Titel:
Haftpflichtversicherung, berufliche Tätigkeit, Hausmeister, Ehepartner, faktisches Arbeitsverhältnisses
Normenketten:
VVG § 100
AHB § 4 I 6. B)
BVR 004 III 1
Leitsatz:
Der haftpflichtrechtliche Ausschluss für Schäden im Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten erfasst Tätigkeiten im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses - der Übernahme von Hausmeistertätigkeiten für die an sich angestellte Ehefrau - nicht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haftpflichtversicherung, berufliche Tätigkeit, Hausmeister, Ehepartner, faktisches Arbeitsverhältnisses
Vorinstanz:
LG München I vom 20.05.2022 – 23 O 2103/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 29.11.2023 – IV ZR 101/23
Fundstellen:
BeckRS 2023, 34898
ZfS 2024, 388
LSK 2023, 34898
Tenor
1. Die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.05.2022, Aktenzeichen 23 O 2103/21, wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 42.300,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz aus einem zwischen den Parteien bestehenden privaten Haftpflichtversicherungsvertrags für einen von ihm verursachten Schaden.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 20.05.2022 Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den begehrten bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.
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Die Beklagte möchte mit der Berufung die Abweisung der Klage erreichen. Auf die Schriftsätze der Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen.
4
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
die Berufung der Beklagtenpartei zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auf die Schriftsätze des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 06.02.2023 (Bl. 106/110 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.05.2022, Aktenzeichen 23 O 2103/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
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1. Mit der Gegenerklärung verweist die Beklagte erneut darauf, dass das Anschweißen des Rades, das zum Schaden geführt hat, aus ihrer Sicht eine berufliche Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen dargestellt habe und daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen gewesen sei. Neue Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, zeigt die Gegenerklärung nicht auf, sondern vertieft nochmals die bereits vorgebrachten Aspekte. Der Senat verbleibt auch nach nochmaliger Überprüfung und sorgfältiger Abwägung der von der Beklagten vorgebrachte Argumente bei seiner Auffassung, dass der vorliegende Schadensfall vom Ausschluss in § 4 I 6. B) AHB bzw. III 1. BVR 004 nicht erfasst war. Die Klauseln sind dabei so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss BGHZ 123, 83, 85). Ausschlussklauseln sind dabei grundsätzlich eng auszulegen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer konnte die Klauseln in § 4 I 6. B) AHB bzw. III 1. BVR 004 nicht so verstehen, dass eine berufliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer – wie im vorliegenden Einzelfall –, ohne selbst angestellt zu sein, in Abwesenheit seiner als Hausmeisterin angestellten Ehefrau, auf dem auch selbst bewohnten Anwesen Blätter wegsaugen bzw. ein Rad an den vorhandenen Laubsauger schweißen wollte. Der übliche Fall einer beruflichen Tätigkeit lag gerade nicht vor, da der Kläger selbst nicht mehr als Hausmeister angestellt oder selbständig tätig war. Eine vertragliche Verpflichtung des Klägers zur Ausübung von Hausmeistertätigkeiten bestand nicht. Unabhängig davon, ob ein solches vorliegend anzunehmen wäre, musste ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht damit rechnen, dass auch Tätigkeiten im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses vom Versicherungsschutz ausgenommen wären. Im vorliegenden Fall besteht überdies die Besonderheit, dass die Hausmeistertätigkeiten – wie z.B. auch das hier beabsichtigte das Laubsaugen – gerade keine Tätigkeiten darstellen, die schon von ihrer Art her typischerweise einem Beruf zuzuordnen wären, sondern dass es sich dabei um Alltagstätigkeiten handelt, die auch Besitzer von kleineren Eigenheimen (ohne Hausmeister) üblicherweise ausführen. Auch aus dem Aspekt heraus, dass der vorgesehene Ausschluss für berufliche Tätigkeiten dem Zweck dient, dass der Versicherer nicht zusätzlich für Risiken einer beruflichen Tätigkeit haften möchte, drängte sich für die im vorliegenden Einzelfall ausgeübten Tätigkeiten nicht auf, dass eine Haftung nicht übernommen werden sollte. Für das Anschweißen des Rades hat der Kläger zwar seine beruflichen Kenntnisse genutzt, allerdings solche aus der Zeit noch vor seiner Anstellung als Hausmeister. Kleinere Schweißarbeiten sind darüber hinaus heute auch im privaten Bereich nicht mehr ungewöhnlich.
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2. Auch zur Frage der von der Beklagten behaupteten Obliegenheitsverletzung durch die Angaben in den als Anlage B2 und B3 vorgelegten Dokumenten verbleibt der Senat bei seiner Auffassung. In der Schadensmeldung ist keinerlei falsche Angabe ersichtlich. Aber auch die Angaben im Fragebogen (B3) sind nicht als falsch einzustufen. Dort wurde gefragt: „Wer vertritt Ihre Frau als Hausmeisterin?“ und außerdem „Wer vertrat sei am Schadentag?“. Beide Fragen hat der Kläger mit dem Wort „niemand“ beantwortet. Dies ist zutreffend, da eine Vertretung der Frau des Klägers als Hausmeisterin vertraglich nicht vereinbart war. Da die Fragen jedenfalls auch so verstanden werden konnten, dass damit eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Vertretung gemeint war, sind die Angaben jedenfalls nicht als vorsätzlich oder grob fahrlässige Falschangabe zu werten.
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Die Angaben in der Klageschrift kommen für eine Obliegenheitsverletzung nicht mehr in Betracht. Diese erfolgten, nachdem die Beklagte die Deckung bereits abgelehnt hatte. Mit der Ablehnung endet jedoch die Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers (BGH, st. Rspr., vgl. NJW 2013, 1883 mit weiteren Nachweisen).
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, so dass auch nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden werden durfte. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Vielmehr war im vorliegenden Einzelfall zu beurteilen, ob die hier konkret in Rede stehende Tätigkeit noch von der zwischen den Parteien vereinbarten Ausschlussregelung des Versicherungsvertrags umfasst war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.