Titel:
keine Aussetzung des Abschiebung bei nicht unmittelbar bevorstehender Eheschließung
Normenketten:
AufenthG § 60a Abs. 2
GG Art. 6
EMRK Art. 8
Leitsatz:
Eine Eheschließung im Bundesgebiet steht unmittelbar bevor, wenn sie beim zuständigen Standesamt angemeldet ist und alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt und geprüft worden sind, so dass das Standesamt einen (zeitnahen) Termin zur Eheschließung bereits bestimmt hat oder jederzeit bestimmen könnte. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebung, Duldung, bevorstehende Eheschließung (verneint), vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, bevorstehende Eheschließung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 12.10.2023 – M 12 E 23.4933
Fundstelle:
BeckRS 2023, 34254
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen (sinngemäßen) Antrag weiter, dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Abschiebemaßnahmen gegen ihn einstweilen zu untersagen.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Oktober 2023.
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Das Verwaltungsgericht hat einen Anordnungsanspruch des Antragstellers auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen der unter den Schutz des Art. 6 GG fallenden Eheschließungsfreiheit zu Recht verneint.
4
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt dies voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Eheschließung beim zuständigen Standesamt angemeldet ist und alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt und geprüft worden sind, so dass das Standesamt einen (zeitnahen) Termin zur Eheschließung bereits bestimmt hat oder jederzeit bestimmen könnte. Allein die Vorlage der erforderlichen Unterlagen (im Sinne von § 12 Abs. 2 PStG) reicht regelmäßig noch nicht aus, weil sich daran noch die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen und damit des Fehlens von Ehehindernissen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 PStG anschließt. An vollständigen Unterlagen fehlt es auch, wenn die erforderliche Urkundenüberprüfung im Herkunftsland noch nicht abgeschlossen ist (siehe z.B. BayVGH, B.v. 10.8.2023 – 10 CE 23.1340 – juris Rn. 4; B.v. 14.7.2022 – 10 CE 22.844 – juris Rn. 33.; B.v. 5.5.2021 – 10 CE 21.1228 – juris Rn. 20 ff.; B.v. 17.1.2019 – 10 CE 18.2497 – Rn. 15).
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Wie der Antragsteller selbst einräumt, ist die Überprüfung einiger Dokumente in seinem Herkunftsland noch nicht abgeschlossen; offenbar ist auch nicht absehbar, wieviel Zeit dies noch in Anspruch nehmen wird. Daher kann nicht angenommen werden, dass bereits alle notwendigen Unterlagen vorgelegt und geprüft sind und somit die Eheschließung unmittelbar bevorsteht. Nicht erheblich ist es, ob die deutsche oder „nicht zuletzt auch die kongolesische Bürokratie“ für die lange Dauer der Urkundenüberprüfung verantwortlich ist, wie der Antragsteller vorbringt; maßgeblich ist die Frage, ob durch die Abschiebung eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung verhindert würde.
6
Ein rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht, wie der Antragsteller meint, aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in Hinblick auf die familiäre Verbundenheit zu seiner Verlobten. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass es mit dem Recht auf Familienleben aus Art. 8 EMRK, welches auch unverheiratete Lebensgemeinschaften umfasst, grundsätzlich vereinbar ist, einen Ausländer auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen. Das gilt insbesondere für die Durchführung des Visumverfahrens im Heimatland zum Zweck der Eheschließung und des Familiennachzugs. Dass der Antragsteller und seine Verlobte in besonderem Maße aufeinander angewiesen wären, wird zwar behauptet, aber nicht nachvollziehbar und substantiiert dargelegt. Dass die Verlobte des Antragstellers im März 2023 eine Fehlgeburt erlitten hat, macht es nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, dass eine gegenseitige emotionale Unterstützung für das Paar derzeit hilfreich ist, es begründet für sich allein aber noch kein außerordentliches Aufeinander-Angewiesensein. Hierzu hat der Antragsteller keine Einzelheiten glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), etwa durch Vorlage ärztlicher Atteste.
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Aus dem weiteren Vorbringen in der Beschwerdebegründung in Bezug auf das Verhalten der Ausländerbehörde ergibt sich kein der Abschiebung entgegenstehender Duldungsgrund.
8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
10
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).