Inhalt

VGH München, Beschluss v. 09.11.2023 – 2 N 22.353
Titel:

Offensichtlich unzulässiger Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Steht dem nicht im Plangebiet liegenden Nachbarn der Rechtsschutz durch eine Nachbarklage offen, schließt dies die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung iSd Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK durch den Bebauungsplan unter Umständen aus. Eine Ausnahmesituation, in der von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, liegt auch vor, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich auf solche schutzwürdigen – planbedingten – Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die betroffenen Interessen bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben konnten, weil sie entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zumindest aus tatsächlichen Gründen ist das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Einzelner kann sich nicht auf den Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von der Betroffenheit in eigenen Rechten berufen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Änderung eines Bebauungsplanes, Antragsbefugnis (verneint), Belichtung und Besonnung, Erdrückende Wirkung, mündliche Verhandlung, Abwägungsbeachtlichkeit, Gebot der Rücksichtnahme, Abstandsfläche, Verfahrensfehler
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34277

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 20.000, – € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die … Änderung des Bebauungsplanes G… der Antragsgegnerin. Die am … … … als Satzung beschlossene Änderung wurde am … … … von der Antragsgegnerin ortsüblich bekanntgemacht.
2
Der Antragsteller ist Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der FlNr. … der Gemarkung G… Das Grundstück liegt im Plangebiet des ursprünglichen Bebauungsplanes G…, aber außerhalb des Gebietes der verfahrensgegenständlichen … Bebauungsplan-Änderung.
3
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2022 hat der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt und beantragt,
4
Der Bebauungsplan „… … G…“, bekannt gemacht am … … …, ist unwirksam.
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Zur Begründung führt er insbesondere aus, dass eine Verletzung seines Grundrechtes aus Art. 14 GG in Betracht komme. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB keine Erwägungen über die Fragen der Belichtung und Besonnung seines nördlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks angestellt und auch die Frage der erdrückenden Wirkung eines möglichen Baukörpers, der das Baufenster umfassend ausnutzt, nicht berücksichtigt. Der Antragsteller erhob darüber hinaus weitere Einwände. So sei der Bebauungsplan verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da die Antragsgegnerin eine Umweltprüfung nicht durchgeführt habe, dem in Rede stehenden Bebauungsplan fehle es an der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, es bestehe kein Bedarf an einer Überplanung, der Vorrang der Innenentwicklung nach § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB sei nicht berücksichtigt worden ebenso wenig wie die Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB vor, da aufgrund der optisch exponierten Lage des streitgegenständlichen Bauvorhabens durch die Planung ein Fremdkörper installiert werde.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Normenkontrollantrag ist bereits unzulässig.
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1. Der Senat kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, auch wenn der Antragsteller nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hat (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340). Insbesondere liegt hier kein Verstoß gegen § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) vor, die innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes gilt. Nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil oder, wenn er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss. Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet der Verwaltungsgerichtshof nach richterlichem Ermessen (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.1988 – 7 NB 3.88 – BVerwGE 81.139). Dieses Verfahrensermessen wird jedoch durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eingeschränkt. Danach hat jedermann einen Anspruch darauf, „dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat“. Unstreitig erstreckt sich dies nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203) grundsätzlich auch auf die Entscheidung über die Gültigkeit eines Bebauungsplans nach § 47 Abs. 5 VwGO, da das Recht am Grundeigentum zu den „zivilrechtlichen“ Ansprüchen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zählt. Ein Bebauungsplan stellt eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die nur hingenommen werden muss, wenn sie auf einer rechtmäßigen Norm beruht. Aufgrund dieser eigentumsgestaltenden Wirkung des Bebauungsplans kann sich dieser in vergleichbarer Weise unmittelbar auf das Grundeigentum auswirken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich ein im Plangebiet befindlicher Eigentümer gegen eine sein Grundstück betreffende Festsetzung wehren möchte (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203). Ob allerdings eine Betroffenheit eines Grundeigentümers außerhalb des Plangebiets im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine mündliche Verhandlung erfordert, lässt sich nicht in jedem Fall annehmen. Maßgeblich ist, ob die angegriffene planerische Festsetzung auf sein Grundeigentum unmittelbar einwirkt und welche konkreten Beeinträchtigungen beispielsweise erst in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu beurteilen sind (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Steht dem nicht im Plangebiet liegenden Nachbarn der Rechtsschutz durch eine Nachbarklage offen, schließt dies bereits die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK durch den Bebauungsplan unter Umständen aus (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Darüber hinaus liegt eine Ausnahmesituation, in der von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, dann vor, wenn ein Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203; B.v. 26.2.2008 – 4 BN 51.07 – NVwZ 2008, 696; B.v. 30.11.2017 – 6 BN 2.17 – NVwZ 2018, 340).
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Im vorliegenden Fall geht der Senat von der offensichtlichen Unzulässigkeit (s. 2) des Normenkontrollantrags aus, so dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss bereits aus diesem Grund zulässig ist. Ferner liegt das Grundstück des Antragstellers außerhalb des Plangebiets – maßgeblich ist insoweit nicht das gesamte Plangebiet des Bebauungsplanes G…, sondern nur das Plangebiet der verfahrensgegenständlichen … Änderung dieses Bebauungsplanes –, so dass auch aus diesem Grund eine mündliche Verhandlung nicht zwingend ist.
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2. Der Normenkontrollantrag ist bereits wegen Fehlens der nötigen Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO unzulässig.
13
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Als (Mit-)Eigentümer eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets des streitgegenständlichen Bebauungsplans kann sich der Antragsteller grundsätzlich auf eine mögliche Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) berufen. Dieses hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht damit Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich dabei auf solche schutzwürdigen – planbedingten – Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154; B.v. 30.11.2016 – 4 BN 16.16 – NVwZ 2017, 563; B.v. 21.12.2017 – 4 BN 12.17 – BauR 2018, 667; B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272; BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris; U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 u.a. – juris; B.v. 8.5.2019 u.a. – 15 NE 19.551 – juris). Diese ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die betroffenen Interessen bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben konnten, weil sie entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1/78 u.a. – BVerwGE 59, 87; B.v. 8.6.2011 – 4 BN 42/10 – BauR 2011, 1641; BayVGH, U.v. 29.7.2014 – 2 N 14.1216 – n.v.). Berührt die Planungsabwägung erhebliche Belange des Antragstellers, dann besteht abstrakt die Möglichkeit, dass die Gemeinde diese Belange bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – NVwZ 2004,1120). Die bloße Bezeichnung eigener Belange und die Behauptung, es liege eine Rechtsverletzung vor, reichen für die Antragsbefugnis aber nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2. 98 – 107, 215). Vielmehr muss in derselben Weise wie bei der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) hinreichend substantiiert dargelegt werden, dass ein abwägungserheblicher Belang des Antragstellers bei der Abwägung möglicherweise fehlerhaft behandelt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 13.11.2006 – 4 BN 18.06 – NVwZ 2007, 229). Der Antragsteller muss substantiiert Tatsachen vortragen, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; B.v. 10.7.2012 – 4 BN 16.12 – juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 25.10.2022 – 15 N 22.861 – juris; OVG NRW, U.v. 17.8.2000 – 2 D 25/18.NE – juris).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller seine Antragsbefugnis nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Er hat keine ausreichenden Tatsachen vorgebracht, dass seine im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigenden privaten Belange – eine Beeinträchtigung hinsichtlich der Belichtung und Besonnung seines Grundstückes und die erdrückende, abriegelnde Wirkung durch eine plangemäße Bebauung – fehlerhaft abgewogen wurden.
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Der Antragsteller trägt vor, der Antragsgegnerin seien im Rahmen der Bauleitplanung Abwägungsfehler hinsichtlich der privaten Belange der angrenzenden Nachbarn gemäß § 1 Abs. 7 BauGB unterlaufen, da die erhebliche Gefahr bestehe, dass bei voller Ausnutzung des auf den überplanten Grundstücken FlNrn. … und … zugestandenen Baufensters die Belichtung und Besonnung der nördlich gelegenen Grundstücke FlNrn. … und … erheblich beeinträchtigt werde. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, dass ein Bauvorhaben, das das Baufenster vollumfänglich ausnutze, eine erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung habe.
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Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften stets auch das im Rahmen der Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gewahrt ist. Zumindest aus tatsächlichen Gründen ist das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall aber dann nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften eingehalten sind. Im vorliegenden Fall hat der Bebauungsplan die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen unberührt gelassen. Eine abweichende Regelung hat er nicht getroffen, sondern vielmehr ausdrücklich festgesetzt, dass die notwendigen Abstandsflächen gemäß BayBO eingehalten werden müssen (vgl. Ziffer 15.2 Satz 2 der Festsetzungen) und die durch die Baugrenzen ausgewiesene überbaubare Grundstücksfläche nur dann voll ausgenutzt werden darf, wenn die vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. 3.2 der Festsetzungen des Bebauungsplans). Zudem hat die Antragsgegnerin in Ziffer 13.2 des Bebauungsplans festgesetzt, dass zur Eingrünung der Baufläche im nördlichen und östlichen Grenzbereich die Heckenbestände zu erhalten und Ausfälle durch Neupflanzungen zu ersetzen sind, um so ein unverhältnismäßiges Heranrücken eines geplanten Baukörpers und eine damit verbundene abriegelnde Wirkung auszuschließen. Der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und Baufenster liegt im Norden und Osten bei wenigstens 5 m und damit deutlich über dem von der Bayerischen Bauordnung geforderten Mindestmaß der einzuhaltenden Abstandsflächen von wenigstens 3 m (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Es ist auch nicht ersichtlich und nicht dargelegt worden, dass sich das Vorhaben trotz der Einhaltung der Abstandsflächen ausnahmsweise dennoch als rücksichtlos erweisen könnte. Angesichts der konkreten örtlichen Situation ohne weitere topographische Besonderheiten (vgl. VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 8 S 940/12 – juris Rn. 40) hält es der Senat für ausgeschlossen, dass das Grundstück des Antragstellers durch ein in dem festgesetzten Baufenster errichtetes Wohnhaus übermäßig verschattet wird, auch wenn sich die überplanten Grundstücke südwestlich des Grundstücks des Antragstellers befinden. Auch Anhaltspunkte dafür, dass das im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme deswegen verletzt sein könnte, weil das heranrückende Baufenster auf das Grundstück des Antragstellers eine erdrückende bzw. abriegelnde Wirkung hat, sind nicht ersichtlich. Der Bebauungsplan erlaubt maximal zwei Vollgeschosse und setzt eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 fest, also eine GRZ, die unterhalb der im reinen Wohngebiet (WR) nach § 17 Abs. 1 BauNVO als Orientierungswert angegebenen Grundflächenzahl von 0,4 liegt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der GRZ neben der Grundfläche des potentiellen Wohngebäudes auch die Flächen für Garagen und Stellplätzen mit ihren Zufahrten und Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO mitzurechnen sind (§ 19 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 BauNVO), wodurch die Ausnutzung des Baufensters für ein Wohngebäude weiter reduziert wird. Für eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung des Grundstücks des Antragstellers oder für eine erdrückende Wirkung des Vorhabens auf das Grundstück des Antragstellers spricht folglich nichts. Eine Verletzung der vom Antragsteller vorgetragenen Belange erscheint dem Senat daher bereits nicht für möglich (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – juris Rn. 8).
17
b) Soweit der Antragsteller rügt, die Antragsgegnerin habe bei der Aufstellung des Bebauungsplanes europarechtswidrig und entgegen § 13b BauGB eine Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/42/EG vom 27.6.2001 (SUP-RL) nicht durchgeführt, weshalb ein beachtlicher Verfahrensfehler vorliege, der zur Unwirksamkeit des Bebauungsplanes führt, kann er hieraus keine Antragsbefugnis ableiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 30/10 – juris Rn. 20) kann ein Einzelner sich nicht auf den Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von der Betroffenheit in eigenen Rechten berufen. Entsprechend kann die Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB durchgeführt werden müssen, eine Antragsbefugnis nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Antragstellers ausgewirkt haben könnte (vgl. OVG NRW, B.v. 30.1.2018 – 8 B 1060/17 – juris Rn. 15). Dies ist hier nicht der Fall. Weder hat der Antragsteller eine subjektive Rechtsverletzung durch die fehlende Umweltprüfung dargelegt, noch ist es ersichtlich, in welchen materiell-rechtlichen Positionen er durch ein Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung verletzt worden sein könnte.
18
c) Auch die weiteren Einwände des Antragstellers gegen die Wirksamkeit der Bebauungsplanänderung vermögen seine Antragsbefugnis nicht zu begründen.
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Sein Einwand hinsichtlich der fehlenden städtebaulichen Erforderlichkeit der Bebauungsplanänderung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, ebenso wie seine Bedenken hinsichtlich des „Vorrangs der Innenentwicklung“ nach § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB, der angeblichen Missachtung der Bodenschutzklausel nach § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB, der fehlerhaften Abwägung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes sowie der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gem. § 1 Abs. 6 Nrn. 5 und 7 BauGB können nicht zur Antragsbefugnis des Antragstellers nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO führen, da diese Regelungen keinen Drittschutz vermitteln. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die – ggf. auch nur partiell – auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen. Nicht jede Norm des materiellen öffentlichen Baurechts hat eine solche Zielrichtung. Vielmehr gibt es zahlreiche Normen des materiellen öffentlichen (Landes- und) Bundesbaurechts, die ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit und gerade nicht dem Schutz individueller Interessen dienen (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1984 – 4 C 8.84 – juris Rn. 11). Deswegen bedarf es jeweils der Klärung, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektivrechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf Interessen Dritter gebietet. Dabei kommt es darauf an, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 12), wobei die Auslegung einer Norm auch dazu führen kann, dass diese nur bei qualifizierten Verstößen, die zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen, als drittschützend angesehen werden kann (so bei §§ 34, 35 Abs. 2 BauGB und § 15 Abs. 1 BauNVO, vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 35). Diese Voraussetzungen liegen bei den vom Antragsteller genannten Vorschriften nicht vor. Nach Auslegung der Regelungen nach ihrem Wortlaut aber auch nach deren Sinn und Zweck dienen diese ausschließlich dem öffentlichen Interesse und sind nicht – zumindest auch – dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können. Aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der genannten Normen lässt sich kein Personenkreis entnehmen, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
22
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
23
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.