Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 17.07.2023 – B 1 K 23.138
Titel:

Erfolglose Klage gegen Widerruf des kleinen Waffenscheins

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 45 Abs. 2 S. 1
StGB § 164 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund einer Verurteilung knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer strafrechtlich geahndeten Tat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Abweichen von der gesetzlichen Vermutung kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Munition und Waffen nicht gerechtfertigt sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem (tatbezogenen) Verhalten zum Ausdruck kommt. Die Vermutung kann daher grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht aufgefallen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen wurde ausdrücklich aufgegeben. Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nicht mehr vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt. Daher kann ein Ausnahmefall nicht damit begründet werden, dass die konkrete Straftat keinen Waffenbezug hatte. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung des Kleinen, Waffenscheins, Strafbefehlsverfahren, falsche Verdächtigung, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, strafrechtliche Verurteilung, Regelvermutung, Abweichen, tatbezogene Prüfung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33776

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt), mit dem der Kleine Waffenschein widerrufen wurde, sowie gegen begleitende Verfügungen.
2
Dem Kläger wurde am 27. Oktober 2016 ein Kleiner Waffenschein erteilt.
3
Mit seit 28. Juli 2021 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 19. Mai 2021 wurde der Kläger wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Dem Strafbefehl ist zu entnehmen, dass der Kläger am 20. Januar 2021 wider besseren Wissens in einer Anhörung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegenüber dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt angegeben hat, dass nicht er, sondern Herr A. C. den Pkw Daimler mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der Bundesautobahn 3, Fahrtrichtung Passau/Linz, Abschnitt 980 – km 6.896 geführt habe, um damit ein behördliches Ordnungswidrigkeitenverfahren oder eine andere behördliche Maßnahme gegen diese dritte Person herbeizuführen. Tatsächlich sei der Kläger der Fahrzeugführer gewesen, was er durch das übersandte Lichtbild erkannt habe.
4
Nach Anhörung widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 17. Januar 2023 den Kleinen Waffenschein (Nr. 1). Der Kleine Waffenschein sei unverzüglich, spätestens jedoch binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides an das Landratsamt zurückzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 2 werde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe des Kleinen Waffenscheins werde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR fällig (Nr. 4).
5
Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass der Kläger aufgrund der seit 28. Juli 2021 rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht … seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG verloren habe, weil er zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt worden sei. Diese Verurteilung liege noch keine fünf Jahre zurück. Das Landratsamt dürfe sich auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen und von deren Richtigkeit ausgehen. Im Hinblick auf das gesetzgeberische Anliegen, die Allgemeinheit vor einer missbräuchlichen Verwendung von Schusswaffen zu schützen, sei bei der Prüfung, ob eine Abweichung von der Regelvermutung vorliege, ein strenger Maßstab anzulegen. Besondere Umstände seien vorliegend nicht ersichtlich (wird näher ausgeführt). Es sei nicht von Bedeutung, dass dem Urteil keine waffenrechtliche Verfehlung zu Grunde gelegen habe. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Gewähr mehr für die Zuverlässigkeit biete. Ein behördliches Ermessen bestehe nicht. Die Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis stütze sich auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Dadurch solle verhindert werden, dass ungültig gewordene Erlaubnisdokumente im Rechtsverkehr missbräuchlich verwendet werden. Die Frist zur Rückgabe des Erlaubnisdokuments sei angemessen. Sodann erfolgten Ausführungen zum Sofortvollzug. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die gesetzte Frist sei unter Berücksichtigung der dem Kläger zu Gebote stehenden Möglichkeiten und Mittel angemessen. Dabei sei insbesondere das öffentliche Interesse an der Rückgabe ungültig gewordener waffenrechtlicher Erlaubnisse zu berücksichtigen. Die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG zu treffende Ermessensabwägung ergebe eindeutig einen Vorrang des öffentlichen Interesses an einer fristgemäßen Rückgabe des Kleinen Waffenscheins. Außerdem wurde die Kostenentscheidung nach Nr. 5 des Bescheids begründet.
6
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Februar 2023 ließ der Kläger gegen den am 20. Januar 2023 bekanntgegebenen Bescheid Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamts … vom 17. Oktober 2023 aufzuheben.
7
Die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen sei zutreffend. Es liege jedoch eine Ausnahme von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG vor. Das fragliche Verfahren vor dem Amtsgericht … fuße auf einem Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsübertretung. Der Geschwindigkeitsverstoß sei mit einem Fahrzeug begangen worden, das auch Mitarbeiter des selbstständig tätigen Klägers nutzten. Der Kläger betreibe einen Gebrauchtwagenhandel nebst Fahrzeugvermietung. Er sowie seine Mitarbeiter seien ständig beruflich unterwegs. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass ein Mitarbeiter den Geschwindigkeitsverstoß begangen habe und habe dies entsprechend im Anhörungsbogen angegeben. Dieses sorglose Verhalten habe der Kläger vor Gericht ohne Wenn und Aber eingesehen. Die Strafe liege mit 90 Tagessätzen nur 30 Tagessätze über der Grenze der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeitsvermutung. Der Kläger habe das Urteil akzeptiert, da er seine Verfehlung eingesehen habe. Diese Verfehlung sei von geringer krimineller Energie und nicht von bewusst kriminellem Handeln geprägt gewesen, sondern von niederschwellig ahndungswürdigem Verhalten im Tagesgeschäft seines Betriebs. Die Richtigkeit der Verurteilung werde nicht angezweifelt. Diese sei jedoch fernab jeder Berührung mit dem Waffengesetz, sodass eine Ausnahme im Sinn der Rechtsprechung anzunehmen sei.
8
Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Gebrauchtwagenhändler, der regelmäßig größere Geldbeträge vereinnahme, ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis habe (wird weiter ausgeführt). Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt gegen die Pflichten über die Aufbewahrung oder den Umgang mit seiner Waffe verstoßen. Es seien keine Gründe zu erkennen, warum dies in Zukunft, zumindest jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegenständlichen Verfahrens, anders sein sollte.
9
Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids gestellt (Az.: B 1 S 23.137), der mit Beschluss des Gerichts vom 3. März 2023 abgelehnt wurde.
10
Mit Schriftsatz vom 30. März 2023 beantragte das Landratsamt,
die Klage abzuweisen.
11
Der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG, weil er rechtskräftig seit 28. Juli 2021 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei. Die Anwendung des gesetzlichen Tatbestands erfordere keine Prüfung der Verwaltungsbehörde, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen habe. Das Landratsamt habe sich auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen und grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen dürfen. Die Prüfung des Landratsamts erstrecke sich lediglich darauf, ob das die Verurteilung begründende Verhalten in Verbindung mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertige oder ob aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise von der Regelvermutung abgewichen werden könne. Dabei sei im Hinblick auf das gesetzgeberische Anliegen, die Allgemeinheit vor einer missbräuchlichen Verwendung von Schusswaffen zu schützen, ein strenger Maßstab anzulegen. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen würden, seien vorliegend nicht ersichtlich. Es sei nicht von Bedeutung, dass dem Urteil keine waffenrechtliche Verfehlung zu Grunde gelegen habe. Der Kläger habe wider besseren Wissens einen Mitarbeiter als verantwortlichen Fahrzeugführer benannt, um damit ein behördliches Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen diesen herbeizuführen, obwohl er sich selbst auf dem übersandten Lichtbild zweifelsfrei erkannt habe. Es müsse im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Gewähr mehr für die Zuverlässigkeit biete, die für eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend erforderlich sei. Die gegen den Kläger verhängte Strafe von 90 Tagessätzen sei beachtlich höher als die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG genannte Strafe von 60 Tagessätzen, bei deren Vorliegen die Annahme der Regelvermutung greife. Seien die Tatbestandsmerkmale erfüllt, bestehe kein behördliches Ermessen.
12
Mit gerichtlichem Schreiben vom 3. April 2023 wurden die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
15
2. Die Klage des anwaltlich vertretenen Klägers gegen Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids (Sofortvollzug) ist nicht statthaft. Rechtsschutz gegen eine erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts richtet sich ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und ist nicht im Rahmen eines Klageverfahrens zu gewähren (vgl. hierzu Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 33 m.w.N.; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 43. EL, August 2022, Rn. 199 m.w.N.).
16
Im Übrigen hat die zulässige Klage in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts vom 17. Januar 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17
a. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist die entsprechende waffenrechtliche Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V. m. § 5 WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt wurden und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist der Erlass des Widerrufsbescheides (BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – NVwZ-RR 1995, 525). Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
18
Die Voraussetzungen für den Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG liegen hier vor.
19
Gegen den Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 19. Mai 2021, rechtskräftig seit 28. Juli 2021, eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen falscher Verdächtigung verhängt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Straftat durch Strafbefehl geahndet wurde, dem keine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist. Nach § 410 Abs. 3 StPO steht ein Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich, soweit ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird; waffenrechtlich gelten in dieser Beziehung keine Besonderheiten, da das Gesetz für die Regelvermutung keine bestimmte Art der Verurteilung verlangt (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris Rn. 30). Indem das Gesetz eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, will es sichern, dass die behördliche Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auf tragfähiger Grundlage erfolgt. Daraus folgt, dass sich die Behörde auch auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen darf. Sie darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (BVerwG B.v. 22.4.1992 – 1 B 61/92, BeckRS 1992, 31227444). Vorliegend ist hierfür nichts ersichtlich.
20
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund einer Verurteilung knüpft nicht an bestimmte Delikte an, sondern an das Vorliegen einer strafrechtlich geahndeten Tat und an die Art und Höhe der rechtkräftig verhängten Sanktion. Denn die Vermutungsregelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG zielt nicht lediglich darauf ab, Straftaten vorzubeugen, bei denen Waffen eingesetzt werden könnten. Vielmehr geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Begehung von Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung Schlüsse darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen ständig zu fordern ist und somit Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass gerade im Hinblick auf die durch § 5 WaffG geschützten Zwecke in der Person des Betroffenen Defizite vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2000 – 21 B 98.11 – juris Rn. 21).
21
Ein Abweichen von der gesetzlichen Vermutung kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Munition und Waffen nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem (tatbezogenen) Verhalten zum Ausdruck kommt. Die Vermutung kann daher grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht aufgefallen ist. Der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen wurde ausdrücklich aufgegeben. Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nicht mehr vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt (BT-Drucks. 14/7758 S. 128). Daher kann ein Ausnahmefall nicht damit begründet werden, dass die konkrete Straftat keinen Waffenbezug hatte (vgl. zum Ganzen BVerwG, B. v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5).
22
Die Verurteilung zu 90 Tagessätzen liegt erheblich über der maßgeblichen Grenze von 60 Tagessätzen. Von einem geringfügigen Überschreiten und damit einem im waffenrechtlichen Sinn weniger gewichtigen Tatvorwurf kann damit keine Rede sein. Die Festlegung im Gesetz auf 60 Tagessätze trägt der Tatsache Rechnung, dass in der Praxis der Gerichte 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellen, das einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt, so dass Bagatelltaten nicht erfasst werden (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, Rn. 40 zu § 5).
23
Zum Vorsatz ist im Strafbefehl ausgeführt, dass der Kläger bewusst eine andere Person im Anhörungsbogen angegeben hat, die die Geschwindigkeitsübertretung begangen haben soll, obwohl er sich selbst als Fahrzeugführer erkannt hatte. Durch diese falschen Angaben wollte er erreichen, dass er von einer Bestrafung verschont bleibt und stattdessen eine dritte Person zur Verantwortung gezogen wird. Dieses Verhalten ist keinesfalls atypisch für eine nach § 164 Abs. 1 StGB strafbare Handlung und es handelt sich auch ersichtlich nicht etwa um ein Bagatelldelikt. Der Kläger hat wider besseren Wissens gehandelt. Das klägerische Vorbringen, sein Verhalten sei von geringer krimineller Energie geprägt gewesen, überzeugt nicht. Denn er wollte die Ermittlungen von seiner Person als der tatsächlich verantwortlichen ablenken und die Behörden veranlassen, gegen eine dritte unschuldige Person zu ermitteln. Soweit der Kläger vortragen lässt, diese Angaben seien im Tagesgeschäft seines Betriebs erfolgt, wertet das Gericht dies als nachträgliche Schutzbehauptung aufgrund der Feststellungen im Strafbefehl, denn dort ist ausgeführt, dass für den Kläger das Lichtbild eindeutig erkennbar gewesen sei. Außerdem muss bei Angaben im Anhörungsbogen erwartet werden, dass angesichts der möglichen Folgen zuverlässige Angaben gemacht werden, unabhängig davon, ob dies im geschäftlichen oder privaten Umfeld geschieht. Wenn der Kläger diesbezüglich zum Ausdruck bringen will, dass ein derartiges Verhalten wegen beruflicher Belastung einen geringeren Unwertgehalt haben soll, spricht dies gerade gegen ihn, denn dies lässt auf ein sehr leichtfertiges Verhalten schließen. Eine dritte Person ungerechtfertigt zu belasten, ist nicht hinnehmbar und zeigt im Hinblick auf eine geforderte besondere Zuverlässigkeit als Waffenbesitzer Defizite in der Person auf. Auch im Übrigen ist nichts dafür dargetan, noch ersichtlich, dass die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass von der Zuverlässigkeit des Klägers ohne weiteres ausgegangen werden könnte.
24
Schließlich ist auch der Umstand, dass es vorliegend „nur“ um den Widerruf eines Kleinen Waffenscheins geht, nicht geeignet, einen anderen Maßstab an die Zuverlässigkeit anzulegen. Zwar mag von erlaubnisfreien Waffen eine tatsächlich geringere Gefährlichkeit ausgehen, jedoch ist aus der gesetzgeberischen Systematik nicht zu erkennen, dass beim Kleinen Waffenschein ein anderer Maßstab bezüglich der Zuverlässigkeitsprognose anzusetzen sein sollte als bei der Ausstellung einer Waffenbesitzkarte. Im Übrigen kann auch mit erlaubnisfreien Waffen eine entsprechende Drohkulisse aufgebaut werden; andere Personen können dadurch eingeschüchtert und bedroht werden.
25
Der Kläger ist daher aufgrund der seit 28. Juli 2021 rechtskräftigen Verurteilung wegen falscher Verdächtigung als waffenrechtlich nicht mehr zuverlässig zu betrachten. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist damit die waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ein behördliches Ermessen besteht nicht.
26
b. Die Abgabeverpflichtung für die waffenrechtliche Erlaubnisurkunde ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die im streitgegenständlichen Bescheid gesetzte Abgabefrist ist nicht zu beanstanden.
27
c. Die Zwangsgeldandrohung hält sich in dem von Art. 31 VwZVG vorgegebenen rechtlichen Rahmen. Das Landratsamt geht zutreffend von einer Ermessensentscheidung aus. Bei der Androhung eines Zwangsgelds steht der Behörde ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. Das angedrohte Zwangsgeld hält sich im unteren von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgegebenen Bereich (15 Euro bis 50.000 Euro). Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG soll das angedrohte Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder Unterlassung der Handlung hat, erreichen. Dieser soll keinen Vorteil aus dem Unterbleiben der Handlung erzielen dürfen. Zur Höhe des Zwangsgelds finden sich im Bescheid zwar allenfalls rudimentäre Ausführungen, ohne dass ausdrücklich auf ein bewertetes wirtschaftliches Interesse des Klägers eingegangen worden wäre. Jedoch sind bei einem Standardfall wie dem vorliegenden keine zugunsten des Klägers ersichtlichen außergewöhnlichen Umstände erkennbar, die – bei einem Ansetzen des Zwangsgelds im untersten Bereich – es zwingend angezeigt erscheinen lassen, ergänzend Ausführungen zur Höhe an sich zu machen – auch wenn dies wünschenswert wäre. Es entspricht in einem derartigen Fall pflichtgemäßem Ermessen, wenn sich die Behörde an üblichen Erkenntnissen orientiert (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris Rn. 23).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.