Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 24.05.2023 – B 5 E 23.391
Titel:

Isolierte Anfechtung der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung

Normenketten:
VwGO § 44a
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung zur isolierten Anfechtbarkeit von Anordnungen zur amtsärztlichen Untersuchung im Rahmen von Zurruhesetzungsverfahren entschieden, dass nach § 44a S. 1 VwGO Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können; dies gilt nach § 44a S. 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übertragung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze ist  uneingeschränkt angezeigt, wenn die Feststellung des Gesundheitszustands nicht – wie in den Fällen, die das VG München zu entscheiden hatte – das abschließende Ziel ist, sondern die Feststellung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin lediglich einen Zwischenschritt zur Ergreifung geeigneter, weitergehender Maßnahmen darstellt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine isolierte Anfechtbarkeit der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung, Zweifel an der Dienstfähigkeit einer Oberstudienrätin, keine wesentlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten, isolierte Anfechtbarkeit, Anordnung, amtsärztlichen Untersuchung, Zweifel, Dienstfähigkeit, Lehrer, Oberstudienrat, Zwischenschritt, dienstrechtliche Maßnahmen, Feststellung, Gesundheitszustand, Prognose, Rückkehr, Dienst, Wiedereingliederung, Reduzierung, Arbeitszeit, Rechtsprechung Verwaltungsgericht München, Leistungsabfall, auffälliges Verhalten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33804

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die am … geborene Antragstellerin steht als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A14 der Anlage 1 zum Bayerischen Besoldungsgesetz) in Vollzeit an der … Schule – Staatliche FOSBOS – … im Dienst des Antragsgegners. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, sie von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung auf ihre Dienstfähigkeit zu befreien.
2
1. Mit Formblattantrag vom 16.03.2023 wandte sich die … Schule – Staatliche FOSBOS – … an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus (BayStMUK) mit der Bitte um Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens zu den Fragen, ob
- die Antragstellerin zum Untersuchungszeitpunkt aus ärztlicher Sicht dienstunfähig erkrankt sei und, wenn ja, bis wann mit ihrer Rückkehr in den Dienst zu rechnen sei,
- ggf. die Notwendigkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung oder einer Reduzierung der Arbeitszeit bestehe und
- sonstige Einschränkungen der qualitativen und/oder quantitativen Dienstfähigkeit gemäß Leistungsprofil bestehen.
3
Unter Punkt 3, „Fehltage wegen Krankheit“, waren für das vergangene Jahr zwölf, für das laufende Kalenderjahr zehn Fehltage angegeben. Die Antragstellerin sei derzeit nicht krankgemeldet und habe auch nicht innerhalb der letzten sechs Monate mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet. Es hätten sich gesundheitsbezogene Leistungseinschränkungen auf die Fähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten nachteilig wie folgt ausgewirkt:
„- Gravierender Leistungsabfall seit der Zwischenbeurteilung im Juli 2022 – Seit Beginn des Schuljahres 2022/23 große Probleme allg. Dienstpflichten zu erfüllen
- Nicht in der Lage Unterricht zielführend zu gestalten (siehe fachaufsichtliche Würdigung)
- Objektiv beobachtete Situationen werden vollkommen anders wahrgenommen
- Informationen werden nach kurzer Zeit wieder vergessen bzw. in einem falschen Kontext wiedergegeben
- Hilfestellungen werden als Mobbing bzw. Intrige aufgefasst
- Fristen zur Rückgabe von Leistungsnachweisen werden nicht eingehalten
- Grundlegende Aufgaben einer Lehrkraft werden in Frage gestellt
- Unterrichtsstunden mit gleichem Stundenthema werden in einer Klasse mehrfach gehalten“
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Folgende Maßnahmen habe man bereits ergriffen:
„- Stundenplan wurde so angepasst, dass er nur wenige Freistunden enthält
- Nachmittagsunterricht wurde auf zwei Tage in der Woche begrenzt
- Intensive fachliche Unterstützung durch Fachbereichsleiterin
- Erstellung von Schulaufgaben wird von anderen Lehrkräften übernommen
- Schulaufgaben werden gemeinsam mit anderen Klassen geschrieben
- Angebot in Teilzeit zu arbeiten wurde gemacht
- Derzeit mit 18 Wochenstunden von Unterrichtsverpflichtungen in den Fächern Pädagogik/Psychologie, Soziologie und Sozialpsychologie entbunden und an der Schule mit „einfachen“ außerunterrichtlichen Aufgaben beauftragt“
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Dem Antrag auf Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung lag eine neunseitige fachaufsichtliche Würdigung vom 13.03.2023 über das Arbeitsverhalten der Antragstellerin, durchgeführt von Leitender Oberstudiendirektorin H., Ministerialbeauftragte für die Berufliche Oberschule in Nordbayern, bei. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
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Ein mit handschriftlichem Vermerk auf den 04.05.2023 als Übergabedatum datiertes Schreiben des BayStMUK informierte die Antragstellerin darüber, dass zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit im Rahmen der Fürsorgepflicht nach § 16 Abs. 2 S. 2 der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV) das zuständige Gesundheitsamt den Auftrag erhalten habe, sie zu untersuchen.
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Das Amt für Gesundheit beim Landratsamt … wandte sich mit Schreiben vom selben Tag an die Antragstellerin und bat diese, zu einer amtsärztlichen Untersuchung am Donnerstag, 25.05.2023, zu erscheinen und u.a. einen beigefügten Anamnesebogen ausgefüllt mitzubringen.
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Die Antragstellerin legte über ihre Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12.05.2023 Widerspruch gegen die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung ein, begründete diesen und setzte Frist bis spätestens 16.05.2023, die Rücknahme der Anordnung zu verfügen. Über diesen ist bislang nach Aktenlage noch nicht entschieden.
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2. Mit Schriftsatz vom 19.05.2023, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ die Antragstellerin über ihren Bevollmächtigten beantragen,
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Die Antragstellerin wird vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund Anordnung zur „Überprüfung der Dienstfähigkeit durch das Gesundheitsamt im Rahmen der Fürsorgepflicht (vgl. § 16 Abs. 2 S. 2 UrlMV)“ des Antragsgegners, der Antragstellerin ausgehändigt am 04.05.2023, freigestellt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anordnung zur amtsärztlichen Untersuchung isoliert anfechtbar sei. Die Anordnung sei formell und materiell rechtswidrig. § 16 Abs. 2 Satz 2 UrlMV sei eine geeignete Rechtsgrundlage für die Klärung der sachlichen Richtigkeit der für einen vorübergehenden Zeitraum ausgestellten privatärztlichen Bescheinigung. Dessen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, die Antragstellerin sei nicht dienstunfähig erkrankt, weder aufgrund Selbsteinschätzung noch privatärztlicher Bescheinigung. Es bestehe keinerlei Notwendigkeit, dies einer amtsärztlichen Überprüfung zu unterziehen. Die Untersuchungsanordnung werde zudem den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen an die erforderliche Bestimmtheit nicht gerecht. In der Anordnung würden keine gesundheitsbezogenen Leistungseinschränkungen thematisiert, sondern lediglich fachliche Beanstandungen erhoben. Sie weise auch lediglich zwölf Fehltage im letzten Jahr auf, wobei davon vier Tage auf einen Dienstunfall (Sturz) entfielen. Auch im laufenden Kalenderjahr habe die Antragstellerin lediglich vier an Stelle der in der Anordnung angegebenen zehn Fehltage aufzuweisen. Zudem fehle in der Anordnung jeglicher Hinweis auf die Art der Untersuchung, auf die sich die Antragstellerin einzustellen habe. Eine Anhörung habe vorab nicht stattgefunden. Zum Beleg der entsprechenden Fehltage legte die Antragstellerin eine vom 19.05.2023 datierende eidesstattliche Versicherung vor.
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Das BayStMUK erwiderte für den Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.05.2023 und beantragte den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde zunächst der aus dem Antragsbogen hervorgehende Sachverhalt dargestellt. Weiter wird ausgeführt, der Freistaat Bayern sei als Dienstherr der Antragstellerin aufgrund seiner Fürsorgepflicht berechtigt und verpflichtet, Untersuchungen zur Überprüfung der Dienstfähigkeit anzuordnen, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit bestehen. Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin seien aufgrund der beschriebenen Umstände hier offenkundig gegeben. Die Untersuchung durch das Gesundheitsamt erfolge dabei auch im Interesse der Antragstellerin, um sie vor einer Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation zu schützen. Eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt sei insbesondere in solchen Fällen angezeigt, in denen Beamtinnen und Beamte längerfristig erkrankt seien oder häufige Kurzzeiterkrankungen aufträten, aber die Schulleitung bzw. das Schulamt oder die sonstige dienstvorgesetzte Stelle nicht davon ausgehe, dass dauernde Dienstunfähigkeit oder dauerhaft nur noch begrenzte Dienstfähigkeit vorliegen, so dass keine Zuständigkeit der Medizinischen Untersuchungsstelle der jeweiligen Regierung gegeben sei.
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Die Antragstellerseite wiederholte mit abschließendem Schriftsatz vom 23.05.2023 ihre bereits geäußerte Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 2 UrlMV nicht vorliegen. Da auch kein Fall der alternativ als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung heranzuziehenden Vorschrift des Art. 65 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) gegeben sei, fehle es der gesamten Anordnung bereits an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Auch lasse sich die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht als Rechtsgrundlage für einen derart tiefgehenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin heranziehen. Zudem wiesen die behaupteten – lediglich die fachliche Seite betreffenden – Minderleistungen der Antragstellerin keinen Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand auf und könnten daher nicht als Tatsachengrundlage für die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung herangezogen werden.
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Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
16
1. Der Antrag ist bereits nach § 44a VwGO unzulässig.
17
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung zur isolierten Anfechtbarkeit von Anordnungen zur amtsärztlichen Untersuchung im Rahmen von Zurruhesetzungsverfahren entschieden, dass nach § 44 a S. 1 VwGO Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können; dies gilt nach § 44 a S. 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18, NVwZ 2020, 312, beck-online Rn. 17). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
18
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Rechtsbehelf i.S.v. § 44 a S. 1 VwGO. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, die Sachentscheidung nicht durch Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, sind auch Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80 a VwGO oder nach § 123 VwGO ausgeschlossen, weil im Eilverfahren nicht weitergehender Rechtsschutz erlangt werden kann als im Klageverfahren (BVerwG, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.).
19
Eine Untersuchungsanordnung ist eine behördliche Verfahrenshandlung i.S.d. § 44 a S. 1 VwGO. Behördliche Verfahrenshandlungen i.S.d. § 44 a S. 1 VwGO sind – ungeachtet dessen, ob sie Verwaltungsakt-Charakter haben oder nicht – behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen. Eine Untersuchungsanordnung ist als gemischt dienstlich-persönliche Weisung mangels unmittelbarer Außenwirkung kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Die Untersuchung dient der Ermittlung der medizinischen Daten, die nötig sind, um festzustellen, ob der Beamte dienstunfähig ist. Auf der Basis dieser vom Dienstherrn zu treffenden Feststellung wird gegebenenfalls das Zurruhesetzungsverfahren fortgeführt. Die Aufforderung zur Untersuchung ist somit lediglich ein erster Schritt in einem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet. Dass diese verfahrensabschließende Entscheidung nicht durch Zeit und Verwaltungsaufwand beanspruchende gerichtliche Auseinandersetzungen über den vorgelagerten Verfahrensschritt verzögert wird, ist Sinn und Zweck des § 44 a VwGO. Dieser Beschleunigungszweck liegt nicht nur im öffentlichen Interesse an einer funktionierenden, mit dienstfähigen Amtswaltern besetzten öffentlichen Verwaltung (Art. 33 Abs. 4 und 5, Art. 83 ff. des Grundgesetzes – GG), sondern auch im wohlverstandenen Interesse des Beamten, der womöglich nicht bereit oder nicht in der Lage ist, seinen (wahren) Gesundheitszustand objektiv zu beurteilen und die erforderlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Auf Letzteres hinzuwirken ist im Übrigen auch Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 78 BBG, § 45 BeamtStG) (BVerwG, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.).
20
Ein Ausnahmefall, in dem nach § 44 a S. 2 VwGO ein isolierter Rechtsbehelf gegen eine behördliche Verfahrenshandlung statthaft ist, ist nicht gegeben. Die Untersuchungsanordnung ist insbesondere nicht vollstreckbar im Sinne der Verwaltungsvollstreckungsgesetze (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 VwVG). Sie wird insbesondere nicht dadurch vollstreckt, dass der Beamte zwangsweise der ärztlichen Untersuchung zugeführt wird (BVerwG, a.a.O., Rn. 21).
21
Auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet nicht, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in verfassungskonformer Auslegung von § 44 a S. 2 VwGO als statthaft anzusehen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet den Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle der jeweils belastenden Verwaltungsentscheidung. Dieser Gewährleistung ist grundsätzlich dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass Mängel im Verwaltungsverfahren, die wegen § 44 a VwGO nicht unmittelbar mit Rechtsbehelfen gegen die Verfahrenshandlung geltend gemacht werden können, im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung zulässigen Klageverfahrens gerügt werden können und rechtlich geprüft werden. Allerdings darf der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung von Verfahrenshandlungen für die Rechtsschutzsuchenden nicht zu unzumutbaren Nachteilen führen, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind. Dies ist im Fall der behördlichen Anordnung einer ärztlichen Untersuchung insbesondere dann anzunehmen, wenn die Nachteile der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung so gravierend sind, dass der Beamte faktisch gezwungen ist, sich der angeordneten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der Ausschluss isolierten Rechtsschutzes gegen eine Untersuchungsanordnung durch Verweisung des Beamten auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen eine etwaige Zurruhesetzungsverfügung des Dienstherrn ist für den Beamten nicht unzumutbar. Das gilt sowohl im Hinblick auf eine etwaige disziplinarrechtliche Sanktion bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung als auch für mit der Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung möglicherweise sonst verbundenen Nachteile und Risiken (BVerwG, a.a.O., Rn. 22-24).
22
Der Aspekt der möglichen disziplinarrechtlichen Sanktion erfordert keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn es droht dem Beamten auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme; es handelt sich im Regelfall um eine nur theoretische Möglichkeit. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu einem Disziplinarverfahren, wäre die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) zu prüfen und würde die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge haben. Rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind ohnehin unbeachtlich; auch sonst hat ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens (BVerwG, a.a.O., Rn. 25 u. 29).
23
Auch der Aspekt der Grundrechtsrelevanz der ärztlichen Untersuchung erfordert keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn der Beamte sich der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile. Zwar gehen einige Oberverwaltungsgerichte davon aus, dass die Schwere des Grundrechtseingriffs eine isolierte Rechtsschutzmöglichkeit erfordert. In der Tat greift eine ärztliche – insbesondere eine fachpsychiatrische – Untersuchung in das Recht auf körperliche Integrität (Art. 2 Abs. 2 GG) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs. 1 GG) ein. Gleichwohl ist isolierter (vorläufiger) Rechtsschutz nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten. Denn maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die insoweit anzustellende Zumutbarkeitsprüfung sind nicht die Eingriffswirkungen einer ärztlichen Untersuchung, sondern – ebenso wie beim schon erörterten disziplinarrechtlichen Aspekt – die Wirkungen ihrer Verweigerung durch den Beamten. Diese Wirkungen erfordern keinen isolierten Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn der Beamte sich der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile: Dem Beamten steht Rechtsschutz gegen eine Zurruhesetzungsverfügung zu, sowohl Hauptsacherechtsschutz als auch – wenn die Zurruhesetzungsverfügung sofort vollziehbar ist – vorläufiger Rechtsschutz. Erweist sich hierbei die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, ist es auch die Zurruhesetzungsverfügung. An der Nichtbefolgung einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung hingegen hat der Beamte kein schützenswertes Interesse und bedarf insoweit auch keines isolierten Rechtsschutzes. Zwar hat der Beamte das „Prognoserisiko“: Wenn er zu Unrecht die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung annimmt, droht ihm wegen des Rechtsgedankens des § 444 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder – wie dargelegt – wegen einer landesgesetzlichen Regelung die Klage- bzw. Antragsabweisung bezüglich der Zurruhesetzungsverfügung. Aber dieses Risiko ist für ihn nicht unzumutbar in dem ausgeführten Sinn. Denn die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Untersuchungsanordnung sind in der Rechtsprechung geklärt. Das gleichwohl vorhandene Restrisiko ist von dem Beamten hinzunehmen. Hierfür spricht bereits das in § 44 a S. 1 VwGO zum Ausdruck kommende öffentliche Interesse an der zügigen Durchführung des Zurruhesetzungsverfahrens. Jedenfalls und unabhängig davon folgt dies aus der besonderen Pflichtenstellung des Beamten im Rahmen des verfassungsrechtlich verankerten wechselseitigen Pflichten- und Treueverhältnisses zu seinem Dienstherrn. Der Beamte ist dem Allgemeinwohl und damit zur uneigennützigen Amtsführung verpflichtet (BVerfG, NVwZ 2018, 1121 = NJW 2018, 2695 Rn. 150; BVerfGE 119, 247 [264] = NVwZ 2007, 1396). Er hat im Verfahren der Zurruhesetzung insgesamt hinreichend Verfahrensgarantien und Sicherheiten. Außerdem kann er den Rat eines Rechtskundigen, insbesondere eines Rechtsanwalts, zu der Frage einholen, ob die ihm gegenüber ergangene Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist. Der Inzidentrechtsschutz gegen die Zurruhesetzungsverfügung ist zumutbar (BVerwG, a.a.O., Rn. 30-33).
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Allein der Umstand, dass der Beamte sich einer ärztlichen Untersuchung zu stellen hat, die er nicht bereits vorbeugend (vorgelagert), sondern erst nachträglich einer gerichtlichen Überprüfung zuführen kann, macht ihn hiernach nicht zu einem rechtsschutzlosen Objekt staatlichen Handelns. Die nach den Grundsätzen der Herstellung praktischer Konkordanz vorzunehmende Abwägung der insoweit widerstreitenden Verfassungsgüter (die materiellen Grundrechte des Beamten einschließlich der Garantie effektiven Rechtsschutzes einerseits, die Funktionstätigkeit der öffentlichen Verwaltung und die besondere Pflichtenstellung des Beamten andererseits) führt hiernach zu dem Ergebnis, dass der Inzidentrechtsschutz im Rahmen des (Eil- oder Klage-)Verfahrens gegen die Zurruhesetzungsverfügung einen angemessenen und verhältnismäßigen Ausgleich der betroffenen Verfassungsgüter darstellt. (BVerwG, a.a.O., Rn. 37, beck-online).
25
b) Diese Grundsätze sind auf den streitgegenständlichen Fall uneingeschränkt übertragbar. Insbesondere steht diese Wertung nicht in Widerspruch zu zwei Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, in denen dieses sich mit der Konstellation auseinanderzusetzen hatte, dass der Dienstherr bei längerfristig dienstunfähig erkrankten Beamten jeweils Zweifel am tatsächlichen Bestehen einer Dienstunfähigkeit hatte. Aufgrund dieses Umstandes hatte der Dienstherr hier die Vorlage eines amts- bzw. polizeiärztlichen Zeugnisses ab dem ersten Tag einer Erkrankung gefordert. In den dagegen angestrengten Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hatte das VG München jeweils entschieden, dass auf solche dienstlichen Weisungen die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens als behördliche Verfahrenshandlung gem. § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar ist, nicht anwendbar sei, weil sie nicht als ein Schritt in einem gestuften Verfahren ergehe, sondern für sich eigenständige Bedeutung habe. Sie sei gegenüber einer Untersuchungsanordnung ein „aliud“ (VG München, B.v. 29.11.2019 – M 5 E 19.3624 – juris, Rn. 44, B.v. 21.3.2022 – M 5 E 21.5809 – juris, Rn. 22).
26
Zwar ist im vorliegenden Fall vordergründig betrachtet ebenfalls eine isolierte Untersuchungsanordnung streitgegenständlich, weil gegen die Antragstellerin kein Zurruhesetzungsverfahren betrieben wird und bisher auch keine sonstigen, weitergehenden Maßnahmen von Seiten des Dienstherrn angestoßen wurden. Dennoch ist auf diesen Fall die Übertragung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt angezeigt, weil vorliegend die Feststellung des Gesundheitszustands nicht – wie in den Fällen, die das VG München zu entscheiden hatte – das abschließende Ziel ist, sondern die Feststellung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin lediglich einen Zwischenschritt zur Ergreifung geeigneter, weitergehender Maßnahmen darstellt. Der unmittelbare Dienstvorgesetzte der Antragstellerin hat bereits in seinem Schreiben vom 16.03.2023 an das StMUK mit der Bitte um Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung explizit als Ziele der anzuordnenden Untersuchung genannt, festzustellen, ob die Antragstellerin zum Untersuchungszeitpunkt aus ärztlicher Sicht dienstunfähig erkrankt sei und, wenn ja, bis wann mit ihrer Rückkehr in den Dienst zu rechnen sei, und ob gegebenenfalls die Notwendigkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung oder einer Reduzierung der Arbeitszeit bestehe.
27
Die amtsärztliche Untersuchung stellt im vorliegenden Fall daher lediglich einen ersten Schritt zur Beantwortung der Frage dar, welche weiteren Maßnahmen von Seiten des Dienstherrn der Antragstellerin gegenüber sachgerecht sind. Da bislang der Dienstherr – zugunsten der Antragstellerin – nicht vom Vorliegen einer endgültigen Dienstunfähigkeit ausgeht, sondern vielmehr der Annahme ist, dass eine Wiederherstellung der vollen dienstlichen Leistungsfähigkeit möglich ist, hat er konsequent bisher auch kein Zurruhesetzungsverfahren angestrengt. Anders als in den Fällen, die den Entscheidungen des VG München zugrunde lagen, geht der Antragsgegner auch nicht umgekehrt schon sicher vom Vorliegen der uneingeschränkten Dienstfähigkeit aus. Den bisher von der Schulleitung dargestellten Leistungsausfällen der Antragstellerin lässt sich jedoch aus Sicht medizinischer Laien – für das Gericht nachvollziehbar – nicht ohne fachkundige Bewertung mit geeigneten Maßnahmen entgegenwirken. Daher stellt die amtsärztliche Untersuchung hier gerade keine finale und daher isoliert anfechtbare Maßnahme dar. Sie ist vorliegend im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts eine bloße behördliche Verfahrenshandlung i.S.d. § 44 a S. 1 VwGO, konkret eine behördliche Handlung, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht bzw. der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient.
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Somit ist im streitgegenständlichen Fall die Aufforderung zur Untersuchung lediglich ein erster Schritt in einem gestuften Verfahren im Sinne der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die isolierte Anfechtbarkeit für die vorliegende Konstellation zu verneinen, erfüllt auch hier den Sinn und Zweck des § 44 a VwGO, dass eine verfahrensabschließende Entscheidung nicht durch Zeit und Verwaltungsaufwand beanspruchende gerichtliche Auseinandersetzungen über den vorgelagerten Verfahrensschritt verzögert wird.
29
Der Antragstellerin drohen mit der Hinnahme der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung schließlich keine dem Gericht erkennbaren unzumutbaren Nachteile, die eine ausnahmsweise Annahme der isolierten Anfechtbarkeit gebieten würden.
30
Der Antrag war daher abzulehnen.
31
2. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).