Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 21.11.2023 – B 7 K 23.35
Titel:

Rieselhilfe als Lebensmittelzusatzstoff

Normenketten:
Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008
Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008
Leitsätze:
1. Ein Lebensmittelzusatzstoff im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) 1333/2008 liegt auch dann vor, wenn ein für die Herstellung verwendeter Stoff keine technologische Funktion bezogen auf das Endprodukt hat. (Rn. 62 – 70) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein konkreter Stoff gleichzeitig ein Verarbeitungshilfsstoff im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) 1333/2008 und ein Lebensmittelzusatzstoff im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) 1333/2008, so führt dies dazu, dass der Stoff in seinen Rechtsfolgen einzig als Verarbeitungshilfsstoff zu behandeln ist. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein als sogenannte Rieselhilfe eingesetzter Stoff ist keine Verarbeitungshilfe im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) 1333/2008, wenn der Stoff nach der Verarbeitung in dem Lebensmittel im zugesetzten Umfang vorhanden bleibt. (Rn. 79 – 82) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslegung von Prozesserklärungen, Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Feststellungsinteresse, anderweitige Rechtshängigkeit, Rechtsschutzbedürfnis, Inverkehrbringungsverbot, ein zur Herstellung eines Nahrungsergänzungsmittels (Kapseln, Tabletten) zugesetzter Stoff als Rieselhilfe, Rieselhilfe als, Zur Auslegung und zum Verhältnis der Begriffe der Lebensmittelzusatzstoffe und der Verarbeitungshilfsstoffe, Kein Erfordernis einer technologischen Wirkung bezogen auf das Endprodukt als Bestandteil der Zusatzstoffdefinition, Erfordernis einer mengenmäßigen Reduktion des verwendeten Stoffes hinsichtlich des Merkmals der Rückstände, Spezialität des Tatbestandes der Verarbeitungshilfsstoffe gegenüber dem der Lebensmittelzusatzstoffe
Fundstelle:
GRUR-RS 2023, 33725

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das u.a. für verschiedene gewerbliche Kunden Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) ist die für die Klägerin zuständige Behörde für Kontroll- und Vollzugsaufgaben der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung.
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Anfang … – damals ausgehend vom … – und im … wurde die KBLV über das Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) darüber informiert, dass u.a. die Klägerin über zwei Firmen (Fa. …, … und Fa. …, …) die Produkte N., N. und N. des Herstellers Fa. … (…) erhalten hat. Den Meldungen waren Unterlagen beigefügt, aus denen sich eine fachbehördliche Einstufung der drei genannten Produkte als in der EU nicht zugelassene Zusatzstoffe (vgl. Art. 4 VO (EG) Nr. 1333/2008) ergab.
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Am 04.04.2022 nahm die KBLV mit der Klägerin Kontakt auf und bat um Rückmeldung zu verschiedenen Fragen. Die Klägerin vertrat daraufhin die Auffassung, dass sie die genannten Produkte der Fa. … in zulässiger Weise als Verarbeitungshilfsstoffe einsetze, von dem Einsatz nicht zugelassener Lebensmittelzusatzstoffe könne keine Rede sein.
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Mit E-Mail vom 09.05.2022 teilte die KBLV der Klägerin mit, dass nach interner Abstimmung auch mit den vorgesetzten Behörden die Stoffe N., N. und das aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzte Produkt N. als nicht zugelassene Zusatzstoffe eingestuft würden. Nach Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008 dürften nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe oder Lebensmittel, in denen nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe vorhanden seien, nicht in Verkehr gebracht werden. Dem von der Klägerin vorgebrachten Einwand, sie würde alle drei Produkte als Verarbeitungshilfsstoff nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008 einsetzen, könne nicht gefolgt werden. Ein Verarbeitungshilfsstoff zeichne sich unter anderem dadurch aus, dass er im Enderzeugnis nicht mehr unverändert enthalten sei. Die zugesetzte Menge des Stoffes müsse mithin, bezogen auf das Enderzeugnis, bis auf Reste (technologisch unvermeidbare Rückstände) vermindert worden sein und dürfe keine technologische Wirkung mehr entfalten. Hiervon gehe die Behörde derzeit nicht aus. Die eingesetzten Stoffe seien im Endprodukt noch technologisch wirksam, weshalb von einem Einsatz als Zusatzstoffe ausgegangen werde. Sollte die Klägerin an der Einstufung als Verarbeitungshilfsstoff festhalten, werde um detaillierte (technische) Begründung gebeten, insbesondere in Bezug auf die von der Behörde dargelegten Einstufungsmerkmale eines Verarbeitungshilfsstoffs. Für Produkte, die aus diesen nicht zugelassenen Zusatzstoffen hergestellt würden, gelte ein Verkehrsverbot. Sollte die Klägerin aus den bei ihr noch lagernden Rohwaren Produkte herstellen (unabhängig, ob in Lohnherstellung oder nicht), dürften diese nicht in Verkehr gebracht werden. Sollte die Klägerin dies dennoch tun, könne das Inverkehrbringen mittels Anordnungsbescheids untersagt werden.
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Die Klägerin hatte bereits mit E-Mail vom 06.04.2022 darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen drei Stoffen um Extrakte handele, die aus Reis hergestellt worden seien (N.: Extrakt aus Reis-Kleie, N.: Extrakt aus Reis-Samen, und N.: Mischung aus Reis-Kleie-Extrakt, Reis-Faser, Gummi arabicum und Sonnenblumenöl). Das bedeute, dass alle diese drei Stoffe aus völlig unbedenklichen Lebensmitteln bestünden. Die drei Stoffe würden ausschließlich dazu verwendet, dass der Inhalt von verkapselten Lebensmitteln in die Kapsel hineingleite. Soweit es um den Kapselinhalt selbst gehe, hätten diese drei Stoffe keinerlei Funktion, insbesondere komme ihnen keine Funktion als Zusatzstoff zu. Anhand eines Beispiels aus der „Hausfrauenküche“ erläuterte die Klägerin den Unterschied zwischen einem Zusatzstoff und einem Verarbeitungshilfsstoff aus ihrer Sicht: Wenn ein Kuchen hergestellt werde, komme zu dem Kuchenteig in der Regel Backpulver, das als Zusatzstoff mit der Bezeichnung Backtriebmittel im Zutatenverzeichnis anzugeben wäre. Damit sich dieser Kuchen nach dem Backen aus der Form löse, werde die Form vor dem Backen eingefettet. Dieses Fett sei als Verarbeitungshilfsstoff zu bezeichnen, denn es habe keine Funktion für das Lebensmittel Kuchen selbst, sondern diene ausschließlich dazu, dass sich der Kuchen nach dem Backen aus der Form löse. Dabei sei für seine Funktion als Verarbeitungshilfsstoff unerheblich, dass ggf. kleine Fettreste an dem fertigen Kuchen anhafteten, also im Endprodukt noch vorhanden seien. Verarbeitungshilfsstoffe fielen nicht unter die VO (EG) Nr. 1333/2008, sie seien im Zutatenverzeichnis auch nur dann zwingend anzugeben, wenn sie Allergien auslösen könnten. Die Klägerin gebe bisher alle drei Stoffe als „normale Zutat“ im Zutatenverzeichnis an. Dagegen sei nichts einzuwenden, denn es sei die Entscheidung der Klägerin bzw. deren Kunden, ob dieser Stoff als „normale“ Lebensmittelzutat verwendet werde oder aber als Verarbeitungshilfsstoff. Dabei komme es aber auch nicht darauf an, in welcher Menge diese Stoffe im Endprodukt vorhanden seien. Wie der Behörde bekannt sei, seien die drei Produkte N., N. und N. gesundheitlich völlig unbedenklich und wären nicht einmal nach der Lebensmittelinformationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011) zu deklarieren. Dass der Hersteller, die Fa. …, die drei Produkte als Zusatzstoffe darstelle, möge Gründe im Marketing haben, von der Klägerin würden diese drei Stoffe jedoch nicht als Zusatzstoffe verwendet. Wenn die Klägerin diese drei Stoffe entweder als „normale“ Zutat einsetze oder aber als Verarbeitungshilfsstoff, gebe es keinen Grund, dies zu verbieten.
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Auf die E-Mail der KBLV vom 09.05.2022 meldete sich am 11.05.2022 die Bevollmächtigte bei der KBLV. Es wurde geltend gemacht, die Klägerin verwende die drei genannten Stoffe als Hilfsstoffe bei der Herstellung von Kapseln und Tabletten. Dabei dienten diese drei Stoffe ausschließlich dazu, dass es technisch möglich sei, dass die entsprechenden Lebensmittel verkapselt werden könnten bzw. in Tabletten geformt werden könnten. Weder der Kapselinhalt noch die Tabletten benötigten ein Trennmittel. Die Produktionsleiterin der Klägerin könne bestätigen, dass die drei Stoffe bei der Klägerin ausschließlich zu dem Zweck eingesetzt würden, dass das Lebensmittel in die Kapsel fließe bzw. in die Tablettenform gelange. Sie könne ebenfalls bestätigen, dass weder Kapselinhalt noch Tablette die drei Stoffe als Trennmittel oder anderen Zusatzstoff benötigten. Alle Voraussetzungen eines Verarbeitungshilfsstoffs lägen vor (wurde ausgeführt). Auch die Tatsache, dass die drei Stoffe nach Abschluss des Produktionsvorgangs noch in dem Lebensmittel vorhanden seien, führe nicht dazu, dass diese drei Stoffe zu Zusatzstoffen würden. Denn es sei technisch schlicht unmöglich, einen Verarbeitungshilfsstoff, der lediglich zur Befüllung der Kapsel eingesetzt werde, nachträglich aus der Kapsel zu entfernen, das gleiche gelte für die Herstellung von Tabletten. Das bedeute, dass es sich in allen Fällen um technisch unvermeidbare Rückstände handele. Für die rechtliche Abgrenzung komme es ausschließlich auf die Zweckbestimmung bei der Verwendung des Stoffes an. Die Klägerin werde auch zukünftig die drei vorbezeichneten Stoffe als Verarbeitungshilfsstoffe verwenden.
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Mit Schreiben vom 06.09.2022 legte die KBLV gegenüber der Bevollmächtigten der Klägerin im Einzelnen dar, dass die Voraussetzungen eines Verarbeitungshilfsstoffs nicht vorlägen. Die Klägerin wurde zu dem beabsichtigten Erlass eines kostenpflichtigen und zwangsmittelbewehrten Anordnungsbescheids angehört.
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Daraufhin meldete sich die Bevollmächtigte am 13.09.2022 bei der KBLV und teilte mit, dass die drei Stoffe in der Produktion der Klägerin seit dem 15.06.2022 nicht mehr verwendet würden und die entsprechenden Rezepturen in Absprache mit den Kunden geändert worden seien. Insofern sei die Klägerin der Behörde schon erheblich entgegengekommen. In der Sache wurde geltend gemacht, dass die Einstufung durch den Hersteller der drei Stoffe als Zusatzstoffe ebenso unerheblich sei wie der Umstand, dass der Hersteller einen Antrag auf Zulassung gestellt habe. Es komme ausschließlich auf die Verwendung des Stoffes bei der Klägerin an, nicht aber auf die Absichten des Lieferanten. Dies wurde anhand von Beispielen erläutert (Vitamin B2, E 101-Riboflavine und Paprikaextrakt, E 160c). Es wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin verwendeten Stoffe völlig unwesentlich für das Endprodukt seien, sie übten dort keinerlei Funktion aus. Etwas anderes wäre nur der Fall, wenn die Klägerin ein Pulver herstellen würde und dieses Pulver, damit es als Endprodukt nicht verklumpe, mit den drei Stoffen versetzt worden wäre. Vorgelegt wurden verschiedene Analyseberichte, auf denen die Klägerin handschriftlich angegeben habe, in welcher Menge der entsprechende Stoff dem produzierten Lebensmittel zugesetzt worden sei. So seien dem Produkt „…“ von einem der drei Stoffe 0,83% zugefügt worden, und nachdem das Produkt fertig produziert worden sei, habe sich im Endprodukt nur noch ein Anteil von 0,1% gefunden. Bei der Herstellung des Produkts „…“ seien 0,53% zugesetzt worden, im Endprodukt sei nichts mehr messbar gewesen. Bei dem Produkt „…“ seien 1,26% zugesetzt worden und im Endprodukt habe sich ein Rest befunden, der kleiner als 1% gewesen sei. Bei der Produktion des Produkts „…“ seien 1,3% zugesetzt worden, im fertigen Produkt hätten sich dann nur noch Mengen befunden, die kleiner als 1% gewesen seien. Bei dem Produkt „…“ seien 2% zugesetzt worden und im Endprodukt habe nur noch eine Menge nachgewiesen werden können, die kleiner als 0,1% gewesen sei. In einer weiteren Analyse sei das Ausgangsmaterial N. analysiert und mit 100% nachgewiesen worden. Bei der Produktion von „…“ sei zur Produktion 1,38% zugesetzt worden und im fertigen Lebensmittel nur noch 0,15% nachgewiesen worden. Bei dem Produkt „…“ seien zur Produktion 1,3% zugesetzt worden und im Endprodukt sei kein N. mehr nachgewiesen worden.
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Somit habe die Klägerin nachgewiesen, dass nach Beendigung der Produktion der verwendete Stoff in wesentlich geringerer Menge oder gar nicht mehr vorhanden gewesen sei. Dies bedeute, dass nachgewiesen sei, dass die Klägerin die drei Stoffe ausschließlich als Verarbeitungshilfsstoffe eingesetzt habe und nicht als Zusatzstoffe. Es sei auch nicht richtig, dass sich die drei Stoffe auf das Endprodukt technologisch auswirkten. Soweit es um die Verarbeitung in Tabletten gehe, werde bereits aus der Konsistenz des Endprodukts deutlich, dass eine technologische Wirkung im Endprodukt nicht vorhanden sei. Die drei Stoffe dienten lediglich dazu, den Herstellungsvorgang zu ermöglichen. Es solle also bei einer Tablette ermöglicht werden, dass die Lebensmittelbestandteile in die Tablettenform gelangten und sich nicht an anderen Stellen festsetzten. Das bedeute, dass mit den drei Stoffen ein Gleiten in die Tablettenform möglich sei. Eine Funktion als Zusatzstoff, wie sie in Anhang VII Teil C der VO (EG) Nr. 1333/2008 genannt sei, entfalteten die drei Stoffe nicht. Insbesondere handele es sich nicht um Trennmittel, denn dann würde die Tablette in ihrer Form auseinanderfallen. Das gleiche gelte für die Verkapselung, denn die drei Stoffe beeinflussten das fertige Lebensmittel, die Kapsel, überhaupt nicht, sie wirkten sich auch nicht technologisch auf den Kapselinhalt aus. Soweit die KBLV darauf hinweise, dass für die Herstellung von Tabletten, Kapseln, Pulvern und Granulaten in der Regel Stabilisatoren, Trägerstoffe, Trennmittel, Füllstoffe, Emulgatoren und Überzugsmittel in Betracht kämen, sei dies zwar richtig, treffe allerdings nicht auf die Verwendung bei der Klägerin zu. Die Wirkung der drei Stoffe sei bei der Klägerin auf die Produktion beschränkt.
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Nachdem in der Zwischenzeit die Klägerin der KBLV die erbetenen Informationen hatte zukommen lassen, wandte sich die Bevollmächtigte am 30.09.2022 erneut an die KBLV und bekräftigte ihre Auffassung, dass die Klägerin vorliegend Verarbeitungshilfsstoffe eingesetzt habe. Denn ein Stoff, der zum Zweck einer erfolgreichen Produktion eingesetzt werde und der nach Abschluss der Produktion entweder gar nicht mehr oder nur noch in ganz geringem vorhanden sei, gelte nicht als Zusatzstoff, sondern als Verarbeitungshilfsstoff. Weiter wurde in verfahrensmäßiger Hinsicht moniert, dass die Behörde unmittelbar mit der Klägerin Kontakt (E-Mail) aufgenommen hatte, ohne dass die Bevollmächtigte daran beteiligt gewesen sei.
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Am 04.10.2022 wandte sich die KBLV per E-Mail an die Bevollmächtigte und wies (erneut) darauf hin, dass die streitgegenständlichen Produkte von der KBLV und den Fachlaboren als nicht zugelassene Zusatzstoffe eingestuft würden. Ob die Produkte eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, werde im Rahmen eines Zulassungsverfahrens durch die EFSA geprüft. Dies sei unter anderem Hauptziel des gesetzlich vorgesehenen Zulassungsverfahrens. Eben diese Sicherheitsbewertung sei bei den vorliegenden Produkten noch nicht durchgeführt worden. Nachdem die Klägerin habe mitteilen lassen, dass sie die Produkte der Firma … künftig nicht mehr einsetzen werde, halte man derzeit die Anordnung eines Inverkehrbringungsverbots für nicht angezeigt. Im Rahmen der Schnellwarnmeldungen habe die KBLV von den betroffenen Firmen Informationen zum Bezug, zur Verarbeitung und zum Vertrieb der in Rede stehenden Produkte bzw. damit hergestellter Fertigprodukte angefordert und die Schnellwarnkontaktstelle über den ermittelten Sachstand, wie gesetzlich vorgesehen, informiert. Auf danach erfolgte Informationsweitergaben und die Einleitung von Verwaltungsmaßnahmen durch andere, für die Abnehmerbetriebe zuständige Überwachungsbehörden, habe die KBLV keinen Einfluss. Da die Produkte der Firma … von Seiten der KBLV weiterhin als nicht zugelassene Zusatzstoffe eingestuft würden, werde die von der Bevollmächtigten geforderte Mitteilung – Information der Landratsämter darüber, dass ein Vertriebsverbot nicht in Frage komme und die Klägerin die Stoffe zurecht als Verarbeitungshilfsstoffe verwende – nicht ergehen.
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Die KBLV kam am 10.10.2022 auf die Ausführungen im Schreiben der Bevollmächtigten vom 13.09.2022 zurück und teilte mit, dass dem Vortrag, es handele sich aufgrund des im Vergleich zur Einsatzmenge im Endprodukt geringeren DNA-Nachweises von Reis bei den in Rede stehenden Stoffen um Verarbeitungshilfsstoffe, nicht gefolgt werden könne. Der qualitative Nachweis von Reis-DNA sei schlichtweg nicht für den Nachweis geeignet, dass es sich um unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände der aus technologischen Gründen eingesetzten Stoffe handele. Es verbleibe daher bei der Einschätzung, dass es sich bei den drei Stoffen um Zusatzstoffe handele.
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Die Bevollmächtigte trat dem am 11.10.2022 entgegen, es werde darauf hingewiesen, dass allenfalls chemische Reaktionen wie zum Beispiel die Reinigung mit chlorhaltigen Reinigungsmitteln, Feuer oder ähnliches DNA-Spuren zerstöre. Bei einem Produktionsverfahren wie dem, das die Klägerin verwende, komme es weder zu chemischen Reaktionen, noch zu Erhitzen oder etwas anderem, das DNA zerstören würde. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass die Klägerin vielfach Vitamine verwende, die nur bei schonender Behandlung in der erforderlichen Menge erhalten blieben, zeige sich, dass keine Verfahren verwendet würden, die zu einer Zerstörung der DNA führten. Noch einmal werde darauf hingewiesen, dass die verwendeten Reisextrakte lediglich dazu dienten, ein Gleiten von den Produktionsanlagen in Kapseln oder Tabletten zu ermöglichen und ferner zu ermöglichen, dass die fertig produzierten Tabletten nicht in der Tablettenform hafteten, sondern sich lösten. Es sei deshalb so, dass die Reisextrakte gewissermaßen die Produktionsanlagen ausgleiteten, um ein Anhaften der abzufüllenden Lebensmittel in den Produktionsanlagen bzw. in der Tablettenform zu verhindern.
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Am 16.01.2023 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erheben mit dem Antrag festzustellen, dass die von der Beklagten mit Mail vom 09.05.2022, mit Schreiben vom 06.09.2022 und mit Mail vom 04.10.2022 ausgesprochene Beanstandung unberechtigt war.
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Die Klägerin befülle mit diversen Rohstoffen und Mischungen aus Rohstoffen Kapseln bzw. sie presse diese Zutaten in Tablettenform. Damit diese Lebensmittelzutaten unproblematisch in die Kapseln bzw. in die Tablettenform glitten, verwende die Klägerin bei der Produktion sogenannte Bearbeitungshilfsstoffe. Insbesondere habe sie im Rahmen ihrer Produktion als Verarbeitungshilfsstoff einen Reisextrakt namens N. verwendet.
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Ein berechtigtes Interesse für die begehrte Feststellung liege vor, die Klägerin sehe sich mit Schadenersatzforderungen konfrontiert, dies ergebe sich zum Beispiel aus einer vorgelegten E-Mail vom 26.09.2022 des Kunden … In dieser Mail mache der Kunde Schadenersatzansprüche bzw. vollständige Rückerstattung für mangelhafte Waren geltend. Zum anderen sei der Geschäftsführung der Klägerin mitgeteilt worden, dass inzwischen wegen dieses Vorgangs eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft … durch den Beklagten erstattet worden sei. Ferner habe die Klägerin durchaus ein Interesse daran, zukünftig wieder diese Stoffe als Verarbeitungshilfsstoffe zu verwenden. Die Einstufung der KBLV, dass die streitgegenständlichen Stoffe bei der Klägerin im Rahmen ihrer Produktion als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet würden, sei unzutreffend. Unter Bezugnahme auf die maßgeblichen Definitionen in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a (Lebensmittelzusatzstoff) und Buchst. b (Verarbeitungshilfsstoff) VO (EG) Nr. 1333/2008 wurde dargelegt, dass zwischen diesen beiden Kategorien zu unterscheiden sei und da Verarbeitungshilfsstoffe nicht als Lebensmittelzusatzstoffe gelten, fielen diese nicht unter das Reglement der VO (EG) Nr. 1333/2008. Sowohl Zusatzstoffe als auch Verarbeitungshilfsstoffe würden jedoch aus technologischen Gründen bei der Be- oder Verarbeitung verwendet, sodass genau auf die Unterscheidungsmerkmale der Definitionen abzustellen sei. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal sei vorliegend, dass sich ein Verarbeitungshilfsstoff technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken dürfe. Eingegangen wurde auch auf die Vorschriften der VO (EU) Nr. 1169/2011. Übergeben wurde ein Aufsatz aus der Zeitschrift für Lebensmittelrecht (ZLR 1/2017, S. 1 ff.): „Eine never ending Story: Die Abgrenzung von Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen.“ Die von der Verfasserin des Artikels herausgearbeiteten vier Konstellationen werden aufgegriffen und beleuchtet, ferner wurde auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28.09.1994 hingewiesen (Az.: C-144/93). Abzustellen sei auf die konkrete Zweckbestimmung, soweit es Verarbeitungshilfsstoffe angehe, werde nicht einmal verlangt, dass dieser Stoff vollständig entfernt werde, es dürften Rückstände vorhanden sein, wenn diese sich technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirkten. Es müsse sich demnach der Stoff wegdenken lassen, ohne dass sich das Enderzeugnis für die Verbraucher wahrnehmbar verändere. Bei diesen Stoffen handele es sich um Stoffe, die dazu dienten, dass die in den Produktionsanlagen hergestellte Lebensmittelmischung von den Produktionsanlagen in Kapseln oder Tablettenform gleite. Ausschließlich diese Aufgabe komme im Rahmen der Produktion diesen Stoffen zu, dies könnten Mitarbeiter der Produktion der Klägerin bestätigen. Die Klägerin habe die Stoffe auch nicht verwendet, damit sie im Endprodukt einen Zweck als Trennmittel entfalteten. Dabei liege auf der Hand, dass ein Trennmittel bei einem verkapselten Lebensmittel überflüssig und im Falle der Verpressung in Tablettenform gar kontraproduktiv wäre. Damit lasse sich feststellen, dass die Stoffe im Enderzeugnis keine technologische Funktion bewirkten und sie sich wegdenken ließen, ohne dass sich das produzierte Produkt für den Verbraucher wahrnehmbar verändern würde. Ferner wäre ein Verbleiben der Stoffe in Kapseln oder Tabletten unvermeidbar, denn ein Entfernen dieser Stoffe wäre nur möglich, indem das Endprodukt zerstört würde. Denn es sei nicht möglich, ohne eine Kapsel oder eine Tablette zu zerstören, aus diesen einen Stoff zu entfernen.
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Der Beklagte habe vorprozessual jedoch die Ansicht vertreten, dass nur dann ein Verarbeitungshilfsstoff vorliege, wenn eine Verminderung des Gehalts aktiv oder passiv erfolge. Unrichtig sei auch die Ansicht, dass es bei der Frage der Abgrenzung auf die Einstufung durch den Hersteller des Stoffes ankomme. Die KBLV habe, soweit sie die Behauptung aufgestellt habe, dass sich die Stoffe technologisch auf das Enderzeugnis auswirkten, nicht angegeben, worin die technologische Wirkung im Enderzeugnis bestehen sollte. Richtigerweise liege die Einstufung eines Stoffes ausschließlich beim Verwender, nicht aber beim Lieferanten. Eingegangen wurde auf ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 13.05.2022 an die Regierung von O., in dem der Stoff N. gerade nicht erwähnt werde. Ferner ging die Bevollmächtigte auf die von der Klägerin übermittelten Prüfberichte ein, aus denen sich ergebe, dass die Klägerin die Lebensmittelmischungen mit zugesetztem N. vor dem Abfüllprozess und danach habe analysieren lassen. Da eine Analyse auf pflanzliche Stoffe aufwendig und teilweise nicht durchführbar sei, habe sie eine Untersuchung auf Reis-DNA vornehmen lassen. Mit den Analysen (wurden wiedergegeben, vergleiche oben) habe die Klägerin eindringlich nachgewiesen, dass die Verarbeitungshilfsstoffe nach Abschluss des Produktionsvorgangs entweder gar nicht vorhanden oder erheblich reduziert gewesen seien. Soweit die KBLV moniert habe, dass das Messen von Reis-DNA keine geeignete Methode sei, um einen qualitativen Nachweis zu erbringen, sei dies unerheblich, da sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebe, dass teilweise keine Reis-DNA im Endprodukt mehr nachweisbar gewesen sei, also sogar ein quantitativer Nachweis vorliege. Die Behörde habe vorgerichtlich auch nicht mitgeteilt, mit welcher Analysemethode sie zufrieden wäre. Die Behörde habe nicht angegeben, weshalb ein Nachweis über Reis-DNA nicht ausreiche. Dagegen habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Produktion weder zu chemischen Reaktionen, noch einer Vermischung mit chlorhaltigen Reinigungsmitteln, Feuer oder ähnlichen DNAzerstörenden Spuren komme. Ferner sei darauf hingewiesen worden, dass beispielsweise bei der Frage, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel verwendet worden seien, ein Nachweis durch DNA erfolge. Die Klägerin habe unter Bezugnahme auf eine Veröffentlichung des Instituts Fresenius dargelegt, dass in der EU Schwellenwerte für zugelassene gentechnisch veränderte Pflanzen existierten und diese Schwellenwerte im Prozentsatz angegeben werden würden. Wenn also die Klägerin anhand von DNA-Analysen den Gehalt an Reis-DNA vor dem Abfüllen des Lebensmittels und im Endprodukt nachweise, handele es sich hierbei um eine qualitativ nicht zu beanstandende Methode für den Nachweis, dass der Verarbeitungshilfsstoff nach Beendigung des Produktionsvorgangs erheblich oder sogar auf Null reduziert worden sei. Die Aussage, dass ein qualitativer Nachweis von Reis-DNA als Nachweis nicht geeignet sei, entbehre jeder Grundlage.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Anknüpfend an die vorliegenden RASFF-Meldungen wurde darauf hingewiesen, dass die rechtliche Einstufung der Produkte bereits in diesem Rahmen erfolgt sei. Eine nochmalige Prüfung der Ersteinstufung durch die nachfolgenden Behörden sei dabei nicht vorgesehen, nicht zielführend und nicht notwendig, da das zugrundeliegende Recht europaweit harmonisiert sei. Eine erneute Prüfung durch einzelne Behörden würde das ganze System unzumutbar verlangsamen oder ganz ad absurdum führen. In tatsächlicher Hinsicht wurde darauf hingewiesen, dass mit E-Mail vom 23.09.2022 eine Weitergabe von Informationen (betroffene Betriebe, Lieferwege etc.) durch die KBLV im Rahmen der Bearbeitung der Schnellwarnungen an das StMUV als der KBLV vorgesetzten Behörde erfolgt sei. In dieser Mail sei lediglich der aktuelle Sachstand mitgeteilt worden. Eine Wertung, Empfehlung oder Vorgabe zum weiteren Vorgehen sei seitens der KBLV nicht abgegeben worden. Das StMUV habe seinerseits der Schnellwarnungen-Meldekette folgend die relevanten Informationen an die nachgeordneten Regierungsbehörden und die Schnellwarnkontaktstelle am LGL weitergeleitet, die ihrerseits die für Abnehmerbetriebe zuständigen Kreisverwaltungsbehörden informiert und um weitere Veranlassung gebeten hätten. Da die in Rede stehenden Produkte nicht zugelassene Zusatzstoffe darstellten, werde beklagtenseits davon ausgegangen, dass die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden in eigener Zuständigkeit gegenüber den Kunden der Klägerin Maßnahmen eingeleitet und dabei jeweils das aus der Nichtzulassung resultierende Verkehrsverbot für die hergestellten Endprodukte ausgesprochen hätten. Dass es sich grundsätzlich um nicht zugelassene Zusatzstoffe handele, die einer EU-Zulassung bedürften, sei seitens des Herstellers der Produkte unbestritten. Folglich habe dieser im … bei der EU-Kommission die Zulassung der Produkte als Zusatzstoffe beantragt.
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Die Klage sei bereits unzulässig, die KBLV habe selbst keine „Beanstandung“ ausgesprochen, sondern lediglich die bereits vorher getroffene Feststellung, dass nicht zugelassene Zusatzstoffe eingesetzt würden, gegenüber der Klägerin vertreten und das gesetzlich vorgesehene Schnellwarnprozedere vollzogen. Die Klägerin lasse in ihrem Vortrag offen, inwiefern mit dem gestellten Antrag das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses aufgrund welcher Rechtsnorm festgestellt werden solle. Jedenfalls fehle es am Feststellungsinteresse (wurde näher ausgeführt). Der Zulässigkeit stehe ferner entgegen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2022 Feststellungsklage gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das StMUV, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben habe (Az.: …). Die Klägerin habe dort beantragt, festzustellen, dass der Beklagte zu Unrecht gegenüber diverser Behörden angegeben habe, dass die Klägerin die Stoffe N., N. und N. als Zusatzstoffe bei der Herstellung ihrer Produkte verwendet habe. Gestützt werde dieser Klageantrag wiederum darauf, die Klägerin habe die in Rede stehenden Produkte als Verarbeitungshilfsstoffe eingesetzt und nicht, wie von den Behörden zu Unrecht angenommen, als nicht zugelassene Zusatzstoffe.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet, denn bei den drei in Rede stehenden Produkten handele es sich um nicht zugelassene Zusatzstoffe, die von der Klägerin als solche eingesetzt worden seien. Schon im Rahmen der ersten RASFF-Schnellmeldung seien die Produkte von den belgischen Behörden, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) und der EU-Kommission als nicht zugelassene Zusatzstoffe eingestuft worden. Soweit in einer fachlichen Äußerung das Produkt N. nicht genannt sei, habe dies vermutlich den Hintergrund, dass die Regierung von O. seinerzeit nicht nach diesem Produkt gefragt habe, sondern lediglich nach anderen N.-Produkten. Der Klägerseite sei die Möglichkeit eingeräumt worden, eine etwaige andere Verwendung der in Rede stehenden Produkte vorzutragen. Eine andere Verwendungsmöglichkeit sei von Seiten des LGL in Betracht gezogen worden, da z.B. für den Stoff Magnesiumstearat die Möglichkeit bestehe, diesen mittels Sprühen auf die Oberflächen von Tablettenmatrizen aufzubringen, um das Ausfallen der Tabletten zu ermöglichen. Bei dieser speziellen Verarbeitung würde der Stoff als Verarbeitungshilfsstoff eingesetzt. Da dem LGL die genaue Verwendung der Produkte bei der Klägerin zum Zeitpunkt der ersten Stellungnahme nicht bekannt gewesen sei, sei die Möglichkeit zu entsprechendem Vortrag zu einer solchen Verwendung eingeräumt worden. Die Klägerin wende dieses Verfahren vorliegend jedoch nicht an; die in Rede stehenden Produkte würden den Endprodukten beigemischt. Soweit bereits im Verwaltungsverfahren und noch einmal im Klageverfahren darauf eingegangen worden sei, dass über einen Nachweis von Reis-DNA bzw. deren Verminderung oder Fehlen im fertigen Endprodukt auf einen Einsatz der drei Stoffe als Verarbeitungshilfsstoffe geschlossen werden könne, sei dem nicht zu folgen. Es bleibe unberücksichtigt, dass in mehreren Verarbeitungsschritten aus Reisschalen und Reiskleie hochprozessierte Produkte zwar durchaus Reis-DNA in Spuren enthalten könnten, diese DNA jedoch für die technologischen Eigenschaften und die Zweckbestimmung der drei Produkte unerheblich sei. Die tatsächliche Zusammensetzung der aus Reisschalen und Reiskleie hergestellten Produkte sei jedoch nicht betrachtet worden. Zudem sei die Klägerin von der fachlich zweifelhaften Annahme ausgegangen, mit einem qualitativen Prüfverfahren einen Beleg für eine quantitative Aussage erbringen zu können. Das Ergebnis qualitativer Prüfverfahren sei eine Aussage, ob der analysierte Analyt in der untersuchten Matrix nachweisbar sei oder nicht. Die Leistungsfähigkeit eines Prüfverfahrens sei u.a. durch die Nachweisgrenze charakterisiert, die angebe, ab welcher Konzentration ein Analyt in einer bestimmten Matrix detektiert und damit nachgewiesen werden könne. Abweichend von qualitativen Nachweisverfahren lieferten quantitative Prüfverfahren ein eindeutiges Ergebnis über den Gehalt eines Analyten in der untersuchten Matrix. Die vom externen akkreditierten Prüflaboratorium berichteten qualitativen Ergebnisse seien nach den vorgelegten Ergebnisberichten mit den normierten Prüfverfahren …69 und ASU L 15.06-3 ermittelt worden. Anwendungsbereich beider Prüfverfahren sei der qualitative Nachweis von gentechnisch veränderten DNA-Sequenzen. Validiert seien die Prüfverfahren für eine Aussage, ob spezifische Reis-DNA-Sequenzabschnitte nachweisbar seien oder nicht, nicht jedoch für semi-quantitative oder quantitative Ergebnisangaben, die gar keine vollständige Abwesenheit bzw. einen Nullgehalt darstellen würden. Entgegen der Ergebnisinterpretation der Klägerin beinhalteten die angegebenen Ergebnisse in den Prüfberichten lediglich die qualitative Aussage „nachgewiesen“ oder „n.n.“ für nicht nachweisbar. Bei den in den Prüfberichten ergänzenden nummerischen Angaben seien keine validen bestimmten Gehaltsangaben gemacht worden, sondern lediglich auf Größenangaben und Schätzwerte hingewiesen worden. Es sei somit fachlich zweifelhaft versucht worden, eine quantitative Aussage mit Hilfe von Prüfverfahren zu treffen, die lediglich für den qualitativen Nachweis, nicht aber für eine konkrete Gehaltsbestimmung validiert worden seien. Der Interpretationsversuch der Klägerin zum Nachweis, die drei in Rede stehenden Produkte seien in den hergestellten Fertigprodukten „in wesentlich geringerer Menge oder gar nicht mehr vorhanden“, sei demnach fachlich nicht begründet. Das LGL (vorgelegt wurden verschiedene fachliche Äußerungen) komme zu der Einschätzung, dass die vorgelegten Analysen für den vorgesehenen Zweck nicht geeignet gewesen seien und die Interpretation der daraus gezogenen Ergebnisse damit falsch sei.
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Nicht gefolgt werden könne der Klägerseite darin, dass es während des Produktionsvorgangs zu einer „erheblichen Reduktion“ der in Rede stehenden Produkte in den Endprodukten komme. Für die Herstellung von Kapseln oder Tabletten würden gewöhnlich die einzelnen Zutaten eingewogen und zunächst in einem Mischvorgang gemischt, um eine homogene Verteilung der einzelnen Bestandteile zu erreichen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei den von der Klägerin beschriebenen Produktionsvorgängen der „ganze oder der größte Teil“ der in Rede stehenden Produkte aus dieser homogenen Mischung herausgelöst und in der Produktionsanlage verbleiben sollte. Die Klägerin verkenne, dass während der Produktionsprozesse bei der Abfüllung an der Kapselfüllmaschine oder bei der Tablettenverpressung eine selektive Abreicherung oder Entfernung der in Rede stehenden Produkte weder an der Zuführung zur Kapselabfüllung bzw. in die Matrize der Tablettenpresse noch am nachfolgenden Auswurf der Tablette nach dem Prozessvorgang erfolge. Würde es tatsächlich, wie von der Klägerin für das Produkt N. angenommen, zu einem Anhaften der Produkte an den Produktionsanlagen kommen, so würde dies den Prozess der industriellen Herstellung für feste Darreichungsformen wie Tabletten und Kapseln konterkarieren, bei dem insbesondere ein homogenes Endprodukt und gleichbleibend geformte Produktionsergebnisse ohne Anhaftungen im Vordergrund stünden. Verwiesen wurde auf die fachliche Stellungnahme des LGL, wonach eine Verminderung des Gehalts der zugesetzten Produkte weder aktiv noch passiv erfolge. Die in Rede stehenden Produkte stellten damit gerade keine technisch unvermeidbaren Rückstände im Endprodukt dar.
23
Für die Eigenschaft eines Stoffs als Zusatzstoff komme es auch nicht darauf an, dass ein Zusatzstoff im Endprodukt noch technologisch wirksam sein müsse. Entscheidend für einen Zusatzstoff sei, dass der technologische Stoff in irgendeiner Form im Lebensmittel verbleibe oder verbleiben könne, sei es als der originäre Stoff oder als seine Nebenprodukte. Ferner verblieben vorliegend die in Rede stehenden Produkte vollständig im Endprodukt, von unbeabsichtigten, technisch unvermeidbaren Rückständen könne keine Rede sein. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs beschäftige sich mit einer kennzeichnungsrechtlichen Fragestellung; es sei nicht geeignet, die Verwendung der streitgegenständlichen Stoffe als Zusatzstoffe zu widerlegen. Der Interpretation der Klägerin, eine Verwendung der Produkte als Trennmittel für Endprodukte in Kapsel- oder Tablettenform sei sinnlos, da es nicht darauf ankäme, ob der Inhalt einer Kapsel verklumpe oder bei einer Tablettenform dazu führe, dass die Tablette nicht ihre Form behalte, sondern zerfalle, könne nicht gefolgt werden. Zusatzstoffe bei der Herstellung von festen Darreichungsformen dienten insbesondere dazu, homogene Stoffmischungen herzustellen, die Rieselfähigkeit zu erhöhen und als (Formen-) Trennmittel ein Herausgleiten von Tablettenpresslingen aus der Matrize der Tablettenpresse zu ermöglichen. Genau diese Zweckbestimmungen würden vom Hersteller der in Rede stehenden Produkte beworben und für die Verwendung dieser Produkte als „Clean Label“-Alternativen für bereits zugelassene Zusatzstoffe ausgelobt.
24
Richtig sei, dass es beim Hersteller (wohl gemeint: bei der Klägerin) liege, zu welchem Zweck er Produkte einsetze und dass diese Verwendungsabsicht Einfluss auf die Klassifizierung eines Stoffs als Zusatzstoff oder Verarbeitungshilfsstoff habe, sofern es sich um Produkte mit Zwitterbestimmungen handele (wurde näher ausgeführt). Vorliegend würden die fraglichen Produkte aber gerade als Zusatzstoffe eingesetzt. Sie seien in den Rezepturen der hergestellten Kapsel- und Tablettenprodukte enthalten gewesen, um technologische Zwecke zu erfüllen. Die Produkte würden während des Herstellungsprozesses weder aktiv noch passiv entfernt und verblieben unverändert in den hergestellten Produkten, sodass es sich um Zusatzstoffe handele. Die technische Notwendigkeit von Zusatzstoffen in den betroffenen Endprodukten sei zudem von der Klägerin nicht in Frage gestellt worden, da sie bereits angekündigt habe, die Rezepturen zukünftig umzustellen und die in Rede stehenden Produkte durch andere Produkte zu ersetzen.
25
Richtig sei, dass derzeit nicht davon auszugehen sei, dass von den in Rede stehenden Produkten ein akutes Gesundheitsrisiko ausgehe. Wäre in der RASFF-Meldung tatsächlich ein Gesundheitsrisiko formuliert gewesen, wäre anderweitig vorgegangen worden. Unabhängig davon bestehe aber die Frage, ob der Verzehr der Produkte für Verbraucher im Allgemeinen (und auf längere Sicht) gesundheitlich unbedenklich sei. Hierzu gebe es nach behördlichem Kenntnisstand keinerlei Untersuchungen, Aussagen unabhängiger (staatlicher) Fachlabore oder Fachgutachten. Die getroffenen Maßnahmen seien allerdings auch nicht auf der Annahme eines Gesundheitsrisikos gegründet.
26
Den Ausführungen des Beklagten trat die Bevollmächtigte am 04.05.2023 entgegen: Spätestens mit den Hinweisen im Schreiben vom 06.09.2022 habe sich ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien verdichtet. Denn die Behörde habe der Klägerin unter in Aussicht stellen eines Verwaltungsakts die Berechtigung abgesprochen, die streitigen Stoffe bei der Lebensmittelherstellung zu verwenden. Bereits als Rechtsverhältnis seien sogar einzelne Berechtigungen anzusehen. Dieses Rechtsverhältnis sei auch konkret, es gehe um die Frage, ob die Klägerin in der Vergangenheit und in der Zukunft zu Recht die streitgegenständlichen Stoffe als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet habe/zukünftig verwenden dürfe. Es sei auch von einem berechtigten Interesse an einer alsbaldigen Feststellung auszugehen (wurde näher begründet). Die Klägerin habe ein Interesse, die streitgegenständlichen Stoffe alsbald wieder als Verarbeitungshilfsstoffe einzusetzen, das in Bezug genommene Zulassungsverfahren könne sich über Jahre hinziehen, wobei zu berücksichtigen sei, dass es sich bei den streitigen Stoffen um behandelte pflanzliche Stoffe handele, die beispielsweise anstelle von Magnesiumstearat verwendet würden und gerade letzteres in einschlägigen Kreisen in Verruf geraten sei, sodass die Verwendung der streitigen Stoffe im Rahmen der Produktion einen Vorteil biete. In dem weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München gehe es um die Frage, ob die den Unterbehörden erteilte Auskunft vollständig und richtig gewesen sei. Denn anders als bei der betroffenen Klägerin habe das StMUV im Fall einer anderen Firma darauf hingewiesen, dass es eine rechtliche Auseinandersetzung gegeben habe. Außerdem gehe es dort um das Verhalten des StMUV innerhalb der Behördenstrukturen und nicht um die Aufgaben des Beklagten als die für die Lebensmittelüberwachung zuständige Behörde für die Klägerin.
27
Die RASFF-Schnellwarnung sei für die vorliegende Frage nicht relevant, denn die Warnung sage nichts zu einer Verwendung als Verarbeitungshilfsstoff aus. Bei einer Gegenüberstellung der hier relevanten Normen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008 werde deutlich, dass sowohl Zusatzstoffe als auch Verarbeitungshilfsstoffe im Endprodukt vorhanden sein dürften. Der wesentliche Unterschied sei der, dass sich der Verarbeitungshilfsstoff nicht auf das Enderzeugnis auswirke, er ließe sich also hinwegdenken, ohne dass sich das Enderzeugnis in seinen Eigenschaften verändere. Ob ein Stoff aus technologischen Gründen als Zusatzstoff verwendet werde, richte sich nur nach der konkreten Zweckbestimmung des Verwenders, nicht nach einer abstrakten Betrachtungsweise, maßgeblich sei dabei seine Hauptfunktion. Richtig sei, dass die Definition der Verarbeitungshilfsstoffe mit den Zusatzstoffen eine gemeinsame Schnittmenge ausweise. Der Unterschied bestehe darin, dass sich die Funktion des Verarbeitungshilfsstoffs nur in der Be- und Verarbeitung zeige, während die Wirkung eines Zusatzstoffs während des gesamten Lebenszyklus eines Lebensmittels eintreten könne.
28
Zum Nachweis der Reis-DNA wurde klargestellt, die Klägerin habe bei den Stoffen N., N. und N. die Reis-DNA gemessen, als diese bei ihr in unverarbeitetem Zustand vorgelegen hätten. Anders gesagt, sie habe die Reis-DNA bei den ihr gelieferten Stoffen gemessen, bevor diese in der Produktion eingesetzt worden seien. In allen Fällen sei Reis-DNA bei den unverarbeiteten Stoffen gemessen worden, sodass die Vermutung des Beklagten, dass es bei der Herstellung dieser Stoffe bereits zu einem Vernichten der Reis-DNA gekommen sei, nicht richtig sei. Aus welchem Grund die Zusammensetzung der streitgegenständlichen Stoffe aus Reisschalen und Reiskleie relevant sein sollte, gebe der Beklagte nicht an. Dabei sei zu bedenken, dass sowohl Reisschalen als auch Reiskleie Reis-DNA enthielten.
29
Aus den von der KBLV vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die strittigen Stoffe ausschließlich aus Reis bzw. Reiskleie hergestellt würden. Es werde ihnen im Laufe ihrer Herstellung Wasser zugesetzt, der übrige Produktionsvorgang bestehe aus Zerkleinern, Trocknen und anderen mechanischen Vorgängen. Das bedeute, dass außer Reis keine anderen Stoffe enthalten seien, die über eine DNA verfügten. Daher sei nicht nachvollziehbar, was der Beklagte damit meine, dass die Zusammensetzung der streitgegenständlichen Produkte nicht betrachtet worden sei. Die Klägerin habe nie behauptet, dass in allen Fällen keine Rückstände der streitgegenständlichen Stoffe in den Endprodukten gefunden worden seien, sie habe aber umfangreich dargelegt, dass es sich um technisch unvermeidbare Rückstände handele, die sich nicht technologisch auf das Endprodukt auswirkten. Im Übrigen könne die Behörde keine Erklärung dafür liefern, dass in einigen Fällen nach Ende der Produktion im fertigen Produkt keine Reis-DNA mehr gefunden worden sei. Die Klägerin habe bereits ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Stoffe verwendet worden seien, um sicherzustellen, dass die abzufüllenden Lebensmittel nicht in den Produktionsanlagen hängen blieben, sondern in die Kapsel glitten oder sich aus der Tablettenform lösen ließen. Im Endprodukt wirkten sie sich technologisch nicht aus. Dabei sei unerheblich, dass zuvor die streitgegenständlichen Stoffe unter das abzufüllende Lebensmittel gemischt worden seien. Sie seien vermutlich im Rahmen des Abfüllvorgangs aus der Mischung herausgelöst worden, indem sie sich anders als das abzufüllende Lebensmittel in der Produktionsanlage bzw. der Tablettenform ganz oder teilweise festgesetzt hätten. Darauf komme es jedoch nicht an. Denn auch wenn sich die Stoffe noch im Endprodukt befinden sollten, wären die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Verarbeitungshilfsstoff erfüllt. Die Ansicht des LGL, dass ein Verarbeitungshilfsstoff im Endprodukt nicht mehr vorhanden sein dürfe, werde nicht durch die Vorschriften gestützt. Die genannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Az.: C-144/93) sei einschlägig (wurde näher ausgeführt). Der Begriff des Verarbeitungshilfsstoffs finde sich nicht in der dieser Entscheidung zugrundeliegenden RL 79/112/EWG. Der Begriff des Verarbeitungshilfsstoffs sei erstmalig mit der VO (EG) Nr. 1333/2008 definiert worden, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stamme aus dem Jahr 1994, sodass sich das Gericht auch nicht mit der Frage habe beschäftigen können, ob im dortigen Fall ein Verarbeitungshilfsstoff vorgelegen habe. Darauf komme es jedoch nicht an, denn es gehe hier nur um die Frage, ob von der Klägerin Zusatzstoffe verwendet worden seien. Es sei auch nicht erheblich, dass sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf eine Frage der Kennzeichnung bezogen habe, denn diese Frage würde sich nach der VO (EU) Nr. 1169/2011 auch aktuell stellen.
30
Unter dem 23.05.2023 nahm die KBLV noch einmal zum Verfahren Stellung: Es werde weiterhin von einem für das vorliegende Verfahren fehlenden Rechtsschutzbedürfnis ausgegangen, es könnten die laufenden Strafverfahren auch auf der Grundlage der Entscheidung des beim Verwaltungsgericht München anhängigen Verfahrens entschieden werden.
31
Soweit die Klägerin vortrage, die Ansicht des LGL, ein Verarbeitungshilfsstoff dürfe im Endprodukt nicht mehr vorhanden sein, sei falsch, könne dem nicht gefolgt werden. Als Tatbestandsmerkmal sei eindeutig festgelegt, dass nur unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände des Stoffes oder seiner Derivate im Enderzeugnis hinterlassen werden dürften. Eben diese Tatbestandsvoraussetzung sei hier nicht gegeben. Die N.-Produkte verblieben vollständig in den Endprodukten, sodass von unbeabsichtigten, technisch unvermeidbaren Rückständen keine Rede sein könne. Die vorgelegten Reis-DNA-Analysen seien untauglich, die N.-Produkte würden während des Herstellungsprozesses eben nicht aktiv oder passiv „abgereichert“, wie bereits dargestellt worden sei. Die N.-Produkte würden selbst nicht als Lebensmittel verzehrt. Wie die Klägerin selbst vortrage, seien die N.-Produkte den Endprodukten beigemischt worden, damit die abzufüllenden Lebensmittel nicht in den Produktionsanlagen hängen blieben, sondern in die Kapseln glitten oder sich aus der Tablettenform lösen ließen. Die Produkte hätten also genau die Zweckbestimmungen der durch sie ersetzten Zusatzstoffe erfüllen sollen. Eben diese Zweckbestimmungen seien vom Hersteller der Produkte auch beworben worden.
32
Auf eine gerichtliche Nachfrage von August 2023 zu der im klägerischen Schriftsatz vom 04.05.2023 geäußerten Vermutung, wonach im Rahmen des Abfüllvorgangs die streitgegenständlichen Stoffe aus der Mischung herausgelöst würden, indem sie sich anders als das abzufüllende Lebensmittel in der Produktionsanlage bzw. der Tablettenform ganz oder teilweise „festgesetzt“ hätten, verwies die Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 29.09.2023 zunächst nochmals auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28.09.1994 (Az.: C-144/93). Im dortigen Verfahren sei es so gewesen, dass der entsprechende Stoff nie entfernt worden, sondern sogar im Endprodukt vollständig enthalten gewesen sei. Der Europäische Gerichtshof begründe seine Entscheidung damit, dass dieser Stoff deshalb nicht als Zusatzstoff anzusehen sei, weil er im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausübe. Unabhängig von der Frage, ob die hier streitgegenständlichen Stoffe nach Beendigung des Produktionsvorgangs noch im Endprodukt vorhanden gewesen, reduziert worden oder gar nicht mehr vorhanden gewesen seien, würden diese Stoffe in den Endprodukten keine technologische Wirkung mehr ausüben. Denn unstreitig wäre eine entsprechende Wirkung die eines Trennmittels, das weder bei einem Kapselinhalt noch bei einer Tablette eine technologische Wirkung ausübe. Falls das Gericht von der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abweichen wolle, wäre es nach Art. 267 AEUV verpflichtet, die Sache diesem vorzulegen. In diesem Zusammenhang überreichte die Klägerin Fließdiagramme zur Herstellung der Rohstoffmischung, der Kapsel- und Tablettenherstellung. Aus dem Fließdiagramm zur Herstellung der Rohstoffmischung ergebe sich, dass nach dem Mischen der Rohstoffe diese nach Bedarf kompaktiert bzw. entklumpt werden würden. Das bedeute, dass bereits unter die Rohstoffmischung die Stoffe zu mischen seien, die dafür zu sorgen hätten, dass die Rohstoffmischung anschließend in Tablettenform oder Kapseln fließe. Ferner überreichte die Klägerin eine Arbeitsanweisung zur Reinigung und Desinfektion ihrer Produktionsanlagen, zu der die Bevollmächtigte unter Wiedergabe einzelner Passagen hieraus Folgendes ausführt: Das bedeute, dass nach jedem einzelnen Abfüllvorgang eine ausführliche Reinigung und Desinfektion der Produktionsanlage erfolge. Wie die Reinigung der Kapselmaschine und der Tablettenmaschine genau erfolge, ergebe sich aus der überreichten Arbeitsanweisung zur Reinigung und Desinfektion der Produktionsanlagen. Insbesondere werde jedes Teil, das mit dem abzufüllenden Lebensmittel in Berührung komme, gereinigt. Das bedeute, dass auch Reste von Verarbeitungshilfsstoffen gründlich entfernt werden würden. Eine solche besonders gründliche Reinigung der Abfüllanlagen in der Lebensmittelherstellung sei bereits unter dem Gesichtspunkt, dass Allergie auslösende Stoffe in aller geringsten Mengen gefährlich sein könnten, erforderlich. Als Reinigungsmittel würden Spülmittel, klares Wasser und Desinfektionsmittel verwendet. Es ergebe sich aus der Arbeitsanweisung ferner, aus welchen Teilen die Kapsel- und Tablettenmaschine bestehen würden. Es wird darauf hingewiesen, dass – sollte das Gericht hier eine weitere fachliche Untermauerung benötigen – der Leiter der Produktion der Klägerin angehört werden bzw. eine Besichtigung der Produktionsanlagen vorgenommen werden müsse. Wenn man sich die Maschinenanteile von Kapselmaschine und Tablettenmaschine ansähe, die mit dem abzufüllenden Lebensmittel in Kontakt kommen, werde deutlich, dass ein Hängenbleiben von Rohstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen durchaus plausibel sei. Denn die Stoffe kämen mit Rohren, Pulverbehältern, Dosiereimern, Trichtern und vieles mehr in Kontakt. Alle Teile der Abfüllanlage bestünden aus Edelstahl. Es sei sowohl bei den Tabletten als auch bei den Kapseln erforderlich, dass der abzufüllende Rohstoff vor der Verkapselung bzw. dem Abfüllen in die Tablettenform verpresst werde. Insbesondere bei dem Vorgang des Verpressens bestünde die Gefahr, dass der abzufüllende Rohstoff an der Maschine hängen bliebe. Ein Verarbeitungshilfsstoff sorge dafür, dass in den Stahlteilen der Abfüllmaschinen keine Rohstoffe hängen blieben. Dies sei insbesondere beim Verpressen erforderlich. Die Klägerin gehe davon aus, dass mit den Verarbeitungshilfsstoffen die Stahloberfläche so ausgekleidet werde, dass ein Festkleben der abzufüllenden Rohstoffe verhindert werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass auch Stahlflächen nie so glatt seien, dass dort nicht Stoffe im Rahmen des Abfüllvorgangs hängen blieben.
33
Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 23.08.2023 zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört.
34
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
35
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, insbesondere wurden die Beteiligten entsprechend angehört (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und haben sich mit dem Erlass eines Gerichtsbescheides einverstanden erklärt.
B.
36
Der Klageantrag ist nach verständiger Würdigung durch das Gericht nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, dass die Klägerin berechtigt sei, – auch zukünftig – die in ihrer Produktion unter Einsatz der N.-Produkte „N.“, „N.“ und „N.“ hergestellten Waren in Verkehr zu bringen.
37
I. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) entsprechend anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage der Klagepartei zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Ist aber ein Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, B.v. 13.1.2012 – 9 B 56/11 – juris Rn. 7 f.).
38
II. Gemessen hieran ist das Gericht nicht an den von der Klägerin wörtlich formulierten Antrag gebunden, insbesondere ergibt sich bereits aus dem Schriftsatz vom 04.05.2023, dass es der Klägerin im Kern um die Frage geht, ob sie die umstehenden N.-Produkte in der Vergangenheit und in der Zukunft zu Recht als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet hat bzw. zukünftig verwenden darf und – darauf aufbauend und hier streitgegenständlich – ob die mittels Einsatzes der N.-Produkte in Gestalt ihrer konkreten Verwendung hergestellten klägerischen Waren in Verkehr gebracht werden dürfen.
39
Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
C.
40
Die Klage ist zulässig.
41
I. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
42
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG, U.v. 23.1.1992 – 3 C 50/89 – juris Rn. 29; U.v. 28.1.2010 – 8 C 38/09 – juris Rn. 32). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig” sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 38/09 – juris Rn. 32).
43
2. An diesen Grundsätzen gemessen kommt hier als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis die Berechtigung der Klägerin in Betracht, ihre mittels der streitgegenständlichen N.-Produkte hergestellten Waren in Verkehr zu bringen. Denn der Beklagte nimmt in den Mitteilungen an die Klägerin vom 09.05.2022, 06.09.2022 und 04.10.2022 jeweils die Rechtsauffassung für sich in Anspruch, dass die hierbei hergestellten Waren aufgrund der Verwendung der streitgegenständlichen N.-Produkte als nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe einem – aus den Normen des Art. 5 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 herrührenden – Inverkehrbringungsverbot unterlägen. Die Klägerin vertritt indes die gegenteilige Auffassung, dass die N.-Produkte als Verarbeitungshilfsstoffe i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008 eingesetzt werden würden und daher keiner Zulassung bedürfen. Die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten haben sich dadurch zu einem Rechtsverhältnis verdichtet, dass der Beklagte – unter wechselseitiger vorprozessualer Korrespondenz mit der Klägerin bzw. deren Bevollmächtigten – die Klägerin mehrfach und in eindeutiger Weise von seiner Auffassung, dass die in dem klägerischen Betrieb verwendeten N.-Produkte als Lebensmittelzusatzstoffe i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 zu klassifizieren seien und für diese keine Zulassung bestehe, in Kenntnis gesetzt und hierauf gestützt den Erlass einer Untersagungsanordnung in Aussicht gestellt hat (siehe E-Mail der KBLV vom 09.05.2022 und Schreiben vom 06.09.2022).
44
Dass sich die KBLV mit E-Mail vom 04.10.2022 entschloss, von dem Erlass einer solchen Anordnung abzusehen, da die Klägerin zwischenzeitlich die hiesigen N.-Produkte nicht mehr verwende, ist unschädlich. Denn die Klägerin tat dies nicht auf Grundlage einer freien unternehmerischen Entscheidung, sondern gerade zur Abwendung des Erlasses einer Untersagungsverfügung und einer drohenden Strafbarkeit (§ 59 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a LFGB), wie mit Schriftsatz vom 04.05.2023 unter Verweis auf die zu erwartende lange Dauer eines vom Hersteller, der Fa. …, bei der EU-Kommission eingeleiteten Zulassungsverfahrens nach Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 i.V.m. VO (EG) Nr. 1331/2008 i.V.m. VO (EU) Nr. 234/2011 dargelegt wurde. Die Klägerin war vielmehr gezwungen, die Rezeptur der Produkte – nach Absprache mit deren Kunden – zu ändern, um überhaupt die ehemals unter Einsatz der N.-Produkte hergestellten klägerischen Waren weiter auf dem Markt anbieten zu können. Dass die Änderung der Rezeptur nur als vorübergehend beabsichtigt ist, war dem Beklagten auch bewusst, indem er das in der E-Mail vom 04.10.2022 artikulierte Absehen des Erlasses einer Untersagungsverfügung durch den Passus „derzeit“ relativierte. Überdies kündigte die Klägerin in nachvollziehbarer Weise
- insbesondere vor dem Hintergrund des „Clean Label“-Effekts – mit Schriftsatz vom 04.05.2022 an, die N.-Produkte „alsbald“ wiederverwenden zu wollen. Daher ist eine Verdichtung des Rechtsverhältnisses auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben.
45
Dem steht nicht entgegen, dass sich die KBLV (allein) aufgrund der RASFF-Meldung an der Einstufung der N.-Produkte als Lebensmittelzusatzstoffe gebunden sieht. Denn sie hält auch im weiteren Verfahren als für die Klägerin zuständige Vollzugsbehörde aufgrund eigener Prüfung an der Einstufung als Lebensmittelzusatzstoffe fest.
46
Das Klagebegehren beschränkt sich nicht auf eine bloße Vorfrage oder unselbstständige Teile eines Rechtsverhältnisses. Zudem ist die hiesige Feststellungsklage ersichtlich nicht subsidiär zu anderen Klagearten (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
47
II. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung.
48
1. Als Feststellungsinteresse ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 20.12.2017 – 6 B 14/17 – juris Rn. 13; U.v. 25.10.2017 – 6 C 46/16 – juris Rn. 20). Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition eines Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Bei erledigten Maßnahmen liegt ein berechtigtes Interesse jedoch grundsätzlich nur in den anerkannten Fallgruppen zur Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) vor.
49
Ein rechtliches Interesse kann im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) insbesondere dann angenommen werden, wenn der Betroffene mit der Verweigerung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auf Rechtsbehelfe in einem Straf- oder Bußgeldverfahren verwiesen werden würde (sog. „Damokles Rechtsprechung“). Es ist ihm nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen gewissermaßen „von der Anklagebank herab“ zu führen (BVerwG, U.v. 23.6.2016 – 2 C 18.15 – juris Rn. 20). Der Betroffene hat in einer solchen Situation vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als „fachspezifischerer“ Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn ihm ein Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren droht (BVerfG, B.v. 7.4.2003 – 1 BvR 2129/02 – „Meisterzwang“ – juris Rn. 14 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG, U.v.13.1.1969 – I C 86.64 – juris – und U.v. 17.1.1972 – I C 33.68 – juris; VGH BW, U.v. 11.2.2010 – 9 S 1130/08 – „Meeresfrüchte-Mischung“ – juris Rn. 16; OVG NW, U.v. 19.5.2016 – 13 A 592/07 – „Sojagetränk“ – juris Rn. 32; OVG Rh-Pf, U.v. 13.3.2019 – 8 A 11522/18 – „Traubenmost“ – juris Rn. 33). Ein Feststellungsinteresse bejaht hat die obergerichtliche Rechtsprechung dementsprechend für den Fall der Mitteilung, dass der Vorgang zur weiteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde (VGH BW, U.v. 11.2.2010 – 9 S 1130/08 – „Meeresfrüchte-Mischung“ – juris Rn. 3, 18), oder auch der Drohung mit einer Strafanzeige (BVerwG, U.v. 13.1.1969 – I C 86.64 – juris Rn. 19). Entsprechendes gilt für die Drohung mit einem Bußgeldbescheid (OVG NW, U.v. 31.1.1996 – 13 A 6644/95 – juris Rn. 6). Die fehlende Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung für den Strafrichter spielt keine Rolle; schon der Einfluss, den eine einem Kläger günstige Entscheidung auf die Beurteilung der strafrechtlichen Schuldfrage ausüben kann, rechtfertigt das Feststellungsbegehren (BVerwG, U.v. 13.1.1969 – I C 86.64 – juris Rn. 19). Eine abstrakte behördliche Rechtsbelehrung eines Lebensmittelunternehmers über die Straf- oder Ordnungswidrigkeit seines Verhaltens reicht hingegen nicht (BVerwG, U.v. 9.12.1999 – 6 B 35/99 – juris Rn. 9 m.w.N.; vgl. OVG Rh-Pf, U.v. 13.3.2019 – 8 A 11522/18 – „Traubenmost“ – juris Rn. 33). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt zum Vorliegen des berechtigten Feststellungsinteresses ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 2.07 – juris Rn. 19).
50
2. An diesen Grundsätzen gemessen hat die Klägerin ein schutzwürdiges rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Feststellung des hier gegenwärtigen, nicht erledigten Rechtsverhältnisses dargelegt.
51
Sie hat – sollten die verwendeten N.-Produkte als nicht zugelassene Zusatzstoffe zu klassifizieren sein – aufgrund der Straf- und Bußgeldbewehrung (§ 59 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a LFGB, § 60 Abs. 1 Nr. 2 LFGB) ein rechtliches Interesse an der Klärung dieser für die Strafbarkeit und Ordnungswidrigkeit relevanten verwaltungsrechtlichen Vorfrage. Der Einwand des Beklagten, es gebe im Strafverfahren keine Vorfrage, die auf verwaltungsrechtlicher Ebene mit der vorliegenden Feststellungsklage zu klären wäre, verfängt nicht. Denn nach § 59 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a LFGB wird bestraft, wer entgegen Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 einen Lebensmittelzusatzstoff als solchen in den Verkehr bringt oder in Lebensmitteln verwendet. Dies ist gerade die hier im Kern mit der Feststellungklage zu klärende Frage. Zwar wurde in dem Schreiben der KBLV vom 06.09.2022 und der E-Mail vom 04.10.2022 an die Bevollmächtigte zunächst nur auf eine Strafbarkeit hingewiesen. Zwischenzeitlich wurden die Vorgänge aber der Staatsanwaltschaft … zur Anzeige gebracht und die KBLV behält sich bei entsprechendem Verfahrensgang (vgl. § 41 Abs. 2 OWiG, § 43 OWiG, Nr. 90 RiStBV) weiterhin den Erlass eines Bußgeldbescheids vor (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 LFGB i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a OWiG i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1 ZustV i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e GesVSV).
52
Überdies liegt ein anzuerkennendes wirtschaftliches Interesse vor. Dies schon deshalb, da die Klägerin es aufgrund des sich auf die Endkunden positiv auswirkenden „Clean Label“-Effekts ernsthaft in Betracht zieht, die streitgegenständlichen N.-Produkte in ihrem Betrieb wieder zu verwenden. Das Abwarten des vom Hersteller der N.-Produkte eingeleiteten Zulassungsverfahrens für Lebensmittelzusatzstoffe vor der EU-Kommission erscheint angesichts der erwarteten langen Dauer keine zumutbare Alternative, zumal die Klägerin gerade für sich in Anspruch nimmt, dass es sich bei den N.-Produkten um Verarbeitungshilfsstoffe handele.
53
III. Der Klage steht nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen (§ 173 Satz 1 Halbs. 1 VwGO i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Zwischen dem hiesigen und dem beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängige Verfahren (Az.: …) herrscht keine Streitgegenstandsidentität. In jenem Verfahren ist Klagegegenstand die innerbehördliche Kompetenz zur Art und Weise der Informationsweitergabe im Rahmen von RASFF-Meldungen; im hiesigen Verfahren wird hingegen die Berechtigung der Klägerin zum Inverkehrbringen der (auch künftig) mittels N.-Produkte hergestellten Waren zum Gegenstand der Klage gemacht. Allein schon aufgrund der Verschiedenheit der Rechtsqualität der festzustellenden behördlichen Rechtsverhältnisse sind die Streitgegenstände nicht identisch.
54
IV. Für die Klage besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Die klägerische Zusage, einstweilen auf den Einsatz von N.-Produkten in ihrer Produktion zu verzichten, vermag das Rechtsschutzbedürfnis aus bereits genannten Gründen nicht zu Fall zu bringen. Ebenfalls ist die Klägerin nicht vorrangig darauf zu verweisen, ein Verfahren nach Art. 19 Buchst. c i.V.m. Art. 28 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1333/2008 durch formlosen Hinweis an die EU-Kommission anzuregen, in dem die definitorische Zuordnung der streitgegenständlichen N.-Produkte als Zusatzstoffe oder Verarbeitungshilfsstoffe erfolgen würde, oder das vom Hersteller bei der EU-Kommission eingeleitete Zulassungsverfahren abzuwarten. Denn die Klägerin ist unabhängig von einer Zulassung beschwert, da sie für sich positiv in Anspruch nimmt, die N.-Produkte als Verarbeitungshilfsstoffe einzuordnen. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht dadurch, dass die Abgrenzungsfrage „Zusatzstoff-Verarbeitungshilfsstoff“ auch in dem Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az.: …) womöglich inzident eine Rolle spielen könnte. Der Klageantrag ist dort auf die Feststellung gerichtet, dass die Weitergabe der Informationen innerhalb der Behörden zu Unrecht erfolgt sei; die Feststellung ist daher auf ein vergangenes Rechtsverhältnis gerichtet. Vorliegend geht es aber um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, welches durch die Absicht der Wiederverwendung auch Charakter für die Zukunft zeitigt. Demnach kann aufgrund der Verschiedenheit der Rechtsschutzziele das Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden. Auch sind die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis im dortigen Verfahren (Az.: …) nicht auf die hiesige Konstellation übertragbar. Denn in jenem Eilverfahren – über eine bereits erledigte Maßnahme – wurde das Rechtsschutzbedürfnis insbesondere aufgrund einer mangelnden Besserstellung der Antragstellerin durch eine nur vorläufige Feststellung und in Ermangelung einer geltend gemachten Wiederverwendungsabsicht der streitigen N.-Produkte verneint. Beides ist – wie bereits ausgeführt – im streitgegenständlichen Klageverfahren anders.
D.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Sie richtet sich zwar gegen den richtigen Beklagten, aber die Klägerin ist nicht berechtigt, – auch zukünftig – die in ihrer Produktion unter Einsatz der N.-Produkte (N., N. und N.) hergestellten Waren in Verkehr zu bringen. Denn die auf diese Weise hergestellten klägerischen Produkte unterliegen einem Inverkehrbringungsverbot nach Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008, da die streitgegenständlichen N.-Produkte bei der konkreten verfahrensgegenständlichen Verwendungsweise nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 darstellen.
56
I. Mit der VO (EG) Nr. 1333/2008 wird im Interesse des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes und zur Gewährleistung eines hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzes die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen in der Europäischen Union harmonisiert (Art. 1 Unterabs. 1, ErwG 1 bis 4). Zu diesem Zweck legt die Verordnung anhand von Gemeinschaftslisten die Zusatzstoffe fest, die bei Lebensmitteln zugelassen sind und bestimmt die Bedingungen für ihre Verwendung (Art. 1 Unterabs. 2). Sie regelt außerdem die Kriterien für die Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen in die Gemeinschaftsliste (Art. 6 ff.). Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass der Zusatzstoff in der vorgesehenen Dosis für den Verbraucher gesundheitlich unbedenklich ist, es eine technologische Notwendigkeit für seine Verwendung gibt und er dem Verbraucher einen Nutzen bringt, z.B. weil der Zusatzstoff der Einhaltung der ernährungsphysiologischen Qualität des Lebensmittels dient oder dessen gleichbleibende Qualität oder Stabilität fördert (Art. 6 Abs. 1 und 2, ErwG 7). Die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste vollzieht sich nach einem einheitlichen Bewertungs- und Zulassungsverfahren, das in der VO (EG) Nr. 1331/2008 geregelt ist. Das Verfahren kann auf Initiative der Europäischen Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaates oder einer betroffenen Person eingeleitet werden. Zuständig für die Entscheidung über die Aufnahme eines Zusatzstoffes ist die Kommission (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 VO (EG) Nr 1331/2008), die dabei von dem ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit unterstützt wird (Art. 14 VO (EG) Nr. 1331/2008; Art. 28 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008; BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris Rn. 18).
57
Auf dieser Grundlage regeln Art. 4 und Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008 die Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit von Lebensmittelzusatzstoffen. Nach Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 dürfen in Lebensmitteln nur die in der Gemeinschaftsliste in Anhang II zur VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe und nur unter den darin festgelegten Bedingungen verwendet werden. Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008 verbietet das Inverkehrbringen eines Lebensmittels, in dem ein Lebensmittelzusatzstoff vorhanden ist, wenn die Verwendung des Zusatzstoffs nicht mit dieser Verordnung in Einklang steht.
58
II. Bei der (wieder) von der Klägerin beabsichtigten Verwendung der streitgegenständlichen N.-Produkte (- …, – …, – …*) in ihrer Kapsel- und Tablettenproduktion kommen diese als Lebensmittelzusatzstoffe zum Einsatz.
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Ein Lebensmittelzusatzstoff ist nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.
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1. Die Auslegung von in Rechtsakten der Union verwendeten Begriffen erfolgt unionsrechtsautonom, d.h. unabhängig von einem nationalstaatlichen Verständnis. Das Gericht ist als mitgliedstaatliches Gericht zur Auslegung von Unionsrecht berufen. Hierbei bedient es sich den auch auf Unionsebene anerkannten Grundsätzen zur Auslegung einer Norm nach deren Wortlaut (ggf. auch unter Einbezug anderer Sprachfassungen), Historie, Systematik und Sinn und Zweck (Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 19 EUV Rn. 28 bis 33). Dabei ist das Gericht nicht an eine behördliche Rechtsauffassung gebunden, im streitgegenständlichen Fall insbesondere nicht an die der KBLV oder der EU-Kommission.
61
2. Bei den N.-Produkten handelt es sich um „Stoffe“ im vorstehenden Sinne. Der Begriff des „Stoffs“ ist im weitesten Umfang zu verstehen. Neben chemischen Verbindungen sind auch Stoffgemische, unabhängig vom Aggregatszustand, erfasst. Der Ausdruck „mit oder ohne Nährwert“ hat keine einschränkende Bedeutung (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 14 und 18; vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris Rn. 21). Die Stoffeigenschaft ist bei N. zu bejahen, da es ein Extrakt aus Reis-Kleie darstellt. N. ist ein Stoff, weil es ein aus Reisspelzen/-schalen gewonnenes Konzentrat von Siliziumdioxid ist; das gleiche gilt für N. als ein Gemisch aus Reis-Extrakt, Konzentrat aus Reisspelzen/-schalen („…“), Gummiarabicum und Sonnenblumenöl.
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3. Im streitgegenständlichen Produktionsprozess werden die N.-Produkte aus technologischen Gründen bei der Herstellung/Verarbeitung zugesetzt.
63
a) Die von der Klägerin mittels der N.-Produkte hergestellten Nahrungsergänzungsmittel stellen nach Art. 2 Buchst. a RL 2002/46/EG Lebensmittel i.S.d. Art. 2 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 und damit solche i.S.d. VO (EG) Nr. 1333/2008 dar (Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008).
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b) Ein Stoff wird einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt, wenn er einem oder mehreren der in Art. 6 Abs. 2, Art. 7 und Art. 8 VO (EG) Nr. 1333/2008 genannten Zwecke dient, die im – hierfür nicht abschließenden (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 8) – Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 durch Auflistung sogenannter Funktionsklassen konkretisiert werden. Bei diesen Funktionsklassen handelt es sich um nach der technologischen Funktion in Lebensmitteln geordnete Gruppen von Zusatzstoffen (Art. 3 Abs. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1333/2008), wie beispielsweise Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Emulgatoren, Geschmacksverstärker oder Trennmittel (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris Rn. 23).
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aa) Der für die Annahme von technologischen Gründen nicht abschließende Charakter des Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 folgt daraus, dass die entsprechende – durch Art. 33 Abs. 1 Buchst. f VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgehobene – Vorgängervorschrift zur Definition der Lebensmittelzusatzstoffe, Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 RL 89/107/EWG, das Vorliegen eines Lebensmittelzusatzstoffs noch an eine der im dortigen Anhang I aufgeführten Kategorien von Lebensmittelzusatzstoffen geknüpft hat. Von einer solchen Verknüpfung wurde nach dem klaren Wortlaut und der Konzeption der VO (EG) Nr. 1333/2008 nun abgesehen. Denn es findet sich in den entsprechenden Bestimmungen der VO (EG) Nr. 1333/2008 (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008) kein solch einschränkender Verweis. Zudem spricht Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 nicht mehr von „Kategorien von Lebensmittelzusatzstoffen“, sondern (nur noch) von „Funktionsklassen von Lebensmittelzusatzstoffen“. Sollte der konkret eingesetzte Stoff einer der in Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführten Funktionsklassen zugeordnet werden, so ist dies eine hinreichende, aber nicht notwendige Voraussetzung zur Annahme des Zusatzes aus „technologischen Gründen“. Der Begriff der technologischen Gründe ist daher einer Auslegung zugänglich. Dieses Ergebnis entspricht auch den nachfolgend genannten Fundstellen, wenn dort davon gesprochen wird, dass Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 nicht abschließend sei (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris Rn. 23; OVG Lüneburg, U.v. 25.3.2014 – 13 LC 110/13 – juris Rn. 32; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 8) bzw. der Begriff der „technologischen Gründe“ nun – im Gegensatz zur Vorgängervorschrift – abstrakt ermittelt werden müsse (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 30). Ihm können demnach auch solche Stoffgruppen unterfallen, die den in Anhang I genannten Funktionsklassen ähnlich sind, wie beispielsweise Bleichmittel, Formulierungshilfen und Tablettierungshilfen (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 31).
66
bb) Zur Beurteilung des Zwecks des eingesetzten Stoffs ist eine konkrete Betrachtungsweise maßgeblich (OVG Lüneburg, U.v. 25.3.2014 – 13 LC 110/13 – juris Rn. 37; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 2 Rn. 4 und Art. 3 Rn. 28 f.). Es gilt nicht mehr die vormals unter § 2 Abs. 1 LMBG 1974 herrschende abstrakte Betrachtungsweise („einmal Zusatzstoff, immer Zusatzstoff/ einmal Nicht-Zusatzstoff, immer Nicht-Zusatzstoff“ – vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 2 Rn. 4).
67
Für die Einordung des Stoffs hinsichtlich seiner technologischen Funktion ist auf den verfolgten Hauptzweck (Hauptfunktion, Art. 9 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008) des Stoffes in der hierfür maßgeblichen Gestalt seiner konkreten Verwendung abzustellen, den er während des Produktionsablaufs (Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung und Lagerung) hat.
68
c) Dem Merkmal des Zusatzes aus „technologischen Gründen“ kommt keine tatbestandsverengende Bedeutung dergestalt zu, dass damit (zusätzlich) eine technologische Wirkung bezogen auf das Endprodukt verlangt werden würde, um die Eigenschaft als Lebensmittelzusatzstoff begründen zu können. Hierfür finden sich bereits im Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr ist für die Erfüllung des Merkmals der technologischen Gründe erforderlich, aber auch ausreichend, dass überhaupt eine technologische – bzw. sprachlich richtiger: „technische“ – Wirkung in Bezug auf den Produktionsablauf vorliegt, also durch den Zusatz eines Stoffes der Produktionsablauf als solcher beeinflusst wird (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.5.2019 – 3 K 5672/17 – juris Rn. 84; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 31). Ob ein Stoff aus technologischen Gründen zugesetzt wird, beurteilt sich allein danach, ob er sich im Sinne der in Anhang I der VO (EG) Nr. 1333/2008 nicht abschließend beschriebenen technischen Funktionen auf das Lebensmittel auswirkt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris Rn. 26). Gestützt wird diese Auffassung auch von den Funktionsklassen der „Backtriebmittel“ und „Mehlbehandlungsmittel“ in den Nr. 22 und 26 des Anhangs I der VO (EG) Nr. 1333/2008, die ihre technologische Wirkung bereits während des Backprozesses und nicht mehr im fertig gebackenen Brot entfalten. Wenn das Verwaltungsgericht Karlsruhe zur Unterscheidung der Begriffe des Lebensmittelzusatzstoffs und des Verarbeitungshilfsstoffs darauf hinweist, dass die technologische Funktion bei einem Verarbeitungshilfsstoff nur bei der Verarbeitung wirke und gerade nicht mehr im Enderzeugnis (VG Karlsruhe, U.v. 16.5.2019 – 3 K 5672/17 – juris Rn. 89), so ist dies lediglich ein Hinweis auf die sich bereits aus dem Verordnungstext des Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Nr. iii a.E. VO (EG) Nr. 1333/2008 ergebende Bestimmung, dass für die Annahme eines Verarbeitungshilfsstoffs keine technologische Auswirkung auf das Enderzeugnis bestehen dürfe.
69
Ferner streitet für die hier vertretene Auffassung, dass zur Annahme eines Lebensmittelzusatzstoffs keine technologische Wirkung bezogen auf das Endprodukt vorhanden sein muss, die Wertung des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Nr. iii VO (EG) Nr. 1333/2008. Dort ist der Migrationsgrundsatz für sog. „Carry Over“-Stoffe statuiert. Nach dieser Bestimmung darf ein Lebensmittelzusatzstoff in einem Lebensmittel mit zugesetzten Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen oder -aromen enthalten sein, falls der Zusatzstoff unter anderem durch den Lebensmittelzusatzstoff, das -enzym oder -aroma in das Lebensmittel übertragen worden ist und in dem endgültigen Lebensmittel keine technische Funktion erfüllt (Unterstreichungen durch das Gericht). Aus dieser Vorschrift wird deutlich, dass ein Stoff begrifflich Lebensmittelzusatzstoff bleibt, auch wenn er im endgültigen Lebensmittel keine technische/technologische Wirkung entfaltet. Die Verordnung legt aufgrund des in Art. 3 VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgenommenen Verzeichnisses von Begriffsbestimmungen ihren Bestimmungen durchgängig dasselbe Begriffsverständnis zugrunde. Dass der Verordnungsgeber innerhalb der Verordnung – noch dazu stillschweigend – verschiedene Begriffsverständnisse des Lebensmittelzusatzstoffs benutze, ist daher nicht erkennbar. Dass das Merkmal der „fehlenden technologische Wirkung bezogen auf das Endprodukt“ nur in der beschriebenen „Carry Over“-Konstellation – hinsichtlich der dort angeordneten für den Verwender privilegierenden Rechtsfolgen – relevant wird und die begriffliche Einordnung als Lebensmittelzusatzstoff unberührt lässt, deckt sich auch mit dem Verständnis, welches aus der Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hervorgeht (ALS-Stellungnahmen der 109. Sitzung 2017, Nr. 2017/1, dort die Zweige Nr. 5 und Nr. 6 des Entscheidungsbaums – https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/ALS_ALTS/ALS_Stellungnahmen_109_Sitzung_2017.pdf? blob=publicationFile& v=8, Stand: 17.11.2023).
70
Insbesondere ist die zur Konkretisierung der technologischen Wirkung auf das Endprodukt vereinzelt vertretene Auffassung der Bildung von Fallgruppen (siehe Schulz, ZLR 2017, 4/10 ff.) nicht angezeigt, die zwischen einer erstmalig im Endprodukt auftretenden aktiven Wirkung bzw. einer passiven Wirkung i.S.e. Aufrechterhaltens eines bereits begonnenen Wirkprozesses (erste Fallgruppe), der Aufrechterhaltung des Ergebnisses eines bereits abgeschlossenen Wirkprozesses (zweite Fallgruppe), der Schädlichkeit eines hypothetischen „Hinwegdenkens“ des zugesetzten Stoffes für dessen spezifische Funktion im Endprodukt (dritte Fallgruppe) und zuletzt danach differenzieren, ob denn – unabhängig von einem „Hinwegdenken“ des Stoffes – dieser durch aktives Entfernen lediglich Rückstände hinterlassen hat (vierte Fallgruppe). Denn die Herausarbeitung dieser Fallgruppen und der infolgedessen gezogene Schluss auf die Eigenschaft als Zusatzstoff oder Verarbeitungshilfsstoff beruhen auf einem unzutreffenden Umkehrschluss zu Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Nr. iii VO (EG) Nr. 1333/2008. Der Verordnungsgeber hat dort zur Annahme eines Verarbeitungshilfsstoffs statuiert, dass sich der eingesetzte Stoff technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken dürfe. Bei der Definition des Lebensmittelzusatzstoffs fehle eine solche Einschränkung, sodass zusätzliches notwendiges Tatbestandsmerkmal für die Annahme eines Lebensmittelzusatzstoffs eine solche technologische Auswirkung auf das Endprodukt sei (vgl. Schulz, ZLR 2017, 4/9 f.). Das Gericht folgt dieser Auslegung nicht, da diese der Konzeption der Verordnung widerspricht, die es in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 (vice versa in Art. 20 Buchst. b Nr. ii VO (EU) Nr. 1169/2011) explizit zulässt, dass ein begriffliches Nebeneinander von Lebensmittelzusatzstoff und Verarbeitungshilfsstoff bestehen kann. Auch Satz 5 des ErwG 5 der VO (EG) Nr. 1333/2008 streitet für die hier vertretene Auffassung. Dort ist folgendes niedergelegt: „Zubereitungen aus Lebensmitteln und anderen natürlichen Ausgangsstoffen, die in dem Enderzeugnis eine technologische Funktion erfüllen und die durch selektive Extraktion von Bestandteilen (z.B. Pigmenten) im Vergleich zu ihren ernährungsphysiologischen oder aromatisierenden Bestandteilen gewonnen werden, gelten jedoch als Zusatzstoffe im Sinne dieser Verordnung.“ Da diese Passage eine Sonderkonstellation zum Gegenstand hat, kann sie daher nicht zur Begründung eines generellen Erfordernisses herangezogen werden. Hätte der Verordnungsgeber das Erfordernis der „technologischen Wirkung auf das Endprodukt“ auf sämtliche Arten von Lebensmittelzusatzstoffen ausdehnen wollen, so wäre eine explizite – überdies sodann im verbindlichen Teil des Verordnungstextes anzusiedelnde – Aufnahme dieses Merkmals in die Definition der Lebensmittelzusatzstoffe in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 angezeigt gewesen. Ferner zeigt die von Schulz gebildete vierte Fallgruppe, dass das für die Annahme eines Verarbeitungshilfsstoffs relevante, dort eigenständig aufgeführte Tatbestandsmerkmal der Rückstände (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Nr. iii VO (EG) Nr. 1333/2008) mit dem der fehlenden technologischen Wirkung vermengt wird, was ebenfalls dort eigenständig in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Nr. iii VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführt ist. Für die Annahme eines begrifflichen Nebeneinanders streitet auch die abweichende Behandlung des Begriffsverhältnisses in der VO (EG) Nr. 834/2007. Denn in der VO (EG) Nr. 834/2007 können mangels einer vergleichbaren Vorschrift zu Art. 2 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 auch solche Stoffe Verarbeitungshilfsstoffe sein, die nicht als Lebensmittelzusatzstoffe gelten (VG Karlsruhe, U.v. 16.5.2019 – 3 K 5672/17 – juris Rn. 76). Im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 1333/2008 schließen sich die Begriffe der Lebensmittelzusatzstoffe und der Verarbeitungshilfsstoffe hingegen nicht mehr gegenseitig aus; sie stehen vielmehr nebeneinander. In letzter Konsequenz kann dies dazu führen, dass – selbst unter Zugrundelegung der maßgeblichen konkreten Betrachtungsweise, welche Art. 2 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 fordert – der eingesetzte Stoff die Tatbestandsvoraussetzungen eines Verarbeitungshilfsstoff i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008 und zugleich die eines Lebensmittelzusatzstoffs i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 erfüllt, ohne dass hierin ein begriffstypologischer Widerspruch entsteht. Eine Lösung dieses Konflikts ist hinsichtlich dieser „Schnittmenge“ vielmehr auf konkurrenzrechtlicher Ebene zu suchen: Sollten im konkreten Fall der Verwendung beide Begriffe zugleich tatbestandlich erfüllt sein, so führt dies dazu, dass der Stoff in seinen Rechtsfolgen einzig als Verarbeitungshilfsstoff zu behandeln ist. Denn die Annahme eines Verarbeitungshilfsstoffs hat eine Privilegierung des Verwenders zur Folge; dessen Einsatz ist zulassungsfrei. Diese Privilegierung kann ihm nicht durch den allgemeineren – weil insoweit weiter gefassten – Tatbestand der Lebensmittelzusatzstoffe vorenthalten werden. Der Tatbestand des Verarbeitungshilfsstoffs stellt sich somit als speziellere Vorschrift dar und löst eine Sperrwirkung hinsichtlich des Rückgriffs auf die Rechtsfolgen der allgemeineren Vorschrift der Lebensmittelzusatzstoffe aus. Beispielsweise erfüllt ein Anti-Haft-Spray für den Backofen sowohl den Begriff des Verarbeitungshilfsstoffs (Grube in Voit/Grube, LMIV, 2. Auflage 2016, Art. 16 Rn 66) als auch den des Lebensmittelzusatzstoffs, sodass es in Folge der Spezialität in seinen Rechtsfolgen einzig denen des Verarbeitungshilfsstoffs zu unterwerfen ist.
71
d) An diesen Grundsätzen gemessen erfolgt der Einsatz der streitgegenständlichen N.-Produkte aus technologischen Gründen.
72
Den klägerischen Angaben zufolge dient der Einsatz der N.-Produkte dazu, das Gleiten der Rohstoffmischung von den Produktionsanlagen der Klägerin in die Kapseln bzw. Tablettenform zu erleichtern. Mit anderen Worten wird dadurch die Rieselfähigkeit der Rohstoffmischung erhöht bzw. einer Verklumpung dadurch vorgebeugt, dass die N.-Produkte der Rohstoffmischung beigemengt werden. Die N.-Produkte dienen im vorliegenden Anwendungsfall damit als Rieselhilfe während des Herstellungsprozesses. Sie dürften damit bereits die Merkmale der Funktionsklasse der Trennmittel nach Nr. 8 des Anhangs I der VO (EG) Nr. 1333/2008 erfüllen, jedenfalls kommt ihnen eine dem Trennmittel nach Nr. 8 ähnliche Wirkung zu, so dass unter Berücksichtigung des nicht abschließenden Charakters des Anhangs I ein Zusetzen aus technologischen Gründen vorliegt. Dies stellt auch die maßgebliche Hauptfunktion der N.-Produkte in der konkreten Art der Verwendung dar. Die generelle Eignung von aus Reis extrahierten Stoffen als „Trennmittel“ wird auch durch die Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel der EU-Kommission vom 30.11.2021 – Bereich „Neuartige Lebensmittel und toxikologische Sicherheit“ – und hinsichtlich der N.-Produkte im Besonderen durch die Angabe des Herstellers, der Fa. …, gestützt. Nach den Herstellerangaben sind die Stoffe N., – … und – … jeweils geeignet, als funktionaler Ersatz von unter anderem Magnesiumstearat – einem als Lebensmittelzusatzstoff zugelassenen Magnesiumsalz der Speisefettsäuren (Anhang II Teil B E470b der VO (EG) Nr. 1333/2008) – bzw. hinsichtlich N. als Ersatz von Siliciumdioxid (Anhang II Teil B E551 der VO (EG) Nr. 1333/2008) und Talkum (Anhang II Teil B E553b der VO (EG) Nr. 1333/2008) zu dienen (hinsichtlich N.: https:/ …com/ …; hinsichtlich N.: https:/ …com/ …; hinsichtlich N.: https:/ …com/ …, jeweils Stand: 17.11.2023), welche üblicherweise auch als Trennmittel in Nahrungsergänzungsmitteln – sowohl in tablettierter als auch verkapselter Form – verwendet werden, wie die beispielhafte Aufzählung des LGL zeigt (Bl. 34 bis 36 des Beiaktes II). Der Klägerin kann deshalb auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, wenn sie die Funktion als Trennmittel mit dem Argument verneint, dass sonst die Tablette in ihrer Form auseinanderfallen würde. Dass dem nicht so ist, also ein zugesetztes Trennmittel sich nicht schädlich auf die Beständigkeit der zu pressenden bzw. verpressten Tablette auswirkt, zeigen die vom LGL beispielhaft angeführten Zutatenverzeichnisse, bei denen in Tabletten ebenfalls Trennmittel enthalten ist.
73
e) Die streitigen N.-Produkte werden auch zugesetzt, wodurch sie selbst zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können. Das Gericht schließt sich nicht der Auffassung an, die der unterschiedlichen Formulierung im Verordnungstext, dass Lebensmittelzusatzstoffe „zugesetzt“ und Verarbeitungshilfsstoffe hingegen „verwendet“ werden, eine inhaltliche Bedeutung dergestalt beimisst, dass Lebensmittelzusatzstoffe in Lebensmitteln verwendet und Verarbeitungshilfsstoffe hingegen lediglich an Lebensmitteln verwendet werden müssten (Unterstreichungen durch das Gericht; so aber OVG Lüneburg, B.v. 5.8.2010 – 13 ME 85/10 – juris Rn. 11; a.A. Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 55; Schulz, ZLR 2017, 4/8). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff des Bestandteils einschränkend zu verstehen ist und z.B. Stoffe in losen Mischungen oder in chemischen Verbindungen nicht erfasst (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 34c). Ausweislich der Schilderungen des Herstellungsprozesses und des Fließdiagramms werden die N.-Produkte im Verfahrensschritt „Rohstoffe mischen“ mit den übrigen Rohstoffen vermengt, die zur Herstellung von Kapseln und Tabletten verwendet werden. Sie werden damit zum Bestandteil des Nahrungsergänzungsmittels. Eine anschließende Herauslösung der N.-Produkte dergestalt, dass ihnen in Folge nicht mehr die Eigenschaft als Bestandteil zukäme, ist aufgrund des diesbezüglichen unschlüssigen klägerischen Vortrags zum Produktionsablauf (vgl. Ausführungen unter D. II. 5. b) nicht gegeben.
74
4. Die hiesigen N.-Produkte sind keine Stoffe, die in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet werden.
75
Ein Stoff wird „in der Regel“ als Lebensmittel verzehrt, wenn der Verzehr üblich, also gebräuchlich oder gängig ist. Erforderlich ist eine Ernährungspraxis, die bereits über einen gewissen Zeitraum andauert (zeitliches Moment) und bei einer nennenswerten Zahl von Verbrauchern anzutreffen ist (quantitatives Moment). Gegenstand der Beurteilung ist auch in diesem Zusammenhang der zugesetzte Stoff in der Beschaffenheit, die er bei seiner Verwendung als Zusatz aufweist. Das legt bereits der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1333/2008 nahe und wird bestätigt durch die Erläuterung zum Anwendungsbereich der Verordnung in Art. 2 Abs. 2. Danach gilt die Verordnung für die dort aufgeführten Stoffe nur, wenn sie als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden. Die Regelung hat multifunktionale Stoffe im Blick, die je nach Verwendungszusammenhang zu technologischen Zwecken oder aus sonstigen Gründen eingesetzt werden können. Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1333/2008 stellt klar, dass für die Einstufung des Stoffes die konkret in Rede stehende Verwendung maßgeblich ist. Daher kann nicht auf die Ausgangsstoffe der N.-Produkte, respektive die Reispflanze als solche, abgestellt werden. Allein der Umstand, dass ein Stoff möglicherweise selbstständig verzehrfähig ist, nimmt ihm nicht seine Eigenschaft als Zusatzstoff.
76
Eine Zutat ist charakteristisch im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008, wenn sie prägender Bestandteil des Lebensmittels ist, also dem Lebensmittel besondere, typische Eigenschaften verleiht. Zusätzlich bedarf es einer regelhaften Verwendung als charakteristische Zutat, was eine gefestigte, dauerhafte Herstellungs- und Verzehrpraxis voraussetzt.
77
Bei beiden Tatbestandsvarianten ist zur Bestimmung der „Regelhaftigkeit“ – anders als bei der Bestimmung der „technologischen Wirkung“ – auf eine generelle Betrachtungsweise abzustellen (OVG Lüneburg, U.v. 25.3.2014 – 13 LC 110/13 – juris Rn. 37; bestätigt von BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 3 C 7/14 – juris; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 20 und 26).
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Gemessen daran ist für das Gericht nichts ersichtlich – und auch von den Beteiligten nichts hierzu vorgetragen –, was einen regelhaften Verzehr der N.-Produkte in ihrer Eigenschaft als Extrakt, Konzentrat und Gemisch nahelegt. Sie werden auch nicht dem Endverbraucher als solche angeboten. Ebenso sind sie nicht prägend für die Endprodukte der Klägerin (vgl. zu diesem Kriterium OVG Lüneburg, U.v. 25.3.2014 – 13 LC 110/13 – juris Rn. 40). Denn bereits die von der Klägerin für ihre gewerblichen Abnehmer hergestellten Endprodukte enthalten – soweit ersichtlich – keinen mit den N.-Produkten in Verbindung stehenden Produktnamen (beispielsweise das von der Klägerin mittels N. hergestellte Produkt „…“ und die unter wechselseitigen Einsatz der besagten N.-Produkte hergestellten Produkte „…“, „…“, „…“, „…“, „…“ und „…“).
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5. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den streitgegenständlichen N.-Produkten im vorliegenden Fall nicht um Verarbeitungshilfsstoffe i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 1333/2008. Ein Verarbeitungshilfsstoff ist nach dortiger Definition ein Stoff, der (i) nicht als Lebensmittel verzehrt wird, (ii) bei der Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Zutaten aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung verwendet wird und (iii) unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände des Stoffes oder seiner Derivate im Enderzeugnis hinterlassen kann, sofern diese Rückstände gesundheitlich unbedenklich sind und sich technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken.
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Das Tatbestandsmerkmal des „unbeabsichtigten, technisch unvermeidbaren Rückstandes“ ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
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a) Ein Rückstand liegt dann nicht vor, wenn der zugesetzte Stoff im Enderzeugnis noch unverändert enthalten ist. Bereits aus dem Wortsinn des Begriffs „Rückstand“ ergibt sich, dass der zugesetzte Stoff mithin, bezogen auf das Enderzeugnis, mengenmäßig – aktiv oder passiv (z.B. Entweichen von flüchtigen Stoffen) – bis auf Reste vermindert worden sein muss (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 61; a.A. Schulz ZLR 2017, 4/8). Eine bloße Inaktivierung des Stoffes reicht nicht aus. Unbeabsichtigt verbleibt ein Rückstand bzw. ein Abbau- oder Reaktionsprodukt in dem Lebensmittel nach dem Sinnzusammenhang immer dann, wenn die Menge bis auf geringe Restmengen gemindert und dies technisch nicht vermeidbar ist (Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Werkstand: 186. EL, März 2023, EU-VO über Lebensmittelzusatzstoffe 2008, Art. 3 Rn. 63).
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b) An diesen Grundsätzen gemessen ergibt sich weder aus dem klägerischen Vortrag zum Produktionsablauf noch aus sonstigen Umständen, auf welche Weise eine Reduktion der eingesetzten N.-Produkte im genannten Sinne stattfinden soll. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin sind nicht plausibel. Die N.-Produkte werden – wie bereits ausgeführt – den Ausgangsrohstoffen beigemengt; es entsteht ein Rohstoffgemisch. Die beigemengten N.-Produkte dienen als Rieselhilfe. Sie sollen also das Festsetzen des Rohstoffgemischs in den Produktionsanlagen verhindern bzw. erheblich reduzieren. Die Klägerin stellte im laufenden Verfahren sodann die Vermutung auf, dass die beigemengten N.-Produkte im Rahmen des Abfüllvorgangs wieder aus der Mischung herausgelöst werden würden, indem sie sich – anders als das abzufüllende Lebensmittel – in der Produktionsanlage ganz oder teilweise festsetzen würden.
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Diese Vermutung konnte nicht, insbesondere auch nicht durch die vorgelegten Fließdiagramme und Ausführungen zur Reinigung der Produktionsanlagen, erhärtet werden. Das Gericht kann aus dem gesamten Verfahrensstoff nur den Schluss ziehen, dass kein Herauslösen der streitgegenständlichen N.-Produkte während des Produktionsablaufs erfolgt. Hierfür spricht zuvörderst der Einsatzzweck der N.-Produkte im konkreten Fall: Es würde gerade diesem Zweck (Verhinderung bzw. erhebliche Reduzierung eines Hängenbleibens des Rohstoffgemischs in der Produktionsanlage) zuwiderlaufen, würden die hierfür eingesetzten N.-Produkte vor Abschluss des Abfüllvorgangs – unabhängig ob aktiv oder passiv – herausgelöst werden.
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Weiterhin wird mit den klägerischen Ausführungen zur Präzisierung ihrer Vermutung nicht ansatzweise schlüssig dargetan, wie ein Herauslösen (nur) der N.-Produkte aus dem Rohstoffgemisch (und deren Festsetzen in den Produktionsanlagen) erfolgen sollte. Ein dem Begriff des Rückstands gerecht werdendes Herauslösen eines Stoffes durch Festsetzen in der Produktionsanlage mag etwa im Fall der Klärung von Bier nach § 1 Abs. 1 der Bierverordnung – BierV – i.V.m. § 9 Abs. 6 des Vorläufigen Biergesetzes – VorlBierG – unter Einsatz des Filtrationsmittels Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) oder Kieselgur sein: Der Einsatz dieser Stoffe dient der Bindung von Trubstoffen im Bier (etwa festen Hefe- und Eiweißresten), deren Existenz im Endprodukt aus ästhetischen Gründen in der Regel unerwünscht ist. Die gebundenen Trubstoffe samt dem Filtrationsmittel werden sodann während des Abfüllvorgangs herausgefiltert. Im Endprodukt verbleiben lediglich geringe, technisch unvermeidbare Reste – und damit Rückstände – dieses Filtrationsmittels. Dem Gericht erschließt sich nicht, wie ein solches Herauslösen im vorliegenden Fall gegeben sein soll, noch dazu isoliert vom abzufüllenden Lebensmittel. Ein solches wäre nur dann gegeben, wenn die der Rohstoffmischung beigemengten N.-Produkte in einem weiteren Verfahrensschritt wieder aus dieser Mischung – aktiv oder passiv – herausgefiltert würden. Dies ist nicht der Fall. Das Gericht folgt zwar dem nachvollziehbar vorgetragenen Umstand, dass sich während des Abfüllvorgangs durchaus – selbst nach Zugabe der N.-Produkte – zu einem geringen Teil generell Stoffe an Maschinenteilen festsetzen können. Jedoch sind dies – im Unterschied zum Beispiel der Klärung von Bier – nicht isoliert die eingesetzten Stoffe, hier die streitgegenständlichen N.-Produkte, sondern gerade Teile der Rohstoffmischung in deren Gesamtheit. Ein Festsetzen von geringen Anteilen („Spuren“) des Gesamtprodukts in Produktionsanlagen ist jedoch jedem Produktionsablauf immanent; im Fall der Herstellung von Bier sind dies die nach dem Abfüllvorgang verbleibenden Tropfen des Bieres in den Kesseln/Schläuchen.
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Vor diesem Hintergrund ist der Zweck der von der Klägerin nach jedem Abfüllvorgang durchgeführten Reinigung der Produktionsanlagen zu bewerten. In ihrem diesbezüglichen schriftsätzlichen Vortrag führt die Klägerin aus, dass jedes Teil, das mit dem abzufüllenden Lebensmittel in Berührung komme, gereinigt werde. Die Reinigung wird demnach nicht speziell aufgrund erwarteter Rückstände der N.-Produkte, sondern generell aufgrund „Rückstände“ in Bezug auf festgesetzte Anteile des Rohstoffgemischs in seiner Gesamtheit durchgeführt.
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Der klägerische Vortrag zu einem etwaigen Herauslösen der eingesetzten N.-Produkte wird auch nicht durch die vorgelegten Laboruntersuchungen plausibilisiert. Die Untersuchungen können keine Aussage zu einer – in den rechtlichen Maßstäben aufgezeigten – mengenmäßigen Reduktion der N.-Produkte im Endprodukt treffen, da sie unter Einsatz eines qualitativen Messverfahrens (DIN EN ISO 21569) anstatt eines quantitativen Verfahrens stattfanden. Überdies wurde im Fall des N., einem Stoffgemisch, dieses Stoffgemisch als Referenzprobe zum Gegenstand einer Laboruntersuchung gemacht, sodass die Untersuchung keine belastbare Aussage hinsichtlich Existenz und Menge der jeweiligen konzentrierten Bestandteile dieses Stoffgemischs im Endprodukt leisten kann. Im Übrigen verweist das Gericht auf die sich dezidiert mit den Laboruntersuchungen auseinandersetzenden Ausführungen des LGL vom 03.03.2023 (Bl. 73 bis 76 des Beiaktes I), denen es sich anschließt.
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Da es sich demnach bereits nicht um Rückstände handelt und überdies deren Vorliegen hier auch nicht unbeabsichtigt wäre, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den – zwar insoweit nachvollziehbaren – klägerischen Ausführungen zur technischen Vermeidbarkeit.
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III. Für die als Lebensmittelzusatzstoffe zu klassifizierenden hiesigen N.-Produkte besteht gegenwärtig keine Zulassung. Sie sind nicht in Anhang II der VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführt. Damit steht die Verwendung dieser Lebensmittelzusatzstoffe nicht im Einklang mit der VO (EG) Nr. 1333/2008 und sie unterliegen daher einem Inverkehrbringungsverbot (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008).
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IV. Das Gericht sieht sich nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und ein Vorabentscheidungsverfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Unterabs. 1 Buchst. b Var. 2 AEUV betreffend die Frage, wie die Begriffe des Lebensmittelzusatzstoffs und des Verarbeitungshilfsstoffs nach der VO (EG) Nr. 1333/2008 zueinander stünden bzw. wie einzelne der dortigen Tatbestandsmerkmale auszulegen seien, einzuleiten.
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1. Eine Vorlagepflicht besteht grundsätzlich nur in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (Art. 267 Unterabs. 3 AEUV). In Abkehr von diesem Grundsatz besteht diese Pflicht für ein Instanzgericht nur im Falle der Gültigkeitsvorlage nach Art. 267 Unterabs. 1 Buchst. b Var. 1 AEUV (Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL, März 2023, Anhang § 40 VwGO, Art. 267 AEUV Rn. 35). Keine Vorlagepflicht bzw. kein auf Null reduziertes Vorlageermessen würde für ein Instanzgericht selbst dann bestehen, sollte es im Rahmen seiner Entscheidung beabsichtigen, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinsichtlich der Auslegung einer unionsrechtlichen Norm abzuweichen (Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL, März 2023, Anhang § 40 VwGO, Art. 267 AEUV Rn. 44).
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2. Gemessen daran entscheidet das hiesige Gericht im vorliegenden Verfahren nicht letztinstanzlich und auch nicht über die Gültigkeit der VO (EG) Nr. 1333/2008, sondern über deren Auslegung. Nach obigen Maßstäben ist das hiesige Gericht auch dann nicht zu einer Vorlage verpflichtet, wenn es hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des Lebensmittelzusatzstoffs bzw. Verarbeitungshilfsstoffs von der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 28.9.1994 – „Diphosphat“, C-144/93 – Slg. 1994, I-4605 – juris) abweichen würde. Überdies liegt auch keine Abweichung von der zitierten EuGH-Entscheidung vor. Denn die Entscheidung erging zu einem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Begriffsbestimmungen noch keine Geltung beanspruchten. Zudem ist nicht ersichtlich, dass sich die Begriffsbestimmungen der VO (EG) Nr. 1333/2008 in einer bloßen Wiedergabe der damaligen EuGH-Rechtsprechung zu einer kennzeichnungsrechtlichen Frage erschöpfen.
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Im Übrigen sieht das Gericht im vorliegenden Fall von einer fakultativen Vorlage nach Art. 267 Unterabs. 2 AEUV ab.
E.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
F.
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Die Berufung wird nach § 84 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 124a Abs. 1 und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die inmitten stehenden Rechtsfragen – insbesondere das begriffliche Verhältnis von Lebensmittelzusatzstoffen zu Verarbeitungshilfsstoffen nach der VO (EG) Nr. 1333/2008 und die Auslegung einzelner dortiger Tatbestandsmerkmale – grundsätzliche Bedeutung für eine Mehrzahl von Verfahren aufweisen und eine dezidierte obergerichtliche Rechtsprechung hierzu bisher nicht ersichtlich ist.