Titel:
Anspruch auf Umsetzung der familiengerichtlichen Entscheidung durch das Jugendamt, Anti-Aggressionskurs als Voraussetzung für den begleiteten Umgang
Normenketten:
SGB VIII § 18 Abs. 3 S. 3, S. 4
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Bei der Auslegung des Begriffs der „Eignung“ ist zu beachten, dass das Recht von Eltern auf Umgang mit ihren Kindern (und umgekehrt) einen hohen Rang hat.
Schlagworte:
Anspruch auf Umsetzung der familiengerichtlichen Entscheidung durch das Jugendamt, Anti-Aggressionskurs als Voraussetzung für den begleiteten Umgang
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33785
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zum 31. März 2024 Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts zu erteilen in Gestalt der Gewährung einer Umgangsbegleitung für die nach Maßgabe der familiengerichtlichen Regelung durchzuführenden Kontakte des Antragstellers zu seinen Kindern A und B, in begleiteter Form alle acht Wochen montags von 09:00 Uhr bis 11:00 Uhr (somit für drei Umgangsbegleitungen). Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, je zur Hälfte.
Gründe
1
Der Antragsteller (Herr …; geb. …*) ist Vater der Kinder A (geb. …*) und B (geb. …*). Kindsmutter der beiden Kinder ist Frau … (geb. …*). Diese ist zudem Mutter von C (geb. …*), deren leiblicher Vater eine dritte Person ist. Der Antragsteller und die Kindsmutter sind seit dem … verheiratet.
2
Das ältere Kind C ist, nachdem es zuvor schon einmal in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht war und dann vorübergehend zur Kindesmutter und dem Antragsgegner zurückgekehrt ist, seit August 2020 durchgängig in einer Wohngruppe untergebracht und hat Umgang mit der Kindsmutter und den beiden jüngeren Halbgeschwistern.
3
Die beiden Kinder A und B wurden am 2. Februar 2021 erstmals durch die Antragsgegnerin in Obhut genommen und zusammen mit der Kindsmutter in einem Frauenhaus untergebracht. Ausweislich einer Telefonnotiz vom 30. März 2021 verließ die Kindsmutter an jenem Tag zusammen mit den Kindern das Frauenhaus, brachte die Kinder bei einer Bekannten in einer Obdachlosenunterkunft unter und begab sich zum Antragsteller. Zur Obdachlosenunterkunft vermerkt die Telefonnotiz vom 30. März 2021, dass diese für Kinder ungeeignet sei.
4
Auf der Grundlage eines auf den 30. März 2021 datierenden Bescheids der Antragsgegnerin wurden die Kinder von jenem Tag an bis auf Weiteres ohne die Eltern untergebracht. Mit Bescheid vom 10. Mai 2021 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und Kindsvater der beiden Kinder A und B begleiteten Umgang mit den Kindern. Der Umgang sollte alle 14 Tage für eine Dauer von zwei Stunden stattfinden.
5
Auf der Basis dieses Bescheids fand am 17. Mai 2021 ein erster begleiteter Umgang des Antragstellers und seiner Frau mit den Kindern, die im damaligen Zeitpunkt anderweitig untergebracht waren, statt. Im Nachweis über die Fachleistungsstunden zu diesem Termin ist vermerkt: „Erster begleiteter Umgang der Familie … mit ihren Kindern. […] Eltern hatten einen guten Umgang mit den Kindern. […] KV [Anm.: Kindsvater] hat sich viel mit der 2jährigen Tochter beschäftigt. B hat die meiste Zeit geschlafen. […].“
6
Ein zweiter begleiteter Umgang fand am 7. Juni 2021 statt. Im zugehörigen Nachweis über Fachleistungsstunden ist zu diesem Termin dokumentiert: „[…] Die Eltern zeigten eine[n] guten Umgang mit den Kindern. […].“
7
Ein dritter begleiteter Umgang erfolgte am 17. Juni 2021. Hierzu ist im Nachweis über Fachleistungsstunden festgehalten: „[…] Die Pflegemutter erwähnt, dass B leicht kränklich ist. Wenn möglich sollen die Eltern zum Kinderarzt. Während des Umgangs gingen die Eltern mit den Kindern zum Kinderarzt. Die Eltern gingen sehr verantwortungsvollen [sic!] und haben diese Aufgabe gern übernommen. […].“
8
Auf der Basis eines auf den 15. Juli 2021 datierenden Bescheids der Antragsgegnerin wurden die Kinder ab dem 12. Juli 2021 zusammen mit der Mutter in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht, wo sie auch begleiteten Umgang mit dem Antragsteller hatten.
9
Am 31. August 2021 waren die Kinder zusammen mit der Kindsmutter in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht und es fand dort ein begleiteter Umgang des Vaters mit der Familie statt. Laut einer Mitteilung der Antragsgegnerin an das Amtsgericht … (Abteilung für Familiensachen) vom 2. September 2021 im Verfahren … habe die Bezugsbetreuerin der Mutter-Kind-Einrichtung zu dem Besuch mitgeteilt: „Der Besuch verlief positiv.“
10
In der Niederschrift zum Hilfeplangespräch vom 22. September 2021 wird zu einem begleiteten Umgang vom 4. September 2021 vermerkt: „Am 04.09.2021 kam anlässlich B´s Geburtstag Herr … dazu. Die Familiensituation wurde positiv wahrgenommen.“
11
Mit E-Mail vom 8. September 2021 teilte die Leitung der Mutter-Kind-Einrichtung der Antragsgegnerin mit: „Bezüglich der letzten Besuche des Herrn … ist nur Positives zu berichten. […] Bei beiden Besuchen stellten wir fest, wenn Herr … anwesend ist, funktioniert die gesamte Familie sehr gut. Der Tag wird geplant und es wird viel gemeinsam gespielt. Wir erleben Herrn … als zugewandten Moderator der Familie. […].“
12
In den Zusammenhang zu einem begleiteten Umgang mit dem Antragsteller, dessen Datum nicht dokumentiert ist, ist folgende Mitteilung der Mutter-Kind-Einrichtung zu stellen, welche in der Niederschrift zum Hilfeplangespräch vom 22. September 2021 dokumentiert ist: „Weniger angenehm verlief ein Telefonat kurz vor Ankunft des Herrn … in unserer Einrichtung. Er war der Meinung, es stehe ihm zu, in unserer Einrichtung übernachten zu dürfen, weil C nur von Freitag zu Samstag bei uns übernachten durfte. Dies lehnte ich ab. Daraufhin wolle er mir einreden bzw. forderte er, ich habe einen Bericht für seinen Anwalt zu verfassen, mit einer Stellungnahme bzw. Begründung für meine Ablehnung. Sehr eindrücklich versuchte er mich immer wieder zu überzeugen, ich hätte das zu tun. Der letzte Satz lautete dann: „Na, ich bin ja in wenigen Minuten da!“ Es war mir dann nach seiner Ankunft möglich, mit ihm ein vernünftiges Gespräch zu führen.“ Die Verfasserin der Niederschrift hält dazu weiterhin fest, die Betreuerin der Mutter-Kind-Einrichtung habe ihr gegenüber in einem Austauschgespräch erklärt, dass sie die Äußerungen des Antragstellers für sich als bedrohend wahrgenommen hätte. Herr … wäre in dem Telefonat laut und unhöflich gewesen. Die Betreuerin hätte den Antragsteller von einer Sekunde auf die andere als sehr ungehalten erlebt. Bis dahin hätte die Betreuerin den Kindsvater freundlich erlebt. In dem Telefonat hätte sie ihn aber „von einer Sekunde auf die andere“ ungehalten und sehr aufbrausend erlebt.
13
Seit dem 19. Oktober 2021 sind die Kinder A und B durchgängig wieder ohne die Eltern in einer Wohngruppe fremduntergebracht. Die beiden Kinder haben gegenwärtig regelmäßigen Umgang mit ihrer Mutter und der älteren Halbschwester. Seitdem hatte der Antragsteller keinen Umgang mehr mit den Kindern.
14
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht … – Familiengericht – klagte der Kindsvater wegen seines Umgangsrechts. Im familiengerichtlichen Verfahren wurde ein auf den 26. August 2022 datierendes Gutachten erstellt, welches die Frage betrifft, ob ein Verbleib der Kinder im Haushalt der Eltern das Wohl der Kinder gefährdet. Daneben erstellte dieselbe Sachverständige im Auftrag des Familiengerichts eine ebenfalls auf den 26. August 2022 datierende Stellungnahme zur Frage, wie ein Umgang des Kindsvaters mit den Kindern geregelt werden könnte. Das Familiengericht entschied am … Januar 2023 (Az.: …*) in erster Instanz: „Der Umgang des Antragstellers mit den Kindern B […] und A […] wird wie folgt geregelt: in begleiteter Form alle 8 Wochen montags 09:00 Uhr bis 11:00 Uhr […]; der Umgang ist durch eine vom Jugendamt zu benennende Fachkraft zu begleiten; der Umgang findet zeitgleich mit dem begleiteten Umgang der Kindsmutter […] statt; […].“
15
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts erhob die Antragsgegnerin Rechtsmittel zum Oberlandesgericht …, welches mit Beschluss vom … August 2023 (Az. …*) entschied: „Das Beschwerdeverfahren wird […] ausgesetzt.“ In den Gründen führt das OLG … aus, dass die Entscheidung des Familiengerichts betreffend die eigentliche Regelung zum begleiteten Umgang Bestand haben dürfte. Weiterhin ist den Gründen zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin in Teilen zu Recht Beschwerde gegen die Anordnung der Umgangsbegleitung durch das Jugendamt führe, denn dem Familiengericht fehle eine solche Anordnungskompetenz. Vielmehr habe das Gericht einen Dritten zu finden, der freiwillig die Begleitung übernimmt. Der erkennende Senat selbst habe sich vergeblich um einen Umgangsbegleiter bemüht. Als denkbare Gründe für das Scheitern der gerichtlichen Bemühungen vermute das Gericht, dass die im Raum … denkbaren freien Träger vom Jugendamt der Antragsgegnerin wirtschaftlich abhängig seien. Aus den Gründen: „Ein weiterer Grund mag der Umstand sein, dass das Stadtjugendamt … davon ausgeht, ein begleiteter Umgang des Vaters mit seinen Kindern dürfe nicht stattfinden, weil dadurch das Wohl der Kinder gefährdet wäre. In den Akten finden sich für diese Annahme allerdings wenig Anhaltspunkte. Vielmehr ist es so, dass die Anbahnung des Kontakts des Vaters mit seinen Kindern im Weg des begleiteten Umgangs von der vom Familiengericht beauftragten Sachverständigen in ihrer Stellungnahme vom 26. August 2022 angeregt wurde.“ Das OLG … setzte das Rechtsmittelverfahren aus, weil die Frage, ob die Antragsgegnerin die vom Antragsteller gewünschte Unterstützung beim Umgang mit seinen Kindern leisten muss, vom Verwaltungsgericht geklärt werden müsse.
16
Schon vor der Entscheidung des OLG … vom … August 2023 hatte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 26. Januar 2023 zunächst direkt an die Antragsgegnerin gewandt und um Hilfestellung bei der Realisierung des Umgangs mit seinen Kindern gebeten. Da über den Antrag durch die Antragsgegnerin noch nicht entschieden worden war, erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 27. Juni 2023, das dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth noch am selben Tag zugegangen ist, Klage. Mit Schreiben vom 17. Juli 2023, das dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth ebenfalls am selben Tag zugegangen ist, stellte der Antragsteller einen Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Regelung.
17
Mit Bescheid vom 24. Juli 2023 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass (Ziffer 1) die Antragsgegnerin dem Antragsteller Beratung bei der Ausübung des Umgangsrechts gewähren würde, aber (Ziffer 2) sein Antrag auf Unterstützung in Form von Begleitung des Umgangs abgelehnt würde.
18
Auf Nachfrage des Gerichts vom 4. August 2023, ob sich durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2023 sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erledigt habe, teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. August 2023 mit, dass er an seinem Antrag festhalte. Der mit Schreiben vom 17. Juli 2023 gestellte Antrag lautet:
19
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger Unterstützung bei der Anbahnung des Umgangs unter Begleitung des Umgangs mit seinen Kindern B, geboren am …, und A, geboren am …, gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII zu bewilligen.
20
Mit der Antragserwiderung vom 24. Juli 2023 beantragte die Antragsgegnerin:
21
Der Antrag wird kostenpflichtig abgewiesen.
22
Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass der Antragsteller die Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin verweigere und zu aggressivem Verhalten neigen würde. Der Antragsteller unterliege einer fehlenden Impulskontrolle. Ein Anti-Aggressions-Training habe der Antragsteller nach Kenntnis der Antragsgegnerin nur begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Gegenüber Mitarbeitern der Antragsgegnerin, Mitarbeitern verschiedener Träger und gegenüber Polizeibeamten sei der Antragsteller impulsiv, aggressiv und drohend aufgetreten.
23
Die Entscheidung des Familiengerichts zum Umgangsrecht sei für die Antragsgegnerin unverbindlich, weil das Jugendamt aufgrund seiner eigenen fachlichen Expertise über seine Mitwirkung beim Umgang entscheide. Für die Begleitung von Umgangskontakten sei erforderlich, dass der Antragsteller eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin ermöglicht. Der Antragsteller habe sich aber gegenüber den Mitarbeitern aggressiv und impulsiv verhalten. Auch sei der Antragsteller nicht fähig, sich gegenüber seinen Kindern angemessen zu verhalten. Der Antragsteller sei nicht bereit, an seinem Verhalten zu arbeiten.
24
Die Antragsgegnerin teilte wiederholt und zuletzt mit Schreiben vom 24. August 2023 mit, dass es von Ihrer Seite aus denkbar wäre, dass sie den Antragsteller bei der Herstellung des direkten Umgangs unterstützt, wenn der Antragsteller mit einem Anti-Aggressionskurs zumindest erneut beginnt.
25
Auf Nachfrage des Gerichts vom 4. August 2023, ob der Antragsteller an einem Anti-Aggressionskurs teilnehme oder zumindest eine Teilnahme erwäge, teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 10. August 2023 mit, dass der Antragsteller derzeit nicht an einem solchen Kurs teilnehme und auch nicht erwäge, an einem solchen teilzunehmen.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
27
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers wird gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass er im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, den begleiteten Umgang des Antragstellers mit seinen Kindern einzurichten.
28
Der so verstandene Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
29
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund), dass dem Hilfesuchenden mit Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die begehrte Regelung zusteht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
30
2. a) Dabei entspricht es dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der jeweilige Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3/13 – juris Rn. 5 ff. m. w. N.).
31
b) Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. ein hoher Erfolg für die Wahrscheinlichkeit des Anspruchs auf Gewährung einer Umgangsbegleitung nach Maßgabe der familiengerichtlichen Regelung, ist vorliegend offen (Ausführungen unter aa), die Folgenabwägung durch das Gericht kommt aber dennoch zum Ergebnis, dass dem Antragsteller auf Grund des hohen Schutzgutes (Recht auf Umgang mit dem Kind aus Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention) in einem eng begrenzten Umfang nur bis zum 31. März 2024 (also ab Zustellung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach Maßgabe des Beschlusses des Amtsgerichts … – Familiengericht – vom … Januar 2023 (Az.: …*) dreimal) zu gewähren ist (Ausführungen unter bb). Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen.
32
aa) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Nach Satz 3 der Regelung haben u. a. Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Die Regelung aus § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII vermittelt dem Umgang beanspruchenden Elternteil ein verwaltungsgerichtlich einklagbares subjektives Recht gegen den staatlichen Träger der Jugendhilfe auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts, welches nötigenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden kann (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15 – juris Rn. 6; OVG Münster, B. v. 28.12.2016 – 12 B 1336/16 – juris Rn. 6). Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII soll das Jugendamt bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen vermitteln und in geeigneten Fällen Hilfestellung leisten.
33
Die Vorschriften des § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII dienen jedoch nicht der Verschaffung eines Umgangsrechts, sondern nur der Unterstützung und Hilfestellung durch den Jugendhilfeträger bei der Ausübung eines bestehenden Umgangsrechts bzw. bei der Ausführung vereinbarter oder gerichtlicher Umgangsregelungen. Ein unmittelbarer Anspruch auf Verschaffung des Umgangs mit einem Kind folgt allein aus der familienrechtlichen Vorschrift des § 1684 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 4 BGB. Über dessen Bestehen und Umfang trifft jedoch nicht der Jugendhilfeträger, sondern gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allein das Familiengericht eine Entscheidung, sofern keine einvernehmliche Regelung über die Ausübung des Umgangsrechts erzielt werden kann (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.04.2016 – 1 B 28/16 – BeckRS 2017, 110894 Rn. 24). Doch steht dem Familiengericht gegenüber den Trägern der Jugendhilfe keine Anordnungskompetenz zur Begleitung von Umgängen zu (vgl. OVG Münster B.v. 15.12.2021 – 12 B 1551/21, BeckRS 2021, 43133). Jedoch steht dem umgangsberechtigten Elternteil unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII ein verwaltungsgerichtlich einklagbares subjektives Recht gegen den staatlichen Träger der Jugendhilfe auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts zu (vgl. OVG NW, B. v. 15.12.2021 – 12 B 1551/21 – juris Rn. 12 ff.).
34
Im hier zu entscheidenden Fall hat das Amtsgericht … – Familiengericht – eine Umgangsregelung getroffen, die wegen eines Rechtsmittels der Antragsgegnerin noch nicht rechtskräftig geworden ist. In einer Zwischenentscheidung hat das in jenem Verfahren erkennende Oberlandesgericht … angedeutet, dass die erstinstanzliche Umgangsregelung in ihrem Kern Bestand haben dürfte.
35
bb) Die Verpflichtung zur Mitwirkung des Jugendhilfeträgers besteht gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII „in geeigneten Fällen“ als „Soll-Vorschrift“. Das Wesen einer „Soll-Vorschrift“ bedeutet, dass dem Jugendamt bei Vorliegen eines geeigneten Falls nur in Ausnahmefällen ein engumgrenzter Ermessensspielraum zur Verweigerung der Leistung zusteht (vgl. VG Aachen, B.v. 7.9.2016 – 1 L 351/16 – juris Rn. 11; VG Würzburg, B.v. 21.11.2018 – W 3 E 18.1262 – juris Rn. 43). Dies entspricht im Übrigen auch der allgemeinen Systematik bei sog. Soll-Vorschriften: Die Entscheidung ist im Regelfall vorgegeben, lediglich in atypischen Fällen kann hiervon abgewichen werden (vgl. VG Gera; U.v. 23.2.2021 – 6 K 330/20 – juris Rn. 63; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 138 ff.). Dies bedeutet im Ergebnis, dass in geeigneten Fällen bei der Ausführung gerichtlicher Umgangsregelungen Hilfe geleistet werden muss, es sei denn, eine atypische Konstellation liegt vor.
36
Die Entscheidung, ob ein Fall geeignet ist oder ob darüber hinaus ein atypischer Fall vorliegt, trifft der Jugendhilfeträger aufgrund eigener Sachentscheidungskompetenz. Eine Schutzlücke besteht für den Betroffenen daher aber nicht, weil das Handeln der Jugendämter durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden kann (vgl. BVerfG B.v.29.7.2015 – 1 BvR 1468/15 – Rn. 6; BGH B.v. 9.6.2021 – XII ZB 513/20 – Rn. 18).
37
Vorliegend kam die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass wegen des hohen Aggressionspotentials des Antragstellers kein geeigneter Fall vorläge.
38
Die Eignung eines Falles für eine Hilfestellung durch das Jugendamt ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. OVG NRW, B.v. 22.02.2017 – 12 E 780/16 – juris Rn. 4, B.v. 28.12.2016 – 12 B 1336/16 – juris Rn. 13; B.v. 20.12.2016 – 12 B 1262/16 – juris Rn. 13; OVG Saarland, B.v.4.8.2014 – 1 B 283/14 – juris Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.04.2012 – OVG 6 S 12.12 – juris Rn. 8).
39
Ob ein Fall geeignet ist, ist anhand einer Einzelfallbeurteilung zu bestimmen. Bei der Auslegung des Begriffs des geeigneten Falls ist im Ansatz davon auszugehen, dass das Recht von Eltern auf Umgang mit ihrem Kind (und umgekehrt), das in § 1684 BGB einfachgesetzlich geregelt ist, sowohl durch Art. 6 Abs. 2 GG grundrechtlich als auch durch internationales Recht (Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention) gewährleistet ist, ihm also ein sehr hoher Rang zukommt. Dem entspricht es, dass die Beschränkung oder gar der Ausschluss des elterlichen Umgangs mit dem Kind strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegt und einer vor dem hohen Rang der genannten Gewährleistungen standhaltenden Rechtfertigung bedarf. Richtschnur für die insoweit vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dabei das Kindeswohl, dem im Konfliktfall der Vorrang vor den Elterninteressen zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 28.12.2016 – 12 B 1336/16 – juris Rn. 20; OVG Saarl., B.v. 4.8.2014 – 1 B 283/14 – juris Rn. 20, 32, m.w.N.).
40
Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.2012 – 1 BvR 335/12 – juris Rn. 23, 25, B.v. 26.9.2006 – 1 BvR 1827/06 – juris Rn. 12, und B.v. 30.8.2005 – 1 BvR 776/05 – juris Rn. 8).
41
Ob das Kindswohl gefährdet ist, wenn der Umgang wie in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts … – Familiengericht – stattfindet, kann das hier erkennende Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes noch nicht abschließend entscheiden. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass der Umgang der Kinder mit dem Antragsteller ein Risiko der Kindswohlgefährdung in sich trägt, weil der Antragsteller, wie die Sachverständige im familiengerichtlichen Verfahren in ihrem Gutachten vom 26. August 2022 detailliert geschildert hat, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hat, er über eine geringe Frustrationstoleranz verfügt und er eine ausgeprägte Neigung zu Impulsivität sowie eine niedrige Schwelle für aggressives Verhalten hat. Das impulsive und aggressive Verhalten offenbarte sich bereits wiederholt gegenüber Mitarbeitern der Antragsgegnerin und Mitarbeitern von Jugendhilfeeinrichtungen und auch gegenüber der Polizei. Dies spricht dafür, dass jeder persönliche Umgang des Antragstellers mit seinen Kindern grundsätzlich das Risiko in sich birgt, dass das Kindswohl gefährdet werden könnte, weil der Antragsteller impulsiv und aggressiv gegenüber den Kindern oder anderen anwesenden Personen werden könnte. Ausdrücklich hat die Sachverständige in Ihrem Gutachten vom 26. August 2022 darauf hingewiesen, dass in Belastungs- und Stresssituationen eine potentielle Gefahr körperlicher Übergriffe auf die Kinder besteht, wobei nach Auffassung der Sachverständigen auch grenzaustestendes Verhalten der Kinder (z.B. in der Trotzphase) Auslöser eines solchen Verhaltens sein könnten. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller keine Einsicht in seine schwierigen Verhaltensweisen zeigt und auch nicht willens ist, an diesen zu arbeiten. Auf die jüngste Nachfrage des Gerichts vom 4. August 2023, ob die Teilnahme an einem Anti-Aggressionskurs zumindest angedacht sei, wurde mitgeteilt, dass dies für den Antragsteller derzeit nicht in Betracht käme. Im Übrigen wurden die Kinder durch das Jugendamt der Antragsgegnerin in Obhut genommen, weil es zumindest einen sehr konkreten Verdacht der häuslichen Gewalt gegenüber den Eltern der Kinder gab.
42
Andererseits handelt es sich bei dem Recht der Eltern und Kinder auf den Umgang miteinander um ein hohes Rechtsgut, dessen Einschränkung durch staatliche Stellen einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Weiterhin ist zu bedenken, dass das Amtsgericht … – Familiengericht –, das für die Entscheidung des Umgangsrechts der Eltern mit den Kindern alleine zuständig ist, in seiner bislang noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vom … Januar 2023 (Az. …*) ausgesprochen hat, dass dem Antragsteller das Umgangsrecht mit seinen Kindern grundsätzlich zusteht. Und auch wenn diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, so ist den Gründen der Zwischenentscheidung des Oberlandesgerichts … vom … August 2023 (Az.: …*) zu entnehmen, dass die Anordnung des Umgangs voraussichtlich Bestand haben wird. In den Entscheidungsgründen stellt das Oberlandesgericht … weiterhin fest, dass es nach Aktenlage wenig Anhaltspunkte für eine Kindswohlgefährdung durch den begleiteten Umgang mit dem Antragsteller sieht.
43
Das Amtsgericht … und das Oberlandesgericht stützen sich dabei auf die Gutachten vom 26. August 2022 betreffend die Unterbringung der Kinder und eine Stellungnahme derselben Sachverständigen betreffend den Umgang der Kinder mit ihren Eltern, das ebenfalls auf den 26. August 2022 datiert. In beiden Dokumenten hat sich die Sachverständige nicht grundsätzlich gegen einen Umgang des Kindsvaters mit den Kindern ausgesprochen. Vielmehr hat sie vor dem Hintergrund der schwierigen Persönlichkeit des Antragstellers in ihrer Stellungnahme vom 26. August 2022 auf Seite 5 und 6 Empfehlungen für die Ausgestaltung des Umgangs zwischen dem Antragsteller / Kindsvater und den Kindern formuliert. Den Ausführungen in der Stellungnahme ist zu entnehmen, dass sie zwar auch Risiken für das Kindswohl sieht, aber ganz offensichtlich die Auffassung vertritt, dass sich diese Risiken durch die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen beherrschen lassen. Und auch wenn die Sachverständige in ihrem Gutachten zur Rückführung der Kinder zu ihren Eltern die Teilnahme an einem Anti-Aggressionskurs als Voraussetzung für die Rückführung vorschlägt, so wird die Teilnahme an einem solchen Kurs in der Stellungnahme zur Frage des Umgangs nicht als Voraussetzung für den begleiteten Umgang benannt.
44
Weiterhin ist zu beachten, dass die bisherigen begleiteten Umgänge nach Aktenlage ausschließlich positiv verlaufen sind: Zum ersten Umgang vom 17. Mai 2021 ist festgehalten: „Eltern hatten einen guten Umgang mit den Kindern.“ Zum zweiten Umgang am 7. Juni 2021 wurde vermerkt: „Die Eltern zeigten eine[n] guten Umgang mit den Kindern.“ Auch beim nächsten Umgang am 17. Juni 2021 hätten sich die Eltern verantwortungsvoll verhalten. Zum Umgang vom 31. August 2021, welcher der erste Umgang ist, bei dem die Kindesmutter und die Kinder in der Eltern-Kind-Einrichtung untergebracht waren und ausschließlich der Antragsteller als Kindsvater hinzukam, teilte die Bezugsbetreuerin mit: „Der Besuch verlief positiv.“ Der nächste Besuch fand am 4. September statt und hierzu ist vermerkt: „Die Familiensituation wurde positiv wahrgenommen.“ In einer Zusammenfassung vom 8. September 2021 teilte die Leitung der Mutter-Kind-Einrichtung der Antragsgegnerin mit: „Bezüglich der letzten Besuche des Herrn … ist nur Positives zu berichten. Schon beim ersten Besuch erlebten wir große Freude, als ihr Papa kam. […] Bei beiden Besuchen stellten wir fest, wenn Herr … anwesend ist, funktioniert die gesamte Familie sehr gut. Der Tag wird geplant und es wird viel gemeinsam gespielt. Wir erleben Herrn … als zugewandten Moderator der Familie. […].“ Wie sich der Antragsteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt verhalten würde, lässt sich nicht beurteilen, da der letzte Umgang am 4. September 2021 stattfand.
45
Soweit es im Zusammenhang mit einem der beiden letztgenannten Besuche ausweislich der Niederschrift zum Hilfeplangespräch vom 22. September 2021 zu einem für das Personal der Mutter-Kind-Einrichtung unangenehmen Telefonat kam, in dessen Verlauf der Antragsteller als bedrohend wahrgenommen wurde, ist dazu vermerkt, dass der Antragsteller ein paar Minuten später im persönlichen Gespräch einem vernünftigen Gespräch zugänglich war, so dass dieses einzelne Ereignis zwar die bereits oben geschilderten negativen Persönlichkeitsmerkmale des Antragstellers aufzeigt, aber eine Kindeswohlgefährdung durch den persönlichen Umgang des Antragstellers mit seinen Kindern nicht wahrscheinlicher macht, denn die Kinder waren zu keinem Zeitpunkt der Situation zugegen.
46
Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der Antragsteller am 6. Juni 2023 an die behördlichen Vorgaben, die einem direkten Umgang mit den Kindern entgegenstehen, gehalten hat, als er an jenem Tag die Kindsmutter zu deren Umgang begleitet hat.
47
Jenseits der Gefährdung des Kindswohls werden Fälle auch dann als „nicht geeignet“ angesehen, wenn ein Umgangsberechtigter jede Kooperationsbereitschaft vermissen lässt (vgl. VG Minden, B.v. 10.9.2021 – 6 L 501/21). Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass der Antragsteller nicht mit ihr kooperiere, weil er nicht willens ist, an einem Anti-Aggressionskurs teilzunehmen, mag dies für das Hauptsacheverfahren Relevanz haben. Für die Anbahnung des Umgangs im vom Gericht angeordneten geringen Umfang ergibt sich aber nicht, dass ein Anti-Aggressionskurs schon begonnen sein muss. Auch die Antragstellerin ließ es zuletzt mit Schreiben vom 24. August 2023 genügen, dass der Antragsteller den Kurs nur beginnt. Das Sachverständigengutachten vom 26. August 2022 hält einen Anti-Aggressionskurs für dringend erforderlich, damit die Rückführung der Kinder in die Obhut der Eltern gelingen kann, doch sieht die Sachverständige einen solchen ausweislich ihrer Stellungnahme vom 26. August 2022 nicht als Voraussetzung für den Beginn des begleiteten Umgangs an.
48
Der Fall kann auch nicht deshalb als „nicht geeignet“ angesehen werden, weil den Mitarbeitern der Antragsgegnerin die Zusammenarbeit mit dem Antragsteller aufgrund dessen Persönlichkeit unzumutbar wäre. Die Gutachterin führt auf Seite 182 und 184 des Gutachtens vom 26. August 2022 aus, dass der Antragsteller eine Tendenz zu impulsivem Reagieren bei Stress zeige, was sich u.a. kontraproduktiv auf die Zusammenarbeit mit Institutionen auswirke und dass sich dies auch schon bei verschiedenen Situationen mit dem Jugendamt gezeigt habe. Im Bescheid vom 24. Juli 2023 werden seit der Inobhutnahme neben der oben gewürdigten Auseinandersetzung im Telefonat mit der Mutter-Kind-Betreuerin drei weitere Situationen geschildert: eine heftige Diskussion mit Polizeibeamten und Mitarbeiterin im Kontext einer Inobhutnahme der Kinder A und B, eine heftige Diskussion vor dem Hilfeplangespräch der Stieftochter C und eine heftige Diskussion zum Hilfeplangespräch am 22. September 2021 im Jugendamt der Antragsgegnerin. Mögen diese Vorfälle die Arbeit seitens der Antragsgegnerin erschweren, so ist jedenfalls in Zusammenschau mit dem Gutachten bislang nicht ausreichend dokumentiert, dass das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit so zu interpretieren ist, dass ein Umgang mangels Kooperationsbereitschaft grundsätzlich auszuschließen wäre, zumal auch die Gutachterin trotz Kenntnis dieser Sachlage davon ausgeht, dass ein Umgang stattfinden sollte. Im Übrigen ist es nicht notwendig, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin die Umgänge begleiten. Vielmehr ist es auch gut denkbar, dass Mitarbeiter eines externen Trägers die Umgänge begleiten. Auf Seite 130 des Gutachtens ist beispielsweise ausgeführt, dass sich Herr …, ein Trainer der „Fachstelle für Täter*innenarbeit Häusliche Gewalt …“ des Vereins … e.V. in … vorstellen könnte, dass eine Begleitung von Umgängen mit den Kindern über den Verein „… e.V.“ möglich wäre.
49
Die auf der Basis der bisherigen begleiteten Umgänge zu erstellende Prognose spricht insgesamt dafür, dass es trotz der schwierigen Persönlichkeit des Antragstellers im Rahmen eines begleitenden Umgangs nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit zu einer Gefährdung des Kindswohls kommen wird. Diesem geringen Risiko steht der hohe Stellenwert, den das Umgangsrecht der Kinder mit ihren Eltern und umgekehrt rechtlich hat, gegenüber, weswegen die Kammer im Wege der Folgenabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass dem Antragsteller im tenorierten Umfang drei Umgangsbegleitungen zu gewähren sind.
50
Da die letzten begleiteten Umgänge schon vor langer Zeit stattfanden, ausreichende Einschätzungen für das Verhalten des Antragstellers gegenwärtig nach Aktenlage nicht vorhanden sind und der Antragsteller bislang nicht erklärt hat, das Angebot der „Fachstelle für Täter*innenarbeit häusliche Gewalt“ wahrzunehmen, beschränkt die Kammer die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ausgesprochene Verpflichtung auf drei Umgangsbegleitungen. Auch von Seiten der Kammer wird die fehlende Bereitschaft des Antragstellers, an einem Anti-Aggressionskurs teilzunehmen kritisch gesehen. Das Verhalten des Antragstellers bei den begleiteten Umgängen und auch sein Verhalten gegenüber dem Jugendamt wird für das Hauptsacheverfahren von Bedeutung sein. Fraglich ist, ob er ohne Durchführung eines Anti-Aggressionskurses in der Lage sein wird, auch dem Jugendamt gegenüber ein angemessenes Verhalten zu zeigen.
51
In der Stellungnahme vom 26. August 2022 führt die Gutachterin aus, dass, sollten sich in Zusammenhang mit den Umgangskontakten Anzeichen für eine deutliche und nachhaltige Irritation der Kinder, Anzeichen für vor den Kindern ausgetragene Konflikte zwischen den Eltern oder in Bezug auf impulsiv-aggressive Verhaltensweisen des Kindsvaters (auch gegenüber anwesenden professionellen Fachkräften) ergeben, die Umgänge wieder auszusetzen sind.
52
Klargestellt wird insoweit, dass Umgangsbegleitung immer nur nach Maßgabe und im Umfang der familiengerichtlichen Regelung gewährt werden muss, vorliegende verwaltungsgerichtliche Entscheidung auch bei Änderung der Umgangsentscheidung durch das Familiengericht nicht selbständig Wirkung entfaltet (vgl. Ausführungen unter aa).
53
3. Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf Unterstützung beim Umgang gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VIII bezieht sich letztlich auf das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geregelte Recht auf Pflege und Erziehung der Kinder. Damit folgen die vom Antragsteller geltend gemachten Rechte aus einem grundrechtsrelevanten und schutzwürdigen Bereich. Die zu erwartenden Nachteile der Vater-Kind-Beziehung können im Falle eines Zuwartens bis zur Entscheidung der Hauptsache durchaus unumkehrbar und somit auch unzumutbar sein (VG Würzburg, B.v. 21.11.2018 – W 3 E 18.1262 – juris Rn. 35; OVG NRW, B.v. 27.6.2014 – 12 B 579/14 – juris Rn. 37; VG Aachen, B.v. 7.9.2016 – 1 L 351/16 – juris Rn. 18).
54
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Eine gleichmäßige Kostenverteilung ist wegen des nur teilweisen Obsiegens des Antragstellers und der Schwierigkeit, den Umfang des Obsiegens in seinem Wert näher zu bestimmen, sachgerecht.