Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 24.11.2023 – AN 17 S 23.31446
Titel:

Offensichtlich unbegründeter Asylangtrag (Benin) - Skarifizierungen

Normenkette:
AsylG § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
Leitsätze:
1. Nach Art. 31 Abs. 8 lit. e Asylverfahrens-RL, auf dem § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG beruht, können Asylanträge nur dann im beschleunigten Verfahren bzw. als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Asylantragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die zu hinreichend gesicherten Herkunftsinformationen im Widerspruch stehen. Ein unsubstantiiertes Vorbringen allein, dh oberflächliche und pauschale Angaben, die nicht ausreichend detailliert und konkretisiert sind, fallen hingegen nicht unter den Tatbestand des Art. 31 Abs. 8 lit. e Asylverfahrens-RL und auch nicht unter eine andere Tatbestandsalternative nach der Asylverfahrens-RL. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vom Bundesamt herangezogene Rechtsgrundlage des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG kann durch das Gericht gegen eine andere Rechtsgrundlage ausgetauscht werden, sofern eine solche eingreift. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Art. 31 Abs. 8 lit. a Asylverfahrens-RL ist ein Schnellverfahren (bzw. eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet, Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrens-RL) dann gerechtfertigt, wenn ein Asylantragsteller lediglich Umstände vorbringt, die für die Frage von Gewährung internationalen Schutzes nicht von Belang sind. Nicht von Belang ist ein Vortrag dann, wenn aus diesem auch bei Wahrunterstellung rechtlich klar kein Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG folgen kann. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
offensichtlich unbegründeter Asylantrag (Asylantragstellerin aus Benin), Vortrag, der nicht von Belang ist i.S.v. Art. 31 Abs. 8 lit. a) der RL 2013/32/EU (Gefahr von Gesichtsskarifizierungen durch den Vater), Europarechtskonforme Auslegung von § 30 Abs. 1 AsylG, offensichtlich unbegründet, Skarifizierungen, Benin
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34982

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Der 1987 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben beninischer Staatsangehörige, Dendi und Sunnit aus der Region Donga (Djougou). Er stellte am 28. Oktober 2023 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
2
Bei einer Befragung zur Zulässigkeit des Asylantrags 13. Dezember 2022 gab der Antragsteller an, ledig zu sein, von Benin (Djougou) nach Niger gereist zu sein, wo er zwei Wochen gewesen sei, und über Libyen und Italien im August 2023 nach Deutschland gereist zu sein. Im Rahmen einer schriftlichen Befragung in französischer Sprache gab der Antragsteller die gleiche Reiseroute an und auf die Frage, wann er sein Herkunftsland zum ersten Mal verlassen habe den …2021.
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Bei seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 14. August 2023 trug der Antragsteller hingegen vor, Benin vor 25 Jahren verlassen und zu seinem Onkel (Bruder seiner Mutter) nach Niger gezogen zu sein, nämlich als er sehr jung, ungefähr sieben Jahre alt gewesen sei. Zur abweichenden schriftlichen Angabe sei es gekommen, weil er falsch gerechnet habe. Er sei Anfang 2021 auch noch einmal nach Benin zurückgekehrt und habe sich dort wieder niedergelassen. Er habe Benin wegen seines Vaters, wegen der Tradition des Skarifizierens im Gesicht verlassen. Sein Vater habe dies gewollt, als er noch jung gewesen sei. Er sei dann nach Niger. Seine Mutter sei nicht damit einverstanden gewesen. Zurückgekehrt nach Benin sei er, weil er habe heiraten wollen. Er sei 2021 wegen der Tradition des Skarifizierens ausgereist. Er habe Angst gehabt, von seinem Vater skarifiziert zu werden.
4
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2023, dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde (ersatz-) zugestellt per Niederlegung des Bescheids im Briefkasten am 4. November 2023, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1). Ebenso wurden die Anträge auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 2 und 3). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4) und drohte dem Antragsteller die Abschiebung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides – in erster Linie – in den Mitgliedstaat der ECOWAS, Republik Benin an, falls er nicht freiwillig ausreise und setzte dabei den Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist aus und im Falle der fristgerechten Antragstellung darüber hinaus bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des gerichtlichen Eilantrags (Ziffer 5). Es ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
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Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ausgeführt, dass sich die Antragsablehnung nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung aufdränge, weil eine politische Verfolgung nicht substantiiert vorgetragen worden sei. Es gebe auch keine Hinweise darauf, da das Volk der Dendi Skarifizierungen (Narbenzufügung auf der Haut) überhaupt praktiziere. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb er im Jahr 2021 nach Benin zurückgekehrt sei, nachdem er mit sieben Jahren vor dieser Tradition geflohen sei. Dass er abermals unbeschadet ausreisen konnte, lasse den Schluss zu, dass er seinem Vater überlegen sei und sich wehren könne.
6
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigte erhob der Antragsteller am 13. November 2023 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (AN 17 K 23.31447) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2023 anzuordnen.
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Eine Begründung erfolgte nicht.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 15. November 2023, den Antrag abzulehnen.
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Am 20. November 2023 erhob der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten erneut Klage gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2023 (AN 17 K 23.31535) und stellte erneut einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (AN 17 S 23.31534). Hierüber ist noch nicht entschieden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 13. November 2023 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Oktober 2023 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, nachdem der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt, sondern die Abschiebungsandrohung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Der Antrag ist auch binnen Wochenfrist nach Bescheidsbekanntgabe (§§ 74 Abs. 1 Halbs. 2, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gestellt worden. Die Klage- und Antragsfrist lief aufgrund der wirksamen Zustellung des Bescheids am 4. November 2023 am 5. November 2023 an; die Wochenfrist lief damit bis zum 11. November 2023, wurde jedoch, weil es sich beim 11. November 2023 um einen Samstag handelte, bis zum nächsten Werktag, dem Montag, 13. November 2023 hinausgeschoben, § 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB.
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2. Der damit zulässige Antrag ist jedoch unbegründet, da ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung nicht bestehen.
14
a) Nach – der vom Bundesamt herangezogenen Rechtsgrundlage des – § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag dann als offensichtlich unbegründet einzustufen, wenn das Vorbringen des Antragstellers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Der Tatbestand des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist dabei aber europarechtskonform auszulegen bzw. wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nur insoweit anzuwenden, als Europarecht nicht entgegensteht (vgl. bereits VG Ansbach, B.v. 18.7.2023 – AN 17 S 23.30555; B.v. 1.6.2023 – AN 17 S 23.50522 – jeweils juris). Nach Art. 31 Abs. 8 lit. e) Asylverfahrens-RL, auf dem § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG beruht, können Asylanträge nur dann im beschleunigten Verfahren bzw. als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Asylantragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die zu hinreichend gesicherten Herkunftsinformationen im Widerspruch stehen. Ein unsubstantiiertes Vorbringen allein, d.h. oberflächliche und pauschale Angaben, die nicht ausreichend detailliert und konkretisiert sind, fallen hingegen nicht unter den Tatbestand des Art. 31 Abs. 8 lit. e) Asylverfahrens-RL und auch nicht unter eine andere Tatbestandsalternative nach der Asylverfahrens-RL (vgl. hierzu ausführlicher VG Ansbach, B.v. 18.7.2023 – AN 17 S 23.30555; B.v. 1.6.2023 – AN 17 S 23.50522 – jeweils juris). Die zweifellos gegebene Unsubstantiiertheit des Vorbringens des Antragstellers zu der Befürchtung, dass er in seinem Heimatland durch seinen Vater oder im Umfeld seiner Volksgruppen Dendi eine rituelle Beibringung von Körpernarben (Skarifizierung) zu befürchten hat, genügt für das Offensichtlichkeitsurteil deshalb nicht.
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Skarifizierungen im Gesicht sind in der Heimatregion Donga (Hauptstadt Djougou) des Antragstellers auch nicht offensichtlich unwahrscheinlich im Sinne von Art. 31 Abs. 8 lit. e) Asylverfahrens-RL bzw. stehen nicht zu hinreichend gesicherten Herkunftsinformationen im Widerspruch. Ob und unter welchen Umständen es derartige Praktiken in Donga gibt, erfordert eine umfassende und schwierige Recherche, sodass eine offensichtliche Unwahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden kann. Auch von hinreichend gesicherte Herkunftsinformationen kann nicht ausgegangen werden. Zwar ist auch nach der Recherche des Gerichts der Ritus der Skarifizierung als Körperschmuck und Zeichen der Clanzugehörigkeit schwerpunktmäßig in anderen Ländern in Afrika (insbesondere in Sudan, Tschad, Nigeria, Kenia, Tansania, Mosambik und Angola) zu Hause (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Skarifizierung). Für Benin konnte nur die Information aufgefunden werden, dass dies für das Volk der Bétamarribé in der Region Atakora, die nördlich der Heimatregion Region Donga des Antragstellers liegt und in dem das Volk der Dendi wohl nicht zu Hause ist, existiert (siehe Lars Krutak, Scarification and Tattooing in Benin: The Bétamarribé tribe of the Atakora mountains, https://www.larskrutak.com/ scarification-and-tattooing-in-benin-the-betamarribe-tribe-of-the-atakora-mountains; Myrta Köhler, Narben als Schmuck und Initiation, https://link.springer.com/article/10.1007/s15012-017-2447-1) Eine offensichtliche Unwahrscheinlichkeit der Praxis der Skarifizierung in der Heimatregion des Antragstellers bzw. in seinem Volk kann dadurch aber nicht abgeleitet werden, zumal auch Informationen auffindbar sind, dass Skarifizierungen in der Nilo-Saharischen Sprachfamilie, zu der auch die Songhai-Sprachen gehören, zu denen nach teilweiser Auffassung auch das Dendi gehört, verbreitet sind (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Skarifizierung; https://de.wikipedia.org/wiki/Nilosaharanische_Sprachen; https://de.wikipedia.org/wiki/Songhai-Sprachen).
16
Insofern teilt das Gericht die Begründung des Bundesamts in seinem Bescheid vom 2. Oktober 2023 nicht. Der Antragsteller macht zwar keine klaren und gleichbleibenden Angaben dazu, wann er sich überhaupt in Benin aufgehalten hat, insbesondere ob er vor 25 Jahren aus Benin ausgereist ist oder erst 2021. Eindeutig unstimmig und widersprüchlich im Sinne von Art. 31 Abs. 8 lit. g) Asylverfahrens-RL sind seine Angaben insofern jedoch nicht. Sie sind vielmehr mit einer Rückreise des Antragstellers 2021 nach Benin und Wiederausreise über Niger – so seine Erklärung nachfolgend – in Übereinstimmung zu bringen. Im Übrigen betrifft die zunächst aufgetretene Widersprüchlichkeit nicht seinen Kernvortrag, sondern nur die Angaben zu seinem Reiseweg. Auch insofern ist nach Auffassung des Gerichts ein Offensichtlichkeits-Tatbestand nicht gegeben.
17
Jedoch kann nach Auffassung des Gerichts die vom Bundesamt herangezogene Rechtsgrundlage des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gegen eine andere Rechtsgrundlage ausgetauscht werden, sofern eine solche eingreift (s. hierzu: VG Ansbach, B.v. 18.7.2023 – AN 17 S 23.30555 – juris; B.v. 28.3.2023 – AN 17 S 23.30327 – juris; ebenso VG Berlin, B.v. 27.4.2018 – VG 34 L 1592.17. A – juris Rn. 20). Vorliegend greift die Generalklausel des § 30 Abs. 1 AsylG in europarechtlich einengender Auslegung nach Art. 31 Abs. 8 lit. a) Asylverfahrens-RL ein. Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des internationalen Schutzes (Asylanerkennung, Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dieser sehr weit gefasste Tatbestand ist dahingehend einzuschränken, dass gleichzeitig ein Tatbestand nach der europäischen Asylverfahrens-RL vorliegen muss. Nach Art. 31 Abs. 8 lit. a) Asylverfahrens-RL ist ein Schnellverfahren (bzw. eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet, Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrens-RL) dann gerechtfertigt, wenn ein Asylantragsteller lediglich Umstände vorbringt, die für die Frage von Gewährung internationalen Schutzes nicht von Belang sind (zur europarechtskonformen Auslegung des § 30 Abs. 1 AsylG anhand von Art. 31 Abs. 8 lit. a) Asylverfahrens-RL (vgl. auch VG Berlin, B.v. 30.11.2028 – VG 31 L 682.18A – juris Rn. 13). Nicht von Belang ist ein Vortrag dann, wenn aus diesem auch bei Wahrunterstellung rechtlich klar kein Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG folgen kann.
18
Unterstellt, der Vater des Antragstellers würde bei dessen Rückkehr in die Heimat, von diesem gegen seinen Willen eine Gesichtsskarifizierung verlangen und dies erzwingen können, trägt dies einen Schutzstatus nicht. Von privater Seite drohende Gefahren begründen internationalen Schutz nämlich grundsätzlich nicht, vielmehr sind grundsätzlich nur staatlicherseits drohende Gefahren maßgeblich, §§ 3c, 4 Abs. 3 AsylG. Jedenfalls soweit staatliche Institutionen in der Lage und bereit sind, gegen private Übergriffe zu schützen, scheidet internationaler Schutz aus, § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 AsylG. Dass derartige Hilfe, etwa durch die Polizei und das Justizsystem, in der demokratischen Benin nicht zu erreichen wäre, hat der Antragsteller selbst nicht vorgebracht und ist auch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen zum Staat Benin nicht zu erwarten (vgl. insbesondere Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Benin, Gesamtaktualisierung 4.11.2019, S. 7-9). Auch wenn sich ein Antragsteller selbst schützen kann vor den drohenden Gefahren, kommt ein Schutzstatus nach dem AsylG nicht in Betracht. Der Antragsteller ist erwachsen und es spricht nichts dafür, dass er sich gegen die von ihm nicht gewünschte Praxis nicht gegen seinen Vater oder seinen Stamm erfolgreich wehren kann. Gegebenenfalls wäre dem Antragsteller auch das Verlassen der Heimatregion und ein Niederlassen in einer anderen Region der demokratischen Republik Benin zumutbar, § 3e Abs. 1 AsylG. Dazu, dass bzw. warum dies nicht möglich sein soll, ist nichts ersichtlich. Immerhin hat der Antragsteller nach seinem Vortrag auch bereits 25 Jahre im Nachbarland Niger gelebt.
19
Im Übrigen kommt die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylG nur in Betracht, wenn eine Bedrohung in Anknüpfung an einen (vorliegenden oder zugeschriebenen) Verfolgungsgrund nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 AsylG gegeben ist, d.h. eine (diskriminierende) Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gegeben ist, was in keiner Weise erkennbar ist oder vorgetragen wurde. Skarifizierungen erfolgen nach den oben dargelegten Ausführungen, mit dem Ziel, eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu dokumentieren (und nicht zur Ausgrenzung aus dieser) oder um, den Körper zu schmücken (nicht aber mit dem Zweck der Entstellung oder Brandmarkung einer Person). Auch eine Gefahr nach § 4 AsylG liegt in einer gegebenenfalls drohenden Skarifizierung nicht, da eine – allein in Frage kommende – unmenschliche i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG darin noch nicht gesehen werden kann. Es besteht insbesondere keine Vergleichbarkeit mit einer drohenden Genitalverstümmelung, die einen weitaus größeren Eingriff darstellt und mit deutlich weitreichenderen körperlichen Folgen verbunden ist.
20
Nach alledem scheidet ein Schutzstatus nach dem Vortrag des Antragstellers von vorneherein klar und ohne dass eine Aufklärung der näheren Umstände erforderlich wäre, aus und ist deshalb nicht von Belang i.S.v. Art. 31 Abs. 8 lit. a) Asylverfahrens-RL.
21
b) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar sind die humanitären Verhältnisse in Benin, einem der ärmsten Länder der Welt, für einen Teil der Bevölkerung sehr schlecht. Es leben etwa 40% der beninischen Bevölkerung in extremer Armut und die Grundversorgung der Bevölkerung wird nur durch den informellen Sektor gesichert. Auf Armut und in humanitärer Hinsicht prekäre Verhältnisse hat sich der Antragsteller jedoch nicht berufen. Er ist gesund und arbeitsfähig, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er in Benin für sich selbst sorgen kann, wie dies in der Vergangenheit auch in Niger der Fall war. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können rechtlich nur ganz ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris 9; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 8 ZB 18.33221 – juris 11) und führen – schon wegen der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG – auch nur im Ausnahmefall zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da sich der Antragsteller jedenfalls vor Skarifizierungen schützen kann, liegt auch im Hinblick auf eine Bedrohung der körperlichen Integrität keine Abschiebungsverbot vor.
22
c) Die Abschiebungsandrohung leidet auch nicht unter einem sonstigen Fehler. Insbesondere hat das Bundesamtes durch die Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsandrohung bis zu einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 19.6.2018 – C 181/16 „Gnandi“ – NVwZ 2018, 1625) Rechnung getragen. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG.
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Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bestehen damit nicht.
24
3. Die Kostenfolge des damit abzulehnenden Antrag ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
25
4. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.