Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.11.2023 – 19 CS 23.1442
Titel:

rechtmäßige Ausweisung eines albanischen Staatsangehörigen mit kroatischem Aufenthaltstitels

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 11, § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 5, § 59 Abs. 1 S. 1
AufenthV § 15
VisumsVO Art. 4 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei gleichartigen Tatbeständen können dem Erfordernis einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auch gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen genügen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die (rechtlich) unzutreffende oder missverständliche Bezeichnung einer Maßnahme im Tenor eines Verwaltungsaktes schließt es nicht aus, dieser einen vom Wortlaut abweichenden Erklärungsgehalt zu entnehmen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, Begründungserfordernis, Konkludente Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots, Anschlussbeschwerde, Drittstaatsangehöriger, Vander Elst-Visum, konkludente Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbot, besonderes öffentliches Interesse, VO (EU) Nr. 2018/1806, Befristung von Ausweisungswirkungen, Einreise- und Aufenthaltsverbot
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 31.07.2023 – W 7 S 23.977
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34273

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 31. Juli 2023, Az. W 7 S 23.977, in den Gründen dahingehend geändert, dass der Antrag gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in der Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides vom 16. Juni 2023, Gz. 33-1/JS, als unbegründet abgelehnt wird.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerde- und Anschlussbeschwerdeverfahrens.
IV. Der Streitwert wird insgesamt auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller (ein am 22.3.1996 geborener albanischer Staatsangehöriger, der im Besitz eines Reisepasses sowie eines bis 2.1.2024 gültigen kroatischen Aufenthaltstitels für vorübergehende Aufenthaltszwecke mit Arbeitserlaubnis ist, am 8.6.2023 in das Bundesgebiet einreiste und am 15.6.2023 durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes S. bei Isolierarbeiten auf einer Baustelle ohne nationalen Aufenthaltstitel oder Beschäftigungserlaubnis angetroffen wurde und der unstreitig am 9.8.2023 das Bundesgebiet verlassen hat) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2023, mit dem sein Antrag, die aufschiebende Wirkung der (am 15.7.2023 unter dem Az. W 7 K 23.976 erhobenen) Klage gegen den Bescheid vom 16. Juni 2023 hinsichtlich der Ausweisungsverfügung wiederherzustellen und hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie der Abschiebungsandrohung anzuordnen, abgelehnt wurde. Mit dem Bescheid vom 16. Juni 2023 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1 Satz 1), die Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren ab dem Zeitpunkt seiner Ausreise befristet (Ziffer 1 Satz 2), den Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 23. Juni 2023 zu verlassen (Ziffer 2 Satz 1), dem Antragsteller für den Fall, dass er die Ausreisefrist nicht einhalten sollte, die Abschiebung nach Albanien oder Kroatien angedroht (Ziffer 2 Satz 2) – wobei die Abschiebung auch in einen anderen Staat erfolgen könne, in den der Antragsteller einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 2 Satz 3) – sowie die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 1 angeordnet (Ziffer 3).
2
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Antrag sei teilweise bereits unzulässig. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot gehe ins Leere, weil ein solches – auch entgegen den Ausführungen in der Begründung des Bescheides – nicht erlassen worden sei. Ziffer 1 Satz 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheides enthalte lediglich eine Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung, die sich jedoch in § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erschöpfe. Beim Einreise- und Aufenthaltsverbot handele es sich nicht um eine gesetzliche Wirkung der Ausweisung. Es sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG erst behördlich zu erlassen, so dass die in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids tenorierte Befristung nicht zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot führe. Hinsichtlich der Ausweisung sowie der Abschiebungsandrohung sei der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig, jedoch unbegründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege das Suspensivinteresse des Antragstellers, weil die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben werde. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids sei formell nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die Antragsgegnerin das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ausreichend einzelfallbezogen begründet. Sie nehme hinreichend einzelfallorientiert Bezug darauf, dass der Antragsteller selbst weder ein Bleibeinteresse vorgetragen habe, noch ein solches nach Aktenlage ersichtlich wäre. Soweit sie ausführe, dass die durch die illegale Einreise des Antragstellers entstandene Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ohne die Anordnung des Sofortvollzugs permanent weiter verwirklicht werde, handele es sich nicht lediglich um eine pauschale Formulierung, sondern eine auf den konkreten Sachverhalt bezogene Feststellung. Dies ergebe sich auch aus dem Hinweis, dass der Antragsteller nicht nur aufgrund der Ausweisung, sondern schon kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung sei auch materiell rechtmäßig. Insbesondere habe das Gericht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsanordnung. Das Gericht folge der entsprechenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sowie den Ausführungen in der Antragserwiderung vom 25. Juli 2023 (m.V.a. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auszuführen, dass die Einreise und Ausübung einer Beschäftigung durch einen als Arbeitnehmer in ein anderes EU Mitgliedsland entsandten Drittstaatsangehörigen ohne das gem. §§ 6 Abs. 3, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4a, 7 Abs. 1, 18 und 18a AufenthG i.V.m. § 21 BeschV notwendige Visum (sog. Vander Elst-Visum) die objektiven Straftatbestände der § 95 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 95 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und § 95 Abs. 1a AufenthG i.V.m. § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III erfülle. Da sich der Vorsatz nur auf die äußeren Tatumstände, nicht jedoch auf die Kenntnis der zugrundeliegenden Rechtsnormen beziehe, könne aus den konkreten Umständen geschlossen werden, dass beim Antragsteller auch die subjektiven Tatbestände erfüllt seien. Schon aufgrund seiner Erfahrung als drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer in Kroatien könne gefolgert werden, dass ihm bewusst gewesen sei, dass grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit grundsätzlich mit aufenthaltsrechtlichen Anzeigepflichten und Genehmigungsvorbehalten verbunden seien. Dies folge schon aus der vorgetragenen Praxis, dass der Arbeitnehmer sich immer um alle Formalitäten der entsendeten Arbeitnehmer kümmere. Ein Verbotsirrtum im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der vorherigen Visumeinholung sei auch unter Berücksichtigung der Herkunft und des mutmaßlichen Bildungsstandes des Antragstellers nicht unvermeidbar i.S.v. § 11 Abs. 2 OWiG bzw. § 17 StGB gewesen. Denn allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber sich immer um alle Formalitäten gekümmert habe, befreie Ausländer nicht von ihrer eigenen Pflicht, sich ordnungsgemäße Einreise- und Aufenthaltsdokumente zu beschaffen, sofern sie in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sein wollten (m.V.a. VG Darmstadt, B.v. 20.1.2021 – 6 L 1071/20.DA; Hess VGH, B.v. 22.4.2021 – 7 B 312/21, beide juris). Damit liege auch dann ein nicht nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften vor, der gem. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründe, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Visums tatsächlich vorgelegen haben sollten. Auch unter Berücksichtigung der gem. Art. 56 Abs. 1 AEUV primärrechtlich geschützten Dienstleistungsfreiheit überschreite dieser Rechtsverstoß die Geringfügigkeitsschwelle des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG (m.V.a. VG Potsdam, B.v. 7.7.2020 – 8 L 660/20, juris; VG Darmstadt, a.a.O.; Hess. VGH, a.a.O; VG Dresden, B.v. 11.7.2022 – 3 K 956/21, alle juris). Mit dem vereinfachten Anmeldungsverfahren zur Erlangung eines Vander Elst-Visums trage das deutsche Recht den Anforderungen europarechtskonform Rechnung, die das europäische Sekundärrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit für die nationalstaatliche Reglementierung konstituiere (m.V.a. Hess VGH, a.a.O.). Auch die EU RL 96/71/EG (Arbeitnehmerentsende-Richtlinie) erkenne einen fairen Wettbewerb sowie Maßnahmen, die die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer garantierten, als Voraussetzung für eine Förderung des länderübergreifenden Dienstleistungsverkehrs ausdrücklich an (vgl. Erwägung Nr. 5). Bei dem Vander Elst-Visum handele es sich deshalb nicht nur um ein europarechtlich zulässiges Anmeldungsverfahren. Da es eine wirksame Kontrolle der europarechtlichen Vorgaben erst effektiv ermögliche, habe es auch die Funktion, den fairen Wettbewerb und die Wahrung der Arbeitnehmerrechte zu garantieren. Damit diene es der Verwirklichung der länderübergreifenden Dienstleistungsfreiheit im sekundärrechtlich durch die Richtlinien 96/71EG, 2014/67/EU und 2018/957/EU vorgegebenen Rechtsrahmen. Denn es befähige den aufnehmenden Mitgliedstaat, die rechtlich vorgegebenen Wettbewerbsbedingungen sowie die anwendbaren Arbeitnehmerrechte vor Ort gezielt zu überprüfen, ohne dass damit eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit des entsendenden Arbeitgebers verbunden wäre. Es wäre mit dieser Schutz- und Kontrollfunktion unvereinbar, das Visumerfordernis als bloße Formalie anzusehen und dessen Fehlen lediglich als geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften einzustufen. Es verbleibe deshalb auch im Lichte von Art. 56 Abs. 1 AEUV dabei, dass ein fehlendes Vander-Elst Visum als Ausweisungsgrund herangezogen werden könne. Auch habe das Gericht keine Zweifel am Bestehen der für eine Ausweisung notwendigen Wiederholungsgefahr. Schon angesichts einer lediglich selektiven Wiedergabe eines rechtlich unverbindlichen Leitfadens der Europäischen Kommission für den „international tätigen“ Arbeitgeber des Antragstellers, aus dem ein Irrtum über das bestehende Visumerfordernis hergeleitet werde, sei zu befürchten, dass der Antragsteller seitens eben dieses Arbeitgebers erneut ohne das erforderliche Visum in Deutschland eingesetzt werde und er dem aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit auch Folge leiste. Im Übrigen werde auf die von der Antragsgegnerin eingeholten Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 18. Juli 2023 und vom 19. Juli 2023 Bezug genommen. Die Ausweisung des Antragstellers sei schließlich auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG normierten Kriterien sowie der in § 55 AufenthG vertypten und vorgewichteten Bleibeinteressen verhältnismäßig. Anhaltspunkte für ein über die illegale Beschäftigung hinausgehendes Bleibeinteresse des Antragstellers seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Befristung in Ziffer 1 Satz 2 tangiere die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nicht und habe für den Antragsteller allenfalls begünstigende Wirkung. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot sei mangels entsprechender Tenorierung damit jedenfalls nicht verbunden. Auch bezüglich der Abschiebungsandrohung gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 AufenthG bestünden keine Bedenken.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er beantragt,
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„unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 31.7.2023 (Nr. W 7 S 23.977) die aufschiebende Wirkung der am 15.7.2023 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 16.6.2023 hinsichtlich der Nr. 1 (Ausweisungsverfügung) nach 80 Abs. 5 S.1 Alt. 2 VwGO wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 2 (Abschiebungsandrohung) nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen.“
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genüge die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Beschwerdegegnerin wiederhole im Wesentlichen Argumente, die eine Ausweisung gem. § 53 AufenthG tragen würden. Weshalb ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehen solle, dass die Ausweisungsverfügung mit sofortiger Wirkung durchgesetzt werden solle, erschließe sich aus der Begründung nicht. Insbesondere genüge es nicht, auf die Verhinderung der Begehung weiterer (vermeintlicher) Straftaten bzw. auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verweisen. Denn darauf ziele gerade die Ausweisungsverfügung selbst ab. Soweit die Beschwerdegegnerin ausführe, die Verpflichtung zur Ausreise bestehe nicht nur aufgrund der verfügten Ausweisung, sondern kraft Gesetzes (m.V.a. § 50 AufenthG), blende sie an dieser Stelle aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung einer Klage den Regelfall bilde. Im Übrigen trage das Verwaltungsgericht dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die Beschwerdegegnerin sich lediglich formularmäßiger und stets gleichlautender Ausführungen bediene. Solche seien gerade nicht geeignet, dem Begründungserfordernis des Gesetzes zu entsprechen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids sei auch materiell rechtswidrig. Insbesondere bestünden durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsanordnung. Es fehle an der für eine Ausweisung notwendigen Wiederholungsgefahr. Die Arbeitgeberin beabsichtige, ein Compliance-Management-System zu implementieren. Aufgrund des derzeitigen Handlungsbedarfs im Unternehmen solle der Fokus zunächst auf die Optimierung von Vander Elst-Anträgen gelegt werden. Die Arbeitgeberin habe nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen ein nachhaltiges Interesse daran, Ausweisungen von Mitarbeitern zukünftig zu vermeiden (m.V.a. den vorgelegten Vermerk über ein Telefonat des Antragstellerbevollmächtigten am 10.8.2023 mit der Deutschen Botschaft in Zagreb). Schließlich setze sich das Verwaltungsgericht nicht hinreichend mit der Frage auseinander, ob die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der erlassenen Abschiebungsandrohung anzuordnen sei. Eine tragfähige Begründung dafür, warum das Verwaltungsgericht keine Bedenken hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit hege, liege schlichtweg nicht vor.
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2. Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts und beantragt,
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die Beschwerde zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen,
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und erhebt außerdem Anschlussbeschwerde. Nicht zutreffend sei allein die Einschätzung, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht erlassen worden sei. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids enthalte lediglich eine Befristung der gesetzlichen Wirkung der Ausweisung, die sich in § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erschöpfe (m.V.a. Seite 6 des VG-Beschlusses), sei mit den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung sowie den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln für Willenserklärungen, §§ 133, 157 BGB nicht vereinbar. Als zu befristende Rechtswirkung der Ausweisung komme einzig ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Frage. Mit der Befristungsentscheidung, § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG habe die Anschlussbeschwerdeführerin zugleich auch konkludent ein wirksames Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet (m.V.a. Bergmann/Dienelt/Dollinger, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 11 Rn. 13; BVerwG Urt. v. 27.7.2017 – 1 C 28.16, NVwZ 2018, 409). Unter Verkennung des erklärten Behördenwillens, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung habe verstehen können, §§ 133, 157 BGB analog (m.V.a. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 9 C 28.14 und B.v. 9.3.2016 – 3 B 23.15) und im Ergebnis auch verstanden habe, folge das Verwaltungsgericht einer – im Übrigen nicht weiter begründeten – Auslegungsprämisse, wonach die im Zusammenhang mit einer Ausweisung getroffene Befristungsentscheidung, welche – wie Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids – die zu befristende Rechtswirkung nicht ausdrücklich anordne und benenne, nur solche Rechtswirkungen der Ausweisung zu befristen vermöge, die aufgrund der Ausweisung bereits qua lege einträten. Da das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot in § 11 Abs. 1 AufenthG a.F. mit Wirkung zum 21. August 2019 entfallen sei, führe dies unweigerlich zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegnerin ein Erklärungswille unterstellt werde, der unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt haltbar sei. Denn weder sei der Antragsteller Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis, die mit der Ausweisung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG hätte erlöschen können (der kroatische Aufenthaltstitel scheide mangels entsprechender Regelungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers aus), noch hätte die Antragsgegnerin eine etwaige Erlöschenswirkung derart befristen können, dass die (vermeintliche) Aufenthaltserlaubnis nach Fristablauf quasi „wieder auflebe“, noch liefere Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids oder der Bescheid im Übrigen für einen entsprechenden Erklärungswillen irgendwelche Anhaltspunkte. Zugleich blende das Verwaltungsgericht die sich förmlich aufdrängende Möglichkeit des Rückgriffs auf § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Rechtsgrundlage für den konkludenten Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne nähere Begründung und ohne Eingehung auf die einschlägigen Auslegungsgrundsätze aus. Gerade weil Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids die zu befristende Rechtswirkung der Ausweisung nicht explizit benenne, hätte das Verwaltungsgericht seine Feststellung nicht ohne eine entsprechende Befassung treffen dürfen. Die Ausführungen auf Seite 6 der Begründung des Bescheids jedenfalls hätten zur Auslegung des Tenors herangezogen werden müssen und hätten zu dem Ergebnis geführt, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen werden sollte. Auch aus Adressatensicht bzw. nach dem objektiven Empfängerhorizont schließe die Befristungsentscheidung an ein bestehendes oder zugleich erlassenes Einreiseverbot an und lasse einzig den Schluss zu, dass die Behörde in einer einheitlichen Entscheidung das Einreiseverbot für die durch Befristung bestimmte Dauer anordne. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine entsprechende Auslegung in ständiger Rechtsprechung bereits auf Grundlage der vor dem 21. August 2019 geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vorgenommen (m.V.a. BVerwG, Urt. v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 = NVwZ 20191 483; BVerwG, Beschluss vom 13.7.2017 – 1 VR 3/17; BVerwG, Urt. v. 27.7.2017 – C 28/16 = NVwZ 2018, 409), als die Rechtsgrundlage für die (unionsrechtlich gebotene) Einzelfallentscheidung zum Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots noch gar nicht explizit vorhanden gewesen sei und erst aufwändig durch richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG a.F. habe gewonnen werden müssen. Dementsprechend habe der Beschwerdeführer und Anschlussbeschwerdegegner erkennbar keinen Anlass, den Erlass bzw. die Existenz des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Frage zu stellen und habe dies folglich auch nicht getan. Gemessen an den o.g. Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB ließen sich diese Auslegungsgrundsätze auch deswegen ohne Einschränkung auf die heutige Rechtslage übertragen. Unschädlich sei die Tatsache, dass die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht ausdrücklich, sondern „nur“ konkludent erfolgt sei. Anderes wäre mit dem unionsrechtlichen Grundsatz des „effet utile“, der im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie (2008/15/EG) für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots stets die behördliche Einzelfallentscheidung verlange (m.V.a. BVerwG, Urt. v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 = NVwZ 2019, 483), unvereinbar. Der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der eine derartige Einschränkung der behördlichen Erklärungsform nicht enthalte, lasse die entsprechende richtlinienkonforme Auslegung ohne Weiteres zu.
II.
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Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg (1.). Dagegen hat die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin im tenorierten Umfang Erfolg (2.).
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1. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet, soweit das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung in Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides der Antragsgegnerin abgelehnt hat (1.1). Im Übrigen, d.h. soweit das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 desselben Bescheides abgelehnt hat, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet (1.2). Die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Entscheidung in Ziffer 1 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheides als unzulässig durch das Verwaltungsgericht greift der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht an, vielmehr reagiert er mit seinem diesbezüglichen – außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgten – Vortrag im Schriftsatz vom 11. Oktober 2023 lediglich auf den Vortrag der Antragsgegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin.
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1.1 Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisung (Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides der Antragsgegnerin) richtet. Die vorgebrachten Beschwerdegründe, auf deren Nachprüfung das Beschwerdegericht im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung.
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1.1.1 Zu Unrecht rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist auch Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG, B.v. 19.6.1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72 – juris Rn. 39; B.v. 18.7.1973 – 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 – juris Rn. 54). Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 m.w.N.; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 245 m.w.N.). Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb verletzt, wenn die Anordnung überhaupt keine Begründung enthält (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.1974 – 1 BvR 75/74 – juris Rn. 26). Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6).
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Daher genügt es nicht, wenn das öffentliche Interesse mit formelhaften Formulierungen oder mit der Wiedergabe des Wortlauts der Ermächtigungsnorm begründet wird. Die Behörde ist aber nicht stets verpflichtet, eine Begründung zu liefern, die sich mit dem konkreten Einzelfall auseinandersetzt. Sie kann ausnahmsweise auch so gefasst sein, dass sie für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfällt (vgl. SächsOVG, B.v. 11.6.2018 – 3 B 158/18 – juris Rn. 6). Denn im Gefahrenabwehrrecht können Erlassinteresse und Vollzugsinteresse zusammenfallen (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 20 CS 17.1609 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 8.5.2012 – 13 B 427/12 – juris Rn. 5 m.w.N.). Die erforderliche Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten ist zwar auch in einem solchen Fall nicht entbehrlich (BVerfG, B.v. 19.2.1991 – 1 BvR 1548/90 – juris Rn. 10). Jedoch kann sie sich darauf beschränken, ob nicht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die sofortige Vollziehung ausnahmsweise weniger dringlich ist als im Normalfall (vgl. SächsOVG, B.v. 11.6.2018 – 3 B 158/18 – juris Rn. 6; B.v. 25.7.2016 – 3 B 40/16 – juris Rn. 5 f. m.w.N.).
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Gemessen daran hat die Antragsgegnerin dem Sinn und Zweck des Begründungszwangs genügend das besondere Vollzugsinteresse schlüssig, konkret und substantiiert damit begründet, dass der Sofortvollzug erforderlich sei, da ansonsten im Fall eines länger andauernden Klageverfahrens der Zweck der Maßnahme, nämlich die Fernhaltung aus dem Bundesgebiet, nicht mehr erreicht werden könne. Soweit der Antragsteller – unter Verweis auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2023 (Az.: 7 ME 51/23, juris) – ausführt, die Begründung müsse in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, weshalb im konkreten Fall ausnahmsweise die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich geltende aufschiebende Wirkung der Klage ausgeschlossen werden solle, weshalb also das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege, und zudem die Ermessenserwägungen darlegen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen hätten, ergibt sich daraus kein abweichender Prüfungsmaßstab im Vergleich zu dem durch das Verwaltungsgericht angewandten Maßstab. Auch das Verwaltungsgericht geht erkennbar im Einklang mit dem oben dargestellten Maßstab davon aus, dass es einer einzelfallbezogenen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung bedarf. Soweit in der genannten Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ausgeführt wird, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung müsse im Regelfall über das Interesse hinausgehen, das den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertige, also ein qualitativ anderes Interesse darstellen, es gehe nicht um ein gesteigertes Interesse am Erlass des Verwaltungsakts, sondern es müssten besondere Gründe dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestands- und Rechtskraft verwirklicht, umgesetzt oder vollzogen wird (Nds.OVG, B.v. 28.7.2023 – 7 ME 51/23 – juris Rn. 3), ergibt sich daraus kein Widerspruch der von der Antragsgegnerin gegebenen Begründung zu diesen Anforderungen. Denn diese begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht mit dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck der Entfernung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet nach dem Eintritt der Bestandskraft, sondern mit dem (davon gedanklich zu trennenden) Interesse daran, dass die Ausreise oder gegebenenfalls Abschiebung des Antragstellers aus Gründen der Gefahrenabwehr bereits vor diesem Zeitpunkt erfolgen muss, um ein Andauern des durch den Antragsteller begangenen Rechtsverstoßes und der damit einhergehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bis zum Eintritt der Bestandskraft (bzw. bis zu dessen Ausreise) zu unterbinden sowie die generalpräventive Wirkung der Ausweisung sofort greifen zu lassen, um andere Ausländer bereits vor der Bestandskraft der gegen den Antragsteller ergangenen Ausweisung von der Begehung gleichartiger Rechtsverstöße abzuschrecken. Damit geht es der Antragsgegnerin um die Unterbindung einer bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dabei handelt es sich um ein qualitativ anderes Interesse als dasjenige, welches für die Entfernung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet nach dem Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung zum Zweck der Verhütung künftiger Rechtsverstöße durch den Antragsteller oder andere Ausländer (Spezial- bzw. Generalprävention) streitet. Nicht zu folgen ist dem Antragsteller auch darin, dass die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs deshalb unzureichend sei, weil sie auf dieselben Gründe gestützt sei wie in den Parallelverfahren der drei anderen ohne Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet oder Beschäftigungserlaubnis angetroffenen und deshalb von der Antragsgegnerin ausgewiesenen albanischen Mitarbeiter derselben Arbeitgeberin. Bei gleichartigen Tatbeständen können dem Erfordernis einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auch gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen genügen (BayVGH, B.v. 22.5.1987 – 5 CS 87.1402, BayVBl. 1987, 560/561; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 85; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Der Antragsteller legt nicht dar, inwiefern sich in seinem Fall die für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung maßgeblichen Umstände anders als in den Parallelverfahren darstellen und deshalb die dort angegebenen Gründe auf seinen Fall nicht zutreffen sollten.
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Da somit eine schlüssige, konkrete und substantiierte Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung vorliegt, kommt es im Ergebnis nicht auf den Hinweis der Antragsgegnerin auf die „ursprünglich“ bereits gesetzlich bestehende vollziehbare Ausreisepflicht des Beschwerdeführers nach §§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 50 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG an. Dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers (möglicherweise) bereits aufgrund § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 17 Abs. 1 AufenthV, Art. 4 Abs. 1 und Anhang II der VO (EU) Nr. 2018/1806 bestand, mag zwar zu derselben Rechtsfolge führen, ändert aber nichts daran, dass – anders als im Falle des gesetzlichen Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO – die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung im Einzelfall gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an die besonderen formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gebunden ist, die hier jedoch erfüllt sind.
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1.1.2 Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil sich die Ausweisungsverfügung – nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung – als rechtmäßig (1.1.2.1) und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist (1.1.2.2). Es besteht daher kein Anlass, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Offenbleiben kann deshalb, ob der Antrag bereits aufgrund der erfolgten freiwilligen Ausreise des Antragstellers wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist (so OVG Bln.-Brdbg., B.v. 13.4.2010 – 11 S 12.10 – juris Rn. 2; anderer Ansicht: Berlit, GK-AufenthG, § 81 Rn. 145 m.V.a. BVerwG, B.v. 13.9.2005 – 1 VR 5.05 – juris Rn. 2; B.v. 17.5.2004 – 1 VR 1.04 – juris Rn. 2; offen gelassen: Sächs.OVG, B.v. 23.9.2010 – 3 B 556/09 – juris Rn. 4).
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1.1.2.1 Die Ausweisungsverfügung unter Ziffer 1 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheides erweist sich nach der sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats darbietenden Sach- und Rechtslage nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung – in dem durch die vorgetragenen Beschwerdegründe begrenzten Umfang der Überprüfung durch den Senat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – als rechtmäßig.
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Soweit der Antragsteller vorträgt, es fehle an der für eine Ausweisung notwendigen Wiederholungsgefahr, greift er die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (es könne aus den konkreten Umständen <d.h. aus der Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale der ihm vorgeworfenen Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitstatbestände> geschlossen werden, dass beim Antragsteller auch die subjektiven Tatbestände erfüllt seien; es könne schon aufgrund seiner Erfahrung als drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer in Kroatien gefolgert werden, dass ihm bewusst gewesen sei, dass grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit grundsätzlich mit aufenthaltsrechtlichen Anzeigepflichten und Genehmigungsvorbehalten verbunden seien; dies folge schon aus der vorgetragen Praxis, dass der „Arbeitnehmer“ sich immer um alle Formalitäten der entsendeten Arbeitnehmer kümmere; ein Verbotsirrtum im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der vorherigen Visumseinholung sei auch unter Berücksichtigung der Herkunft und des mutmaßlichen Bildungsstandes des Antragstellers nicht unvermeidbar i.S.v. § 11 Abs. 2 OWiG bzw. § 17 StGB gewesen, denn allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber sich immer um alle Formalitäten gekümmert habe, befreie Ausländer nicht von ihrer eigenen Pflicht, sich ordnungsgemäße Einreise- und Aufenthaltsdokumente zu beschaffen, sofern sie in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sein wollten) schon nicht substantiiert an. Vielmehr räumt der Antragsteller, indem er unter Verweis auf den vorgelegten Vermerk über ein Telefonat seines Bevollmächtigten mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft Zagreb vom 10. August 2023 vorträgt, dass seine Arbeitgeberin zur Vermeidung künftiger Ausweisungen von Mitarbeitern an der „Implementierung“ eines „Compliance-Management-Systems“ arbeite – wobei der Fokus zunächst auf die Optimierung von Vander Elst-Anträgen gelegt werden solle –, sogar ein, dass in der Vergangenheit Rechtsverstöße vorgekommen sein mögen. Er vermag mit diesem Vortrag aber nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, dass aufgrund seines persönlichen Verhaltens eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Gefahrenprognose in Übereinstimmung mit der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 53 Abs. 1 AufenthG – wonach bei der bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen zu treffenden Prognose zur Wiederholungsgefahr die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, unter anderem die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (st.Rspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 11 m.w.N.) – auf das persönliche Verhalten des Antragstellers abgestellt und daraus geschlossen, dass von dem Ausländer eine Gefahr der Wiederholung gleichartiger Rechtsverstöße oder die künftige Begehung anderer Rechtsverstöße im Bundesgebiet ausgehe. Dagegen ist nichts zu erinnern. Inwiefern es im Rahmen der Gefahrenprognose auf das Verhalten anderer Personen – hier der Arbeitgeberin des Antragstellers – ankommen soll, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Im Übrigen hat der Antragsteller die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss (S. 10), es sei schon angesichts einer lediglich selektiven Wiedergabe eines rechtlich unverbindlichen Leitfadens der Europäischen Kommission für den „international tätigen“ Arbeitgeber des Antragstellers, aus dem ein Irrtum über das bestehende Visumerfordernis hergeleitet werde, zu befürchten, dass der Antragsteller seitens eben dieses Arbeitgebers erneut ohne das erforderliche Visum in Deutschland eingesetzt werde und er dem aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit auch Folge leiste, nicht substantiiert angegriffen. Aus der Vorlage eines Vermerks über ein unverbindliches Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft im Herkunftsland der Arbeitgeberin lässt sich nicht ableiten, dass die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts in Bezug auf künftige Verstöße gegen die Visumpflicht widerlegt wäre. Aus dem Vermerk geht vielmehr hervor, dass die Botschaftsmitarbeiterin es aus „Kapazitätsgründen“ abgelehnt habe, ein Vorgespräch zur Antragstellung auf Erteilung von Vander-Elst-Visa zu führen, und lediglich allgemeine Hinweise zur Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gegeben hat. Darüber hinaus ist am Ende des Vermerks notiert, dass die Botschaftsmitarbeiterin zwar bestätigt hat, dass es sich bei der (im Rahmen eines Antrags auf ein „Vander-Elst-Visum“) durchzuführenden Prüfung um ein vereinfachtes Verfahren handele und auch keine hohen Anforderungen bestünden, dennoch sei festzuhalten, dass auch diese teilweise nicht erfüllt würden. Damit steht aber fest, dass das Telefonat mit der Botschaft nicht geeignet ist, die Gefahr der Wiederholung entsprechender Rechtsverstöße durch den Antragsteller selbst infolge einer erneuten Entsendung in das Bundesgebiet durch die Arbeitgeberin zu widerlegen.
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Des Weiteren wendet sich der Antragsteller nicht gegen die Begründung der Ausweisung mit generalpräventiven Erwägungen im Bescheid der Antragsgegnerin, die sich das Verwaltungsgericht im Wege der Bezugnahme gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zu Eigen gemacht hat, weshalb dessen Begründung (insoweit aus materiell-rechtlichen Gründen selbständig tragend) zum Bestandteil des angegriffenen Beschlusses geworden ist. Ist eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt (kumulative Mehrfachbegründung), so kann die Beschwerde nur dann Erfolg haben, wenn Beschwerdegründe im Hinblick auf jede der Begründungen im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dargelegt sind, weil die Beschwerde auch dann ohne Erfolg bleibt, wenn die angegriffene verwaltungsgerichtliche Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 29b m.w.N.).
21
1.1.2.2 Die Vollziehung der Ausweisungsverfügung ist auch eilbedürftig. Ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO liegt vor. Zwar ist der Antragsteller mittlerweile ausgereist, weshalb die mit dem begangenen Rechtsverstoß eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterbunden ist. Ohne die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung besteht jedoch die Gefahr der Wiederholung des Rechtsverstoßes. Der Antragsteller ist gemäß § 15 AufenthV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2018/1806 als Angehöriger eines in der Anlage II derselben Verordnung aufgeführten Staates für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, zur visumfreien Einreise berechtigt. Dies gilt jedoch nach § 17 Abs. 1 AufenthV nicht für den Fall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, sofern diese nicht unter § 17 Abs. 2 AufenthV i.V.m. § 30 Nr. 2 und 3 BeschV fällt. Aus dem Umstand, dass der Antragsteller nach der Bekanntgabe der für sofort vollziehbar erklärten Ausweisungsverfügung, Ablauf der Ausreisefrist am 23. Juni 2023 und Ablehnung seines Antrags auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Juli 2023 noch bis zu dem in der Grenzübertrittsbescheinigung genannten Datum (9.8.2023) im Bundesgebiet verblieben ist, mithin der gemäß §§ 50 Abs. 1, 53 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbaren Ausreisepflicht nicht nachgekommen ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die Ausreisepflicht bereits mit der Bekanntgabe und nicht erst mit der Bestandskraft der Ausweisung vollziehbar werden zu lassen. Diese Notwendigkeit folgt des Weiteren daraus, dass die von der Antragsgegnerin angestrebte generalpräventive Wirkung der Ausweisung ohne den Sofortvollzug erst mit der Bestandskraft der Ausweisung greifen würde, obwohl es der Antragsgegnerin erkennbar darauf ankommt, andere Ausländer schon vor der Bestandskraft von der Begehung gleichartiger Rechtsverstöße abzuschrecken.
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1.2 Die Beschwerde hat des Weiteren keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides) richtet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag insoweit jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Es kann offenbleiben, ob sich die Abschiebungsandrohung infolge der freiwilligen Ausreise des Antragstellers am 9. August 2023 in sonstiger Weise erledigt hat (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO damit schon wegen Wegfalls des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist. Nach Ziffer 59.1.1.7 AVV – die den Senat als Verwaltungsvorschrift nicht bindet – erledigt sich die Abschiebungsandrohung durch die freiwillige Ausreise des Ausländers in einen Staat, in den er einreisen darf. Teilweise wird jedoch angenommen, dass dies nur bei freiwilliger und endgültiger Ausreise der Fall sei (BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 – juris Rn. 19; Berlit, GK-AufenthG, § 59 Rn. 251 ff., 264, 270, vgl. dort auch zur notwendigen Unterscheidung von Verbrauch und Erledigung der Abschiebungsandrohung), während der Ausländer im Falle einer Ausreise zu dem Zweck, einer vollziehbaren Rechtspflicht nachzukommen und eine Abschiebung zu vermeiden, wenn dies in einer Weise geschehe, dass der Betroffene die geltend gemachte Rechtsposition nicht aufgebe und ein gerichtliches Hauptsacheverfahren wie auch ein solches des vorläufigen Rechtsschutzes fortführe, damit nicht seine Ausreisepflicht erfülle (Berlit, GK-AufenthG, § 59 Rn. 270). Die Voraussetzungen einer Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegen aufgrund der wirksamen Ausweisungsverfügung, in deren Folge der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wurde, vor. Der Antragsteller trägt insoweit keine eigenständigen Beschwerdegründe vor (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), sondern bemängelt lediglich die Begründungstiefe des angegriffenen Beschlusses.
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2. Die unselbständige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Maßnahme in Ziffer 1 Satz 2 ihres Bescheides als unzulässig anstatt als unbegründet wendet, ist zulässig (2.1) und begründet (2.2).
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2.1 Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.
25
Die – unselbständige – Anschlussbeschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO grundsätzlich ohne Fristbindung statthaft. Mit ihr kann der Anschlussbeschwerdeführer ein dem Beschwerdeführer entgegengesetztes Rechtsschutzziel geltend machen, das über die bloße Zurückweisung der Beschwerde hinausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 12.2.2020 – 9 S 2637/19 – juris Rn. 8; B.v. 15.8.2012 – 3 S 767/12 – NVwZ 2012, 869; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.6.2015 – OVG 4 S 6.15 – juris; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 146 Rn. 18a; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 32; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 46 ff.). Die Anschließung lässt die Bindung des Gerichts an den Antrag des Rechtsmittelführers entfallen und gestattet dem Rechtsmittelgericht eine Entscheidung zu dessen Ungunsten (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1995 – 8 C 11.94 – NVwZ 1996, 803). Mit der Anschlussbeschwerde, die über einen bloßen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde hinausgehen muss, kann – wie generell bei Anschlussrechtsmitteln – das durch die Einlegung der Beschwerde zunächst geltende Verbot der reformatio in peius aufgebrochen und die Ausgangsentscheidung einer umfassenden Prüfung unterzogen werden (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 146 Rn. 18a). Ein unselbstständiges Rechtsmittel hat seine Berechtigung, wenn ein Beteiligter ungeachtet der ihm von der erstinstanzlichen Entscheidung auferlegten Beschwer von der Einlegung eines rechtzeitigen selbständigen Rechtsmittels in der Hoffnung darauf abgesehen hat, dass ein anderer Beteiligter ebenfalls kein Rechtsmittel einlegen wird. Wird er in dieser Hoffnung enttäuscht, soll er durch die Möglichkeit eines Anschlussrechtsmittels die Gelegenheit erhalten, die erstinstanzliche Entscheidung auch zu seinen Gunsten zur Überprüfung zu stellen (vgl. zur Anschlussberufung: BT-Drs. 14/6393 S. 13; SächsOVG, B.v. 5.3.2019 – 3 B 367/18 – juris Rn. 11 mit Zweifeln, ob dies auch für Beschwerdeverfahren in einstweiligen Rechtsschutzverfahren gelten soll). Eine nach Fristablauf eingelegte unselbständige Anschlussbeschwerde muss sich aber gegen das vom Hauptbeschwerdeführer angestrebte Ziel richten (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 146 Rn. 48) und darf keinen anderen Streitgegenstand betreffen als das Hauptrechtsmittel selbst (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2023 – 8 CS 23.283 – juris Rn. 25; B.v. 7.12.2000 – 12 CE 00.2887 – juris Rn. 36 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.10.2008 – 20 CS 08.2430 – juris Rn. 4; B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 20; B.v. 9.2.2023 – 19 CE 22.2514 – juris Rn. 6). Eine unselbständige Anschlussbeschwerde ist nicht statthaft, wenn sie sich (bei teilbarem Streitgegenstand) gegen einen anderen Teil der Entscheidung der Vorinstanz richtet als das bereits vorliegende (Haupt-) Rechtsmittel eines anderen Beteiligten (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2023 – 8 CS 23.283 – juris Rn. 25; B.v. 9.2.2023 – 19 CE 22.2514 – juris Rn. 6; B.v. 3.4.2020 – 19 CS 18.1704 – juris Rn. 20; OVG LSA, B.v. 3.12.2021 – 3 M 201/21, 3 M 187/21 – juris Rn. 18; für die Anschlussberufung BayVGH, U.v. 20.05.1996 – 2 B 94.1513 – NVwZ-RR 1998, 9).
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Gemessen daran ist die Anschlussbeschwerde statthaft, denn die Antragsgegnerin verfolgt mit der Anschlussbeschwerde innerhalb des Streitgegenstandes des erstinstanzlichen Verfahrens ein über die Zurückweisung der Beschwerde hinausreichendes Rechtsschutzbegehren, welches nicht über den Streitgegenstand hinausgeht. Denn sie wendet sich – wie zwar nicht aus dem gestellten Antrag, aber aus ihrem Vorbringen in der Beschwerdebegründung bei rechtsschutzorientierter Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) hervorgeht – gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Maßnahme in Ziffer 1 Satz 2 ihres Bescheides als unzulässig anstatt als unbegründet, da sie die Rechtsauffassung vertritt, keine Befristung von Ausweisungswirkungen im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG, sondern ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG verfügt zu haben. Die Antragsgegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin begehrt folglich mit ihrer Anschlussbeschwerde die Änderung der Gründe des angegriffenen Beschlusses durch das Beschwerdegericht dahingehend, dass der Antrag insoweit als unbegründet abgelehnt werden soll, und geht damit über das Rechtsschutzbegehren der Beschwerde hinaus. Denn der Antragsteller greift mit seiner Beschwerde nicht die Ablehnung seines Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der in Ziffer 1 Satz 2 getroffenen Entscheidung der Antragsgegnerin als unzulässig durch das Verwaltungsgericht an. Mit seinem – außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgten – Vortrag in seiner Replik vom 11. Oktober 2023 reagiert der Antragsteller lediglich auf den Vortrag der Antragsgegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin. Das Begehren der Anschlussbeschwerde geht des Weiteren nicht über den Streitgegenstand hinaus, weil das (behauptete) Einreise- und Aufenthaltsverbot zwar als eigenständiger Verwaltungsakt erlassen wird (siehe dazu sogleich 2.2.2), dieses aber an die Ausweisung in Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides anknüpft und diese voraussetzt (§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ohne die wirksame Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots wäre der Antragsteller nicht daran gehindert, nach der freiwilligen Ausreise bzw. Abschiebung sogleich wieder in das Bundesgebiet einzureisen, wodurch die Ausweisung letztlich wirkungslos würde und sich die mit ihr bekämpfte Gefahr (siehe vorstehend 1.1.2.1 und 1.1.2.2) erneut realisieren würde.
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Eine (materielle) Beschwer der Antragsgegnerin durch den angegriffenen Beschluss liegt insoweit vor (vgl. zur Frage, ob für die unselbständige Anschlussbeschwerde eine Beschwer erforderlich ist: VGH BW, B.v. 23.1.2023 – 9 S 2408/22 – juris Rn. 29 <bejahend>; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand März 2023, § 127 Rn. 6 <zweifelnd>; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, vor § 124 Rn. 53, § 146 Rn. 46; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 127 Rn. 18; Blanke in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 127 Rn. 4 <verneinend>). Denn in der Ablehnung des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als unzulässig anstatt als unbegründet durch das Verwaltungsgericht liegt eine materielle Beschwer der Antragsgegnerin, und zwar jedenfalls deswegen, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass der streitgegenständliche Verwaltungsakt gegenstandslos sei (vgl. BVerwG, U.v. 10.2.1960 – V C 14.58 – juris Leitsatz 1 und Rn. 11; U.v. 10.4.1968 – IV 160.65 – juris Rn. 12; B.v. 4.2.2011 – 7 B 49.10 – juris Rn. 11 ff.; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand März 2023, vor § 124 Rn. 40; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, vor § 124 Rn. 29; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, a.a.O. vor § 124 Rn. 41; Blanke in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, vor § 124 Rn. 65). Denn für den Fall, dass die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zuträfe, dass es sich bei der fraglichen Maßnahme um eine Befristung der Ausweisungswirkung nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG handelte – die Antragsgegnerin also kein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet und befristet hätte –, wäre der Antragsteller, wie ausgeführt, rechtlich nicht daran gehindert, erneut in das Bundesgebiet einzureisen.
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2.2 Die Anschlussbeschwerde ist in dem durch die vorstehende Auslegung ermittelten Umfang auch begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin in Ziffer 1 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheides vom 16. Juni 2023 ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, weshalb der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage insoweit entgegen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zulässig ist. Insoweit sind die Gründe des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zu ändern (2.2.1). Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht den Antrag jedoch zu Recht abgelehnt, da dieser unbegründet ist (2.2.2).
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2.2.1 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Maßnahme in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides der Antragsgegnerin um die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Abs. 3 AufenthG. Dies folgt aus einer Auslegung des Bescheides anhand der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass der Wortlaut der Bescheidsziffer 1 Satz 2 („Ausweisungswirkung“) eine Befristung der Ausweisungswirkung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nahelegt. Bei dem Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG handelt es sich seit der Änderung des § 11 AufenthG durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I, S. 1294) nicht mehr um eine kraft Gesetzes eintretende Wirkung der Ausweisung (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 11 Rn. 7). Die frühere Rechtslage nach § 11 AufenthG a.F. (zuletzt in der Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl. I, S. 1386) entsprach nicht den unionsrechtlichen Vorgaben, da das mit einer Rückkehrentscheidung nach Art. 3 Nr. 4 der RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Art. 11 Abs. 2 der RL 2008/115/EG nicht allein aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung wirksam werden kann, sondern stets einer behördlichen oder richterlichen Einzelfallentscheidung bedarf (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 20, 21; B.v. 22.8.2017 – 1 A 10.17 – juris Rn. 5; B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71 f.). Aufgrund dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Bundesgesetzgeber § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht dahingehend geändert, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Einzelfall als eigenständiger Verwaltungsakt neben dem die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes beendenden Verwaltungsakt (hier: der Ausweisungsverfügung unter Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides) angeordnet wird und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen zu befristen ist.
30
In einer behördlichen Befristungsentscheidung kann jedoch – jedenfalls soweit sie vor der Abschiebung erfolgt ist – regelmäßig der konstitutive Erlass eines befristeten Einreiseverbots gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 25; U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 42). Gemäß den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörden, sondern nach dem erklärten Willen, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 25 m.V.a. U.v. 9.12.2015 – 9 C 28.14 – juris Rn. 26; B.v. 9.3.2016 – 3 B 23.15 – juris Rn. 6; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 71). Bei objektiver Betrachtungsweise setzt die Behörde mit dessen Befristung ein wirksames, rechtmäßig entstandenes Einreiseverbot voraus, und ordnet dies der Sache nach zumindest vorsorglich konkludent, aber unbedingt für den Fall an, dass ein Einreiseverbot nicht schon kraft Gesetzes entstanden ist. Auch aus der Adressatensicht knüpft eine Befristungsentscheidung an ein bestehendes Einreiseverbot an und lässt nur die Deutung zu, dass die Behörde das Wirksamwerden eines kraft Gesetzes angeordneten Einreiseverbotes auch im Einzelfall will, und zwar für die durch Befristung bestimmte Dauer, und so auch das Einreiseverbot selbst festsetzt (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 25). Die Befristung eines in § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung noch vorgesehenen gesetzlichen Einreiseverbots für den Fall der Abschiebung, das mit der RL 2008/115 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger so nicht vereinbar war, ist nach der Rechtsprechung des Senats unionsrechtskonform regelmäßig als konstitutiver Erlass eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer auszulegen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10; U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 25; U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 42; BayVGH, B.v. 21.11.2022 – 19 ZB 22.1612 – juris Rn. 23).
31
Im vorliegenden Fall ergibt die Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze, dass die Antragsgegnerin in der Ziffer 1 Satz 2 ihres Bescheides ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und befristet hat. Der Wortlaut des Bescheidstenors steht dem nicht entgegen. Die (rechtlich) unzutreffende oder missverständliche Bezeichnung einer Maßnahme im Tenor eines Verwaltungsaktes schließt es – in den Grenzen des Bestimmtheitsgebots nach § 37 Abs. 1 VwVfG, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG – nicht aus, dieser einen vom Wortlaut abweichenden Erklärungsgehalt zu entnehmen. Denn der genaue Inhalt der im verfügenden Teil eines Verwaltungsaktes (Tenor) angeordneten Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht kann sich auch aus einer Auslegung in Zusammenschau mit den Gründen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2023 – 10 C 23.1117 – juris Rn. 13; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 76, 143). Vorliegend folgt aus der Formulierung der Tenorziffer 1 Satz 2 – jedenfalls in der Zusammenschau mit der Begründung des Bescheides –, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet ist. Zum einen ergäbe, wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, im vorliegenden Fall eine Befristung der Ausweisungswirkung nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG keinen Sinn, weil der Antragsteller nicht über einen (nationalen) Aufenthaltstitel verfügte, der durch die Ausweisung hätte vernichtet werden können. Zum anderen ergäbe es auch keinen Sinn, den Eintritt der titelvernichtenden Wirkung der Ausweisung, wie in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides verfügt, an die Ausreise des Antragstellers zu knüpfen. Denn die Pflicht zur Ausreise wird gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG erst durch die titelvernichtende Wirkung der Ausweisung nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG begründet. Aus der Formulierung, dass die Frist „ab dem Zeitpunkt seiner Ausreise“ beginnt, ergibt sich somit, dass die Antragsgegnerin eine Befristung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und 4 AufenthG intendierte. Diese Anhaltspunkte werden dadurch bestätigt, dass die Antragsgegnerin unter Ziffer II.4 der Gründe ihres Bescheides (Seiten 6 und 7) ausführt, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, und sodann die getroffene Fristsetzung von drei Jahren im Fall des Antragstellers begründet. Aus der Redeweise von einer „Einreisesperre“ und der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 11 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG in den Gründen folgt eindeutig, dass die Antragsgegnerin davon ausging, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anzuordnen und zu befristen. Nicht anders konnte schließlich die in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheidstenors verfügte Maßnahme in der Zusammenschau mit den Gründen ihrem objektiven Erklärungsgehalt nach verstanden werden.
32
Gegen das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft. Dies folgt aus § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG analog. Nach der letztgenannten Bestimmung haben Widerspruch und Klage gegen die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG keine aufschiebende Wirkung (BVerwG, B.v. 17.5.2023 – 1 VR 1.23 – juris Rn. 17; ebenso VGH BW, B.v. 13.11.2019 – 11 S 2996/19 – juris Rn. 40 ff.; B.v. 21.01.2020 – 11 S 3477/19 –, juris Rn. 74; VG Kassel, B.v. 8.9.2021 – 4 L 1411/21.KS – juris Rn. 21; VG München, B.v. 30.7.2021 – M 10 S 21.1756 –, Rn. 18, juris; VG Darmstadt, B.v. 27.4.2021 – 6 L 1229/20.DA – juris Rn. 40; Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 6/2023, § 84 Rn. 24; a.A. OVG Sachsen, B.v. 10.12.2019 – 3 B 288/19 – juris Rn. 18; offengelassen: BVerwG, B.v. 28.5.2020 – 1 VR 2/19 – juris Rn. 12; Samel in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, § 84 AufenthG Rn. 14). Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG sind erfüllt. Der Wortlaut der Norm regelt allein die Befristung, nicht hingegen – insoweit im Unterschied zu § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AufenthG – auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots. Diese Regelungslücke ist planwidrig (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2023 – 1 VR 1.23 – juris Rn. 17 m.V.a. BT-Drs. 19/10506 S. 8 und 11). Zwar war dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Befassung spätestens mit dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht bewusst, dass ein unionsweites Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht kraft Gesetzes entsteht, sondern im Einklang mit Art. 3 Nr. 6 RL 2008/115/EG durch behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme anzuordnen ist (vgl. BT-Drs. 19/10506 S. 8 und 11); dass Anordnung und Befristung nach nationalem Recht untrennbare Teile eines einheitlichen Verwaltungsakts sind, ist indes höchstrichterlich erst nach Abschluss dieses Gesetzgebungsvorhabens geklärt worden (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10; U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 19). Hätte der Gesetzgeber von dieser Rechtsprechung bereits im Rahmen der Beratung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht Kenntnis nehmen können, so hätte es sich im Lichte der gerade mit diesem Gesetz verfolgten Ziele, die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht effizienter zu gestalten (BT-Drs. 19/10047 S. 25) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung zu tragen (BT-Drs. 19/10047 S. 31) aufgedrängt, in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG in erster Linie die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots zu erwähnen, bewirkt doch die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gerade, dass dem Ausländer nach einer Beendigung des Aufenthalts während des Rechtsbehelfsverfahrens eine Wiedereinreise untersagt ist (BVerwG, B.v. 17.5.2023 – 1 VR 1.23 – juris Rn. 17). Bedenken hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Interessenlage in Bezug auf die Befristung einerseits und die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots andererseits bestehen nicht (BVerwG, B.v. 17.5.2023 – 1 VR 1.23 – juris Rn. 17 m.w.N.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides der Antragsgegnerin (Ziffer 3 desselben Bescheides) ist damit gegenstandslos.
33
2.2.2 Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht den Antrag bezüglich der Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides der Antragsgegnerin jedoch zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist insoweit unbegründet, denn das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung – beschränkt auf das Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
34
Die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Es handelt sich dabei um einen gegenüber der Ausweisung eigenständigen Verwaltungsakt, der gesondert anfechtbar ist (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris Rn. 22; U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 6.2.2023 – 10 ZB 23.18 – juris Rn. 9; B.v. 12.7.2023 – 10 C 23.1117 – juris Rn. 9; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 11 Rn. 7). Es besteht des Weiteren kein Rechtmäßigkeitszusammenhang von Ausweisung und Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. mit ausführlicher Begründung: BayVGH, B.v. 6.2.2023 – 10 ZB 23.18 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 12.7.2023 – 10 C 23.1117 – juris Rn. 21).
35
Hinsichtlich der gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ermessenswege festzusetzenden Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots hat der Antragsteller entgegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO keine Beschwerdegründe vorgetragen. In seiner Replik vom 11. Oktober 2023 verweist er vielmehr wiederum auf seine Ausführungen zum Vorgespräch mit der Botschaftsmitarbeiterin am 10. August 2023 und vertritt die Auffassung, dass es damit an der Wiederholungsgefahr fehle. Damit berücksichtigt er aber nicht, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot als gesonderte Maßnahme aufgrund eigener tatbestandlicher Voraussetzungen und Ermessenserwägungen angeordnet und befristet wird (siehe die vorstehenden Ausführungen). Soweit der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren gerügt hat, die Befristung „auf vier Jahre“ (im Fall des Antragstellers wurden jedoch nach Ziffer 1 Satz 2 des Bescheids drei Jahre festgesetzt) sei unverhältnismäßig und ermessenfehlerhaft, weil sich die Antragsgegnerin weder mit der „Vander Elst-Rechtsprechung“ auseinandergesetzt noch die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit fristmindert berücksichtigt habe, wofür bereits die in § 11 Abs. 4 AufenthG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung spreche, wonach eine Aufhebung bzw. Verkürzung des Aufenthalts- und Einreiseverbots zu erfolgen habe, sofern die zu entsendenden Arbeitnehmer (1.) innerhalb der festgesetzten Sperrfrist ein Vander Elst-Visum beantragen wollten, (2.) nachweisen könnten, dass sie lediglich vorübergehend zur Erbringung von Dienstleistungen in das Bundesgebiet entsandt würden und (3.) sie freiwillig innerhalb der ihnen gesetzten Ausreisefrist ausreisen würden, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung der Sperrfrist kann nicht der behördlichen Fristsetzung in einem Anfechtungsprozess entgegengehalten werden, sondern ist gemäß § 11 Abs. 4 AufenthG in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu beantragen.
36
Im Übrigen steht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (dazu BVerwG, B.v. 20.6.2019 – 1 B 12.19 – juris Rn. 7 ff.) – auf die sich der Antragsteller als Drittstaatsangehöriger ohnehin nicht berufen kann (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV, vgl. dazu Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 57 Rn. 38), sondern allenfalls seine Arbeitgeberin als in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen (Art. 54 AEUV, vgl. Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 57 Rn. 42; BVerwG, B.v. 20.6.2019 – 1 B 12.19 – juris Rn. 8) – der Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle einer Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§§ 53 ff. AufenthG) nicht entgegen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen.
37
Des Weiteren hat der Antragsteller nicht dargelegt, inwiefern die in seinem Fall festgesetzte Frist von drei Jahren unverhältnismäßig sein sollte, insbesondere hat er keine (besonders schwerwiegenden oder schwerwiegenden) Bleibeinteressen nach § 55 AufenthG oder solche von vergleichbarem Gewicht vorgetragen. Im Hinblick darauf sind Ermessensfehler bei der Fristsetzung, die sich im Bereich der nach § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG zu bemessenden Frist von maximal fünf Jahren bewegt und von der Antragsgegnerin mit der von dem persönlichen Verhalten des Antragstellers ausgehenden Wiederholungsgefahr (siehe dazu vorstehende Ausführungen) sowie mit generalpräventiven Erwägungen begründet wird, weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
38
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
39
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
40
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).