Titel:
Klage gegen Anordnung der Beseitigung von Bau- und Ziegelschutt
Normenketten:
BayAbfG Art. 31 (idF bis zum 31.12.2020)
KrWG § 3, § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 62
VwVfG § 37
Leitsätze:
1. Zur Darlegungs- bzw. Beweislast für das Ende der Abfalleigenschaft nach § 5 Abs. 1 KrWG. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Bestimmtheit einer Anordnung zur Vorlage von Nachweisen der ordnungsgemäßen Entsorgung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bau- und Ziegelschutt, Beseitigungsanordnung, Ende der Abfalleigenschaft, Beweislast, Darlegungslast, Bestimmtheit des Verwaltungsakts
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 07.12.2022 – W 9 K 18.1172
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34265
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 6. August 2018 weiter, mit dem ihm zwangsgeldbewehrt aufgegeben wurde, sämtlichen auf seinem Grundstück, Flurnr. x, Gemarkung G. abgelagerten Bau- und Ziegelschutt innerhalb von fünf Wochen nach Zustellung des Bescheids zu beseitigen bzw. die ordnungsgemäße Entsorgung zu veranlassen und innerhalb von sechs Wochen nach Bescheidzustellung einen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung vorzulegen.
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1. Mit Urteil vom 7. Dezember 2022 wies das Verwaltungsgericht die gegen den Bescheid gerichtete Anfechtungsklage als unbegründet ab. Der Bescheid erweise sich als formell und materiell rechtmäßig. Ziffern 1.1 (Beseitigung und Entsorgung des Bauschutts) und 1.2 (Beseitigung und Entsorgung des Ziegelschutts) fänden ihre Rechtsgrundlage in Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes a.F., wonach die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen treffen konnte. Nach Art. 31 Abs. 1 BayAbfG a.F. sei derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle behandle, lagere oder ablagere zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Bauwie auch der Ziegelschutt auf dem Grundstück des Klägers rechtswidrig abgelagert worden seien. Insbesondere habe der Bau- und Ziegelschutt seine Abfalleigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWG nicht durch ein Aufbereitungsverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG a.F. verloren. Für die Durchführung eines derartigen Verfahrens habe der Kläger keinen aussagekräftigen Nachweis vorgelegt. Offenkundig sei, dass er die Vorgaben des Leitfadens „Anforderung an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken (RC-Leitfaden) vom 9. Dezember 2005 letztmalig verlängert am 28. Dezember 2020, nicht eingehalten habe. Hierfür wäre beispielsweise ein Eignungsnachweis (Nr. 5.3.1.1 des Leitfadens) erforderlich gewesen, der nicht vorgelegt worden sei. Weiterhin habe der Kläger die Unschädlichkeit des Bau- und Ziegelschutts nicht nachgewiesen. Hierfür sei der Untersuchungsbericht vom 15. März 2018 nicht geeignet, weil dieser nur eine erste Einschätzung der Verwertungsfähigkeit und lediglich eine abfallrechtliche Voreinstufung beinhaltet habe. Schließlich habe der Kläger das Material auf seinem Grundstück auch nicht ablagern dürfen, da es sich nicht um eine genehmigte Deponie handle. Bestand und Umfang eines Altrechts, das die Ablagerung des Materials umfassen würde, habe der Kläger nicht näher dargetan. Weiter habe das Landratsamt seine Entscheidung auch ermessensfehlerfrei getroffen. Die Inanspruchnahme des Klägers als Grundstückseigentümer begegne keinen Bedenken. Er sei aufgrund seiner Eigentümerstellung verpflichtet, die Beseitigung der abgelagerten Abfälle zu gewährleisten. Zudem habe er die Ablagerungen auf dem Grundstück auch veranlasst, sodass er zugleich auch als Handlungsstörer anzusehen sei. Die Verpflichtung zur Vorlage von Nachweisen in Ziffer 1.3 des Bescheids und die verfügten Zwangsgeldandrohungen erwiesen sich ebenfalls als rechtmäßig. Insbesondere seien sie im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt. Die verlangte Erbringung eines Nachweises über die ordnungsgemäße Entsorgung des Bau- und Ziegelschutts stelle eine allgemein gebräuchliche Formulierung dar, die in der Rechtsprechung keinerlei Bedenken begegne. Es sei für den Adressaten ohne Weiteres ersichtlich, dass hiermit eine den gesetzlichen Regelungen entsprechende Entsorgung des Abfalls sowie eine für die Behörde nachvollziehbare Dokumentation hierüber gemeint seien. Gegen die angedrohten Zwangsgelder bestünden auch der Höhe nach keine Bedenken.
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2. Gegen diese Entscheidung richtet sich nunmehr der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO, und Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend macht.
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2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung gebieten würden, liegen indes nicht vor oder hat der Kläger auch nicht den Vorgaben des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO entsprechend dargelegt.
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2.1.1 Dies gilt zunächst, soweit er vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bau- und Ziegelschutt nicht mehr um Abfall im Sinne des Art. 31 Abs. 1 BayAbfG a.F. handele, und ihm insoweit zu Unrecht die Darlegungs- bzw. Beweislast für das Ende der Abfalleigenschaft nach § 5 Abs. 1 KrWG auferlegt habe. Zwar hat der Senat in der mit der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Entscheidung zum Reitbodenbelag (B.v. 17.2.2020 – 12 CS 19.2505 – BeckRS 2020, 1739) ausdrücklich festgestellt, dass die materielle Beweislast für diejenigen Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm Voraussetzungen für die durch den Verwaltungsakt angeordneten Rechtsfolgen sind, wie etwa das Fortbestehen der Abfalleigenschaft, im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde trägt. Indes lag dieser Entscheidung eine Fallkonstellation zugrunde, in der der Antragsteller der zuständigen Abfallbehörde sowohl Nachweise für ein an Teppichstanzresten aus der Automobilindustrie durchgeführtes Verwertungsverfahren wie auch Gutachten betreffend die Unschädlichkeit des hieraus erzeugten Reitbodenbelags vorgelegt hat und zugleich normative Vorgaben für das Recycling von Teppichstanzresten nicht bestanden hatten. Insoweit erforderten es die im Verwaltungsprozess allgemein geltenden Beweisregeln, dass die zuständige Behörde, will sie den Betroffenen aufgrund der behaupteten Abfalleigenschaft der Teppichstanzreste zu bestimmten Maßnahmen verpflichten, nachweist, dass trotz des vorgetragenen Verwertungsverfahrens noch von Abfall auszugehen ist.
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Demgegenüber hat der Kläger im vorliegenden Verfahren die Durchführung eines Verwertungsverfahrens für den zunächst originär als Abfall zu qualifizierenden Bau- und Ziegelschutt (vgl. hierzu VG München, E.v. 8.3.2022 – M 28 K 20.6718 – BeckRS 2022, 29809 Rn. 39) nicht dargelegt. Insbesondere hat er, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, die Vorgaben des (noch geltenden) Leitfadens „Anforderungen an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken“ nicht eingehalten. Soweit sich der Kläger insoweit auf den von ihm vorgelegten Untersuchungsbericht vom 15. März 2018 beruft, ist dieser nicht nur aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen, sondern darüber hinaus auch aus dem von der Landesanwaltschaft aufgegriffenen Umstand der nicht eindeutigen Zuordenbarkeit des geprüften Materials nicht geeignet, das Durchlaufen eines Verwertungsverfahrens im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG sowie die Unschädlichkeit des Materials zu belegen. Demzufolge ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Kläger die Darlegungslast dahingehend trifft, dass der ursprüngliche, als Abfall einzustufende Bau- und Ziegelschutt nunmehr ein Verwertungsverfahren im Sinne von § 5 Abs. 1 KrWG durchlaufen hat (vgl. zu dieser Konstellation auch VG Gera, U.v. 24.8.2017 – 5 K 84/16 Ge – BeckRS 2017, 148249 Rn. 42 ff.). Einen diesbezüglichen Nachweis hat der Kläger auch mit der Begründung seines Berufungszulassungsantrags nicht erbracht. Die der Senatsentscheidung vom 17.2.2020 zugrundeliegende Frage nach der materiellen Beweislast für das Fortbestehen der Abfalleigenschaft stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.
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2.1.2 Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Verwaltungsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Anordnung zur Vorlage von Nachweisen der ordnungsgemäßen Entsorgung des Bau- und Ziegelschutts in Ziffer 1.3 des angegriffenen Bescheids im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt ist. Jenseits eines förmlichen Nachweisverfahrens für gefährliche Abfälle eröffnet §§ 62, 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrWG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 NachwV der zuständigen Abfallbehörde die Möglichkeit, einen nichtförmlichen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen zu verlangen. Ein derartiger Verwaltungsakt ist im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG dann hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen oder den sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann (vgl. zur hinreichenden Bestimmtheit bei Anordnungen zur Abfallentsorgung OVG Greifswald, B.v. 24.1.2006 – 3 M 73/05 – BeckRS 2006, 23537). Insoweit ergibt sich, sofern nicht bereits die Vorlage bestimmter Entsorgungsnachweise im Bereich des Abfallrechts als allgemein üblich und bekannt vorausgesetzt werden kann, aus dem Sinn und Zweck des geforderten nichtförmlichen Nachweises, dass er geeignet sein muss, die ordnungsgemäße Entsorgung des Bau- und Ziegelschutts zu belegen. Dass dem Kläger insoweit eine Fülle von Möglichkeiten offensteht, macht den Verwaltungsakt nicht unbestimmt, sondern eröffnet ihm vielmehr eine breite Palette von Nachweismöglichkeiten außerhalb eines formalisierten Verfahrens. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit der Anordnung in Ziffer 1.3 des streitgegenständlichen Bescheids hat der Kläger demnach nicht substantiiert dargetan.
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2.1.3 Soweit der Kläger darüber hinaus auch die fehlende Bestimmtheit der angedrohten Zwangsgelder sowie deren unverhältnismäßige Höhe rügt, kann er damit die Zulassung der Berufung nicht erwirken. Insbesondere genügt die Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen der in § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO geforderten Darlegung von Zulassungsgründen nicht; es ist insoweit nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, sich aus dem gesamten erstinstanzlichen Vortrag des Klägers mögliche zulassungsrelevante Umstände herauszusuchen.
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2.2 Weiterhin scheidet die Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus. Insoweit lässt sich dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht entnehmen, worin im vorliegenden Fall besondere Schwierigkeiten liegen sollen, die sich nicht bereits im Zulassungsverfahren klären lassen. Vollkommen unsubstantiiert erweist sich insoweit der klägerische Vortrag, der vorliegende Fall würde eine „Vielzahl von formellen und materiellen Fragen“ aufwerfen, „die dezidiert geltend gemacht wurden, jedoch seitens des Verwaltungsgerichts in der angegriffenen Entscheidung nur am Rande behandelt wurden und somit über einen durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit hinausgingen beziehungsweise bei zutreffender Behandlung gegangen wären.“ Ebenso unklar bleibt, welche „klärungsbedürftige Detailfrage einer behördlichen Ermessensentscheidung und der dieser zugrundeliegenden Darlegungs- und Nachweispflichten“ besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweisen soll. Schließlich wird ebenso wenig deutlich, welche Tatsachen- und Rechtsfragen sich hinsichtlich eines „so bezeichneten Altrechtes“ stellen sollen. Das Bestehen eines sog. „Altrechts“ hat der Kläger zwar stets behauptet, jedoch weder im Verwaltungsverfahren, noch im gerichtlichen Verfahren näher belegt. Besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art sind diesbezüglich nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht substantiiert dargetan.
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2.3 Entgegen der Auffassung des Klägers weist die vorliegende Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Der Kläger formuliert insoweit bereits keine klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die über die vorliegende Konstellation hinaus für eine Vielzahl weiterer Fälle grundsätzliche Relevanz besitzt.
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2.4 Schließlich liegt im vorliegenden Fall der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor. Eine auf Divergenz gestützte Berufungszulassung erfordert die Herausarbeitung eines entscheidungstragenden Rechtssatzes der angegriffenen Entscheidung der von einem ebenfalls zu benennenden obergerichtlichen Rechtssatz abweicht. Bereits an der Formulierung entsprechender Rechtssätze fehlt es in der Zulassungsbegründung. Darüber hinaus weicht das Verwaltungsgericht auch der Sache nach nicht vom Senatsbeschluss vom 17.2.2020 (12 CS 19.2505 – BeckRS 2020, 1739) ab. Hierzu kann auf die Ausführungen sub. 2.1.1 verwiesen werden.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher insgesamt abzulehnen.
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3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.