Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.10.2023 – B 5 E 23.757
Titel:

Vorläufige Zulassung zum Vorbereitungsdienst unter Ernennung als Beamter auf Widerruf

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7 analog, § 123 Abs. 1 S. 2 Nr. 4,
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
BayBG Art. 65 Abs. 1
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Sofern das amtsärztliche Gutachten eine weitergehende Begutachtung für nötig befunden und der Antragsteller ein solches, zwar privatärztliches, Facharztgutachten vorgelegt hat, ist auch unter Einbeziehung dieses Maßstabs für die Bewertung der gesundheitlichen Eignung auf Letzteres abzustellen. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht. Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums setzt eine entsprechende Prognosebeurteilung eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Während der Bewerber zunächst die Beweislast dafür trägt, dass er die gegenwärtige gesundheitliche Eignung erfüllt, so entspricht es der allgemeinen Verteilung der Beweislast, dass die Einstellungsbehörde das Risiko der Nichterweislichkeit dieser Tatsachen trägt, wenn sie sich auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze beruft, da sie hieraus eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten will. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine hinreichende Tatsachengrundlage für Ablehnung eines Beamtenbewerbers mangels gesundheitlicher Eignung, keine berechtigten Zweifel an charakterlicher Eignung, Beweiskraft von amtsärztlichem Gesundheitszeugnis und privatärztlichem Gutachten, Fehlzeiten einer vorangegangenen Beschäftigung, Tatsachengrundlage, Ablehnung, Beamtenbewerber, gesundheitliche Eignung, charakterliche Eignung, berechtigte Zweifel, Beweiskraft, amtsärztliches Gesundheitszeugnis, privatärztliches Gutachten, Fehlzeiten, vorangegangene Beschäftigung, Sucht, psychiatrische Untersuchung, hohes Gewicht, BMI, Verurteilung, Beweislast, Prognose, Vorwegnahme, Hauptsache
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33808

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den am 18.09.2023 begonnenen Vorbereitungsdienst der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik einzustellen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 8.483,10 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum laufenden Vorbereitungsdienst der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik (3. Qualifikationsebene) unter Ernennung als Beamter auf Widerruf.
2
Der Antragsteller bewarb sich unter dem 31.01.2023 für den Vorbereitungsdienst der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik (3. Qualifikationsebene) beim Antragsgegner (Einstellungstermin: 18.09.2023). Mit E-Mail vom 15.06.2023 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er zur Einstellung vorgesehen sei unter dem Vorbehalt, dass für die Ernennung die beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Der Antragsgegner wies auf die Erforderlichkeit eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses hin und fügte einen Untersuchungsauftrag bei.
3
Die amtsärztliche Untersuchung fand am 03.07.2023 durch die Amtsärztin Frau Dr. …, Gesundheitsamt des Landratsamtes …, statt. Mit Datum vom 19.07.2023 wurde das amtsärztliche Gesundheitszeugnis dem Antragsgegner übersandt. Darin wurde festgestellt, dass sich im Zusammenhang mit der Untersuchung Hinweise ergeben hätten, die an ein relevantes Krankheitsgeschehen denken ließen, und erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers bestünden. Es wurde eine fachärztliche Zusatzbegutachtung im psychiatrischen Bereich mit dem Schwerpunkt Suchtmedizin empfohlen.
4
Aus einem Aktenvermerk des Antragsgegners mit Datum vom 04.08.2023 geht hervor, dass der Antragsteller am 18.07.2023 beim Antragsgegner angerufen und den Sachstand der amtsärztlichen Untersuchung mitgeteilt habe, welchen er vorab telefonisch erfahren habe. Wider Erwarten sei von der Amtsärztin mitgeteilt worden, dass das Ergebnis der Untersuchung aufgrund einer Suchtproblematik nicht positiv ausfallen werde. Der Antragsteller habe das Ergebnis nicht verstanden, da bei der Untersuchung durch die Amtsärztin lediglich sein zu hohes Gewicht (Body-Mass-Index über 30) beanstandet worden sei. Daraufhin habe er – wie seitens der Amtsärztin gefordert – durch weitere Untersuchungen beim Hausarzt nachgewiesen, dass sein Herz-Kreislauf-System in Ordnung sei und habe diese im Gesundheitsamt abgegeben. Der Antragsteller habe im Rahmen dieses Telefonats zugegeben, am Vorabend der Abgabe dieser Untersuchungsergebnisse Alkohol zu sich genommen zu haben. Er könne es daher nicht ausschließen, dass noch etwas Restalkohol vorhanden gewesen sei, aber er habe definitiv weder gelallt noch geschwankt. Zum Zeitpunkt des Telefonats (18.07.2023) befinde er sich in … und die Rückreise sei für den 04.09.2023 geplant. Bei Bedarf weiterer Untersuchungen sei er aber bereit, den Urlaub abzubrechen. Aus dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 04.08.2023 geht auch hervor, dass die Amtsärztin dem Antragsgegner am 20.07.2023 vorab telefonisch das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung mitgeteilt habe, weil das schriftliche Gutachten dem Antragsgegner noch nicht vorgelegen habe. Sie habe darauf hingewiesen, dass mehrere Mitarbeiter des Gesundheitsamtes den Eindruck gehabt hätten, dass der Antragsteller bei der Abgabe von Untersuchungsunterlagen im Nachgang zur Untersuchung vom 03.07.2023 vormittags um 11 Uhr „sturzbetrunken“ gewesen sei. Dabei habe die Amtsärztin auch auf die gehäuften Fehltage des Antragstellers im Rahmen seiner unmittelbar vorhergehenden Tätigkeit als Verwaltungskraft im Contact Tracing Team (CTT) des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … hingewiesen, da der Antragsteller ihr aus dieser Tätigkeit in derselben Behörde bereits bekannt gewesen sei.
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Daraufhin bat der Antragsgegner den Antragsteller mit E-Mail vom 20.07.2023 um Einverständnis zur Einsichtnahme in die Personalakte des Landratsamtes …, welches der Antragsteller mit E-Mail vom 21.07.2023 erteilte. Der Antragsteller war dort vom 11.04.2022 bis 30.06.2023 als Verwaltungskraft im Contact Tracing Team (CTT) des Gesundheitsamtes tätig gewesen. Im Zeitraum vom 11.04.2022 bis 31.12.2022 fehlte er an 40 Arbeitstagen und im Zeitraum 01.01.2023 bis 30.06.2023 an 57 Arbeitstagen, jeweils erkrankungsbedingt. In dem der Personalakte des Landratsamtes … beiliegenden Führungszeugnis des Antragstellers befand sich ein Eintrag wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gem. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 33 BtMG (Tatzeitpunkt: 18.05.2019) mit einer verhängten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 Euro.
6
In dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 04.08.2023 wurde auf dieser Grundlage festgestellt, dass sich daraus ein die erheblichen Zweifel des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses vom 19.07.2023 verfestigendes Bild ergeben habe, weshalb von der Übernahme der weiteren Kosten für das fachpsychiatrische Zusatzgutachten abgesehen werde.
7
Auf Bitten des Antragsgegners konkretisierte die Amtsärztin mit Stellungnahme vom 16.08.2023 ihr bisheriges Gutachten und begründete ihre Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers mit dessen Verhalten in der Untersuchungssituation und bei einem Folgetermin im Gesundheitsamt, insbesondere motorischen und sprachlichen Auffälligkeiten während des Folgetermins. Sie wies darauf hin, dass das empfohlene fachärztliche Zusatzgutachten mit dem Schwerpunkt Suchtmedizin diese Anhaltspunkte konkretisieren oder ausräumen könnte. Weiterhin stellte sie klar, dass aus amtsärztlicher Sicht bereits die aktuelle gesundheitliche Eignung anzuzweifeln sei und sich deshalb eine prognostische Aussage zu der vom Antragsgegner gestellten Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit oder mit häufigeren Erkrankungen jeweils vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen sei, erübrige.
8
In der Zwischenzeit wandte sich der Antragsteller mit E-Mail vom 02.08.2023 an den Antragsgegner und bat um ein Gespräch bezüglich seiner Einstellungsmöglichkeiten. Daraufhin antwortete der Antragsgegner, dass das amtsärztliche Gesundheitszeugnis keine positive Einschätzung enthalte und somit eine Einstellung nicht möglich sei. Unter E-Mail vom 09.08.2023 fragte der Antragsteller nach, ob es sich dabei um eine verbindliche Absage handele, gegen die er gegebenenfalls juristisch vorgehen könne.
9
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 23.08.2023, dem Antragsteller am selben Tag per E-Mail übermittelt, teilte dieser mit, dass im Rahmen der Einstellungsuntersuchung am Landratsamt … (Gesundheitsamt) weder die aktuelle gesundheitliche Eignung noch die prognostische Eignung für ein beabsichtigtes späteres Beamtenverhältnis auf Lebenszeit positiv bestätigt werden konnten. Deshalb bestünden nach eingehender Prüfung des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses und der vorliegenden Personalakte des Landratsamtes … erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers und könne somit mangels Vorliegen der beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen keine Einstellung als Verwaltungsinformatikanwärter zum 18.09.2023 erfolgen. Postalischer Zugang dieses Schreibens beim Antragsteller sei laut Angabe des Bevollmächtigten des Antragstellers Anfang September gewesen. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
10
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.09.2023, am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen, ließ der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen und beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, den Antragsteller in die 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik einzustellen und ihn unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zu ernennen,
hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers um Einstellung in die 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
11
Zur Antragsbegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, mangels eines derzeitigen dienstlichen Wohnsitzes vor Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf sei das Verwaltungsgericht Bayreuth örtlich zuständig.
12
Dem Antragsteller sei ohne Durchführung der in dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 empfohlenen Zusatzbegutachtung wenige Tage vor Beginn der Ausbildung mitgeteilt worden, er könne daran nicht teilnehmen. Schriftlich habe er etwa Anfang September einen Brief ohne Rechtsbehelfsbelehrungerhalten mit der Mitteilung, er könne nicht wie beabsichtigt zum 18.09.2023 eingestellt werden.
13
Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Tatsache, dass der Antragsteller bereits fast 3* Jahre alt sei, weshalb ein weiteres Jahr Zuwarten mit erheblichen Nachteilen verbunden sei. Da dem Antragsteller die Ausbildungsabsage erst kurz vor deren Beginn mitgeteilt worden sei, handele es sich um einen klassischen Fall der Klaglosstellung des Antragstellers, was rechtsstaatlich nicht haltbar sei. Dadurch werde ihm bereits mit Erlass der Entscheidung die Möglichkeit genommen, im Hauptsacheverfahren zu obsiegen. Das Gesundheitszeugnis schließe die Einstellung nicht aus, da der Vorwurf einer Alkoholisierung bei der Abgabe von Dokumenten, nicht der Untersuchung selbst, nur mündlich erhoben worden und absurd sei.
14
Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus der Tatsache, dass die Verfügung des Antragsgegners vom 23.08.2023 möglicherweise nichtig, jedenfalls aber rechtwidrig sei. Es habe weder eine Anhörung des Antragstellers stattgefunden, noch sei die Entscheidung ordnungsgemäß begründet. Es handele sich nicht um eine ordnungsgemäße Begründung einer Ablehnung eines Bewerberanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und um einen eklatanten Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Antragstellers. Das amtsärztliche Gesundheitszeugnis sei mangelhaft und die fehlende gesundheitliche Eignung nicht ausreichend begründet. Für die im Gesundheitszeugnis angedeutete psychische Störung oder gar Suchterkrankung fehle jegliche Tatsachengrundlage. Ein vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegtes, privatärztliches Gutachten vom 12.09.2023 mit einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme durch Dr. med. …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, widerlege diese Unterstellung (auf den Inhalt wird Bezug genommen).
15
Mit Schriftsatz vom 22.09.2023 nahm der Antragsgegner ohne konkreten Antrag dazu Stellung und begründete die Ablehnung des Antragstellers wie folgt: Zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers erhalte die Einstellungsbehörde vom Gesundheitsamt grundsätzlich nur ein Gesundheitszeugnis mit einer zusammenfassenden Beurteilung über das Ergebnis der Einstellungsuntersuchung, während die Beurteilungsgrundlagen mit dem genauen Untersuchungsbefund beim Gesundheitsamt verblieben. Bestünden Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung, bedürfe es einer weiteren Konkretisierung, sodass die Einstellungsbehörde darüber befinden könne, ob ergänzende ärztliche Untersuchungen erforderlich seien, ob trotz der getroffenen medizinischen Feststellungen die gesundheitliche Eignung noch bejaht werden könne oder ob die gesundheitliche Eignung nicht mehr gewährleistet sei. Diese Konkretisierung sei mit Stellungnahme der Amtsärztin vom 16.08.2023 erfolgt, in der die erhobenen Zweifel an der aktuellen gesundheitlichen Eignung des Antragstellers ausgeführt worden seien. Ob und ggf. welche gesonderten Untersuchungen hinsichtlich bestimmter Erkrankungen oder Risikofaktoren vorzunehmen seien, stehe grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn.
16
Zweck der Einstellungsuntersuchung sei nicht nur die Feststellung des aktuellen gesundheitlichen Zustands, sondern auch eine zukunftsbezogene Prognose über die gesundheitliche Eignung für die spätere Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Diese Prognose sei auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Die gesundheitliche Eignung könne aber auch aufgrund einer auf tatsächlichen Anhaltspunkten basierenden Annahme, dass der Bewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig erkrankungsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde, verneint werden. Die im Rahmen der vorhergehenden Tätigkeit des Antragstellers beim Landratsamt … entstandenen Fehlzeiten rechtfertigten eine solche Annahme, da vom Vorliegen einer persistierenden Erkrankung ausgegangen werden müsse. Ob sich die Erkrankung auf eine mutmaßliche Suchterkrankung zurückführen ließe, sei für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nur noch bedingt erheblich. Vorliegend sei nicht nur prognostisch mit erhöhten Fehlzeiten zu rechnen, sondern seien diese bereits in der Vergangenheit nachweislich eingetreten. In pflichtgemäßer Abwägung des schutzwürdigen Interesses des Bewerbers auf Einstellung in den öffentlichen Dienst gem. Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und dem Interesse des Dienstherrn, nur geeignete Beamtenbewerber einzustellen, sei aufgrund der tatsächlich erhöhten Fehlzeiten in der Vorbeschäftigung auf die Erstellung eines fachärztlichen Zusatzgutachtens verzichtet worden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Gesundheitsamt bereits die aktuelle Dienstfähigkeit nicht positiv habe bestätigen können und in einem Betrachtungszeitraum von ca. 14 Monaten weit über dem Durchschnitt liegende erkrankungsbedingte Fehlzeiten in der Beschäftigung beim Landratsamt … vorgelegen hätten, begründe sich die Ablehnung der Einstellung mangels gesundheitlicher Eignung nicht mehr nur in der ärztlichen Untersuchung und dass hierbei eine Abweichung vom Regelzustand festgestellt worden sei (Erfordernis einer fachärztlichen Zusatzbegutachtung mit Schwerpunkt Suchtmedizin), sondern eben auch durch die Tatsache, dass der Bewerber in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei und dem Dienstherrn seine Arbeitskraft daher nicht in ausreichendem Maß habe zur Verfügung stellen können oder wollen.
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Der Antragsgegner brachte weiterhin vor, sofern im Zusammenhang mit den Fehlzeiten aus der vorherigen Tätigkeit kein erkrankungsbedingtes Fernbleiben vom Dienst vorgelegen haben sollte, müsse sich der Antragsteller der Frage aussetzen, ob er die für das Beamtenverhältnis erforderliche charakterliche Eignung besäße. In diesem Zusammenhang werde auch auf das in den Personalunterlagen des Landratsamtes … befindliche Führungszeugnis vom 07.05.2022 hingewiesen (Eintrag eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz).
18
Mit Schriftsatz vom 26.09.2023 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers erneut Stellung und machte geltend, dass der Sachverhalt durch den Antragsgegner nicht genügend aufgeklärt worden sei, obwohl bis zum Ausbildungsbeginn am 18.09.2023 genügend Zeit gewesen wäre. Der Bescheid vom 23.08.2023 setze sich ebenso wenig wie die Antragserwiderung mit den Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung auseinander. Einerseits würden vermeintliche Zweifel auf angebliches auffälliges Verhalten im Untersuchungstermin gestützt. Was am Verhalten bei der Abgabe einer Urinprobe auffällig gewesen sein soll, sei völlig unverständlich und werde nicht erörtert. Der Antragsteller habe weder ein Alkoholproblem noch ein sonstiges psychisches Problem. Er habe den Vorwurf einer angeblichen Suchterkrankung klar durch das privatärztliche Facharztgutachten entkräftet. Im Übrigen müssten solche Befunde auch eindeutig medizinisch belegt und nicht auf Mutmaßungen gestützt werden. Bedenklich sei auch das angebliche Wissen, woran der Antragsteller innerhalb der Zeit beim Landratsamt genau erkrankt sei. Das Führungszeugnis, sollte es Eintragungen enthalten, habe rein gar nichts mit der gesundheitlichen Eignung zu tun.
19
Mit Schriftsatz vom 29.09.2023 nahm der Antragsgegner unter Bezugnahme auf zwischenzeitlich seitens des Gerichts gestellte Fragen und den Schriftsatz der Antragstellerseite erneut Stellung. Eine Kapazitätsausschöpfung der Ausbildung, zu der die Zulassung begehrt wird, liege nicht vor, da von acht möglichen Stellen zum 18.09.2023 sechs besetzt worden seien. Bezüglich bereits verpasster Ausbildungsinhalte, die einer verspäteten Zulassung des Antragstellers entgegenstünden, trug der Antragsgegner vor, dass die Einführungswoche (18.09. bis 22.09.2023) als unkritisch zu beurteilen sei. Bei dem bereits abgeschlossenen Mathematikvorbereitungskurs (26.09. bis 29.09.2023) an der Hochschule handele es sich um den vorbereitenden Kurs für das Fachstudium gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung über den fachlichen Schwerpunkt Verwaltungsinformatik (FachV-VI), welcher zur berufspraktischen Einführungszeit zähle, allerdings bis zur ersten Zwischenprüfung nachgeholt werden könne. Zwingend zu beachten sei gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 FachV-VI jedoch, dass das berufspraktische Studium mindestens zwölf Monate zu umfassen habe und das fachtheoretische Studium an der Hochschule für den öffentlichen Dienst am 04.10.2023 beginne.
20
Die im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis erhobenen Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers ergäben sich nach Mitteilung des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … (erkrankungsbedingte Beantwortung durch einen Stellvertreter der untersuchenden Amtsärztin anhand der Aktenlage) aufgrund von Auffälligkeiten während der Untersuchung, aber auch aufgrund von Beobachtungen im Nachgang zu derselben. Es bestünde der Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet, die eine negative Einschätzung der gesundheitlichen Eignung für die Ausübung der angestrebten Tätigkeit bedingen würde. Da jedoch aufgrund der vorliegenden Hinweise von amtsärztlicher Seite keine definitive Beurteilung möglich erscheine, sei im Gesundheitszeugnis eine entsprechende Zusatzbegutachtung empfohlen worden. Weitere Erkenntnisse zu den Ursachen der Fehlzeiten des Antragstellers während seiner Tätigkeit als Verwaltungskraft im Contact Tracing Team des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … seien dem Antragsgegner nicht bekannt.
21
Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, ob eine Suchterkrankung Hintergrund der außerordentlich hohen Fehlzeiten gewesen sei, sei nach der Aktenlage nicht mehr erheblich. Aufgrund der vorliegenden Tatsachenfeststellung (tatsächlich angefallene hohe Fehlzeiten im öffentlichen Dienst) habe die gesundheitliche Eignung nicht mehr bejaht werden können. Die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung habe sich nicht mehr allein auf das Untersuchungsergebnis stützen können. Eine weitere fachärztliche Begutachtung habe sich erübrigt, da sie nicht mehr geeignet gewesen wäre, die bereits manifestierten Zweifel an der aktuellen und prognostischen gesundheitlichen Eignung des Bewerbers auszuräumen.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Behördenakte ergänzend Bezug genommen.
II.
23
1. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat in der Sache Erfolg. Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth ist örtlich zuständig, da bei einer Streitigkeit über die Entstehung eines Beamtenverhältnisses gem. § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO mangels dienstlichen Wohnsitzes auf den privaten Wohnsitz des Antragstellers abzustellen ist (vgl. VG Bayreuth, B.v. 11.10.2017 – B 5 K 17.747 – BeckRS 2017, 129248 Rn. 5).
24
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse einer Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
25
Vorliegend beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers im Hauptantrag dessen vorläufige Einstellung als Verwaltungsinformatikanwärter in den Vorbereitungsdienst der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik (3. Qualifikationsebene) unter Ernennung als Beamter auf Widerruf. Er begehrt damit eine Regelungsanordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, denn sein Antrag ist auf die „Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis“ und damit auf eine Änderung des status quo gerichtet, nämlich die Verpflichtung des Antragsgegners zu der – einstweiligen – Berufung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2009 – 3 CE 09.1383 – juris Rn. 43).
26
Dieses auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielende Antragsbegehren im Hauptantrag (wie auch im Hilfsantrag) ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes i.S.v. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dann gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird (Anordnungsanspruch) und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (Anordnungsgrund). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 12.9.2011 – 2 BvR 1206/11 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22; B.v. 12.4.2016 – 1 WDS-VR 2/16 – juris Rn. 19; B.v. 10.2.2011 – 7 VR 6/11 – juris Rn. 6; so auch OVG NW, B.v. 2.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 9).
27
Legt man dies zugrunde, hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund (dazu unter a.) sowie einen Anordnungsanspruch (dazu unter b.) glaubhaft gemacht. Auch die mit dem Antrag begehrte einstweilige Vorwegnahme der Hauptsache ist vorliegend ausnahmsweise zulässig (dazu unter c.).
28
a. Ein Anordnungsgrund besteht, da wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf eine Einstellung in den laufenden Vorbereitungsdienst der Fachlaufbahn Naturwissenschaft und Technik, fachlicher Schwerpunkt Verwaltungsinformatik (3. Qualifikationsebene) nicht zu erreichen ist und dem Antragsteller bei einem Verweis auf das Klageverfahren unzumutbare Nachteile drohen. Bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss können einschließlich etwaiger Rechtsmittelfristen insgesamt mehrere Jahre vergehen. Der Antragsteller würde dann nicht nur den zunächst anvisierten Einstellungstermin zum 18.09.2023, sondern auch die weiteren – jeweils nur im jährlichen Rhythmus zur Verfügung stehenden – Einstellungstermine in nachfolgenden Jahren nicht wahrnehmen können. Dieser Zeitverlust ist irreversibel, da eine rückwirkende Einstellung zum ursprünglich begehrten Einstellungstermin nicht möglich ist (vgl. VG Bayreuth, B.v. 14.10.2019 – B 5 E 19.862 – juris Rn. 24). Ein Abwarten des rechts- bzw. bestandskräftigen Abschlusses des Hauptsacheverfahrens ist dem Antragsteller vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten, auch wenn der Antragsteller mit seinem Alter von knapp 3* Jahren nicht zwingend unter zeitlichem Druck steht angesichts der Möglichkeit zur Berufung in das Beamtenverhältnis bis zum 45. Lebensjahr gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG). Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens voraussichtlich nicht rechtzeitig zum streitgegenständlichen Einstellungstermin möglich gewesen wäre und der Antragsgegner dies zumindest versucht hätte, hat der Antragsgegner nichts vorgetragen. Weiterhin liegen weder eine Kapazitätsausschöpfung der vorhandenen Ausbildungsplätze zum streitgegenständlichen Einstellungstermin (vgl. dazu VG Mainz, B.v. 19.3.2019 – 4 L 105/19.MZ – juris Rn. 26) noch die Nichtaufholbarkeit bereits verpasster Ausbildungsinhalte vor, die einer vorläufigen Zulassung entgegenstünden. Dem Antragsteller kann auch nicht zu seinem Nachteil angelastet werden, er habe den Antrag auf vorläufige Zulassung nicht rechtzeitig gestellt, da er ihn am Tag des Ausbildungsbeginns gestellt hat und ein sinnvoller Einstieg in die Ausbildung laut Auskunft des Antragsgegners noch möglich ist, was jedenfalls in Hochschulzulassungsverfahren als rechtzeitig angesehen wird (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 15.11.2012 – 2 NB 198/12 – BeckRS 2012, 60166). Vielmehr hat sich der Antragsteller in der Zwischenzeit seit dem Ergebnis des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses vom 19.07.2023 mehrmals beim Antragsgegner bezüglich des Sachstands erkundigt sowie auf eigene Initiative ein fachärztliches Gutachten eingeholt.
29
b. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
30
Der Antragsteller hat unter Zugrundelegung des oben genannten Maßstabs – im Fall der Vorwegnahme der Hauptsache muss ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch auf der dem Gericht zum derzeitigen Zeitpunkt vorliegenden Tatsachengrundlage begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 6 CE 16.2303 – juris Rn. 20) – das Vorliegen seiner gesundheitlichen und charakterlichen Eignung für die angestrebte Laufbahn als Verwaltungsinformatikanwärter glaubhaft gemacht. Die Ablehnung des Antragstellers zur streitgegenständlichen Ausbildung erweist sich bei der im Rahmen des Eilverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig, weil der Antragsteller einen Anspruch auf Zulassung gem. Art. 33 Abs. 2 GG glaubhaft gemacht hat. Der Ablehnungsbescheid vom 23.08.2023 und die ihm zugrundeliegenden Stellungnahmen der Amtsärztin und des Antragsgegners bieten keine tragfähige Grundlage für das Verneinen der gesundheitlichen Eignung (dazu unter aa.). Die Nichterfüllung der durch die Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Anforderungen für eine Ablehnung eines Beamtenbewerbers mangels gesundheitlicher Eignung beruht insbesondere darauf, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner Begründung nicht zwischen der gegenwärtigen gesundheitlichen Eignung (dazu unter 1.) und der zukunftsbezogenen Prognose über die gesundheitliche Eignung (dazu unter 2.) differenziert hat. Das Vorbringen des Antragsgegners hinsichtlich des Vorliegens von Zweifeln an der charakterlichen Eignung vermag zum Entscheidungszeitpunkt nichts an der Einschätzung des Gerichts zu ändern (dazu unter bb.).
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Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt ein Anspruch des Einzelnen auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung um ein öffentliches Amt, sog. „Bewerbungsverfahrensanspruch“ (vgl. nur BVerfG, B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07 – juris Rn. 10, m. w. N.). Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber für die Einstellung als Beamte auf Widerruf richtet sich gemäß Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. § 9 BeamtStG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Geeignet in diesem Sinn ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerfG, B.v. 21.2.1995 – 1 BvR 1397/93 – BVerfGE 92, 140/151).
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aa. Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (vgl. BVerfG, B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07 – juris Rn. 11). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Das Vorliegen der erforderlichen gesundheitlichen Eignung ist damit eine Einstellungsvoraussetzung (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 8).
33
Bei der Festlegung der Voraussetzungen, denen ein Bewerber in gesundheitlicher Hinsicht genügen muss, steht dem Dienstherrn ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der jeweiligen Dienstposten zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 12). Hinsichtlich der anschließenden Frage, ob der einzelne Bewerber den laufbahnbezogen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt, ist dem Dienstherrn hingegen kein Beurteilungsspielraum eröffnet. Darüber haben letztverantwortlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Bewertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16/12 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 6 ZB 15.1933 – juris Rn. 8; B.v. 12.12.2016 – 6 CE 16.2250 – juris Rn. 14).
34
Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt. Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 13).
35
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Prognoseentscheidung muss ihrerseits auf einer hinreichend fundierten Tatsachenbasis gründen, wobei die Beurteilung in aller Regel besonderen medizinischen Sachverstand voraussetzt, über den grundsätzlich nur ein Arzt verfügt (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 7.6.2017 – 1 B 326/17 – juris Rn. 11).
36
Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 11 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 2 A 6/06 – juris Rn. 23).
37
Dies zugrunde gelegt, muss das Gericht auf Basis der zum Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Tatsachengrundlage davon ausgehen, dass der Antragsteller sowohl gegenwärtig als gesundheitlich geeignet anzusehen ist (1.) als auch die zukunftsbezogene Prognose zu seinen Gunsten auszufallen hat (2.).
38
(1.) Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesundheitlich geeignet zu sein.
39
In dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 wurden aufgrund der Untersuchung vom 03.07.2023 erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers festgestellt. Diese basieren auf Hinweisen in Zusammenhang mit der Untersuchung vom 03.07.2023, die an ein relevantes Krankheitsgeschehen denken lassen. Näher konkretisiert werden diese Hinweise allerdings nicht. In der Stellungahme der Amtsärztin vom 16.08.2023 ist die Rede von auffälligem Verhalten während der Untersuchung und eines Folgetermins. Es hätten seitens des Antragstellers bei der Abgabe einer Urinprobe motorische und sprachliche Auffälligkeiten bestanden. Für das Gericht ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage diese Feststellung basiert. Es hätte einer weiteren Konkretisierung bedurft, um die sehr pauschal erhobenen „erheblichen Zweifel“ zu begründen und eine ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen. Die lediglich in einem Aktenvermerk des Antragsgegners aufgrund eines Telefonats mit der Amtsärztin notierte Wahrnehmung von Mitarbeitern im Gesundheitsamt, die den Antragsteller bei der Abgabe von Untersuchungsergebnissen als alkoholisiert wahrgenommen hätten, vermag keine hinreichende Tatsachengrundlage darzustellen, um eine Suchterkrankung festzustellen. Sowohl in dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 als auch in der daran anknüpfenden Stellungnahme der Amtsärztin vom 16.08.2023 wird die Einholung eines fachärztlichen Zusatzgutachtens im psychiatrischen Bereich mit dem Schwerpunkt Suchtmedizin empfohlen, um die Anhaltspunkte zu konkretisieren oder auszuräumen. Der Antragsgegner hat die Einholung eines solchen Facharztgutachtens unterlassen.
40
Daher muss sich das Gericht auf den Standpunkt stellen, dass der Antragsteller durch das vorgelegte privatärztliche Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 12.09.2023 seine gesundheitliche Eignung glaubhaft gemacht hat, während die im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 erhobenen, lediglich offen formulierten Zweifel ohne eine abschließende Beurteilung zu treffen, dieses Ergebnis nicht zu erschüttern vermögen. Der Einschätzung einer mit den besonderen Anforderungen des öffentlichen Dienstes vertrauten Amtsärztin kommt nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als privatärztlichen Bescheinigungen (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2001 – 1 DB 8/01 – juris Rn. 12 m.w.N.; OVG NW, B.v. 18.2.2004 – 6 B 2059/03 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 3 CS 20.1642 – juris Rn. 5). Im Vergleich zu einem Privatarzt, der bestrebt sein wird, das Vertrauen der Patientin bzw. des Patienten zu ihm zu erhalten, kann ein Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und auch unabhängig abgeben. Diese Neutralität und Unabhängigkeit verleiht der Beurteilung durch den Amtsarzt neben dessen speziellem Sachverstand grundsätzlich ein höheres Gewicht (vgl. BVerwG, U.v. 9.10.2002 – 1 D 3/02 – juris Rn. 22). Daher soll die Feststellung der gesundheitlichen Eignung durch einen Amtsarzt erfolgen, der gegebenenfalls einen Facharzt hinzuziehen hat (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 3 CS 20.1642 – juris Rn. 6).
41
Da das vorliegende amtsärztliche Gutachten eine weitergehende Begutachtung für nötig befunden und der Antragsteller ein solches, zwar privatärztliches, Facharztgutachten vorgelegt hat, ist auch unter Einbeziehung dieses Maßstabs für die Bewertung der gesundheitlichen Eignung auf Letzteres abzustellen. Es sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, weshalb der Antragsgegner es unterlassen hat, das empfohlene Facharztgutachten einzuholen. Es steht zwar im Ermessen des Dienstherrn, ob weitere Feststellungen getroffen werden. Allerdings kann das amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 und die Stellungnahme vom 16.08.2023 nicht als ausreichende Tatsachengrundlage angesehen werden, um sich ein hinreichendes Bild über die gegenwärtige gesundheitliche Eignung zu machen. Vielmehr handelt es sich um eine seitens der Amtsärztin aufgestellte Vermutung, die durch Einholung eines – ausdrücklich zweimal von ihr empfohlenen – fachärztlichen Gutachtens hätte ausgeräumt oder bestätigt werden müssen. Der Verzicht darauf konnte seitens des Antragsgegners nicht plausibel begründet werden. Lediglich wirtschaftliche Gründe der Nichtübernahme von zusätzlichen Kosten vermögen diese Entscheidung angesichts des Gewichts des Zulassungsanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu rechtfertigen. Auch die auslandsbedingte Abwesenheit des Antragstellers stand einer weiteren Untersuchung nicht entgegen, da dieser eine frühere Rückreise angeboten hatte.
42
Grundsätzlich trägt der Einstellungsbewerber die materielle Beweislast für die erforderliche Eignung (BVerwG, U.v. 20.10.2016 – 2 A 2/16 – juris Rn. 30) und somit auch das Risiko der Nichterweislichkeit seiner gegenwärtigen gesundheitlichen Eignung (BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 2 VR 2/17 – juris Rn. 30). Vorliegend hat der Antragsteller alles ihm Zumutbare unternommen, um an der Feststellung seiner gegenwärtigen gesundheitlichen Eignung mitzuwirken. Aufgrund der Untätigkeit des Antragsgegners blieb ihm keine andere Möglichkeit, als auf eigene Initiative ein privatärztliches Fachgutachten einzuholen. Dieses belegt auf mehreren Seiten nach Einschätzung des Gerichts fundiert, dass aus psychiatrischer Sicht keine Hinweise auf eine Suchterkrankung in Bezug auf Alkohol zu erkennen sind. Dabei wird seitens des untersuchenden Arztes unter anderem auf Leberwerte, insbesondere einen alkoholspezifischen Carbohydrate-Deficient-Transferrin-Wert, auf einen AUDIT-Fragebogen (Alcohol Use Disorders Identification Test) und auch sonst für das Gericht nachvollziehbare Untersuchungsparameter abgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um ein Gefälligkeitsgutachten oder Ähnliches handelt, sind nicht ersichtlich. Die im amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 aufgeworfenen Hinweise, die an ein relevantes Krankheitsgeschehen denken lassen, und der in einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 04.08.2023 angedeutete Verdacht einer Suchterkrankung im Alkoholbereich sind somit durch das privatärztliche Fachgutachten vom 12.09.2023, welches das Bestehen einer Alkoholsucht als ausgeschlossen ansieht, zum Entscheidungszeitpunkt als entkräftet anzusehen. Dass das Ergebnis des privatärztlichen Fachgutachtens von einem amtsärztlich oder behördlich eingeholten Fachgutachten in seiner Beweiskraft wiederum erschüttert werden könnte, spielt zum Entscheidungszeitpunkt mangels Vorliegen eines solchen keine Rolle.
43
(2.) Der Antragsteller hat weiterhin glaubhaft gemacht, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, um mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen.
44
Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 6). Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums setzt eine entsprechende Prognosebeurteilung eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 21).
45
Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit sowie die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare Erkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten auszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen (vgl. BVerwG U.v. 25.7.2013 – 2 C 12/11 – juris Rn. 22). Die medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich zu beantworten (vgl. zur erforderlichen Prognosebasis BVerfG, U.v. 5.2.2004 – 2 BvR 2029/01 – BVerfGE 109, 133/165).
46
Während der Bewerber zunächst die Beweislast dafür trägt, dass er die gegenwärtige gesundheitliche Eignung erfüllt (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 2 VR 2.17 – juris Rn. 13), so entspricht es der allgemeinen Verteilung der Beweislast, dass die Einstellungsbehörde das Risiko der Nichterweislichkeit dieser Tatsachen trägt, wenn sie sich auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze beruft, da sie hieraus eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 10.10.2019 – 11 K 3760/16 – juris Rn. 59).
47
Dabei können erhebliche erkrankungsbedingte Fehlzeiten ein Indiz dafür sein, dass dem Bewerber die gesundheitliche Eignung fehlt. Dies gilt umso mehr, je länger der Erkrankungszeitraum währt. Eine lange Zeit der Dienstunfähigkeit ist dabei regelmäßig allein nicht ausreichend für die Verneinung der gesundheitlichen Eignung; sie ist vielmehr Ausgangspunkt für weitere Feststellungen. Eine solche rein nummerische Betrachtung vermag nämlich das für die gesundheitsbezogene Eignungsprognose benötigte individuelle und dabei gegebenenfalls differenzierte Bild in aller Regel noch nicht (hinreichend) zu vermitteln (vgl. OVG NW, B.v. 28.2.2023 – 6 A 1806/21 – juris Rn. 28, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 15 ff. m.w.N). Weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Prognose, dass der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht nicht genügen wird, können sich etwa aus (amts-)ärztlichen Gutachten oder sonstigen Erkenntnissen über die Ursache der Fehlzeiten bzw. über den Zeitpunkt der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ergeben (vgl. OVG NW, B.v. 28.2.2023 – 6 A 1806/21 – juris Rn. 30, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 6 CE 22.438 – juris Rn. 16). Hierzu kommt insbesondere eine Nachfrage bei dem Beamten selbst in Betracht, der zuvörderst dazu in der Lage ist, Angaben zur bevorstehenden Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu machen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.5.2016 – OVG 4 S 7.16 – juris Rn. 11). Verweigert ein Beamter bei langdauernder Dienstunfähigkeit jegliche Angaben oder sonstige Mitwirkung, die eine Klärung der Frage ermöglichen würden, ob er den Anforderungen des angestrebten Amtes gewachsen sein wird, kann dies unter Umständen, nämlich der Verletzung von etwaigen Mitwirkungspflichten, z.B. aus Abschnitt 8, Nr. 1.6 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR), eine Verneinung der gesundheitlichen Eignung rechtfertigen (vgl. VG Regensburg, B.v. 18.5.2021 – RN 1 E 20.2894 – juris Rn. 62; OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 21).
48
Dies zugrunde gelegt, sind im Streitfall zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung gegeben. Zur zukunftsbezogenen Prognose liegt keine Einschätzung der Amtsärztin vor. Zwar fehlte der Antragsteller bei seiner Tätigkeit im Contact Tracing Team des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … im Jahr 2022 während eines Zeitraums von knapp neun Monaten an 40 Arbeitstagen und im Jahr 2023 während eines Zeitraums von sechs Monaten an 57 Arbeitstagen erkrankungsbedingt, wobei insbesondere letztgenannter Zeitraum in Anwendung des Rechtsgedankens von § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und Art. 65 Abs. 1 BayBG jedenfalls als gewichtiges Indiz zu werten ist.
49
Allerdings ist auch in Fällen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und Art. 65 Abs. 1 BayBG die Erkrankung selbst durch einen Arzt festzustellen (vgl. Baßlsperger in: Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, 233. Aktualisierung [Stand: Juli 2023], Art. 65 BayBG Rn. 2). Der Antragsgegner hat es jedoch unterlassen, weitere Feststellungen, insbesondere in medizinischer Hinsicht, zu treffen. Dem Gericht ist nichts über die Ursache der herangezogenen Fehlzeiten bekannt. Es liegt weder eine Diagnose vor, noch haben Nachfragen seitens des Antragsgegners beim Antragsteller stattgefunden. Dass der Antragsteller im Eilverfahren keine Angaben dazu gemacht hat, kann ihm zum Entscheidungszeitpunkt nicht angelastet werden. Sollte in Zukunft keine Mitwirkung an der Aufklärung erfolgen, könnte dies wiederum unter Umständen zu seinem Nachteil gewertet werden (vgl. OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 21). Als weitere Tatsachengrundlage in medizinischer Hinsicht kann auch nicht das amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 19.07.2023 aufgrund der Untersuchung vom 03.07.2023 nebst konkretisierender Stellungnahme vom 16.08.2023 herangezogen werden. Diese sind weder bestimmt genug, um eine belastbare Aussage über die gesundheitliche Eignung zu treffen, noch beziehen sich diese auf die Ursache für die herangezogenen Fehlzeiten. Von den Fehlzeiten auf das Vorliegen einer Erkrankung zu schließen, stellt einen nicht fundierten Zirkelschluss dar. Vielmehr können die Fehlzeiten nur als Indiz gewertet werden und wären weitere (fach-)ärztliche Feststellungen nötig, um die Annahme einer persistierenden Erkrankung zu verfestigen. Von einem Eintrag im Führungszeugnis in der Personalakte des vorherigen Dienstherrn im Zusammenhang mit dem Besitz von Betäubungsmitteln, der im Übrigen wegen des Verwertungsverbots aus § 51 BZRG im streitgegenständlichen Einstellungsverfahren schon nicht mehr herangezogen werden darf, auf eine Suchterkrankung zu schließen, entbehrt jeglicher Grundlage.
50
bb. Der Anspruch auf Zulassung vermag auch nicht wegen des Vorliegens von Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragstellers abgesprochen werden.
51
Mit dem Begriff der charakterlichen Eignung ist ebenso wie mit den Begriffen der Befähigung und fachlichen Leistung ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn eröffnet, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist insoweit auf die Überprüfung beschränkt, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – BVerfGE 143, 22 Rn. 19; BVerwG, B.v. 29.1.2013 – 1 WB 60/11 – NVwZ 2013, 1227 Rn. 34). Dabei kommt die Ablehnung der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf nicht nur und erst dann in Betracht, wenn die Einstellungsbehörde festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt. Vielmehr genügen auch berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers (vgl. VG Bayreuth, B.v. 2.2.2023 – B 5 E 22.1180 – juris Rn. 27).
52
Unabhängig davon, ob sich das erstmalige Vorbringen des Antragsgegners noch in dem von § 114 Satz 2 VwGO aufgestellten Rahmen für ein zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bewegte, liegen jedenfalls keine berechtigten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers vor, die dessen Ablehnung in ausreichendem Maße rechtfertigen könnte. Indem der Antragsgegner von den Fehlzeiten im Rahmen einer vorangegangenen Tätigkeit, die zunächst zur Ablehnung der gesundheitlichen Eignung herangezogen werden, hilfsweise zu dem Schluss einer charakterlichen Nichteignung gelangt, erscheint dem Gericht zum Entscheidungszeitpunkt als sachfremd. Zutreffend mag zwar die Feststellung des Antragsgegners sein, dass – sollten die Fehlzeiten nicht auf einer Erkrankung basieren – beim Vorliegen anderer, der Sphäre des Antragstellers zurechenbarer Gründe für das Fernbleiben vom Dienst berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen. Allerdings hat der Antragsgegner wiederum in Bezug darauf keine Feststellungen getroffen oder belastbare Tatsachen plausibilisiert. Würden Erkenntnisse über die Ursache der Fehlzeiten, die nicht auf einer Erkrankung gründet, vorliegen, könnte das Gericht von berechtigten Zweifeln an der charakterlichen Eignung ausgehen. Der Eintrag wegen eines Betäubungsmitteldelikts in dem beim vorgehenden Dienstherrn vorliegenden Führungszeugnis kann wegen des Verwertungsverbots aus § 51 BZRG für die streitgegenständliche charakterliche Eignung nicht berücksichtigt werden. Somit liegen keine sachbezogenen Anhaltspunkte vor, die an der charakterlichen Eignung berechtigte Zweifel erheben. Daher ist diese zum Entscheidungszeitpunkt vom Antragsteller als glaubhaft gemacht anzusehen.
53
Das Gericht weist darauf hin, dass der ausgesprochenen Verpflichtung zur vorläufigen Einstellung des Antragstellers, welche durch eine Ernennung zum Beamten auf Widerruf zu erfolgen hat, zugrunde liegt, dass der Bewerber die übrigen Voraussetzungen – neben der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung – für eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erfüllt.
54
c. Der beantragten einstweiligen Anordnung steht auch nicht das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsachverfahren vorbehaltenen Entscheidung kann nur dann ausnahmsweise ergehen, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist, dem betreffenden Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach obsiegen wird (vgl. OVG NW, B.v. 18.10.2013 – 6 B 998/13 – BeckRS 2013, 57586; BayVGH, B.v. 17.9.2009 – 3 CE 09.1383 – BeckRS 2009, 43727).
55
Im vorliegenden Fall ist eine solche Vorwegnahme ausnahmsweise gerechtfertigt. Der Antragsteller hat nach den obigen Ausführungen einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weshalb nach gegenwärtigem Stand ein voraussichtliches Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Bei einem Verweis auf ein eventuell mehrere Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren (bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss) würden dem Antragsteller unzumutbare Nachteile drohen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller zur Aufklärung seiner gesundheitlichen Eignung alles ihm – den Umständen entsprechend – Zumutbare (vgl. VG Regensburg, B.v. 18.5.2021 – RN 1 E 20.2894 – juris Rn. 62) unternommen hat, während der Antragsgegner keine fundierte Tatsachenermittlung plausibilisieren konnte. Zwar blieb der Antragsteller eine Erklärung zu seinen im Rahmen der vorangegangenen Tätigkeit entstandenen Fehlzeiten schuldig, doch hatte der Antragsgegner keine diesbezüglichen Aufklärungsversuche ihm gegenüber unternommen.
56
Dabei ist es unerheblich, ob der Antragsteller bereits Klage in der Hauptsache erhoben hat oder nicht. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit des Antrags auf Anordnung des Hauptsacherechtsbehelfs gem. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO hin (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.1997 – 1 CE 97.392 – NVwZ-RR 1998, 685). Außerdem kann das Gericht bei Vorliegen veränderter Umstände, beispielsweise nach Erstellung eines seitens des Antragsgegners in Auftrag gegebenen fachärztlichen Gutachtens, das sich ggf. nicht nur auf eine Suchterkrankung im Alkoholbereich beschränkt, oder bei Verletzung der Mitwirkungspflicht des Antragstellers in Bezug auf die Klärung seiner gesundheitlichen Eignung, auf Antrag oder von Amts wegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in analoger Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO jederzeit ändern oder aufheben (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2019 – 10 CE 19.650 – BeckRS 2019, 6729). Sollte das Hauptsacheverfahren ergeben, dass, anders als nach der getroffenen Entscheidung im einstweiligen Rechtschutz, der Antragsteller keinen Anspruch auf Zulassung zum laufenden Vorbereitungsdienst unter Ernennung als Beamter auf Widerruf hat, könnte die aufgrund der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Ernennung durch die jederzeitige Entlassungsmöglichkeit gem. § 23 Abs. 4 BeamtStG rückgängig gemacht werden.
57
Aufgrund der Begründetheit des Hauptantrags ist über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden.
58
2. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
59
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 GKG, da der Antragsteller die vorläufige Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf begehrt. Maßgeblich sind die für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge im angestrebten Amt mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (BayVGH, B.v. 11.8.2017 – 3 CS 17.512 – juris Rn. 7). Bei der vorliegenden Antragstellung am 18.09.2023 ist daher das Kalenderjahr 2023 maßgeblich, woraus sich für den Antragsteller ein Anwärtergrundbetrag (A 9 bis A 11, weil sich das Eingangsamt aus Art. 23 Satz 1 Nr. 3 des Bayerischen Besoldungsgesetzes – BayBesG ergibt) von monatlich 1.413,85 Euro ergibt. Die fiktiven Jahresbezüge belaufen sich somit auf 16.966,20 Euro, wovon die Hälfte 8.483,10 Euro beträgt. Nachdem das Antragsbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, kommt eine Halbierung des Streitwerts nicht in Betracht (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).