Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 13.02.2023 – AN 3 M 22.1540
Titel:

Erfolgreiche Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss wegen Kosten für ein Privatgutachten

Normenketten:
VwGO § 151 S. 1, § 162 Abs. 1, § 165,
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Kosten für private Sachverständige können zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausnahmsweise dann als notwendig anerkannt werden, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde die ihr Begehren tragende Behauptungen nur mithilfe eines Privatgutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Privates Sachverständigengutachten, Brandschutz, Erinnerung, Kostenfestsetzung, Kostenausgleichsantrag, Rechtsverfolgung, Privatgutachten, Gutachterkosten, eigene Sachkunde, Rechtsstaatsgebot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3488

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8 Juni 2022 wird in seiner Ziffer 2 aufgehoben, soweit darin die Kosten des Gutachtens der … vom 6. November 2020 in Höhe von 5.519,98 EUR mit festgesetzt wurden.
2. Die abschließende Kostenfestsetzung wird auf die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach übertragen.
3. Die Erinnerungsgegnerin trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Erinnerungsführer wendet sich mit seiner Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, soweit darin die Kosten für ein privates Sachverständigengutachten zugunsten der Erinnerungsgegnerin berücksichtigt wurden.
2
Die Erinnerungsgegnerin erhob am 9. Juli 2020 eine Anfechtungsklage gegen eine dem Erinnerungsführer erteilte Baugenehmigung vom 26. Juni 2020 hinsichtlich der Änderung und Nutzungsänderung eines Stallgebäudes. Das Vorhaben wurde durch das Landratsamt im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO geprüft. Die Klage wurde durch die Erinnerungsgegnerin im Wesentlichen auf die Verletzung von Brandschutzvorschriften durch das Bauvorhaben gestützt. Hierzu legte sie dem Gericht ein am 3. August 2020 beauftragtes und am 6. November 2020 erstelltes Gutachten der … vor. Die Sachverständige kam im Wesentlichen zum Ergebnis, dass der Brandschutznachweis nur teilweise den formalen Kriterien entspreche. Es würden die Beurteilungen der beantragten Abweichungen fehlen. Mit dem Entwurfsplan würden wesentliche materiell-rechtliche Kriterien der Bauordnung nicht eingehalten. Der Dachaufbau mit der Pfette auf der Brandwand und den darauf liegenden Sparren entspreche nicht den Anforderungen der Bauordnung. Für das Fenster des Bades in der Brandwand werde trotz der Nutzungsänderung, welche den Bestandsschutz aufhebe, ein solcher geltend gemacht. Es fehle außerdem der Nachweis oder der Abweichungsantrag für die Öffnung in der Brandwand im Bad. Die derzeit vorhandene Ausführung des Vorhabens entspreche zudem weder dem Entwurfsplan noch dem Brandschutznachweis noch den materiell-rechtlichen Kriterien der Bauordnung. Die Wand an der nördlichen Grundstücksgrenze müsse eine Brandschutzwand sein. Für den oberen Abschluss dieser Brandwand gebe es zwei mögliche Alternativen zur Umsetzung. Das Badfenster in der Gebäudeabschlusswand sei im Zuge des Umbaus zu umschließen.
3
Mit Schriftsatz vom 19. März 2021 änderte die Erinnerungsgegnerin ihre Klage und begehrte nunmehr im Wege der Verpflichtungsklage ein bauaufsichtliches Einschreiten des Landratsamtes gegenüber dem Erinnerungsführer. Hilfsweise wurde beantragt, das Landratsamt zu verpflichten, eine bauordnungsrechtliche Ordnungsverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Wiederum hilfsweise wurde die Anfechtungsklage aufrechterhalten.
4
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. November 2021 (AN 3 K 20.01339) wurde das Verfahren eingestellt, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2021 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärten. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens wurde durch die Kammer entschieden, dass die Beteiligten jeweils 1/3 zu tragen haben. Der Streitwert wurde auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
5
Zur Begründung führte die Kammer aus, dass die Klägerin mit ihren Klageanträgen voraussichtlich nur teilweise Erfolg gehabt hätte. Es wäre hinsichtlich der Klageänderung wohl eine Sachdienlichkeit anzunehmen gewesen. Der Hauptantrag wäre mangels einer Ermessensreduzierung auf Null voraussichtlich ohne Erfolg geblieben. Hinsichtlich des Hilfsantrags wäre der Klage jedoch stattzugeben gewesen, da der Klägerin wohl ein Anspruch gegen das Landratsamt auf Entscheidung eines gestellten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zugekommen wäre. Das Bauvorhaben verstoße bei summarischer Prüfung in der derzeitigen Ausführung gegen brandschutztechnische Vorschriften der BayBO.
6
Der Erinnerungsführer stellte am 25. November 2021 einen Kostenausgleichungsantrag und machte Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.459,18 EUR geltend.
7
Die Erinnerungsgegnerin stellte am 30. November 2021 einen Kostenausgleichungsantrag und machte Kosten in Höhe von insgesamt 12.165,83 EUR geltend. Hiervon entfielen 1.445,85 EUR auf die Rechtsanwaltsgebühren und 5.519,98 EUR auf das Gutachten der … Im Übrigen wurden Kosten für die Beauftragung eines Architekten geltend gemacht, welcher für die Erinnerungsgegnerin eine weitere fachliche Stellungnahme verfasste, Beratungsleistungen erbrachte und an der mündlichen Verhandlung teilnahm.
8
Das Landratsamt stellte am 15. Dezember 2021 einen Kostenausgleichungsantrag und machte Kosten in Höhe von 40,30 EUR geltend.
9
Während des Kostenfestsetzungsverfahren wendete sich der Erinnerungsführer gegen die Berücksichtigung der von der Erinnerungsgegnerin geltend gemachten Aufwendungen für Sachverständigengutachten. Es wurde im Wesentlichen angeführt, dass im Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens vom 6. November 2020 eine Anfechtungsklage anhängig gewesen sei, die sich gegen eine Baugenehmigung gerichtet habe, welche im vereinfachten Verfahren erteilt worden sei. Der Brandschutz sei dabei nicht Prüfungsgegenstand gewesen, sodass das Gutachten aus Sicht einer verständigen Partei nicht erforderlich gewesen sei, da diesbezügliche Feststellungen der Anfechtungsklage nicht zum Erfolg hätten verhelfen können. Daher könne das Argument der Waffengleichheit nicht einschlägig sein. Auch sei das Gutachten folglich nicht geeignet gewesen, eine gerichtliche Beweisaufnahme herbeizuführen. Dies sei offenbar auch nicht die Intention der Erinnerungsgegnerin gewesen, da die Einreichung des Gutachtens zu Gericht nicht mit der Stellung eines Beweisantrags verbunden worden sei. Erst mit Schriftsatz vom 19. März 2021 sei die Klage geändert worden. Ausweislich des Beschlusses des Gerichts vom 15. November 2021 wäre die Klage nur hinsichtlich des Hilfsantrags bezüglich eines Antrags an die Behörde auf bauaufsichtliches Einschreiten erfolgreich gewesen. Für diesen per E-Mail gestellten Antrag hätte es aber keiner fachlichen Unterstützung bedurft. Es seien daher von der Erinnerungsgegnerin unangemessene Aufwendungen geltend gemacht worden, welche keine Berücksichtigung finden dürften.
10
Die Aufwendungen der Erinnerungsgegnerin seien vielmehr dem Verwaltungsverfahren zuzuordnen, da die Erinnerungsgegnerin mit den eingeholten Gutachten das Landratsamt habe überzeugen wollen, bauaufsichtlich gegenüber dem Erinnerungsführer tätig zu werden.
11
Die Erinnerungsgegnerin erwiderte hierauf, dass die Sachverständigenkosten zur Rechtsverfolgung notwendig und sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als erstattungsfähig anzusehen seien. Ohne eine entsprechende Fundierung des Sachvortrags hätte sich das Landratsamt kaum dazu bewegen lassen, die Gefährlichkeit des Bauvorhabens zu erkennen und hiergegen vorzugehen. Die Sachverständigen hätten deshalb erst zur Herstellung einer Waffengleichheit gegenüber dem Landratsamt beigezogen werden müssen. Bei Fragen des Brandschutzes handele es sich um solche, die einen technischen Sachverstand erfordern würden, den weder die Erinnerungsgegnerin noch ihr Bevollmächtigter habe. Dies habe auch das Landratsamt erkannt und die Klägerin in einer bautechnischen Stellungnahme als „nicht fachkundige Nachbarin“ bezeichnet. Im Vergleich dazu verfüge das Landratsamt über entsprechend sachkundige Bedienstete. Es habe sich dabei auch sehr wohl um einen so komplexen Sachverhalt gehandelt, der die Einholung der Gutachten erfordert habe, um gegenüber der Behörde eine Waffengleichheit herzustellen. Die Gutachten seien auch zweckmäßig gewesen, da das Landratsamt erst nach der Vorlage derselben aktiv geworden sei. Außerdem sei es durch die Vorlage des Gutachtens vom 6. November 2020 zu einer Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens gekommen. Die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten seien dabei auch vom Landratsamt in Bezug genommen worden und seien der Anlass gewesen, dass die Vertreterin des Landratsamtes in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, das nunmehr eingeleitete bauaufsichtliche Verfahren weiter zu verfolgen. Hieran zeige sich auch, dass insbesondere auch das Gutachten vom 6. November 2020 geeignet gewesen sei, den Sachvortrag der Erinnerungsgegnerin hinreichend zu substantiieren. Nicht notwendig sei es in diesem Zusammenhang, dass bislang keine Beweisanträge angekündigt worden seien. Es sei diesbezüglich auch irrelevant, dass sich dieses Gutachten teilweise auch mit Rechtsfragen beschäftige. Diese hätten lediglich der Klärung der Grundlagen gedient.
12
Überdies seien die Gutachten im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden. Dabei sei es unerheblich, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung eine Anfechtungsklage anhängig gewesen sei, da bereits zum damaligen Zeitpunkt ein Vorgehen gegen den brandschutztechnisch rechtswidrigen Zustand vom klägerischen Begehr umfasst gewesen sei. Aus diesem Grund sei auch am 19. März 2021 eine zulässige Klageänderung erfolgt. Außerdem sei es bereits im Rahmen der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage entscheidungserheblich gewesen, ob eine Rechtsverletzung der Klägerin vor dem Hintergrund der Leib und Leben gefährdenden Brandschutzmängel des Bauvorhabens des Erinnerungsführers bestehe. Streitgegenständlich sei zudem gewesen, ob Abweichungen von den bauordnungsrechtlichen Brandschutzvorschriften beantragt worden sei.
13
Mit Beschluss vom 8. Juni 2022 – dem Erinnerungsführer am gleichen Tag zugestellt – setzte die Kostenbeamtin die Kosten fest.
14
In seiner Ziffer 1 wurde dabei festgesetzt, dass das Landratsamt der Erinnerungsgegnerin einen Betrag in Höhe von 2.308,51 EUR zu erstatten hat. In Ziffer 2 wurde der von dem Erinnerungsführer an die Erinnerungsgegnerin zu erstattende Betrag auf 1.835,55 EUR festgesetzt. Diesbezüglich wurde jeweils ein Kostenausgleich gemäß § 106 ZPO durchgeführt.
15
Die Aufwendungen der Erinnerungsgegnerin wurden mit einem Betrag von insgesamt 6.965,83 EUR festgesetzt, wobei hiervon 1.445,85 EUR auf Rechtsanwaltsgebühren und 5.519,98 EUR auf die Kosten des Gutachtens vom 6. November 2020 entfielen.
16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kosten des Gutachtens der … vom 6. November 2020 als notwendig anzusehen seien, da es sich bei der Thematik des Brandschutzes um eine komplexe Materie handele, bei welcher sowohl der Erinnerungsgegnerin als auch deren Bevollmächtigter die notwendige Kompetenz fehle. Ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Prozess sei ebenfalls gegeben. Die Einholung des Gutachtens sei daher für die zweckmäßige Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Beauftragung des Architekten seien dagegen nicht notwendig gewesen (wird weiter ausgeführt).
17
Der Erinnerungsführer hat am 21. Juni 2022 gemäß § 151 VwGO die Entscheidung des Gerichts beantragt.
18
Zur Begründung wird das bereits im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren Vorgetragene vertieft. Ergänzend wird ausgeführt, dass das Gutachten der Erinnerungsgegnerin auch nach der Klageänderung nicht zum Erfolg verholfen hätte, da zuvor kein konkreter Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten an die Behörde gerichtet worden sei. Wenn man nun in dem Schreiben der Erinnerungsgegnerin an das Landratsamt vom 1. Dezember 2020, mit dem die gutachterliche Stellungnahme bekannt gemacht worden sei, einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten sehen wolle, so sei festzustellen, dass dann die gutachterliche Stellungnahme von der Erinnerungsgegnerin für das Verwaltungsverfahren eingeholt worden sei. Diese Kosten fänden bei der Kostenausgleichung im gerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung.
19
Der Erinnerungsführer beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend abzuändern, dass der Erinnerungsführer der Erinnerungsgegnerin keine Kosten zu erstatten hat.
20
Die Erinnerungsgegnerin erwidert hierzu, dass bereits seit 2019 sowohl mündlich als auch schriftlich die bestehenden brandschutzrechtlichen Mängel gegenüber dem Landratsamt gerügt worden seien. Das Landratsamt habe hierauf jedoch nicht reagiert. Im Übrigen verweist die Erinnerungsgegnerin auf ihr Vorbringen im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens.
21
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte den Antrag der Kammer zur Entscheidung vor.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowohl im hiesigen Verfahren als auch im Verfahren AN 3 K 20.01339 Bezug genommen.
II.
23
Der nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet.
24
1. Im Kostenfestsetzungsbeschluss wurden zu Unrecht die Kosten für das von der Erinnerungsgegnerin beauftragte Gutachten der … vom 6. November 2020 berücksichtigt.
25
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO neben den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Aufwendungen für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige, sind nach § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist – aus Gründen des aus dem Rechtsstaatsgebot und dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden Grundsatzes der prozessualen Chancen- und Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfG, B.v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74 – BVerfGE 52, 131 = juris Rn. 77; B.v. 11.5.2009 – 1 BvR 1517/08 – NJW 2009, 3417 = juris Rn. 20 ff.) – ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mithilfe eines Privatgutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gutachten erforderlich ist, um mit einiger Aussicht auf Erfolg das Gericht zu einer förmlichen Beweisaufnahme zu veranlassen (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2002 – 2 BvR 2099/01 – NJW 2003, 1443 = juris Rn. 14; B.v. 12.9.2005 – 2 BvR 277/05 – NJW 2006, 136 = juris Rn. 23; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 37 f.). Abzustellen ist aus ex-ante-Sicht auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist dagegen, ob sich die Handlung im Nachhinein als unnötig herausstellt. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen. Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Offensichtlich ungeeignete Gutachten, die zu für den Rechtsstreit nicht entscheidungserheblichen Fragen Stellung nehmen oder sonst nicht geeignet sind, den Sachvortrag des Betroffenen hinreichend zu substantiieren und die Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen zu beeinflussen, sind nicht erstattungsfähig (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2.01 – NVwZ 2001, 919 = juris Rn. 2; B.v. 8.10.2008 – 4 KSt 2000.08 – juris Rn. 4; B.v. 20.4.2010 – 9 KSt 19.09 u.a. – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 48; B.v. 2.3.2020 – GrSen 1.19 – BVerwGE 168, 39-48 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 28.6.2011 – 8 M 11.40017 – juris Rn. 7 ff.; B.v. 3.3.2020 – 8 C 19.1826 – juris Rn. 9; B.v. 7.4.2022 – 8 M 22.584 – juris Rn. 11 ff.; VGH BW, B.v. 22.12.2009 – 5 S 1904/09 – RdL 2010, 76 = juris Rn. 6).
26
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Aufwendungen der Erinnerungsgegnerin für die Beauftragung des Gutachtens vom 6. November 2020 keine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen darstellen.
27
Entscheidend waren hierbei der Verfahrensstand und die Prozesssituation im Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachtens durch die Erinnerungsgegnerin zu berücksichtigen. Der Auftrag zur Erstellung des Gutachtens wurde am 3. August 2020 erteilt. Zu diesem Zeitpunkt war eine Drittanfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung anhängig, welche im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt wurde. Ein Nachbar kann jedoch eine solche Baugenehmigung nur in dem Umfang angreifen, wie die als verletzt gerügte Norm zum Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde gehört. Nachbarrechte können nur verletzt sein, wenn über sie in der Genehmigung entschieden worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244.96 – NVwZ 1998, 58 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 9; U.v. 23.5.2001 - 2 B 97.2601 – juris Rn. 21). Das in Auftrag gegebene Gutachten hatte im Wesentlichen brandschutztechnische Fragestellungen zum Gegenstand. Der Aspekt Brandschutz fand allerdings keinen Eingang in die Feststellungswirkung der Baugenehmigung, da er nicht zum Prüfungsumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zählt. Soweit die Erinnerungsgegnerin auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (B.v. 12.1.2015 – 2 B 1386/14 – juris Rn. 10; U.v. 26.6.2014 – 7 A 2057/12 – juris Rn. 59 ff.) verweist, in welchen das Gericht ausgeführt hat, dass die Baubehörde auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Baugenehmigung nicht erteilen dürfe, wenn durch offensichtliche Verstöße gegen Brandschutzvorschriften eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen bestehe, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies der ständigen bayerischen Rechtsprechung (vgl. beispielsweise BayVGH, U.v. 25.11.2010 – 9 B 10.531 – juris Rn. 19; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 11) widerspricht, wonach alleine fehlendes Sachbescheidungsinteresse für die Erteilung der Baugenehmigung noch nicht zu einer Rechtsposition des Nachbarn führt. Auch über Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO hätte sich die Erinnerungsgegnerin nicht erfolgreich auf Verstöße gegen brandschutzrechtliche Vorschriften berufen können. Dabei kann dahinstehen, ob die im Rahmen des durch den Erinnerungsführer vorgelegten Brandschutznachweis behandelten Abweichungen von brandschutztechnischen Vorschriften der BayBO überhaupt beantragte Abweichungen i.S.v. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO darstellen, da jedenfalls keine Entscheidung des Landratsamts über diese Abweichungen getroffen wurde. Der Baugenehmigung kommt diesbezüglich auch keinerlei Legalisierungswirkung zu. Das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten konnte ihr demnach im Zeitpunkt der Beauftragung nicht zum Erfolg der Klage verhelfen und ist stattdessen den Kosten des Verwaltungsverfahrens zuzurechnen.
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2. Die Übertragung der abschließenden Kostenfestsetzung auf den Urkundsbeamten beruht auf § 173 Satz 1 VwGO, § 573 Abs. 1 Satz 3, § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. VG München, B.v. 4.6.2018 – M 1 M 17.2314 – juris Rn. 26 unter Verweis auf: BayVGH, B.v. 8.5.2014 – 9 M 15.254 – juris Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 165 Rn. 9).
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Die Erinnerungsgegnerin hat als unterlegene Beteiligte gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.