Inhalt

OLG München, Endurteil v. 06.09.2023 – 10 U 8420/21 e
Titel:

Verjährung von Heilbehandlungskostenregressansprüchen bei einem durch einen privaten Unfall geschädigten Polizeibeamten

Normenkette:
BGB § 195, § 199 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Bei öffentlichen Stellen beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Kenntnisstand der für die Geltendmachung von Regressansprüchen zuständigen sachbearbeitenden Stelle. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grob fahrlässige Unkenntnis von einem Regressanspruch liegt vor, wenn die zuständige Stelle ihr zugegangene Vorgänge der Leistungsabteilung nicht sorgfältig auf Regressansprüche hin prüft oder nicht in geeigneter Weise sicherstellt, frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis zu erlangen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist der Regressansprüche verfolgenden Dienststelle bekannt (oder musste ihr bekannt sein), dass außerdienstliche, regressrelevante Unfälle von Beamtinnen und Beamten nicht gemeldet werden, ist von grob fahrlässiger Unkenntnis vom Bestehen eines Regressanspruchs auszugehen. (Rn. 30 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
5. Grob fahrlässige Unkenntnis vom Bestehen von Regressanprüchen liegt auch vor, wenn den privat geschädigten Beamtinnen und Beamten mit hinreichender Verlässlichkeit die Beachtung die Notwendigkeit einer Meldung an die für Regressansprüche zuständige Stelle auferlegt wird. (Rn. 37 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamter, privater Unfall, Beihilfeaufwendung, Regressanspruch, Verjährung, Verjährungsbeginn, Kenntnis, grob fahrlässige Unkenntnis, Organisationsverschulden
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 22.10.2021 – 6 O 2061/18
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34902

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 24.11.2021 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 22.10.2021 (Az. 6 O 2061/18) abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betragsabwenden, wenn nichtd e Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 09.10.2011 im Gemeindegebiet von S. geltend.
2
Am 09.10.2011 befuhr die Beklagte zu 1) mit dem damals bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Pkw. Ford Focus, dessen Halterin die Beklagte zu 2) war, die Bundesstraße 305 aus Richtung Weißbach/Bad Reichenhall kommend in Fahrtrichtung S., kam aus ungeklärter Ursache ins Schleudern und stieß mit dem ihr entgegenkommenden Fahrzeug des Polizeibeamten … zusammen. Hierdurch rutschte dieser mit seinem Fahrzeug einen Hang hinunter und kam erst an den dortigen Bäumen zum Stillstand. Der Polizeibeamte … wurde durch diesen Unfall schwerverletzt und war nach dem Unfall bis zum 13.01.2013 vollständig arbeitsunfähig krank. Ab dem 14.01.2013 nahm der Polizeibeamte … seinen Dienst im Rahmen einer Wiedereingliederung wieder auf. Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich nicht auf einer Dienstfahrt des Polizeibeamten … es handelte sich somit um einen Privatunfall des Polizeibeamten. Des alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Schreiben vom 13.10.2017 (Anlage K 2) forderte der Kläger die Beklagte zu 3) unter Fristsetzung zum 13.11.2017 zur Zahlung der vom Kläger im Rahmen der Beihilfe an den Polizeibeamten … geleisteten Erstattungen der Heilbehandlungskosten, der Kosten der Wiedereingliederungsmaßnahmen und der Erstattung der Zahlungen wegen der begrenzten Dienstfähigkeit des Beamten in Höhe von 173.166,40 € auf. Die Beklagte zu 3) verweigerte insoweit die Zahlungen ernsthaft und endgültig, so dass der Kläger Klage erhob. Mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 21.09.2018 verteidigten sich die Beklagten gegen die Klage und erhoben u.a. die Einrede der Verjährung (vgl. S. 2 des entsprechenden Schriftsatzes, Bl. 18 d. LG-A.). Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellung in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 22.10.2021 (Bl. 240/246 d. LG-A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
3
Das LG Traunstein hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben.
4
Insbesondere war das Landgericht der Ansicht, dass die streitgegenständlichen Ansprüche nicht verjährt seien bzw., dass die Beklagten sich nicht auf Verjährung berufen dürfen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
5
Gegen dieses den Beklagten am 25.10.2021 zugestellte Urteilhaben die Beklagten mit einem beim Oberlandesgericht München am 24.11.2021 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 1/2 d. OLG-A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 25.01.2022 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 8/12 d. OLG-A.) begründet. Die Beklagten sind der Ansicht, dass die streitgegenständlichen Ansprüche verjährt seien, und verfolgen mit der Berufung lediglich die von ihnen erhobene Einrede der Verjährung weiter.
6
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
8
Der Kläger ist der Ansicht, dass das Landgericht zutreffend eine Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche verneint habe.
9
Der Senat hat gemäß Beweisanordnungen vom 12.10.2022 (Bl. 44/45 d. OLG-A.) und vom 19.06.2023 (Bl. 78/79 d. OLG-A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 22.03.2023 (Bl. 52/59 d. OLG-A.) und vom 02.08.2023 Bezug genommen.
10
Mit Schriftsätzen vom 15.05.2023 (Bl. 73 d. OLG-A.) und vom 30.05.2023 (Bl. 74 d. OLG-A.) haben die Parteien erklärt, dass sie mit der Verwertung der Beweisaufnahme vom 22.03.2023 durch den Senat in der Besetzung des Senats vom 02.082023 einverstanden sind.
11
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 28.04.2022 (Bl. 23/26 d. OLG-A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschriften vom 22.03.2023 (Bl. 52/59 d. OLG-A.) und vom 02.08.2023 Bezug genommen.
B.
12
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
13
I. Das Landgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die streitgegenständlichen Ansprüche im Hinblick auf die Verjährungseinrede der Beklagten gemäß §§ 195, 1991 Nr. 2 Fall 2 BGB verjährt.
14
1. Nach § 199 I Nr. 2 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dabei ist gemäß gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteile des BGH vom 17.04.2012, Az. VI ZR 108/11, sowie vom 18.10.2022, Az. VI ZR 1177/20) auf die positive Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis der für die Geltendmachung von Regressansprüchen zuständige Abteilung des Klägers, der Regressabteilung des … beim Landesamt für Finanzen, abzustellen.
15
a) Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zu kommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist. Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitungen es Schadensfalls zuständig- nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten –, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unmaßgeblich und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergeben.
16
b) Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (ständige Rspr. des BGH, vgl. Urteile vom 10.02.2009, Az. VI ZR 28/08, vom 17.02.2009, Az. VI ZR 86/08, vom 10.11.2009, Az. VI ZR 247/08). Ihm muss folglich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können.
17
Die Obliegenheiten der Regressabteilung des Klägers ergeben sich dabei aus deren Aufgabe der zügigen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus übergegangenem Recht. Dazu hat die Regressabteilung des Klägers zum einen ihr zugegangene Vorgänge der Leistungsabteilung sorgfältig darauf zu prüfen, ob sie Anlass geben, Regressansprüche gegen einen Schädiger zu verfolgen. Zum anderen ist es Sache der Regressabteilung, behördenintern in geeigneter Weise zu sichern, dass sie frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis erlangt, die einen Regress begründen könnten. Erhält die Regressabteilung des Klägers aufgrund einer nachlässigen Handhabung der vorbeschriebenen Obliegenheiten nicht in angemessener Zeit Kenntnis von einer Regressmöglichkeit, kann das im Einzelfall als eine dem Kläger nach § 199 I Nr. 2 Fall 2 BGB zuzurechnende grob fahrlässige Unkenntnis zu werten sein.
18
Als grob fahrlässige Unkenntnis kann im Einzelfall zu werten sein, dass die Mitarbeiter der Regressabteilung des Klägers erkennen mussten, dass Organisationsanweisungen notwendig sind oder vorhandene Organisationsanweisung en nicht beachtet wurden und es deswegen zu verzögerten Zuleitungen von Vorgängen zur Prüfung von Regressmöglichkeiten kam. Um solche, den Regress gefährdende Fallgestaltungen zu vermeiden, ist es naturgemäß Aufgabe der Regressabteilung, darauf hinzuwirken, dass eine zeitnahe Information sichergestellt wird (vgl. hierzu Urteile des BGH vom 17.04.202, Az. VI ZR 108/11, sowie vom 18.10.2022, Az. VI ZR 1177/20).
19
2. Zwar konnten die Beklagten zur Begründung ihres Verjährungseinwands nicht nachweisen, dass die zuständige Regressabteilung des Klägers beim Landesamt für Finanzen bereits vor dem 18.07.2016 und insbesondere noch im verjährungsfreien Zeitraum vor dem Jahr 2016 Kenntnis von dem streitgegenständlichen Privatunfall des Beamte … und damit von gegebenen Regressmöglichkeiten gegenüber den Beklagten erhalten hat.
20
a) Aus den aufgrund der Verfügung des Senats vom 16.02.2022 (Bl. 14/16 d. OLG-A.) seitens des Klägers vorgelegten Akten, zum einen die Sachakte der zuständigen Regressabteilung des Landesamts für Finanzen mit dem … (Anlage K 41) und zum anderen die Personalakte des Polizeibeamte … (Anlage K 42) ergibt sich eine Kenntnis der zuständigen Regressabteilung des Klägers von dem streitgegenständlichen Privatunfall des Beamte … wie von dem Kläger behauptet erst ab dem 18.07.2016 (vgl. Eingangsstempel auf dem ersten Blatt der Sachakte).
21
Übereinstimmend damit ergibt sich aus der Unfallmeldung der P… der damaligen Dienststelle des Polizeibeamten an das Polizeipräsidium … vom 10.10.2011 zur Feststellung von Dienstausfall und Innendienstleistungen, dass anlässlich dieser Meldung eine Anzeige des streitgegenständlichen Unfalls an das Landesamt für Finanzen nicht erfolgt ist (vgl. Anlage K 42, Unterordner C, Bl. 390).
22
Auch sind Anhaltspunkte dafür, dass die bei vorstehenden Akten seitens des Klägers unvollständig vorgelegt wurden, nicht ersichtlich, zumal der Kläger eine nachvollziehbare und überzeugende Vollständigkeitserklärung abgegeben hat (vgl. S. 2 f. der Sitzungsniederschrift vom 22.03.2023, Bl. 53 f. d. OLG-A.).
23
b) Auch aus der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich keine frühere Kenntnis der zuständigen Regressabteilung des Klägers.
24
Der Zeuge … hat hierzu angegeben, dass er selbst seinen Privatunfall der Regressstelle des Landesamtes für Finanzen nicht gemeldet hat (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 22.03.2023, Bl. 54 d. OLG-A.). Die Zeuginnen … und … konnten zu der Frage, ob bereits vor dem Jahr 2016 eine Meldung der Polizeidienststelle des Polizeibeamten … der des Polizeipräsidiums … bezüglich des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls an die Regress-Stelle des Landesamts für Finanzen erfolgt ist, nichts beitragen (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 22.03.2023, Bl. 55 d. OLG-A. sowie S. 3 ff. und 6 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023).
25
3. Allerdings ist den Beklagten aufgrund der seitens des Senats ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme der Nachweise gelungen, dass die zuständige Regressabteilung des Klägers bereits im verjährungsfreien Zeitraum vor dem Jahr 2016 in grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne des § 1991 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich des streitgegenständlichen Privatunfalls des Beamtem … mit … damit hinsichtlich der Regressmöglichkeit gegenüber den Beklagten war.
26
a) Ausgangspunkt ist hierbei entsprechend den nachvollziehbaren, übereinstimmenden und damit überzeugenden Ausführungen der Zeuginnen … und … vgl. S. 3 ff. und 6 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023), dass zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls hinsichtlich der Frage, wie und von wem Unfälle an die zuständige Regressabteilung des Klägers zu melden sind, dahingehend differenziert wurde, ob es sich um einen Dienstunfall oder um einen Privatunfall handelte. Im Hinblick auf Privatunfälle wie dem streitgegenständlichen war dies dahingehend geregelt, dass der jeweilige Beamte selbst verpflichtet gewesen ist, den Unfall an die zuständige Regressabteilung des Klägers zu melden.
27
Flankierend hierzu hat das Formblatt, mit dem ein Beamter bei der für ihn zuständigen Beihilfestelle des Landesamtes für Finanzen Beihilfe beantragen konnte, durch Einsetzung des Textbausteins 3144 die Verpflichtung des Beamten vorgesehen, anzugeben, ob die oder Teile der beantragten Erstattungsleistungen aufgrund eines Unfalls erfolgt sind (vgl. Zeugin … S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023, sowie Anlage K 45). Der vorgenannte Textbaustein 3144 lautete dabei wie folgt:
„Dieser Beleg bzw. ein Teilbetrag der Aufwendungen ist auf ein Ereignis zurückzuführen, das nach Art. 14 BayBG/§ 87 a BBG zum Übergang des gesetzlichen Schadenersatzanspruches auf den Dienstherrn führt (Unfall mit Drittverschulden). Eventuell noch ausstehende unfallbedingte Aufwendungen sind in künftigen Anträgen entsprechend zu kennzeichnen.“
28
Die den Beihilfesachbearbeitern des Landesamtes für Finanzen für den Streitfall relevanten Zeitraum ab dem 08.11.2011 vorgeschriebene Verfahrensweise, wonach diese die zuständige Regressabteilung des Klägers über Schadensfälle mit eventuellen Regressansprüchen alsbald zu informieren haben, war in §§ 6 Abs. 2 Nr. 1 BayBhV und S. 2 der VV Nr. 1 zu § 6 Abs. 2 BayBhV geregelt (vgl. Anlage K 43).“
29
Darüber hinaus existiert seit 25.11.1980 eine gemeinsame Bekanntmachung der … Staatskanzlei, der … Staatsministerien, des … Staatsministers für Bundesangelegenheiten und des … Obersten Rechnungshofs, wonach jeden Dienststelle des Klägers die zuständige Regressabteilung des Klägers über solche Schadensfälle, in welchen Regressansprüche bestehen, alsbald zu unterrichten hat, wonach jeder Beschäftigte des Klägers verpflichtet ist, seine Dienstelle unverzüglich zu unterrichten, wenn wegen einer Verletzung Schadensersatzansprüche des Klägers in Betracht kommen und wonach durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen ist, dass alle einschlägigen Schadensfälle erfasst und der zuständigen Regressabteilung des Klägers bekanntgegeben werden, wofür in der Anlage zu dieser Bekanntmachung ein Formblatt als Muster beigefügt war (vgl. Anlage K 44).
30
b) Allerdings war dem Kläger und damit auch seiner zuständigen Regressabteilung, die sich das Wissen der Beamtinnen … und … rechnen lassen muss, entsprechend den nachvollziehbaren, übereinstimmenden und damit überzeugenden Ausführungen der beiden vorgenannten Zeuginnen zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls als allgemeines Problem bekannt, dass die vorstehend dargestellten organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichend waren, um eine tatsächliche Information der zuständigen Regressabteilung des Klägers sicherzustellen (vgl. Zeugin … S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023: „Wir haben festgestellt, dass Privatunfälle von den Beamten selbst, wie es eigentlich ihre Verpflichtung gewesen wäre, häufig nicht an das Landesamt für Finanzen angezeigt wurden. Dieses Problem ist schon vor 2011 oder 2012 bekannt geworden.“; Zeugin … S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023: „Ich kann mich erinnern an jährliche Belehrungen, in denen auch darauf hingewiesen wurde, dass bei Privatunfällen das Landesamt für Finanzen verständigt werden muss. (…) Ich kann sagen, dass Dienstunfälle über uns gelaufen sind und weitergeleitet wurden. Bei Privatunfällen war das aber nicht so. Ich als Verwaltungsbeamtin wusste natürlich schon, dass das LfF auch bei Privatunfällen informiert werden wollte. Ich gehe aber nicht davon aus, dass das allen Beamten draußen auch so klar war.“).
31
c) Angesichts des vorstehend unter b) dargestellten auch gerade im zeitlichen Umfeld zum streitgegenständlichen Unfallgeschehen bekannten Problems, dass Privatunfälle von den Beamten selbst entgegen ihrer Verpflichtung häufig nicht an das Landesamt für Finanzen (LfF) angezeigt wurden, wurde entsprechenden überzeugenden Angaben der Zeugin … S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023) ein an die Mitarbeiter des Polizeipräsidiums … gerichtetes Präsidialschreiben „Verfahren bei Erkrankungen von Beamten und ärztlicher Meldedienst“ vom 18.10.2011 (Anlage K 15) entworfen, das im Folgenden über die Poststelle per E-Mail an alle Dienststellenleiter, jedoch nicht direkt an alle Beamten versandt worden ist, und das ab dem 01.12.2011 Gültigkeit beansprucht hat.
32
In diesem Präsidialschreiben war entsprechend der Regelung, die sich zu dem damaligen Zeitpunkt auf der Intranetseite des Landesamtes für Finanzen befunden hatte (vgl. Zeugin … S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023: „Wenn in dieser Ziff. 11 geregelt ist, dass der Beamte bei außerdienstlichen Unfällen mit Drittschuldnern das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … zu informieren ist, dass es sich hierbei um die Rechtsabteilung handelt. (…) Diese Regelung ist letztendlich nur abgeschrieben von dem, was das Landesamt für Finanzen auf seiner Intranet-Seite selbst schon so vorgibt. Es war ausdrücklich gewollt, dass diese Meldepflicht direkt an die für Regresse zuständige Abteilung geschickt werden muss.“) u.a. in Ziffer 11. Folgendes geregelt:
„Außerdienstliche Unfälle mit Drittschuldnern, durch die unfallbedingter Dienstausfall entstanden ist, sind dem Landesamt für Finanzen-Dienststelle … zu melden. Nur bei Kenntnis des Landesamtes über den Unfall und des dabei entstandenen Dienstausfalls des Beamten kann vom Dienstherrn beim Unfallverursacher der entsprechende Schaden eingefordert werden.
Dem Landesamt für Finanzen, Dienststelle … Rechtsabteilung, … ist das Unfallereignis, der Name des geschädigten Beamten sowie der Drittschuldner mitzuteilen.“
33
d) Die vom Innenministerium für die Regressstelle des Klägers beim LfF vorgestellte Problemlösung durch das vorgenannte Präsidialschreiben vom 18.10.2011 (Anlage K 15), war jedoch im Lichte der bereits vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu Urteile des BGH vom 17.04.202, Az. VI ZR 108/11, sowie vom 18.10.2022, Az. VI ZR 1177/20) nicht ausreichend, um lückenlos sicherzustellen, dass es zukünftig nicht mehr zu verzögerten Zuleitungen von Vorgängen zur Prüfung von Regressmöglichkeiten an die zuständige Regressabteilung des Klägers kommt.
34
Die zuständige Regressabteilung des Klägers war angesichts der nachfolgenden Gesichtspunkte bereits im verjährungsfreien Zeitraum vor dem Jahr 2016 in grobfahrlässiger Unkenntnis im Sinne des § 1991 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich des streitgegenständlichen Privatunfalls des Beamten … und damit hinsichtlich der Regressmöglichkeit gegenüber den Beklagten:
35
(1) Zunächst ist hierzu festzustellen, dass entsprechende problemlösende Organisationsanweisungen des Regressabteilung des Klägers selbst, seitens des Klägers, der insoweit sekundär darlegungsbelastet ist, auch nach entsprechendem Hinweis des Senats (vgl. S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 22.03.2023, Bl. 57 d. OLG-A.) nicht vorgetragen wurden. Aus den Angaben der Zeugin … ergibt sich lediglich, dass auf der Intranet-Seite des Landesamtes für Finanzen bereits vor dem 18.10.2011 Regelungen einsehbar waren, die mit dem Präsidialschreiben vom 18.10.2011 (Anlage K 15) vergleichbar waren.
36
Unabhängig davon, dass der konkrete Inhalt der damals auf der Intranet-Seite des Landesamtes für Finanzen eingestellten diesbezüglichen Regelungen seitens dessekundär darlegungsbelasteten Klägers nicht vorgetragen wurden und auch seitens der Zeugin … nicht dargestellt werden konnte, war allein das Einstellen von Regelungen auf einer Intranet-Seite nicht ausreichend. Dies zeigt sich bereits daran, dass eine Lösung des bekannten Problems, dass Privatunfälle von den Beamten häufig nicht an das Landesamt für Finanzen angezeigt wurden, mit Hilfe des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 (Anlage K 15) für erforderlich erachtet wurde. Darüber hinaus ist das bloße Einstellen von Regelungen in eine Sammlung von einer Vielzahl von Anweisungen auf einer Intranet-Seite grundsätzlich nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass jeder Beamte und vor allem auch fortlaufend und immer wieder neu dort eingestellte Hinweis auch tatsächlich wahrnimmt. Diese Methode stellt eine wesentlich geringere Sicherheit dar, als beispielsweise der von der Zeugin beschriebene Aktenordner, der immerhin vorgesehen hat, dass man das Lesen der entscheidenden Anweisungen durch Unterschrift abzeichnen musste (vgl. S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023). Eine digitale Lesebestätigung seitens der verpflichteten Beamten hinsichtlich der hier einschlägigen Information wurde vom Kläger nicht dargelegt.
37
(2) Weiter ist festzustellen, dass auch die Information des einzelnen Beamten selbst hinsichtlich des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 (Anlage K 15) unzureichend war, um sicherzustellen, dass dieses tatsächlich jeden Beamten erreicht.
38
Zumeinen barg es schon ein großes Fehlerpotential, das Präsidialschreiben nicht an den einzelnen betroffenen Beamten zu schicken, obwohl dieser der Adressat der Meldepflicht war, sondern nur an Dienststellen, die ihrerseits nach Erhalten des Präsidialschreibens erkennen mussten, dass es unverzichtbar gewesen wäre, dieses an den einzelnen Beamten auch weiterzuleiten. Hierbei legt es vor allem auf der Hand, dass ein verletzter Beamter längere Zeit der Dienststelle fernbleibt und deshalb womöglich „aus dem Fokus der Dienstleitung“ gerät. Selbst bei einer bloßen Zuleitung per E-Mail besteht die Gefahr, dass der Beamte während der Zeit seiner Dienstunfähigkeit die Mail nicht erreicht oder er bei seiner Wiedereingliederung einer Vielzahl von Mails gegenübersteht und dadurch ein hohes Fehlerpotential besteht, dass diese doch wichtige Mail übersehen wird. Bedeutsam ist insoweit auch der Absender der Mail. Wäre die Mail direkt vom Ministerium an den Beamten … geschickt worden, wäre die besondere Wichtigkeit vom einzelnen Beamtenbesser zu erkennen gewesen, als wenn es sich nur um eine von der Dienststelle weitergeleitete Mail handelt. Zuletzt hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass die Mail mit einer höheren Priorität verschickt worden wäre. Alle diese organisatorischen Überlegungen waren im Hinblick auf die bekannte Problemlage zu erwarten gewesen. Es musste der zuständigen Beamtin … bzw. deren Vorgesetzte bewusst gewesen sein, wenn das Problem der fehlerhaften Information der Regressabteilung 3F3 des LfF durch die Praxis an sie delegiert wurde, dass eine Beibehaltung der bisherigen Informationswege (die im Übrigen noch nicht einmal vorgetragen wurden) nicht ausreicht und das Problem auch nicht gelöst werden kann durch eine auf der Startseite des Intranets verlinkte Sammlung von mehreren Präsidialschreiben.
39
Die Zeuginnen … und … konnten im Hinblick auf den Polizeibeamten … nicht bestätigen, dass eine Lesebestätigung bezüglich der im Intranet eingestellten Informationen und insbesondere bezüglich des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 eingerichtet war oder ist. Allein der Gesichtspunkt, dass gemäß den Ausführungen der Zeugin … die Polizeibeamten bei jeder polizeilichen Fachanwendung gezwungen sind, die Startseite des Intranets zu öffnen (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023) ist nicht ausreichend dafür, dass ein Beamter sich allgemein und ohne konkreten entsprechend Anlass im Wege des Durchsuchens einer Sammlung mehrerer allgemeiner Dienstanweisungen über die ihm obliegenden Meldepflichten informiert, zumal diese Recherche mit seiner konkreten polizeilichen Fachanwendung nichts zu tun haben dürfte.
40
Im Übrigen ist hinsichtlich der Bekanntgabe des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 überhaupt nicht geregelt worden, wie ein zu diesem Zeitpunkt durch einen Privatunfall länger erkrankter Beamter dieses auch sicher erhält und von dessen Inhalt und damit seinen Meldepflichten Kenntnis erhält. Dieses Problem stellt sich gerade bei einem zeitlichen Ablauf wie dem vorliegenden. Denn angesichts der durch die von der Zeugin … beschriebenen bis zu 3 Wochen dauernden Laufzeit der Übermittlung des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023) war es nicht ausgeschlossen, dass das Präsidialschreiben den am 09.11.2011 verunfallten Beamte … vor seinem Unfall nicht mehr erreicht hat.
41
Soweit die Zeugin … hinsichtlich der Informationsmöglichkeit in Bezug auf länger erkrankte Polizeibeamte ausführte, dass es bei der Polizei so sei, dass solche Beamte regelmäßig von ihren Dienststellenleitern besucht und über wichtige Schriftstücke informiert werden (vgl. S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023), reicht dies ebenfalls nicht aus, um die tatsächliche Information der entsprechenden Polizeibeamten sicherzustellen. Dies gilt bereits deswegen, weil die Zeugin … hierzu auch einräumen musste, dass ihr eine entsprechende „Besuchs- und Informationsdienstanweisung“ nicht bekannt ist (vgl. S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023). Weiterer Vortrag zu vom Kläger organisierten Informationswegen bei längerfristig erkrankten Beamten liegt nicht vor.
42
(3) Zusätzlich ist beachtlich, dass das Präsidialschreiben vom 18.10.2011 (Anlage K 15) erst ab dem 01.12.2011 gültig war und keine Regelung in Bezug auf zeitlich davor liegender Privatunfälle wie den streitgegenständlich en Unfall des Polizeibeamte … vom 09.11.20211 enthalten hat. Beispielweise fehlt für die Zeit innerhalb des Geltungsbereichs des Präsidialschreibens eine dahingehende klarstellende Regelung, dass die in dem Präsidialschreiben dargestellte Meldepflicht bei Privatunfällen auch für Privatunfälle gelten soll, die vor Inkrafttreten des Präsidialschreibens stattgefunden haben. Eine derartige hier fehlende Regelung der Altfälle wäre vorliegend erkennbar in besonderer Weise deshalb erforderlich gewesen, da der Kläger die streitgegenständliche Meldepflicht nicht auf verwaltungserfahrene Dienststellen, sondern auf den einzelnen Beamten übertragen hat.
43
Auch hat der Kläger trotz des Hinweises des Senats hierzu (vgl. S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 22.03.2023, Bl. 57 d. OLG-A.) weder vorgetragen noch vorgelegt, welche Regelung in Bezug auf die streitgegenständliche Meldepflicht vor dem Geltungsbereich des Präsidialschreibens vom 18.10.2011 (Anlage K 15) gegolten hat. Die Zeugin … erklärte zwar, sie glaube, dass auch schon vor dem Geltungsbereich des vorgenannten Präsidialschreibens vergleichbare Regelungen vorhanden waren, das vorgelegte Schreiben „Verfahren bei Erkrankungen von Beamten und Ärztlicher Meldedienst“ vom 03.11.2008 (Anlage K 14) jedoch keine entsprechende Vorgängerregelung gewesen sei (vgl. Sitzungsniederschrift vom 02.08.2023). Konkrete Angaben zu dem Inhalt der von der Zeugin … angesprochenen Vorgängerregelung, die seitens des Klägers nicht vorgelegt worden ist, konnte diese nicht machen. Unabhängig hiervon war die wie auch immer ausgestaltete Vorgängerregelung offensichtlich nicht ausreichend, um den erforderlichen Informationsfluss an die zuständige Regressabteilung des Klägers sicherzustellen, hätte es sonst die oben beschriebene erkannte Problemlage oftmals fehlender Information der Regressabteilung des LfF bei Privatunfällen nicht gegeben.
44
(4) Auch ein Informationsweg über die Beihilfestelle war ersichtlich nicht ausreichend.
45
Zum einen kann der Informationsweg an die Regressstelle durch die Beihilfestellen nur dann funktionieren, wenn organisatorisch die frühzeitige Information der Beihilfestellen sichergestellt ist. Dies war jedoch nur ab dem Zeitpunkt organisatorisch sichergestellt, wenn seitens der betroffenen Beamten ein Beihilfeantrag gestellt wird. Denn der Übergang gesetzlicher Schadensersatzansprüche auf den Kläger wird u.a. in dem seit dem Jahr 2009 unveränderten zur Einfügung in Beihilfebescheide vorgesehene Textbaustein 3144 (vgl. Anlage K 45), der sich auch auf den streitgegenständlichen Beihilfebescheiden des Polizeibeamte … befindet, thematisiert. Allerdings geht dieser frühzeitige Informationsweg über die Beihilfestellen an die Regressstelle erkennbar dann ins Leere, wenn seitens des betroffenen Beamten wie in dem vorliegenden Fall zunächst keine Beihilfeanträge gestellt wurden, da dieser ihm zustehende Erstattungszahlungen in dem Zeitraum nachdem Unfall bis ins Jahr 2016 hinein im Sinne einer zügigen Regulierung der Ansprüche eines Verkehrsunfallgeschädigten direkt von der Beklagten zu 3) erhalten und erst nach Einstellen dieser direkten Zahlungen seitens der Beklagten zu 3) am 09.06.2016 erstmalig einen Beihilfeantrag gestellt hatte, der mit Beihilfebescheid vom 23.06.2016 verbeschieden worden ist (vgl. Anlage K 41, Bl. 1 ff.). Diese Lücke des frühzeitigen Informationsweges über die Beihilfestellen wird auch offensichtlich nicht durch die den Beihilfesachbearbeitern vorgeschriebene Verfahrensweise, die sich aus den Regelungen in §§ 6 Abs. 2 Nr. 1 BayBhV und S. 2 der VVNr. 1 zu § 6 Abs. 2 BayBhV ergibt und wo geregelt ist, dass die Beihilfefestsetzungsstellen die Regressabteilung des Klägers über Schadensfälle mit eventuellen Regressansprüchen alsbald zu informieren haben (vgl. Anlage K 43), geschlossen. Denn solange die Beihilfesachbearbeiter keine Kenntnis erlangen, können sie auch keine Informationen an die Regressabteilung weiterleiten.
46
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es, wenn die Meldepflicht zumindest auch über die Beihilfestellen hätte erfolgen sollen, angesichts dieser Ausgangslage einer konkreten. Dienstanweisung bedurft hätte, wie die zuständige Beihilfestelle reagieren muss, wenn der an den Beamten übersendete Fragebogen bezüglich eines Unfalls - wie hier – nicht beantwortet wird, um das Risiko etwaigen Einzelversagens von Beihilfesachbearbeitern zu minimieren. Eine derartige erforderliche Dienstanweisung gab es jedoch nicht. Dass eine derartige Dienstanweisung erforderlich gewesen ist, wird gerade anhand des Streifalls deutlich. Denn die Beihilfestelle des Klägers beim Landesamt für Finanzen hatte zwar den Polizeibeamten … mit Schreiben vom 16.04.2013 (Anlage B 5) aufgefordert, ihr gegenüber eine Unfallschilderung abzugeben, da die von ihr regulierten Aufwendungen auf einen Unfall zurückzuführen seien. Allerdings fasste diese beim Polizeibeamte … nicht nach und nach er diesem gegenüber zu keinem Zeitpunkt die Beantwortung ihres vorgenannten Schreibens an, obwohl der Polizeibeamte … auf diese Aufforderung gegenüber der anfragenden Beihilfestelle nicht reagierte hatte. Im Ergebnis kann es für einen Informationsweg an die Regressabteilung des Klägers über seine Beihilfestellen nicht ausreichen, dass – wie hier im Jahr 2013 erfolgt – der Fragebogen zwar verschickt, die Beihilfestelle bei Nichtbeantwortung dem aber dann nicht nachgeht. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur um eine isolierte Dienstpflichtverletzung der zuständigen Beihilfebeamten (vgl. S. 2 des Schriftsatzes des Klägers vom 21.04.2023, Bl. 64 d. OLG-A.), sondern angesichts der Ende 2011 festgestellten fehlerhaften Praxis auch um ein Organisationsdefizit.
47
4. Die Beklagten waren berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Der Vorwurf des Klägers gegenüber der Beklagten zu 3), sie habe durch eine langjährige direkte Erstattung der Ansprüche gegenüber dem verunfallten Beamten den Verjährungseintritt gefördert, so dass die Beklagten nach dem sich aus § 242 BGB ergebenden Rechtsgedanken nicht berechtigt seien, die Einrede der Verjährung zu erheben, überzeugt nicht. Hierbei verkennt der Kläger bereits im Ansatz, dass die Beklagtenseite nicht dafür verantwortlich ist und demzufolge auch keine eigenen Erkenntnisse darüber haben kann, ob und wie der Kläger es organisatorisch geregelt und sichergestellt hat, dass seine zuständige Regressabteilung rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist von 3 Jahren die für einen Regress erforderlichen Informationen erhält. Insbesondere kann es den Beklagten in diesem Zusammenhang nicht angelastet werden, dass der Kläger über Jahre hinweg keine ausreichenden organisatorischen Maßnahmen ergriffen hatte, um den erforderlichen internen Informationsweg zu der zuständigen Regressabteilung sicherzustellen. Weiter würde die Rechtsansicht des Klägers zu Lasten eines bei einem Verkehrsunfall geschädigtem Beamten bedeuten, dass man einer Versicherung von einer direkten und im Übrigen grundsätzlich auch den Kläger entlastenden Regulierung an den geschädigten Beamten Regulierung abraten müsste, da diese sonst Gefahr laufen würde, ihre Einrede der Verjährung zu verlieren. Abgesehen davon ist auch zu bedenken, dass der unfallbedingte Dienstausfall des Beamten … (quasi der vom Staat vorfinanzierte Verdienstausfallschaden) unabhängig von den Beihilfekosten bestand und insoweit keine den Verjährungsablauf verschleiernde Handlung der Beklagten zu 3) vorlag. Auch insoweit ist auf die Anlage K 15 Bezug zu nehmen: Die Melde- und Berichtspflicht bezieht sich gerade auf „außerdienstliche Unfälle mit Drittschuldner, durch die unfallbedingter Dienstausfall entstanden ist“ (vgl. Ziff. 11, Seite 5), so dass auch eine langjährige Zahlung von Krankenkosten an den Beamten selbst bezüglich dieses Dienstausfallschadens keine Auswirkung haben konnte.
48
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
49
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.