Titel:
Widerruf bzw. Einziehung waffen- und jagdrechtlicher Erlaubnisse
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1, § 18 S. 1
Leitsatz:
Wer der sog. "Reichsbürgerbewegung" zugehörig ist oder sich deren Ideologie für sich verbindlich zu eigen gemacht hat, ist waffenrechtlich unzuverlässig. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, „Reichsbürger“, Verdacht auf Zugehörigkeit nicht entkräftet, Reichsbürger, Reichsbürgerbewegung, Zugehörigkeit, Ideologie, Distanzierung, Überzeugungsgrundsatz, Einziehung, Widerruf, Erlaubnisse
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 13.06.2023 – RN 4 K 23.48
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34296
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 23.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf bzw. die Einziehung seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie die dazugehörigen Nebenbestimmungen.
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Die Kriminalpolizeiinspektion Niederbayern (KPI) teilte dem Landratsamt … (nachfolgend: Landratsamt) am 26. Oktober 2022 Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit des Antragstellers zur „Reichsbürgerbewegung“ mit und bat um Überprüfung seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Beigefügt war das Schreiben des Antragstellers an den Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts … vom 13. Mai 2022, in dem sich der Antragsteller als „Mensch mit Natürlicher Person entsprechend § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“ bezeichnet, u.a. eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Staates und des Bundeslandes fordert und ein privates und kommerzielles Pfandrecht androht („Akzeptanz-Schreiben“). Ein im Wesentlichen inhaltsgleiches Schreiben habe der Antragsteller am 23. Mai 2022 auch an das Finanzamt … übersandt.
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Mit Bescheid vom 20. Dezember 2022 erklärte das Landratsamt den Jagdschein des Antragstellers für ungültig und zog diesen ein (Nr. 1), widerrief die erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Form der ausgestellten Waffenbesitzkarten und des Europäischen Feuerwaffenpasses (Nr. 2) und untersagte den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Waffen, erlaubnisfreier Munition sowie den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf (Nr. 3). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Jagdschein (Nr. 4) sowie die Waffenbesitzkarten und den Feuerwaffenpass (Nr. 5) zurückzugeben. Die ursprünglich in Nummer 6 des Bescheids ausgesprochene Verpflichtung, seine Waffen an einen Berechtigten zu überlassen sowie die vorhandene erlaubnispflichtige Munition dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, wurde mit Änderungsbescheid vom 23. März 2023 dahingehend erweitert, dass er die abzugebenden Waffen alternativ auch dauerhaft unbrauchbar machen (und deshalb behalten) könne.
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Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 13. Juni 2023 abgewiesen. Der Kläger sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unzuverlässig. Aufgrund des an den Gerichtsvollzieher sowie das Finanzamt übersandten sog. „Akzeptanz-Schreibens“ sei er der „Reichsbürgerbewegung“ zuzurechnen. Er habe die durch die Annahme einer ideologischen Nähe zu dieser Szene begründeten Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit weder entkräften noch sich hiervon glaubhaft distanzieren können.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung und macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lägen keine hinreichenden Umstände vor, die auf seine ideologische Nähe oder Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerszene“ schließen ließen. Das sog. „Akzeptanz-Schreiben“ habe er lediglich als Vorlage von einem Bekannten verwendet, was ein Fehler gewesen sei, den er bedauere. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er sich ausreichend von der Ideologie der „Reichsbürger“ distanziert, außerdem engagiere er sich in zahlreichen Ehrenämtern, wohingegen „Reichsbürger“ den Staat ablehnten und ihn folglich auch nicht derart unterstützen würden.
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Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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a) Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Aus dem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingereichten Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine derartigen ernstlichen Zweifel. Solche sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – juris Rn. 32 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich die die Zulassung beantragende Partei substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Dem wird der Kläger nicht gerecht.
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b) Das Verwaltungsgericht hat in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), zu widerrufen waren, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen. Der Kläger besitzt die für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr, weil die absoluten Unzuverlässigkeitsgründe i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG vorliegen. Gleiches gilt für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß § 18 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) i.d.F. d. Bek. vom 29. September 1976 (BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, sowie die weiteren Nebenentscheidungen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats ist das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris Rn. 33; OVG RhPf, U.v. 28.6.2018 – 7 A 11748/17 – juris Rn. 25) Umstände vorgelegen haben, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger waffenrechtlich unzuverlässig ist, da er der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist oder sich deren Ideologie für sich verbindlich zu eigen gemacht hat. Es hat die insoweit vorhandenen Tatsachen umfassend bewertet und nachvollziehbar dargelegt, weshalb der Kläger die entstandenen Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht entkräften konnte.
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c) Diesen Darlegungen ist das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Es fehlt insoweit bereits an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen und einer substantiellen Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrunds, denn der Kläger wiederholt lediglich seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Argumente und stellt seine eigene Rechtsauffassung derjenigen des Verwaltungsgerichts gegenüber, ohne jedoch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise darzulegen.
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Insbesondere trifft es nicht zu, dass dem Kläger keine Möglichkeit gegeben wurde, sich von seinem Fehler – der Verwendung des „Akzeptanz-Schreibens“ als Vorlage – zu distanzieren. Eine Distanzierung wäre dem Kläger bis zur letzten Verwaltungsentscheidung möglich gewesen, jedoch hat er sich im Verwaltungsverfahren nicht geäußert. Es bleibt unklar, weshalb sich der Kläger nicht bereits im Rahmen der Anhörung vor Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids distanziert hat, als ihm diese für eine Zuordnung zur „Reichsbürgerszene“ sprechenden Umstände seitens des Landratsamts vorgehalten wurden. Das Verwaltungsgericht hat die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers als unglaubhafte Schutzbehauptung bewertet. Damit wendet sich der Kläger gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) des Verwaltungsgerichts. In diesem Fall kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 9 ZB 17.766 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 16.9.2019 – 1 ZB 17.1690 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 26.10.2022 – 4 BN 22.22 – juris Rn. 16). Derartige Mängel in der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung, die auf eine völlig unvertretbare Beweiswürdigung hinauslaufen, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf.
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Soweit der Kläger auf sein (sich aus seinem als Anlage K3 im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Lebenslauf ergebendes) ehrenamtliches Engagement verweist und daran seine Distanz zur Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ festmachen möchte, ist nicht dargelegt, inwiefern sich daraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben könnten. Zudem endeten die meisten dieser Tätigkeiten bereits vor Jahren.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 3 GKG und entspricht der vom Verwaltungsgericht festgesetzten und nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).