Inhalt

OLG München, Beschluss v. 27.11.2023 – 34 Wx 203/23 e
Titel:

Unwirksamkeit einer Verfügung des Testamentsvollstreckers vor Annahme des Amts

Normenketten:
BGB § 185, § 894, § 2202
GBO § 29, § 53 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die vor Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers getroffene Verfügung ist unwirksam. (Rn. 23 und 33)
2. Sie bedarf zur Erlangung der Wirksamkeit der Genehmigung des Verfügungsbefugten und wird nicht allein dadurch wirksam, dass der Verfügende später das Amt des Testamentsvollstreckers annimmt. (Rn. 33 – 34)
3. Bei einem mehraktigen Verfügungstatbestand muss der Verfügende grundsätzlich im Zeitpunkt des letzten Teilakts noch verfügungsbefugt sein. (Rn. 27)
Überträgt ein Testamentsvollstrecker vor Annahme seines Amtes einen Nachlassgegenstand sich selbst, liegt kein Fall der Konvalenz (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB) vor. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grundbuchverfahren, Widerspruch, Verfügung, Testamentsvollstreckung, Verfügungsbefugnis, Grundstücksübertragung, Konvalenz, Genehmigung, mehraktiver Verfügungstatbestand
Fundstellen:
FamRZ 2024, 485
FGPrax 2024, 13
ErbR 2024, 379
LSK 2023, 34123
NJW-RR 2024, 213
ZEV 2024, 95
BeckRS 2023, 34123

Tenor

- 1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 13.07.2023 aufgehoben.
2. Das Amtsgericht München – Grundbuchamt – wird angewiesen, gegen die Eintragung der Beteiligten zu 2) in Abteilung I des Grundbuchs des Amtsgerichts München für … Blatt … einen Widerspruch zu Gunsten der Beteiligten zu 1) einzutragen.

Gründe

I.
1
Der Onkel der Beteiligten zu 1) war u. a. als Alleineigentümer eines in … gelegenen Grundbesitzes eingetragen. Er verstarb am … 2021. Der Verstorbene hatte unter dem 29.03.2021 ein notarielles Testament errichtet, in welchem er der Beteiligten zu 2) als Vermächtnis das Alleineigentum an diesem Grundbesitz zugewandt hatte. Gleichzeitig hatte er Testamentsvollstreckung angeordnet und die Beteiligte zu 2) – unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – als Testamentsvollstreckerin eingesetzt, mit der einzigen Aufgabe, das Vermächtnis zu ihren Gunsten zu erfüllen.
2
Am 07.02.2022 wurde die Auflassung des Grundstücks beurkundet. Dabei handelte die Beteiligte zu 2) sowohl in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin wie auch als Vermächtnisnehmerin.
3
In der Auflassungsurkunde heißt es u.a.:
1.2. Testament, Vermächtnis, Testamentsvollstreckung
„Nach Angabe der Frau S. [= der Beteiligten zu 2) ] hat diese ihr Testamentsvollstreckeramt angenommen. Vorsorglich wird die Annahme des Amtes hiermit nochmals erklärt. […]
3. Auflassung Es besteht Einigkeit darüber, dass das Vertragsobjekt in das Alleineigentum der Frau B. S. übergeht. Die Eintragung dieser Rechtsänderung im vorgenannten Grundbuch wird bewilligt und beantragt.“
4
Der Notar übersandte dem Nachlassgericht die Urkunde „zur Kenntnisnahme wegen § 2202 Abs. 2 S. 1 BGB“, sie ging dort am 10.02.2022 ein.
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Unter dem 10.03.2022, beim Grundbuchamt eingegangen am 11.03.2022, legte der Urkundsnotar dem Grundbuchamt die Auflassungsurkunde vor und beantragte deren Vollzug gemäß Ziffer 3. der Urkunde.
6
Das Grundbuchamt zog die beim gleichen Amtsgericht geführten Nachlassakten bei. Nach dem gemeinschaftlichen Erbschein vom 11.05.2022 wurde der Verstorbene beerbt von 7 Personen, darunter der Beteiligten zu 1) zu 1/6.
7
Die Beteiligte zu 2) wurde am 19.08.2022 als Alleineigentümerin eingetragen.
8
Mit Schreiben vom 27.03.2023 beantragte die anwaltlich vertretene Beteiligte zu 1) die Berichtigung des Grundbuchs wegen offensichtlicher Unrichtigkeit und Eintragung der sich aus dem Erbschein ergebenden Erben als Eigentümer. Die Beteiligte zu 2) habe im Zeitpunkt der Auflassungserklärung ihr Amt als Testamentsvollstreckerin noch nicht angenommen gehabt, vielmehr sei die notarielle Annahmeerklärung erst am 10.02.2022 beim Nachlassgericht eingegangen und mit Zugang dort wirksam geworden. Mangels wirksamer Auflassung sei das Grundbuch unrichtig.
9
Mit Beschluss vom 13.07.2023 wies das Grundbuchamt den Antrag zurück, da eine Grundbuchunrichtigkeit i. S. d. § 894 BGB nicht vorliege. Beruhe die Testamentsvollstreckung auf einem öffentlichen Testament, könne sich das Grundbuchamt anstelle des Testamentsvollstreckerzeugnisses mit einer beglaubigten Abschrift dieser Verfügung und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts begnügen. Da die Amtsannahmeerklärung der Beteiligten zu 2) am 10.02.2022 beim Nachlassgericht in Form einer beurkundeten Erklärung eingegangen sei, sei dem Grundbuchamt, welches zur Eintragung die Nachlassakten beigezogen habe, die Annahme des Testamentsvollstreckeramts formgerecht nachgewiesen worden.
10
Der hiergegen mit Schreiben vom 26.07.2023 eingelegten Beschwerde hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 02.08.2023 nicht abgeholfen. Es argumentiert, die Testamentsvollstreckung beginne schon vor Annahme des Amtes mit dem Erbfall und durch die Annahmeerklärung des Ernannten konkretisiere sich das Testamentsvollstreckeramt nur noch in seiner Person (LG Saarbrücken Rpfleger 2009, 375). Deshalb würden Verfügungen des Testamentsvollstreckers, die er vor Amtsbeginn treffe, gemäß entsprechender Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB von selbst ex nunc wirksam (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.09.2005 – 32 Wx 58/05, Rpfleger 2005, 661; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, § 2202 BGB Rn. 4). Damit sei die Auflassungserklärung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Amtsannahme ex nunc wirksam geworden. Zudem könne in der Antragstellung, welche der Notar nur auf Weisung der Beteiligten vornehme, eine nachträgliche Genehmigung der Auflassung gesehen werden.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
12
1. Gemäß § 71 Abs. 1 GBO findet gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts das Rechtsmittel der Beschwerde statt. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift ist allerdings die Beschwerde gegen eine Eintragung unzulässig. Gemäß Abs. 2 Satz 2 kann jedoch im Wege der Beschwerde verlangt werden, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen.
13
Zwar richtet sich das vorliegende Rechtsmittel formal gegen die Zurückweisung des Berichtigungsantrags und damit gegen eine Entscheidung des Grundbuchamts im Sinne von § 71 Abs. 1 GBO. Aus dem gestellten Antrag und der Beschwerdebegründung ergibt sich jedoch, dass sich die Beteiligte zu 1) in der Sache gegen die Eintragung der Beteiligten zu 2) als neuer Eigentümerin wendet. Denn sie meint, all dies hätte mangels wirksamer Auflassung nicht geschehen dürfen. Das Rechtsschutzziel der Beteiligten zu 1) besteht also darin, im Wege der Berichtigung einer anfänglichen Grundbuchunrichtigkeit ihre außerhalb des Grundbuchs durch Erbfolge erlangte Eigentümerposition wiederherzustellen durch Beseitigung der Eintragung der Beteiligten zu 2). In einer solchen Konstellation richtet sich das Rechtsmittel in Wahrheit zum einen gegen die angeblich von Anfang an unrichtige Eintragung (BGH FGPrax 2018, 49; Senat, Beschluss vom 25.10.2013 – 34 Wx 315/13 = FGPrax 2014, 15 f.; BayObLG Rpfleger 1993, 58; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 71 Rn. 30; Hügel/Holzer, GBO, 4. Aufl., § 22 Rn. 100; Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 71 Rn. 77), zum anderen will die Beteiligte zu 1) die Eintragung der Erben erreichen. Soweit die Beteiligte zu 1) gegen die Eintragung der Beteiligten zu 2) als Alleineigentümerin vorgehen will, ist eine solche Beschwerde jedoch gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO unzulässig. Eine dem Antrag entsprechende Anweisung gegenüber dem Grundbuchamt zur Grundbuchberichtigung darf hier nicht ergehen (vgl. Hügel/Kramer § 71 Rn. 151). Gemäß Satz 2 dieser Bestimmung kann lediglich nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die unrichtige Eintragung oder – was hier indes von vornherein nicht in Betracht kommt – nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO eine Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit der Eintragung veranlasst werden. Als solchermaßen beschränkte Beschwerde ist das Rechtsmittel statthaft.
14
Da das Grundbuchamt über den zweiten Teil des Antrags, gerichtet auf Eintragung der Erben, noch nicht entschieden hat, ist dieser nicht Beschwerdegegenstand.
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2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
16
Das Grundbuchamt hat gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO von Amts wegen einen Widerspruch einzutragen, wenn es unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung muss feststehen, die Grundbuchunrichtigkeit glaubhaft gemacht sein (Senat, Beschluss vom 04.12.2017 – 34 Wx 402/17 = FGPrax 2018, 67; BayObLGZ 1986, 513, 515; Demharter § 53 Rn. 28; Hügel/Holzer § 53 Rn. 32; Meikel/Schneider § 53 Rn. 112 f.).
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a) Die Gesetzesverletzung steht fest.
18
Das Grundbuchamt hat fehlerhaft das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eintragung der Beteiligten zu 2) als Alleineigentümerin bejaht, §§ 13, 20, 39, 40 GBO.
19
Es fehlt an einer wirksamen Auflassung, § 20 GBO, §§ 873, 2197, 2202, 2205, 181 BGB.
20
aa) Die Beteiligte zu 2) war im Zeitpunkt der Auflassung am 07.02.2022 nicht verfügungsbefugt.
21
Die Beteiligte zu 2) wurde im notariellen Testament vom 29.03.2021 zur Testamentsvollstreckerin ernannt, dieses Amt hat sie jedenfalls in der notariellen Urkunde vom 07.02.2022 angenommen; anschließend wurde die Urkunde dem Nachlassgericht gemäß § 2202 Abs. 2 Satz 1 BGB übermittelt. Dort ist sie am 10.02.2022 eingegangen.
22
Da gemäß § 2202 Abs. 1 BGB das Amt des Testamentsvollstreckers erst in dem Zeitpunkt beginnt, in welchem dieser das Amt annimmt, und die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen hat (§ 2202 Abs. 2 S. 1 BGB), hatte die Beteiligte zu 2) die mit dem Amt verbundene Verfügungsbefugnis erst am 10.02.2022 erlangt, also zu dem Zeitpunkt, in dem ihre Annahmeerklärung dem Nachlassgericht zugegangen ist.
23
Bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommene Rechtsgeschäfte als Testamentsvollstreckerin sind unwirksam (ganz h. M., etwa OLG Nürnberg ZEV 2017, 98; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2202 Rn. 1; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl., § 2202 Rn. 4; BeckOGK/Leitzen, Stand 01.09.2023, § 2202 Rn. 16 ff.). Die vom Grundbuchamt zitierte Entscheidung des LG Saarbrücken (Rpfleger 2009, 375) hat in Rechtsprechung und Literatur keine Zustimmung gefunden.
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Damit lag eine wirksame Auflassung gemäß Urkunde vom 07.02.2022 nicht vor.
25
An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, dass es sich bei dem Eigentumserwerb gemäß §§ 873, 925 BGB um einen mehraktigen Verfügungstatbestand handelt, der neben der Auflassung die Eintragung des Erwerbers voraussetzt, und die Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt der Eintragung verfügungsbefugt war.
26
Besteht die Verfügung aus mehreren Teilakten, so kommt es regelmäßig auf den letzten Teilakt an (BayObLG, Beschluss vom 24.05.1973 – BReg. 2 Z 13/73, BayObLGZ 1973, 139; BGH BeckRS 1957, 31378952 unter 4 b); BeckOGK BGB/Regenfus, Stand 01.11.2023, § 185 Rn. 32; Staudinger/Klumpp, BGB, 2019, § 185 Rn. 48; jurisPK-BGB/Trautwein, 10. Aufl., Stand: 15.05.2023, § 185 Rn. 21; Grüneberg/Ellenberger § 185 Rn. 5; BeckOK BGB/Bub, Ed. 01.05.2023, § 185 Rn. 6). Die Verfügungsmacht muss daher grundsätzlich im Zeitpunkt des letzten Verfügungsaktes vorliegen, hier also der Eintragung im Grundbuch.
27
Der Übertragende muss allerdings im Zeitpunkt des letzten Teilakts noch verfügungsbefugt sein.
28
Diese Auffassung entspricht auch der Argumentation des Bundesgerichtshofs, wonach die Verfügungsbefugnis beim Abschluss des Verfügungstatbestands vorliegen muss, nicht notwendig jedoch bis zum Eintritt des Verfügungserfolgs (BGH BeckRS 2009, 86948 Rn. 9). An dieser Argumentation hält der Bundesgerichtshof auch für die Vorauszession unter Geltung der Insolvenzordnung fest. So führt er in der genannten Entscheidung aus, dass die Rechtsänderung bei Einigkeit über den Rechtsübergang bei unbeweglichen Gegenständen mit der Eintragung im Grundbuch eintritt (§ 873 Abs. 1 BGB). Der Rechtssatz, wonach die Verfügungsmacht des Verfügenden noch zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs vorliegen muss, treffe in diesen Fällen zu und werde von der Ausnahmeregelung des § 878 BGB bestätigt. Aus der genannten Entscheidung wird zugleich deutlich, dass die Verfügungsbefugnis bereits im Zeitpunkt der Einigung vorliegen muss (ganz h. M., z. B. BGH BeckRS 1998, 30036256 m. w. N.; Grüneberg/Weidlich § 2202 Rn. 1; Beck OK BGB/Lange § 2202 Rn. 13).
29
Der im DNotI-Report 2020, 153 ff. vertretenen Auffassung, es genüge, wenn der im Zeitpunkt der Erklärung der Auflassung nicht Verfügungsbefugte die Verfügungsmacht bis zum Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch erlangt, dann liege eine Verfügung des Berechtigten vor mit der Folge, dass keine Genehmigung erforderlich sei, kann nicht beigepflichtet werden.
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Das DNotI stützt seine Argumentation auf eine vermeintlich gefestigte Rechtsprechung des BGH und zitiert das Urteil vom 22.5.1957 – IV ZR 4/57 wie folgt:
„In vielen Fällen reicht aber für die Verfügung und ebenso für das Verpflichtungsgeschäft die Abgabe einer bloßen Willenserklärung nicht aus. Um die gewollte Rechtswirkung herbeizuführen, verlangt das Gesetz zusätzlich vielmehr entweder die Vornahme eines Realaktes (z. B. die Übergabe der Sache bei der Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache) oder die Mitwirkung einer Behörde (wie die Eintragung bei der Verfügung über ein Recht an einem Grundstück nach den §§ 873 und 925 BGB). In derartigen Fällen gehört dieser Sachverhalt aber ebenfalls zum Tatbestand der Verfügung […]. Wenn § 185 BGB von Verfügungen eines Nichtberechtigten spricht, so hat er die Verfügung ihrem vollen Tatbestand nach im Auge und nicht nur die zum Verfügungstatbestand gehörende Willenserklärung des Verfügenden. Für die Frage der Berechtigung zur Verfügung kann es grundsätzlich nur auf den Zeitpunkt ankommen, in dem sich der Verfügungstatbestand vollendet, wie sich aus § 878 BGB entnehmen lässt.“
31
In der genannten Entscheidung hat der BGH – vom DNotI nicht mehr zitiert – allerdings weiter ausgeführt:
„Ein Nichtberechtigter hat verfügt, wenn der Verfügende zwar zur Zeit der Auflassung noch Berechtigter war, das Recht aber aus irgendeinem Rechtsgrunde vor der Eintragung der Auflassung verloren hat. In diesem Falle kann die Verfügung nur dann die beabsichtigte Rechtsfolge herbeiführen, wenn der nunmehr Berechtigte dem Geschäft nach § 185 zustimmt oder der Nichtberechtigte das Recht, das er eingebüßt hat, wieder erwirbt (§ 185 Abs. 2 BGB). § 185 BGB findet nicht nur Anwendung, wenn dem Verfügenden die Verfügungsberechtigung von vornherein fehlt, sondern auch dann, wenn er sie verliert, bevor sich der Verfügungstatbestand vollendet hat.“
32
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.5.1957 stützt also gerade nicht die Auffassung des DNotI. Es behandelt nicht die vorliegende, sondern die umgekehrte Konstellation, in der der Verfügende die Verfügungsbefugnis gewinnt, nicht verliert.
33
Da dem Testamentsvollstrecker vor Annahme seines Amtes die Verfügungsbefugnis über einen Nachlassgegenstand fehlt, ist die erklärte Auflassung unwirksam und kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 185 BGB zur Wirksamkeit gelangen. Alleine dadurch, dass der Testamentsvollstrecker sein Amt vor der Vollendung des mehraktigen Erwerbstatbestands annimmt und dadurch Verfügungsbefugnis erlangt, wird die vorher erklärte Auflassung nicht wirksam (so auch OLG Nürnberg ZEV 2017, 98).
34
bb) Ein Fall des § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach die Verfügung durch nachträgliche Genehmigung oder Konvaleszenz wirksam wird, liegt nicht vor.
35
aaa) Zwar hat der Urkundsnotar erst mit Schreiben vom 10.03.2022 – also nach Annahme des Testamentsvollstreckeramtes – gemäß § 15 GBO den Vollzug der Auflassung gemäß Ziffer 3 der Urkunde vom 07.02.2022 beantragt.
36
Zum Zeitpunkt der Abgabe der in Bezug genommenen Erklärungen Antrag und Bewilligung war die Erklärende allerdings mangels Annahme des Testamentsvollstreckeramtes noch nicht verfügungsbefugt, damit fehlt es auch an der Antrags- und Bewilligungsbefugnis.
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Ebensowenig konnte die Nichtberechtigte den Notar am 07.02.2022 zum Vollzug ermächtigen.
38
Die gesetzliche Vermutung des § 15 Abs. 2 GBO ist im Übrigen durch die Urkunde selbst – nämlich der sich aus ihr ergebenden Nichtberechtigung – widerlegt (vgl. Demharter § 15 Rn. 3). bbb) Eine grundsätzlich mögliche nachträgliche Genehmigung nach § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB liegt ebenso nicht vor.
39
Zwar enthält die Urkunde vom 07.02.2022 neben der nachlassrechtlichen Annahmeerklärung einen grundbuchrechtlichen Erklärungswillen, im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung war die Erklärende allerdings nicht verfügungsbefugt.
40
Eine nachträglich nach Annahme des Testamentsvollstreckeramtes erklärte Genehmigung, die im Übrigen der Form des § 29 GBO (OLG München, Beschluss vom 08.09.2005 – 32 Wx 58/05, ZEV 2006, 173, 174; BeckOK GBO/Otto, Stand 01.08.2023, § 29 Rn. 71) bedürfte, ist ebenso wenig gegeben.
41
ccc) Es liegt auch kein Fall der Konvaleszenz nach § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB vor, und zwar weder unmittelbar, weil der Testamentsvollstrecker den Gegenstand, über den er verfügt hat, nicht durch die Erlangung des Amtes „erwirbt“, noch analog, weil es mangels Regelungslücke an den Voraussetzungen für eine Analogie fehlt. Schließlich kann der Verfügende nach Erlangung der Verfügungsbefugnis genehmigen. Eine analoge Anwendung des § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, da gemäß ausdrücklicher Regelung in § 2202 Abs. 1 BGB das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der Annahme beginnt und der der Konvaleszenz zugrundeliegende Gedanke der Treuwidrigkeit hier nicht greift, weil Konvaleszenz nicht zu Lasten eines fremden Vermögens gehen soll (BGH ZIP 1999, 447 m. w. N.).
42
Es mag sein, dass der 32. Senat des Oberlandesgerichts München in seinem Beschluss vom 08.09.2005, Az. 32 Wx 58/05, eine Konvaleszenz bejaht hat. Der 34. Senat, der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts nunmehr allein zuständig ist für Grundbuchsachen, hält diese Auffassung allerdings nicht für zutreffend.
43
b) Die Grundbuchunrichtigkeit ist glaubhaft gemacht.
44
Die Eintragung der Beteiligten zu 2) als Alleineigentümerin führte zur Unrichtigkeit des Grundbuchs, weil es damit die materielle Rechtslage nicht mehr zutreffend wiedergibt.
45
Materiellrechtlich sind Eigentümer aufgrund Erbfalls die Erben nach dem am 05.11.2021 verstorbenen eingetragenen Alleineigentümer, § 1922 BGB.
III.
46
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die grundsätzliche Haftung der Beteiligten zu 1) für die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aus § 22 Abs. 1 GNotKG aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.
47
2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor. Soweit der erkennende Senat mit dieser Entscheidung von der oben genannten Entscheidung des 32. Senats abweicht, bedarf es der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht, weil infolge einer Änderung der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts der erkennende Senat jetzt für Grundbuchsachen allein zuständig ist und der 32. Senat mit derartigen Streitigkeiten nicht mehr befasst ist (vgl. BGH NJW 1961, 662, 664; BGH NJW 1958, 1133).