren, Anbindegebot, Vereinbarkeit beabsichtigter Bauleitplanung mit Landesplanung, Bürgerbegehren, Bauleitplanung, landesplanerisches Anbindegebot, Logistikzentrum, Sondergebiet, Prüfauftrag
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34983
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die Zulassung ihres Bürgerbegehrens als Bürgerentscheid.
2
1. Die Kläger sind die Vertreter des Bürgerbegehrens „…“.
3
Der Beklagte beabsichtigt eine Bauleitplanung im weiteren Umgriff der auf seinem Gemeindegebiet liegenden Anschlussstelle zur … Am 20. August 2018 wurde im Marktgemeinderat ein Aufstellungsbeschluss hinsichtlich des Bebauungsplans „…“ gefasst. Nach Planung soll auf dieser Fläche ein Sondergebiet Logistik entstehen. Der Entwurf des Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan „Sondergebiet Logistik“ in der Fassung vom 19. April 2021 sah die Ansiedlung von Betrieben und Anlagen vor, die ausschließlich logistischen Nutzungen dienen. Ab 30. März 2022 erfolgte nach einer ergänzenden Verkehrsuntersuchung eine erneute Auslegung des Bebauungsplanes.
4
Die Planung, insbesondere die Frage der Berücksichtigung des … als Interessenten für die Errichtung eines Logistikzentrums, war in der Vergangenheit bereits Gegenstand mehrerer Bürger- bzw. Ratsentscheide.
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2. Am 9. September 2021 reichten die Kläger beim Beklagten ein Bürgerbegehren mit folgender Fragestellung ein:
„Sind Sie dafür, dass der Markt … im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen auf der Fläche „…“ die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet schafft, in dem kein Logistik-, Sortier- oder Verteilzentrum zulässig ist?“
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Die optisch durch Schriftgröße und Fettdruck hervorgehobene Überschrift des Bürgerbegehrens lautet:
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Die Begründung enthält folgenden Inhalt: (Hervorhebungen im Original)
Der Markt … plant auf der Fläche „…“ eine bauliche Nutzung in Form eines (…) Sondergebiets gemäß § 11 Baunutzungsverordnung mit der Zweckbestimmung „Logistik“. Das Sondergebiet (…) dient laut Entwurf des Bebauungsplans (…) vom 19. April 2021 ausschließlich der Ansiedlung von Betrieben und Anlagen, die logistischen Nutzungen dienen.
Aus den Medien war zu entnehmen, dass … die Flächen kaufen will, um ein Logistikzentrum zu errichten und dieses an Amazon zu vermieten.
Wir sind der Auffassung, dass
- zum derzeit geplanten „Sondergebiet Logistik“ alternative Nutzungsmöglichkeiten angestrebt werden müssen.
- „…“ als Gewerbegebiet für eine Vielzahl von Unternehmen unterschiedlicher Sparten hochattraktiv ist. Die dauerhaft hohe Nachfrage beweist dies;
- ein Branchenmix auf der Fläche „…“ vorteilhaft ist im Hinblick auf die Vielfältigkeit der Arbeits- und Ausbildungsplätze, Gewerbesteuereinnahmen, Verkehrsbelastung und Flächenverbrauch;
- kein Unternehmen angesiedelt werden darf, das wegen der Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder seiner Steuervermeidungstaktiken fortwährender, internationaler Kritik ausgesetzt ist;
- … auf hohe Gewerbesteuereinnahmen angewiesen ist. Auch in späteren Jahren noch müssen unsere kommunalen Projekte finanziert werden.
- Logistik-, Sortier- und Verteilzentren – wie zum Beispiel … – ein enormes Verkehrsaufkommen verursachen (vgl. Bericht vom 24.02.2021 zur Verkehrsuntersuchung). Die Kombination aus relativ geringen Gewerbesteuereinnahmen bei hohem Flächenverbrauch birgt aus unserer Sicht das Risiko, sich für … letztlich nachteilig zu erweisen.
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Als Vertreter gemäß Art. 18a Abs. 4 GO wurden die Kläger benannt und es wurde die Vertretungsmacht definiert.
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3. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 regelte der Beklagte aufgrund eines Beschlusses des Marktgemeinderates vom 4. Oktober 2021 und nach Anhörung folgendes:
1. Das am 9. September 2021 eingereichte Bürgerbegehren „…“ wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der beantragte Bürgerentscheid wird nicht durchgeführt.
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Das Begehren sei bei wohlwollender Auslegung wie folgt zu verstehen: Im Erfolgsfall solle der Beklagte alle Voraussetzungen dafür schaffen, dass
- aus dem bisherigen Sondergebiet (Logistik) … ein normales, allgemeines Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) gemacht wird UND
- in diesem normalen, allgemeinen Gewerbegebiet alternative Nutzungsmöglichkeiten durch die Ansiedlung einer Vielzahl von normalen Unternehmen unterschiedlicher Sparten und unterschiedlicher Branchen (Branchenmix) verwirklicht werden UND
- in diesem Gewerbegebiet der Bau bzw. die Nutzung eines Logistikzentrums, Sortierzentrums oder Verteilzentrums ausgeschlossen wird UND
- eine Ansiedlung des … (siehe Titel Gewerbeentwicklung ohne …*) verhindert wird.
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Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, der Antrag auf Durchführung des Bürgerentscheids sei abzulehnen gewesen, da das Bürgerbegehren in mehreren Punkten den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge.
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Unzulässig seien Kurzbeschreibungen oder Titel, die den Inhalt des Bürgerbegehrens bewusst verfälschend oder unzutreffend wiedergeben. Vorliegend suggeriere der Titel eine direkt genannte Abstimmungsmöglichkeit über den … und vermittele den Eindruck, der Bürger könne mit einem „Ja“ eine entsprechende gewerbliche Ansiedlung verhindern. Aufgrund der tatsächlichen Fragestellung wäre eine solche Ansiedlung jedoch möglich, da sie sich zunächst nur auf das Plangebiet … beziehe.
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Der Beklagte ändere derzeit den Flächennutzungsplan und den Landschaftsplan und sei im Begriff einen Bebauungsplan im Sondergebiet … im Parallelverfahren aufzustellen. Dies geschehe in unmittelbarer räumlicher Nähe zum in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan für das allgemeine Gewerbegebiet … in Einklang mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids vom 17. Mai 2020. Daneben werden weitere gewerbliche Flächen in der Gemeinde entwickelt. Jede Bauleitplanung habe sich an der übergeordneten Planung und insbesondere an das Gebot der Anbindung an geeignete Siedlungseinheiten zu orientieren. … sei aufgrund seiner Lage, anders als …, als nichtangebundener Standort zu qualifizieren.
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Das vorliegende Begehren erwecke den irreführenden Eindruck, dass in … ebenfalls ein normales Gewerbegebiet entwickelt werden könne. Damit sei es nicht nur wegen Verstoßes gegen das Landesentwicklungsprogramm unzulässig, sondern führe auch den Bürger in die Irre, da aufgrund fehlender rechtlicher Erläuterungen ein falscher Eindruck der Rechtslage und der Folgen des Begehrens erweckt werde. Es greife auch keiner der neun im Landesentwicklungsprogramm genannten Ausnahmetatbestände. Das Begehren verschweige auch, dass die Regierung von Mittelfranken auf die Festsetzung eines Sondergebiets bestanden habe.
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Wie das vorhergehende Bürgerbegehren ziele auch dieses darauf ab, den etwaig bestehenden Bauwunsch eines konkret bezeichneten Unternehmens (* …*) zu verhindern. Für den Ausschluss von Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren fehle es an einem bauleitplanerischen Grund, insbesondere in Abgrenzung zu sonst erlaubten Logistiknutzungen wie Speditionen oder Hochregallagern. Ferner werde die Abgrenzung auch nicht näher definiert. Weiter stelle sich die Frage, ob über die Formulierung „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“ nicht eine Verhinderung der Bauleitplanung insgesamt verfolgt werden solle, was für den Bürger nicht erkennbar sei. Die Bestimmtheit der Begriffe Logistik-, Sortier- oder Verteilzentrum bereite erhebliche Schwierigkeiten. Eine Abgrenzung zu Nutzungen wie Speditionen sei nicht möglich und auch nicht widerspruchsfrei als Ausnahme im Sinne des § 8 BauNVO zu definieren.
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Gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens spreche weiterhin, dass mit dem propagierten Ziel eine gesetzeswidrige Diskriminierung eines europäischen Unternehmens gegeben sei.
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Ein Bürgerbegehren sei als unzulässig abzulehnen, wenn es die Haushaltsgrundsätze des Art. 61 Abs. 2 GO (Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung) verletze. Dabei liege ein rechtswidriges Ziel erst dann vor, wenn es mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens überhaupt nicht mehr in Einklang zu bringen sei. Für die Beurteilung sei dabei die schwierige Haushaltslage des Beklagten heranzuziehen und dass im laufenden Haushalt 2021 Anzahlungen in Höhe von 6 Mio. Euro aus dem Verkauf von … fest eingeplant seien. Die Flächen seien ferner auf Kredit erworben worden und es stünden enorme Aufgaben im Vermögenshaushalt an. Es stehe ein Verlust von mehreren Millionen Euro im Raum. Bei einer kleinteiligen Vermarktung der Fläche bestehe die Gefahr, dass nicht alle Flächen verkauft werden könnten.
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Dem Bürger werde mit der Begründung suggeriert, dass die gesamte Fläche von 19 ha an ein Logistikunternehmen verkauft werden solle. Tatsächlich sei die Entwicklung der Fläche für bis zu vier weitere Unternehmen vorgesehen. Ferner sei die Begründung des Begehrens insoweit unrichtig, als dass behauptet werde, … sei als Gewerbegebiet für eine Vielzahl von Unternehmen hochattraktiv. Die entsprechenden Anfragen bezögen sich aber nur auf die Planung als Logistikfläche, womit gerade das Gegenteil dessen Realität sei, was von den Initiatoren des Bürgerbegehrens gewünscht werde.
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Das Begehren sei irreführend, da die maßgebliche Sach- und Rechtslage unzureichend dargestellt werde. Im Begehren würden den Bürgern insbesondere wesentliche Hinweise zum Landesentwicklungsprogramm und dem Anbindungsgebot und weiter zu den Ausnahmemöglichkeiten nach § 8 BauNVO vorenthalten. Es fehle auch eine Erläuterung dazu, was mit der Klausel „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“ gemeint sei. Es fehlen weiter Hinweise auf die seitens des Kabinetts geplanten Verschärfungen des Landesentwicklungsprogramms.
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Die Erwähnung von … im Titel des Bürgerbegehrens führe in die Irre, da das Unternehmen … wesentlich mehr als ein Betreiber von Logistikzentren sei. Mit „Gewerbeentwicklung ohne …“ werde der Eindruck geschaffen, dass das Unternehmen sich danach im gesamten Gemeindegebiet nicht mehr ansiedeln könne. Unbestimmt seien weiter die Begriffe „alternative Nutzungsmöglichkeiten“, „Unternehmen unterschiedlicher Sparten“ und „Branchenmix“.
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Es bleibe weiter inhaltlich unbestimmt und offen, welche konkreten Maßnahmen mit „die Voraussetzungen schaffen“ gemeint seien.
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4. Gegen diesen Ablehnungsbescheid ließen die Kläger am 26. November 2021 beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2021 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, das Bürgerbegehren „…“ zuzulassen.
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Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022 begründet. Das Ergebnis der Bürgerentscheide sei aufgrund Art. 18a Abs. 13 GO seit 17. Mai 2021 nicht mehr bindend. Eine Vielzahl von Bürgern zögen eine anderweitige gewerbliche Nutzung als die derzeitige Form eines „Sondergebiets Logistik“ vor. Das Bürgerbegehren sei formell und materiell zulässig. Bürgerbegehren seien grundsätzlich auslegungsbedürftig und -fähig, wobei nach der Rechtsprechung im Interesse einer einfachen Handhabung keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien. Inhalt eines Bürgerbegehrens könnten auch Grundsatzentscheidungen sein, deren Ausführung durch spätere Detailentscheidungen erfolgten. Auch Bauleitplanungen könnten nach der bayerischen Rechtslage Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein, von einer Gemeinde beabsichtigte Planverfahren verhindert, bereits begonnene gemeindliche Planungen eingestellt und/oder andere mit Bürgerbegehren konkretisierte Planungen vorgegeben werden. Die durch Bürgerbegehren möglichen verfahrensleitenden Beschlüsse könnten im Rahmen der Bauleitplanung sogar bestimmte Maßgaben, Eckwerte oder Zielsetzungen umfassen. Ziel sei es vorliegend, die Möglichkeit für ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO zu prüfen, in dem kein Logistik-, Sortier- oder Verteilzentrum zulässig ist.
24
Der Art. 18a GO enthalte keine Vorgaben hinsichtlich Kurzüberschriften eines Bürgerbegehrens. Dem Bürger werde vorliegend keine direkte Abstimmungsmöglichkeit über den konkreten … suggeriert. Für den Bürger sei klar erkennbar, dass es um die bauleitplanerische Entwicklung für das Gebiet … gehe und nicht das übrige Gemeindegebiet. Dies ergebe sich klar aus der Begründung des Begehrens.
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In einem Gewerbegebiet seien grundsätzlich Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser sowie Lagerplätze zulässig und somit im gewissen Umfang auch Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren. Nach § 1 Abs. 5 BauNVO könnten bestimmte Arten von Nutzungen ausgeschlossen werden, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibe. Beispielsweise könnten Beschränkungen auf solche Gewerbebetriebe festgesetzt werden, die das Wohnen nicht wesentlich stören (BVerwG, B.v. 15.4.1987 – 4 B 71.87) oder Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen werden (BVerwG, B.v. 3.5.1993 – 4 NB 13.93). Die Forderung nach dem Ausschluss von Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren sei daher ein zulässiges Ziel. Da für das Gebiet … bereits konkret im Gespräch sei, dürfe das Bürgerbegehren diesen Konzern auch in der Überschrift anführen, die im Übrigen auch nicht auf dem Stimmzettel abgedruckt werden müsse.
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Das Bürgerbegehren fordere explizit nur Maßnahmen im Rahmen der bauleitplanerischen Zulässigkeit, gebe gerade keine konkreten Vorgaben, sondern nur eine Grundsatzentscheidung vor. Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) stehe dem nicht entgegen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auf … bereits ca. 55% der Restfläche vergeben sei. Ferner sehe auch das LEP Ausnahmetatbestände für eine Entwicklung von Gewerbegebieten ohne Anbindung vor, die etwa die Regierung von Mittelfranken in ihrer Stellungnahme vom 18. Juni 2021 anführe. Auch eine Beschränkung auf produzierendes Gewerbe stünde nicht im Widerspruch zu der Vorgabe eines Branchen- und Spartenmixes. Das bauleitplanerische Verfahren des Beklagten habe von Anfang an auf die Ansiedlung von … abgestellt. Davon seien auch die weiteren beteiligten Behörden ausgegangen.
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Es gehe bei dem Bürgerbegehren nicht um eine reine Verhinderungsplanung, sondern um eine positive Plangestaltung in Richtung eines bestimmten Gewerbegebiets. Eine nähere Begründung, wieso ein solcher Ausschluss gerechtfertigt sein soll, sei für das Bürgerbegehren nicht notwendig. Mit einem Bürgerbegehren könne eine gemeindliche Planung grundsätzlich auch verhindert und eingestellt werden (BayVGH, B.v. 14.3.2001 – 4 ZE 00.3658). Die Gebietsentwicklung solle nicht in Gänze verhindert werden, sondern lediglich eine bestimmte Nutzungsart ausgeschlossen werden.
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Die Formulierung „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“ verdeutliche, dass der Beklagte im Bauleitplanungsprozess sämtliche Vorgaben einhalten solle und im Rahmen der Abwägungsentscheidung zu einer ablehnenden Entscheidung kommen könne. Es sei nicht ersichtlich, dass bei dem geforderten Ausschluss von Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren dem Beklagten kein Planungsspielraum von substantiellem Gewicht bleibe (BayVGH, B.v. 28.7.2005 – 4 CE 05.1961).
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Für den Bürger sei klar anhand der Begriffe Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren und der Begründung erkennbar, worauf das Bürgerbegehren abziele. Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben sich an die von dem Beklagten verwendeten Begrifflichkeiten bezüglich der Aufstellung eines „Sondergebiets Logistik …“ angelehnt. Der Beklagte habe sich damit selbst nicht an die unter Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides verlangten Anforderungen gehalten. Für die Auslegung des Bürgerbegehrens sei auch eine Legaldefinition nicht zwingend erforderlich.
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Das Bürgerbegehren verfolge ein legitimes Ziel im Bereich der Bauleitplanung, so dass die Diskriminierung eines europäischen Unternehmens nicht in Betracht komme.
31
Maßnahmen einer Gemeinde dürfen grundsätzlich nicht gegen die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verstoßen, Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO. Ein solcher Verstoß liege jedoch nur vor, wenn das gemeindliche Handeln mit den Grundsätzen des vernünftigen Wirtschaftens unvereinbar ist. Der Beklagte teile keinen konkreten Anhaltspunkt mit, der einen Verstoß des Bürgerbegehrens gegen diesen Grundsatz rechtfertigen könne. Hierzu müsse die Gemeinde eine konkrete Aufstellung machen und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Beklagten darlegen. Das Einplanen etwaiger Veräußerungsgewinne in den Haushalt dürfe der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht entgegengehalten werden (Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Art. 18a Abs. 8 GO, Ziff. 13.08, 6a). Soll ein Verstoß gegen den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zur Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens führen, so müssen „Kosten-Nutzen-Überlegungen“ bzw. „Folgenkostenvergleiche“ angestellt werden. Das sei hier nicht hinreichend erfolgt.
32
Die Kläger haben in der Begründung des Bürgerbegehrens lediglich Informationen wiedergegeben, die so auch der Presse zu entnehmen waren. Es sei zwar richtig, dass auch kleinere, weitere Unternehmen in dem Gebiet angesiedelt werden sollen. Es sei jedoch stets die Rede davon gewesen, dass … den größten Flächenteil einnehmen soll. Demgegenüber wünsche sich das Bürgerbegehren eine Gebietsentwicklung mit kleineren Betrieben.
33
Hinsichtlich der Begrifflichkeiten stelle das Begehren klar, dass es lediglich um die Fläche „…“ gehe und nicht um das gesamte Gemeindegebiet.
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Das Bürgerbegehren führe den Unterzeichner nicht in die Irre. Der Unterzeichner müsse wissen, warum eine bestimmte Frage zur Abstimmung vorgelegt werden soll (BayVGH, B.v. 26.6.2012 – 4 CE 12.1224). Die Vertreter des Bürgerbegehrens nehmen am öffentlichen Meinungskampf teil. Wesentliche Ausführungen zur Rechtslage müssen nicht in das Bürgerbegehren aufgenommen werden. Eine Begründung sei daher nur zu beanstanden, wenn sie über eine bloß tendenziöse Wiedergabe hinaus einen entscheidungsrelevanten Umstand nachweislich falsch oder in objektiv irreführender Weise darstellt (BayVGH, B.v. 7.5.2017 – 4 CE 16.1856). Das sei vorliegend nicht der Fall.
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5. Der Beklagte erwidert mit anwaltlichen Schriftsatz vom 2. Juni 2021 und beantragt,
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Zur Begründung führt der Beklagte mit Schriftsatz vom 1. September 2022 aus. Aus Sicht des Beklagten ergeben sich Ähnlichkeiten und Parallelen zum vorhergehenden Bürgerbegehren „…“, das Gegenstand eines gerichtlichen Eilverfahrens der hiesigen Kammer (AN 4 E 21.00628) gewesen sei. Die dort dargestellten Entscheidungssätze seien Maßstab der ablehnenden Entscheidung des Beklagten gewesen. Darüber hinaus habe es bereits 2020 ein ebenfalls gleich gelagertes Bürgerbegehren unter dem Namen „…“ gegeben, das ebenfalls Gegenstand eines Verfahrens vor der hiesigen Kammer (AN 4 E 20.00882) gewesen sei. Alle drei Begehren seien von der Zielrichtung her praktisch austauschbar.
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Der Vortrag, die Regierung von Mittelfranken ginge davon aus, dass der Aufstellung des Bebauungsplans „Sondergebiet Logistik …“ Erfordernisse der Raumordnung aufgrund nicht ausreichender Nachweise entgegenstehen, sei unvollständig. Die Regierung von Mittelfranken habe mit Schreiben vom 27. September 2021 vielmehr ausgeführt, dass Einwendungen aus landesplanerischer Sicht bei Beachtung bestimmter Hinweise nicht länger erhoben werden würden. Zum gleichen Ergebnis sei auch der Planungsverband der Region … gekommen. Es sei vielmehr so, dass der Bedarfsnachweis für andere Flächen als Logistikflächen nicht gegeben sei. Dies stellen die Kläger nicht dar. Weiter sei die von der Klägerseite vorgelegte Stellungnahme des Landratsamtes überholt.
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Die Behauptung, die Planung des Beklagten habe von Anfang an auf … abgezielt, solle wohl der Rechtfertigung dienen, weshalb das Unternehmen erneut zum Hauptgegenstand gemacht werden soll. Dies sei jedoch unzutreffend, da die Aufstellungsbeschlüsse für … und … keine vorhabenbezogene, sondern eine offene Bebauungsplanung zeigen und zudem zunächst jeweils ein Industriegebiet auswiesen. Zu der Frage der Ausnahmetatbestände vom Anbindungsgebot habe es verschiedene Gespräche und Beratungen gegeben. So sollte … anfangs nach der Ausnahme „Autobahnnähe“ entwickelt werden, was sich aber seitens der Regierung von Mittelfranken als rechtlich nicht machbar erwiesen habe. Erst im Anschluss sei die Änderung zu einem Sondergebiet erfolgt. Im Rahmen des Bedarfsnachweises habe mit dem Projektentwickler … frühzeitig ein Interessent bereitgestanden, der sein Kaufinteresse dokumentierte und offen auftrat. Diese Umstände seien bekannt und ausreichend erläutert.
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Die Kläger behaupten in ihrer Klagebegründung, dass bereits 55% der Bruttofläche von 11,5 ha vergeben seien. Richtig sei, dass es für … zwar feste Interessenten gebe, derzeit aber kein Grundstück vergeben sei und kein einziger notarieller Kaufvertrag abgeschlossen sei.
40
Laut Klagebegründung solle es nun Ziel des Bürgerbegehrens sein, dass ein förmliches Planaufstellungsverfahren in Gang gesetzt werde (Aufstellungsbeschluss), um auf der Fläche … die Möglichkeit für ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO zu prüfen, in dem kein Logistik-/Sortier- oder Verteilzentrum zulässig sein solle. Dies ergebe sich allerdings weder aus der Fragestellung noch aus der Begründung des Bürgerbegehrens. Im Widerspruch zu den Aussagen der Klagebegründung finde sich dort keine Formulierung, aus der der Bürger die Forderung nach einem Aufstellungsbeschluss entnehmen könne. Für die Fläche … gebe es bereits einen Aufstellungsbeschluss und die Planung befinde sich im Beteiligungsverfahren, bei dem bereits einmal eine Änderung von Industriegebiet … auf Sondergebiet Logistik … beschlossen worden sei. Rechtlich zulässig könne z.B. die Forderung nach der Änderung des laufenden Bauleitplanverfahrens sein. Die Forderung nach einer Einstellung des laufenden Verfahrens ergebe sich aus dem Bürgerbegehren nicht. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sich das in der Klagebegründung genannte Ziel „Möglichkeiten zu überprüfen“ von dem in der Fragestellung genannten Ziel „die Voraussetzungen schaffen“ deutlich unterscheidet oder sogar im Widerspruch dazu steht.
41
Die Fragestellung des Bürgerbegehrens ziele auf ein nicht zu verwirklichendes Ziel ab, da die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO nach geltender Rechtslage nicht geschaffen werden könnten. Ferner sei unklar, was unter Gewerbegebiet vorliegend zu verstehen sei. Klarzustellen wäre, ob es sich um ein allgemeines Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO handeln solle oder um ein Baugebiet mit weitergehenden Einschränkungen bei der Nutzung.
42
Die Klage zitiere zwar Ausnahmen vom Anbindegebot, die jedoch nicht einschlägig seien. Die erste Ausnahme komme deswegen nicht in Frage, da der Autobahnanschluss aus Sicht der Regierung von Mittelfranken zu weit entfernt liege und geeignete Alternativstandorte vorliegen würden. Zudem dürfe keine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vorliegen, was jedoch nach der zitierten Einschätzung des Landratsamtes …, der Genehmigungsbehörde für den Flächennutzungsplan, im Bereich … der Fall sei.
43
Die zweite zitierte Ausnahme komme deshalb nicht in Frage, weil die Gründe für die Ablehnung eines interkommunalen Gewerbegebiets durch den Marktgemeinderat als nachvollziehbar betrachtet werden. Auch insoweit liegen ferner Alternativstandorte vor und es dürfe keine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vorliegen.
44
Die vierte zitierte Ausnahme komme nicht in Frage, weil aus Sicht der Regierung von Mittelfranken für … geeignete Alternativstandorte vorliegen, der Bedarf für solche Flächen nicht nachgewiesen sei, eine Entwicklung auch nur im Einzelfall im dann benötigten Umfang (statt voll 19 ha) möglich wäre und die zu bevorzugende Anbindung ausschließlich aus Gründen der Ortsbildgestaltung abgelehnt werden könnte.
45
Die sechste zitierte Ausnahme komme nicht in Frage, weil für eine überörtlich bedeutsame Freizeitanlage mit schädlichen Umwelteinwirkungen keinerlei Nachfrage oder Bedarf vorliege.
46
Damit verblieben lediglich zwei mögliche Ausnahmetatbestände, die jedoch vom Beklagten zu jeder Zeit auch entsprechend kommuniziert wurden – zuletzt im konkurrierenden Ratsbegehren.
47
Das nun vorliegende Bürgerbegehren ziele laut Fragestellung darauf ab, dass „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen auf der Fläche … die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet […] geschaffen werden sollen“. Mit Blick auf den Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Bürgers sei hierzu folgendes zu sagen:
48
Auf der Fläche … sollen die Voraussetzungen geschaffen werden. Was auch immer von dem Beklagten aufgrund eines positiven Bürgerentscheids des Begehrens als Maßnahme (= Voraussetzungen schaffen) zu veranlassen wäre – es spiele sich auf der Fläche … ab oder hat diese Fläche zum Gegenstand (des Beschlusses). Zur Verdeutlichung heiße es eben gerade nicht: „dass der Markt … im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet auf der Fläche … schafft“. Dieser Unterschied sei auch keiner anderen Auslegung zugänglich, ist er doch in seiner Bindungswirkung für daraus abzuleitende Handlungen evident und vor allem betonen die Kläger selbst an diversen Stellen ausdrücklich, dass sich ihr Begehren nicht auf das gesamte Gemeindegebiet beziehe, sondern ausdrücklich auf die Fläche … limitiert sei.
49
Die Formulierung „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“ definiere eindeutig, dass die vom Beklagten zu treffenden Maßnahmen bauleitplanerische Natur haben müssen. Bei einer weiten Auslegung könne dies vielleicht noch die Einholung von Gutachten, Erstellung von Planzeichnungen für … etc. sein. Ausgeschlossen wären für den Bürger damit erkennbar alle Maßnahmen, die weder der Bauleitplanung zuzurechnen seien oder andere Gebiete als … betreffen, insbesondere andere Rechtsnatur haben, etwa Erschließungsmaßnahmen, Grundstücksankäufe und -verkäufe, Vermietungen usw. Daher sei unverständlich, weshalb die Klagebegründung (im Gegensatz zum Text des Begehrens, der darauf in keiner Weise eingeht) sich vor allem mit Maßnahmen/Themen/Zielen beschäftige, die vom eigentlichen Regelungsgehalt des Begehrens überhaupt nicht umfasst und noch weniger für den Bürger erkennbar seien – jedoch dann andererseits als notwendige Voraussetzung für die Erreichung der gewünschten Ziele betrachtet werden.
50
Bei dem Bürgerbegehren stehe unzweifelhaft die Verhinderung eines Vorhabens im Vordergrund: In der Überschrift gehe es um die Ansiedlung von …, in der Fragestellung gehe es um die Verhinderung von Sortier- oder Verteilzentren. Zur Erläuterung tragen die Kläger nunmehr vor, es gehe um eine Art Grundsatzbeschluss, um dann in einem neu aufzustellenden Verfahren die bauleitplanerischen Möglichkeiten zu prüfen. Damit räumen die Kläger zumindest ein, dass der Fragestellung und Begründung jedenfalls nicht zu entnehmen sei, welches konkrete Handeln / welche Maßnahmen vom Beklagten nach einem positiven Bürgerentscheid verlangt wären. Fraglich sei, ob die Fragestellung noch als Prüfauftrag an die Verwaltung mit offenem Ausgang verstanden werden könne.
51
Der Begründung des Begehrens sei zu entnehmen, dass alternative Nutzungsmöglichkeiten zum geplanten Sondergebiet Logistik angestrebt werden müssen. In der entscheidenden Fragstellung sei lediglich die Rede davon, dass „Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet“ geschaffen werden sollen. Das sei jedoch zweifellos etwas Anderes als die „Schaffung eines Gewerbegebiets“. Dieses werde durch einen rechtskräftigen Satzungsbeschluss für einen entsprechenden Bebauungsplan geschaffen. Ein positiver Bürgerentscheid würde den Beklagten lediglich dazu verpflichten, das Verfahren bezüglich … auf „Null“ zu stellen und quasi von vorne zu beginnen. Eine Verpflichtung zum Erlass eines von den Klägern gewünschten Bebauungsplanes wäre damit zweifellos dann nicht verbunden. Das vorliegende Bürgerbegehren könne beim Bürger auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden, da unklar sei, ob Ziel die Änderung oder Einstellung des weit fortgeschrittenen Bauleitplanungsverfahrens sei.
52
Die Überschrift des Bürgerbegehrens vermittele als Ziel … in … zu verhindern und solle es wohl auch. Eine nur beispielshafte Nennung von … ergebe sich aus der Fragestellung nicht. Dieses Ziel hätten die Kläger in der Öffentlichkeit im letzten Jahr auch regelmäßig mit den vorigen Bürgerinitiativen vermittelt. Die Überschrift unterscheide auch nicht zwischen …, … oder anderen gewerblichen Standorten im Gemeindegebiet des Beklagten – sondern spreche allgemein von Gewerbeentwicklung, was vom Bürger auf das gesamte Gemeindegebiet bezogen werden könne. Die Überschrift unterscheide des Weiteren nicht zwischen … (als Konzern mit vielfältigen Tätigkeitsfeldern) und einer … Logistikansiedlung als ausgegründeter GmbH. Auch hier wird erneut dieselbe Problematik wie im vorigen Begehren aufgeworfen, weil ignoriert werde, dass … kein Logistikunternehmen ist.
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Die Fragestellung laute im Gegensatz zur Überschrift jedoch „[…] kein Logistik-, Sortier- oder Verteilzentrum zulässig ist“ – ohne jeden Hinweis auf … Demnach ginge es rein um Ausschluss von Logistik-, Sortier- oder Verteilzentren. Solche werden von einer Vielzahl von Unternehmen betrieben, zum Beispiel Deutsche Post, Deutscher Paketdienst, Hermes, Otto Versand, Zalando und vielen weiteren auch kleineren Unternehmen und Logistikfirmen – demnach müssten diese also auch ausgeschlossen und beispielshaft genannt werden, nicht nur … Das Begehren weise auch hier Ähnlichkeit zum vorigen, unzulässigen Begehren „…“ auf.
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In der Begründung oder Erläuterung fehlen sämtliche Informationen oder Hinweise, unter welchen zusätzlichen Risiken (z.B. im Zusammenhang mit dem Volksentscheid „Flächenfraß“ oder der bevorstehenden Verschärfung des Landesentwicklungsprogrammes) ein erneutes Aufrollen der Planungen stehen würde. Ferner gebe man eine Vertrauensschutzposition auf, die man durch die laufende Planung hinsichtlich der aktuellen Änderung des Landesentwicklungsprogrammes erhalten habe. Zudem fehle ein Hinweis darauf, dass die Deutsche Bahn die Möglichkeit eröffnet bekäme, die Ansiedlung des ICE-Werkes vorzuschlagen.
55
6. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, auf die Gerichtssowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
56
Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zulassung und Durchführung des von ihnen vertretenen Bürgerbegehrens als Bürgerentscheid, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Fragestellung ist auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet, da die angestrebte Bauleitplanung gegen zwingende Vorschriften des Landesplanungsrechts verstößt.
58
1. Auf Basis der rechtlichen Anforderungen (lit. a) und der konkreten Fragestellung (lit. b) ist das Bürgerbegehren mit den Vorschriften des Baurechts, namentlich mit dem landesplanerischen Anbindegebot unvereinbar. Das ergibt sich auch in Ansehung der im Landesentwicklungsprogramm als Zielen normierten möglichen Ausnahmen vom Anbindegebot (lit. c).
59
a) Nach Art. 18a Abs. 1 GO können die Gemeindebürger über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen. Dabei gehören zum eigenen Wirkungskreis auch Entscheidungen über Bauleitplanungen, die der bayerische Gesetzgeber nach Art. 18a Abs. 3 GO gerade nicht aus dem Anwendungsbereich für Bürgerbegehren herausgenommen hat. Mit einem Bürgerbegehren können Verfahren zur Aufstellung, Änderung oder Aufhebung von Bauleitplänen eingeleitet, von der Gemeinde beabsichtigte Planverfahren verhindert, bereits begonnene Planaufstellungsverfahren eingestellt und/oder andere mit Bürgerbegehren konkretisierte Planungen vorgegeben werden (Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Ziff. 13.01, Anm. 2 e.aa unter Bezug auf insbesondere BayVGH, B.v 20.12.2021 – 4 CW 21.2576; U.v. 28.5.2008 – 4 BV 07.1981 – Rn. 31; B.v. 28.7.2005 – 4 CE 05.1961 – Rn. 28).
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Die Fragestellung muss ferner so bestimmt sein, dass die Bürger zumindest in wesentlichen Grundzügen erkennen können, wofür oder wogegen sie ihre Stimme abgeben und wie weit die gesetzliche Bindungswirkung des Bürgerentscheids (Art. 18a Abs. 13 GO) im Fall eines Erfolgs reicht (BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 4 CE 21.2992 – Rn. 17). Im Zusammenhang mit einer Bauleitplanung ist weiter zu prüfen, ob die konkrete Fragestellung mit den gesetzlichen Vorschriften des Baurechts vereinbar ist (BayVGH, B.v. 13.12.2010 – 4 CE 10.2839 – Rn. 28; U.v. 28.5.2008 – 4 BV 07.1981 – Rn. 31).
61
Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO ist das Bürgerbegehren weiter zu begründen. Die Vorschrift regelt dabei nicht nur das Erfordernis einer reiner formal existierenden Begründung. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Begründung gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit erfüllen muss. Der unterzeichnende Gemeindebürger muss Bedeutung und Tragweite der Unterschriftsleistung erkennen können. Dazu gehört, dass er durch den vorgelegten Begründungstext nicht in wesentlichen Punkten in die Irre geführt wird, insbesondere, weil die maßgebliche Rechtslage unzutreffend und unvollständig dargelegt wird (st. Rspr., z.B. BayVGH U.v. 4.7.2016 – 4 BV 16.105 – Rn. 27 f. m.w.N.).
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b) Die Fragestellung ist seinem Wortlaut nach klar auf die Bauleitplanung einer bestimmten Fläche gerichtet, die bereits unter dem Begriff „…“ Gegenstand einer Bauleitplanung ist. Diese Fläche soll auf Basis der Fragestellung nunmehr als ein Gewerbegebiet überplant werden, in dem kein Logistik-, Sortier- oder Verteilzentrum zulässig sein soll. Damit soll die bisherige Planung eines Sondergebiets Logistik und die damit verbundene umstrittene Ansiedlung des … ersetzt werden.
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Seiner Formulierung nach soll die Gemeinde für dieses Gewerbegebiet „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen (…) die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet“ schaffen. Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nunmehr vorträgt, es handele sich lediglich um einen Prüfauftrag an die Gemeinde zur Bestimmung der Möglichkeiten, so ist dies aus dem Wortlaut nicht nachvollziehbar. Eine solche Interpretation hätte die Unbestimmtheit des Bürgerbegehrens zur Folge, da der Bürger aus der Fragestellung nicht erkennen kann, dass lediglich ein allgemeiner Prüfauftrag gegeben werden soll und welche Folgen es hätte, wenn die Gemeinde zu dem Ergebnis käme, dass eine anderweitige Planung nicht möglich ist. Auch aus dem Zusatz „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“ ist nicht erkennbar, ob in diesem Fall das Sondergebiet Logistik weiter geplant werden darf oder ob dies in jedem Fall aufgegeben werden soll.
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Und schließlich hätte ein solcher Prüfauftrag keine durchsetzbare Entscheidung zur Folge, denn es wäre unklar, wann ein solcher Prüfauftrag abgeschlossen ist und ob etwa die Gemeinde für die in der mündlichen Verhandlung diskutierten Ausnahmen vom Anbindegebot ein eigenes Gebietskonzept entwickeln muss oder nicht. Die Gemeinde hatte in der Verhandlung versucht aufzuzeigen, dass ein solcher Prüfauftrag bereits umgesetzt worden sei. Der zwischen den Beteiligten hierzu augenscheinlich gewordene Dissens hat eindrucksvoll gezeigt, dass ein Verständnis der Fragestellung als Prüfauftrag zu keiner vollziehbaren Entscheidung führen würde. Bürgerbegehren mit lediglich politischer Signalwirkung oder das Anhalten zu einer erneuten Beratung und Beschlussfassung sind mit der nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO formulierten Normierung einer „zu entscheidenden Fragestellung“ unvereinbar (Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Ziff. 13.04, Anm. 6).
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c) Die so verstandene konkrete Fragestellung ist mit den gesetzlichen Vorschriften des Baurechts unvereinbar.
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(1) Nach § 1 Abs. 4 BauGB ist die Bauleitplanung den Zielen der Raumordnung anzupassen. Nach Nr. 3.3 der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) vom 16. Mai 2023 (GVBl. 2023 S. 213) soll eine Zersiedelung der Landschaft und eine ungegliederte, insbesondere bandartige Siedlungsstruktur grundsätzlich vermieden werden (Anbindegebot, vgl. Überschrift von Nr. 3.3 des LEP).
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Die Zersiedelung der Landschaft ist gekennzeichnet durch Streubebauung, da sie die Funktionsfähigkeit der Freiräume einschränkt und Ansatzpunkte für eine weitere Besiedelung im Außenbereich bildet. Eine ungegliederte bandartige Siedlungsentwicklung soll wegen der nachteiligen Einflüsse auf Naturhaushalt und Landschaftsbild, der überwiegend ökonomischen Nachteile (z. B. Leitungslängen der technischen Infrastruktur) und im Hinblick auf den Erhalt eines intakten Wohnumfeldes vermieden werden. Die Anbindung neuer Siedlungsflächen (d.h. Flächen, die zum dauernden oder mindestens regelmäßig vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt werden sollen) an geeignete Siedlungseinheiten ist ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Zersiedelung. Ausnahmen von dem Ziel der Anbindung sind nur dann zulässig, wenn auf Grund einer der im Ziel genannten Fallgestaltungen die Anbindung an eine bestehende geeignete Siedlungseinheit nicht möglich ist.
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(2) Vorliegend verstößt das von der Fragestellung geforderte Schaffen der rechtlichen Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet gegen das Anbindegebot. Die zu überplanende Fläche schließt sich nach Vortrag beider Beteiligten unstreitig an keinen Siedlungszusammenhang an, was auch unter Berücksichtigung des im Norden überplanten Gewerbegebietes „…“ gilt, das selbst lediglich über eine Eisenbahnunterführung Bezug zu einem Siedlungszusammenhang hat.
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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht weiter fest, dass sowohl im Gewerbegebiet „…“ als auch rund um den Ortskern des Beklagten ausreichend Flächen für eine planerische Gewerbeentwicklung zur Verfügung stehen. Rechtlich ohne Belang ist dabei, dass der Beklagte bereits Grundstücke auf der Fläche „…“ erworben hat.
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Die laufende Planung als Sondergebiet Logistik knüpft an eine unter Nr. 3.3 LEP geregelte Ausnahme von dem Anbindegebot an, wonach ein Logistikunternehmen bzw. ein Verteilzentrum unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig ist. Diese Ausnahme vom Anbindegebot soll aber mit dem Bürgerbegehren gerade ausgeschlossen werden.
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(3) Vergleichbare Ausnahmen kommen nach der konkret durch das Bürgerbegehren aufgeworfenen Fragestellung und der weiteren Begründung nicht in Betracht, da eine andere Ausnahme nicht erforderlich im Sinne des Bauplanungsrechts ist. Das gilt auch in Ansehung der Formulierung „im Rahmen des bauleitplanerisch Zulässigen“.
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Die angestrebte Planung auf der konkreten Fläche ist nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Demnach haben Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dabei ist eine Bauleitplanung nur dann erforderlich, wenn sie dazu dient, einen Beitrag zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zu leisten, wenn sie also bodenrechtlich begründet werden kann (Dirnberger in Spannowsky/Uechtritz – BeckOK, BauGB, Stand: 1.08.2021, § 1 Rn. 37).
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Das Bürgerbegehren zeigt weder in Begründung noch in Fragestellung ein eigenes Plankonzept für eine bodenrechtliche Begründung auf, weshalb das von ihm geforderte Gewerbegebiet als Alternative zu dem Sondergebiet Logistik gerade auf der zu überplanenden Fläche verwirklicht werden soll. Nicht erkennbar ist weiter ein Ansatzpunkt, weshalb ein Tatbestand einer der Ausnahmen in Betracht kommen soll. Dem Bürgerbegehren geht es lediglich um eine als Gewerbegebiet konkretisierte Alternative zu der geplanten Ansiedlung von Logistiknutzungen. Diese Alternative muss aber nicht gerade auf der Fläche „…“ verfolgt werden.
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Der Beklagte hat durch das Bürgerbegehren auch kein eigenes Plankonzept für eine Ausnahme zu entwickeln. Nach allgemeinem Norminterpretationsverständnis sind Ausnahmen eng auszulegen. Das LEP will nach dem oben dargestellten Normzweck solche Planungen „auf grünem Rasen“ verhindern, die nicht an einen Siedlungszusammenhang angebunden sind. Für eine Entwicklung der Gemeinde mit Gewerbe kommen vorrangig andere Gebiete in Betracht, eine Ausnahme müsste erst gefunden und von der Gemeinde sogar erfunden werden, um die Entwicklung gerade auf der Fläche „…“ zu ermöglichen. Das gilt unabhängig von der vorgetragenen „Attraktivität der Fläche für Unternehmen unterschiedlicher Branchen“.
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(4) Unabhängig davon gibt das Begehren weder in Begründung noch in Fragestellung einen Hinweis auf die mit einer Planungsänderung auf der Fläche „…“ verbundenen rechtlichen Anforderungen. Insoweit ist das Bürgerbegehren auch unbestimmt bzw. irreführend.
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Der abstimmende Bürger kann anhand von Fragestellung und Begründung nicht erkennen, dass für ein Gewerbegebiet auf der überplanten Fläche ein spezifischer Ausnahmetatbestand erforderlich ist, wieso dieser erforderlich ist und welche Ausnahme dann in Betracht kommen könnte. Aufgrund der Begründung wird nicht vermittelt, dass eine Alternative zu der geplanten Logistiknutzung auf der konkreten Fläche nach Stand der Überlegungen nicht in Betracht kommt.
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2. Damit war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegenden Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind.