Inhalt

AG Starnberg, Endbeschluss v. 06.02.2023 – 002 F 26/22
Titel:

Abänderung des Versorgungsausgleichs nach Entlassung aus dem Beamtenverhältnis

Normenketten:
FamFG § 225, § 226 Abs. 1, Abs. 3
VersAusglG § 27, § 32
Leitsätze:
1. Eine Abänderung des Versorgungsausgleichs beschränkt sich auf das jeweils betroffene Anrecht. Eine Totalrevision des rechtskräftigen Wertausgleichs bei Scheidung findet zu einem späteren Zeitpunkt nicht statt. (Rn. 25) (red. LS Axel Burghart)
2. Eine nachträgliche Veränderung tatsächlicher Umstände nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ausgleichswert eines Anrechts zurückwirkt, liegt vor bei Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis. (Rn. 26) (red. LS Axel Burghart)
3. Die grobe Unbilligkeit der Abänderung des Versorgungsausgleichs muss sich im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Dabei können auch nicht-wirtschaftliche Gesichtspunkte, namentlich Fehlverhalten eines Ehegatten, in Betracht zu ziehen sein. (Rn. 38) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, Abänderung, Beamtenversorgung, grobe Unbilligkeit, Freiheitsstrafe
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 11.10.2023 – 2 UF 494/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33484

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.077,23 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist die durch den Versorgungsträger beantragte Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich.
2
Der Antragsgegner zu 1 war mit der Antragsgegnerin zu 2 knapp 30 Jahre lang verheiratet. Die Antragstellerin ist die gesetzliche Rentenversicherung beider Antragsgegner.
3
Mit notariellem Getrenntlebens-, Scheidungsvereinbarungs- und Erbvertrag vom 26.07.2010 verzichteten die Antragsgegner wechselseitig auf jeglichen Zugewinnausgleich unter Beibehaltung des Miteigentums an zwei Immobilien, wovon die Antragsgegnerin zu 2 das Haus in H … weiter bewohnt und betreut.
4
Im Verfahren 003 F 773/10 des Amtsgerichts Starnberg wurde die Ehe der Antragsgegner durch Endbeschluss vom 04.08.2011 geschieden. In Ziffer 2. des Endbeschlusses wurde folgende Entscheidung zum Versorgungsausgleich getroffen:
5
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung B., Versicherungsnummer … zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,4347 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
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Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Bayerischen Ingenieurversorgung – Bau mit Psychotherapeutenversorgung, … zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 3.299,97 Euro, bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
7
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung B., Versicherungsnummer …, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 6,5932 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
8
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei dem Landesamt für Finanzen, … zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 1.655,24 Euro mtl. auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
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Der Endbeschluss ist rechtskräftig seit 24.09.2011.
10
Nach der Rechtskraft der Entscheidung ist der Antragsgegner zu 1 wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und insoweit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Die Rentenanwartschaft bei dem Landesamt für Finanzen in Höhe von 1.655,24 € gilt mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge als in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Ansprüche des Antragsgegners zu 1 gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landesamt für Finanzen bestehen insoweit nicht mehr.
11
Beide Antragsgegner beziehen mittlerweile Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Antragsgegnerin zu 2 ist 67 Jahre alt und erhält bislang an monatlichen Rentenzahlungen von der bayerischen Versorgungskammer ca. 150,- €, von der Kreissparkasse ca. 40,- € und von der Rentenversicherung B. nach der Rentenanpassung zum 01.07.2022 monatlich 2.738,72 €.
12
Die Antragstellerin hat nach durchgeführter Nachversicherung einen Ehezeitanteil der gesetzlichen Rentenversicherung des Antragsgegners zu 1 von 29,8892 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 14,9446 Entgeltpunkten festgestellt. Nach der Abänderung würde das bei der Rentenversicherung begründete Anrecht der Antragsgegnerin zu 2 von monatlich 1.655,24 € vollständig wegfallen. Bezogen auf den 31.08.2010 wären aus dem Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 statt bisher 1.834,50 € nur noch 406,49 € zu berücksichtigen. Die Rente würde sich also um 1.428,01 € bezogen auf den 31.08.2010 verringern.
13
Die Antragstellerin behauptet, die Umsetzung des Versorgungsausgleichs auf Grundlage der Erstentscheidung sei für sie nicht mehr kostenneutral. Die nach Durchführung der Nachversicherung verbliebenen Rentenanwartschaften des Antragsgegners zu 1 würden nicht ausreichen, um den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich vollständig abzuziehen.
14
Die Antragstellerin beantragt,
die Abänderung der rechtskräftigen wirksamen Entscheidung über den Versorgungsausgleich des Amtsgerichts Starnberg – Familiengericht – vom 04.08.2011, Az. 003 F 773/10, wobei sich der Abänderungsantrag auf die weggefallenen Versorgungsanrechte des Antragsgegners zu 1, die dieser ursprünglich beim Landesamt für Finanzen ... erworben hatte und die aufgrund der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nunmehr als Rentenanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, bezieht
15
Der Antragsgegner zu 1 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
hilfsweise die Sache zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
16
Die Antragsgegnerin zu 2 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
die Abänderung des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit auszuschließen,
hilfsweise, dass der Versorgungsausgleich hinsichtlich der Anrechte der Antragstellerin ausgeschlossen wird.
17
Der Antragsgegner zu 1 entgegnet, die Kürzung, zu der die Nachversicherung nach § 8 SGB VI führe, sei verfassungswidrig und verletze den Antragsgegner zu 1 in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, 14 GG. Der erwirtschaftete Anspruch werde um ein Viertel reduziert, da unter anderem erwirtschaftete Anrechte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze keine Berücksichtigung finden. Die größere wirtschaftliche Belastbarkeit der durch hohe Versorgungsanwartschaften begünstigten Arbeitnehmer oder Beamten sei kein sachlicher Grund für einen partiellen Verfall der Anwartschaften. Der Entzug bereits unverfallbar erworbener Anwartschaften und Ansprüche sei nicht gerechtfertigt und verstoße daher gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
18
Die Antragsgegnerin zu 2 entgegnet, die Abänderung des Versorgungsausgleichs sei grob unbillig. Sie habe darauf vertraut, dass ihre Altersvorsorge über den Versorgungsausgleich gesichert sei. Im Vertrauen auf diese Absicherung für ihr Alter sei auch die notarielle Getrenntlebens- und Scheidungsvereinbarung vom 26.07.2010 geschlossen worden. Angesichts ihres Alters von 67 Jahren habe die Antragsgegnerin zu 2 keinerlei Möglichkeit mehr, eine Änderung der Versorgungsausgleichsregelung, mit der sie nicht rechnen habe können, in irgendeiner Weise aufzufangen. Die gegenüber dem Antragsgegner zu 1 um 385.266,60 € deutlich geringeren Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin zu 2 würden daraus resultieren, dass sie sich während der Ehe ganz überwiegend um die gemeinsamen Kinder gekümmert habe und ihre eigene berufliche Tätigkeit nahezu vollständig hintangestellt habe. Sie habe während der Ehe keine eigene adäquate Altersvorsorge aufbauen können. Zudem würde der im Rahmen des Versorgungsausgleichs entschiedene Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin zu 2 die Angelegenheit in eine noch größere Schieflage bringen. Durch die Reduzierung der Anwartschaften würde ein Missverhältnis entstehen, dass nicht mehr mit den grundrechtlich geschützten Rechten der Beteiligten vereinbar sei.
19
Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift.
II.
20
Der Abänderungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
21
1. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Starnberg ergibt sich aus § 218 Nr. 2 FamFG.
22
2. Gemäß § 226 Abs. 1 FamFG ist der von der Abänderung betroffene Versorgungsträger antragsberechtigt.
23
3. Ein hinreichend bestimmter Antrag ist gestellt. Der Antrag ist Verfahrensvoraussetzung und muss erkennen lassen, hinsichtlich welcher konkreter Anrechte die Entscheidung über den Versorgungsausgleich geändert werden soll (GForm-FamFG/Kischkel/Siede, 3. Aufl. 2023, FamFG § 226 Rn. 5 in beck-online).
24
Der gestellte Abänderungsantrag bezieht sich nur auf die ursprünglichen Anrechte des Antragsgegners zu 1 beim Landesamt für Finanzen (das im Zuge der Nachversicherung erloschen ist) und bei der Deutschen Rentenversicherung B. (das durch die Nachversicherung angestiegen ist). Die eigenen Anrechte der Antragsgegnerin zu 2 sind davon nicht betroffen.
25
4. Eine Abänderung nach § 225 FamFG, § 32 VersAusglG kann nur anrechtsbezogen erfolgen. Die Korrektur im Abänderungsverfahren beschränkt sich auf das jeweils betroffene Anrecht. Eine Totalrevision des rechtskräftigen Wertausgleichs bei Scheidung nach dem VersAusglG findet zu einem späteren Zeitpunkt nicht statt (BGH FamRZ 2015, 1279; Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, FamFG § 225 Rn. 21; Ruland, Versorgungsausgleich, 10. Kapitel. Die Abänderung von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich Rn. 1077 in beck-online).
26
5. Eine nachträgliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ausgleichswert eines Anrechts zurückwirkt im Sinne von § 225 Abs. 2 FamFG ist gegeben. Eine nachträgliche Änderung tatsächlicher Umstände liegt vor bei Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis (Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, FamFG § 225 Rn. 15).
27
Nach der Rechtskraft der Entscheidung ist der Antragsgegner zu 1 aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und insoweit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Diese tatsächliche Veränderung führt dazu, dass sich die antragsgegenständlichen Ausgleichswerte rückwirkend ändern. Denn das ausgeglichene Anrecht beim Freistaat Bayern, vertreten durch das Landesamt für Finanzen ist nach der durch das Gericht erholten Auskunft vom 09.03.2022 erloschen. Durch die Nachversicherung ist das Anrecht des Antragsgegners zu 1 bei der Deutschen Rentenversicherung B. angestiegen – wenn auch nicht in gleichem Maße.
28
6. Eine wesentliche Wertänderung gem. § 225 Abs. 2, 3 FamFG ist gegeben. Relative wie absolute Wertgrenzen sind offensichtlich überschritten.
29
7. Das weitere Erfordernis der positiven Auswirkung der beantragten Abänderung zu Gunsten eines Ehegatten oder seiner Hinterbliebenen gem. § 225 Abs. 5 FamFG ist gewahrt.
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Damit soll verhindert werden, dass von einem Versorgungsträger ein Antrag gestellt wird, der sich ausschließlich zu seinen Gunsten auswirkt. Gegen die Durchführung des Abänderungsverfahrens spricht indes nicht, dass eine Abänderung auch den wirtschaftlichen Interessen des antragstellenden Versorgungsträgers entgegenkommen kann (Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, FamFG § 225 Rn. 19).
31
Die Abänderung muss sich nur zugunsten „eines“ Ehegatten auswirken, nicht notwendig zugunsten beider (MüKoFamFG/Stein, 3. Aufl. 2018, FamFG § 225 Rn. 34). Vorliegend würde sich die Abänderung des Ausgleichs hinsichtlich des ursprünglichen Anrechts des Antragsgegners zu 1 beim Landesamt für Finanzen zugunsten des Antragsgegners zu 1 auswirken, da in der Folge des Wegfalls des Anrechts ein geringerer Betrag von seinem verbleibenden Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen wäre. Dagegen würde sich die Abänderung des Ausgleichs hinsichtlich des ursprünglichen Anrechts des Antragsgegners zu 1 bei der Deutschen Rentenversicherung B. zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 auswirken, da aufgrund der Nachversicherung ein höheres Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen wäre. Unerheblich ist insoweit, dass sich dies jeweils zum Nachteil des anderen Ehegatten auswirken würde.
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8. Ein möglicher Grundrechtsverstoß steht einer Abänderung nicht entgegen.
33
Zwar teilt das Gericht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragsgegners zu 1 gegen das System der Nachversicherung bei einem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis unter dem Gesichtspunkt der Art. 3, 12, 14 GG. Denn statt den bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbenen – anteiligen – Pensionsanspruch zu belassen, erfolgt eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Erlöschen der Pensionsansprüche gegen den Dienstherrn. Damit verbunden sind regelmäßig ganz erhebliche wirtschaftliche Einbußen. Dies greift nicht nur in die bereits erworbenen eigentumsgleichen Anwartschaften ein (Art. 14 GG). Dies hindert auch den Beamten in seiner künftigen Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG), da er sich den Berufswechsel, gerade in fortgeschrittenem Alter, in Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Einbußen schlichtweg nicht leisten kann. Über die erfolgte Nachversicherung hat das Familiengericht jedoch nicht zu befinden.
34
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichts erstrecken sich indes nicht auf die Regelungen des Versorgungsausgleichs. Zum einen werden insoweit nur die mittelbaren Folgen der Nachversicherung reguliert. Zum anderen ist im Versorgungsausgleich gerade das Korrektiv des § 27 VersAusglG bei grober Unbilligkeit vorgesehen, das zumindest im Einzelfall verfassungsrechtlich bedenkliche Härten ausgleichen lässt.
35
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kann daher unterbleiben.
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9. Die Abänderung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der antragsgegenständlichen Anrechte wäre jedoch grob unbillig i.S.v. § 226 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 27 VersAusglG.
37
Der Verweis durch § 226 Abs. 3 FamFG auf § 27 VersAusglG in entsprechender Anwendung ermöglicht es dem Gericht, die Billigkeit der zu treffenden Abänderungsentscheidung zu prüfen und so im Einzelfall von einer rechnerisch schematischen Abänderung abzusehen (Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, FamFG § 226 Rn. 4). Insoweit ist nicht zu klären, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs als solche, sondern ob die Abänderung grob unbillig ist (OLG Hamm, Beschluss vom 27.7.2017 – 10 UF 72/17 in NJW-RR 2017, 1415; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, FamFG § 226 Rn. 13 in beck-online).
38
Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (BGH FamRZ 2012, 845; BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174). Dabei können im Einzelfall auch nicht-wirtschaftliche Gesichtspunkte, namentlich Fehlverhalten eines Ehegatten in Betracht ziehen sein (BGH, Beschluss vom 13.10.1982 – IVb ZB 615/80).
39
Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
40
a) Im Falle der beantragten Abänderung verbliebe der Antragsgegnerin der eigene notwendige Lebensbedarf nicht.
41
Die Antragsgegnerin zu 2 ist 67 Jahre alt und erhält derzeit an monatlichen Rentenzahlungen von der bayerischen Versorgungskammer ca. 150,- €, von der Kreissparkasse ca. 40,- € und von der Rentenversicherung B. nach der Rentenanpassung zum 01.07.2022 monatlich 2.738,72 €.
42
Nach der beantragten Abänderung würde das bei der Rentenversicherung begründete Anrecht der Antragsgegnerin zu 2 von monatlich 1.655,24 € vollständig wegfallen. Bezogen auf den 31.08.2010 wären aus dem Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 statt bisher 1.834,50 € nur noch 406,49 € zu berücksichtigen. Die Rente würde sich also um 1.428,01 € bezogen auf den 31.08.2010 verringern. Die Antragsgegnerin zu 2 müsste mithin einen Rentenabschlag von 77,84 % hinnehmen.
43
Eine durch die Änderung eintretende Bedürftigkeit steht der Änderung für sich allein noch nicht entgegen. Insbesondere gelten im Versorgungsausgleich nicht die unterhaltsrechtlichen Selbstbehaltsgrenzen (BGH, FamRZ 2013, 1200 RN 19).
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Zu berücksichtigen ist insoweit auch das verbliebene gemeinsame Immobilieneigentum beider Antragsgegner, wobei die Antragsgegnerin zu 2 weiterhin in dem gemeinsamen Haus wohnt. Das Auskommen der Antragsgegnerin zu 2 wäre dennoch nicht mehr hinreichend gewährleistet, zumal allein die Kosten der ihr obliegenden Unterhaltung und Betreuung des Hauses die Rentenleistungen nach Abänderung mehr als aufziehen dürften.
45
b) Bei der zu treffenden Gesamtabwägung gewinnt sodann der Umstand an Gewicht, dass der Ausgleichsberechtigte während der Ehe sein berufliches Fortkommen im Interesse der Familie zurückgestellt hat und somit ehebedingte Nachteile in seiner Versorgung hat hinnehmen müssen und er deshalb auf den Versorgungsausgleich zur Verbesserung seiner sozialen Lage angewiesen ist (BGH FamRZ 1988, 489; FamRZ 1990, 1341).
46
Aufgrund der langen Ehedauer der Antragsgegner von knapp 30 Jahren und der von den Eheleuten gewählten Rollenwahl in der Ehe, bei der die Antragsgegnerin zu 2 weitgehend auf eine eigene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit während der Ehe verzichtet hat und den Großteil der Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Kinder übernommen hat, konnte sie keine wesentlichen eigenen Versorgungsanrechte begründen. Die Antragsgegnerin zur 2 hat sich während der Ehe ganz überwiegend um die gemeinsamen Kinder gekümmert und ihre eigene berufliche Tätigkeit hintangestellt.
47
Beide Antragsgegner beziehen mittlerweile Rentenleistungen. Angesichts ihres Alters von 67 Jahren wäre die Antragsgegnerin zu 2 im Falle einer Änderung nicht mehr in der Lage, für angemessene Absicherung im Alter zu sorgen.
48
c) Die Antragsgegnerin zu 2 hat aufgrund rechtskräftiger Entscheidung darauf vertrauen dürfen, dass ihre Altersvorsorge über den Versorgungsausgleich gesichert ist. Im Vertrauen auf diese zu erwartende Absicherung für ihr Alter hat sie mit notariellem Vertrag vom 26.07.2010 eine Getrenntlebens- und Scheidungsvereinbarung nebst Erbvertrag geschlossen. Unter anderem wurde bei Fortbestand des Miteigentums an beiden Immobilien wechselseitig der Zugewinnausgleich ausgeschlossen.
49
d) Die im Rahmen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 226 III FamFG i.V.m. § 27 VersAusglG vorzunehmende Billigkeitsprüfung ist nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten beschränkt (OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.6.2012 – 13 UF 56/12, BeckRS 2012, 13599). Im Einzelfall können auch nicht-wirtschaftliche Gesichtspunkte, namentlich Fehlverhalten eines Ehegatten in Betracht ziehen sein (BGH, Beschluss vom 13.10.1982 – IVb ZB 615/80).
50
Nach der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist der Antragsgegner zu 1 wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und insoweit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Der Antragsgegner zu 1 hat die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zu vertreten, die Antragsgegnerin zu 2 ersichtlich nicht.
51
Die Antragsgegnerin zu 2 würde gleichsam für die strafrechtliche Verurteilung des Antragsgegners zu 1 mitbüßen. Allein durch das nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eintretende Ereignis der Verurteilung ihres vormaligen Ehemanns würde die Antragsgegnerin zu 2 einen erheblichen Teil ihrer schon sicher geglaubten Altersvorsorge verlieren. Nach Trennung der Versorgungsschicksale durch den dinglich wirkenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich liegt der Schluss auf eine grobe Unbilligkeit nahe (Norpoth: Abänderung von Altentscheidungen zum Versorgungsausgleich, FamFR 2012, 372, beck-online).
52
e) Zusammenfassend würde die Abänderung des Ausgleichs des vormaligen Anrechts beim Landesamt für Finanzen zu massiven finanziellen Einbußen der Antragsgegnerin zu 2 führen, obwohl sie auf die rechtskräftige Entscheidung vertraut und in deren Erwartung disponiert hat und zugleich der Verfall der Anwartschaften nicht durch sie zu verantworten ist.
53
Demgegenüber wirkt sich der Fortbestand des bisherigen Versorgungsausgleichs zwar erheblich zulasten des Antragsgegners zu 1 aus. Letztendlich wird er dieses Ergebnis jedoch als Folge seiner strafrechtlichen Verurteilung hinzunehmen haben.
54
f) Sodann kann auch eine Abänderung des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf das Anrecht des Antragsgegners zu 1 bei der Deutschen Rentenversicherung B. nicht erfolgen. Denn wenn eine Abänderung hinsichtlich des Erlöschens des Anrechts des Antragsgegners zu 1 beim Landesamt für Finanzen aus Gründen der Unbilligkeit zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 unterbleibt, würde eine Anhebung des Anrechts des Antragsgegners zu 1 bei der Deutschen Rentenversicherung B. und in der Folge ein höherer Ausgleich zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 eine grobe Unbilligkeit zulasten des erstgenannten und eine nicht gerechtfertigte nachträgliche Begünstigung der zweitgenannten zur Folge haben.
55
Im Ergebnis hat daher eine Abänderung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich beider antragsgegenständlicher Anrechte wegen grober Unbilligkeit zu unterbleiben.
III.
56
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 81 FamFG. Es entspricht in der Regel billigem Ermessen, die Kosten des Abänderungsverfahrens gegeneinander aufzuheben (GForm-FamFG/Kischkel/Siede, 3. Aufl. 2023, FamFG § 226 Rn. 6 in beck-online). So ist dem auch hier. Auch wenn dem zurückweisenden Antrag der Antragsgegner entsprochen wurde, beruht die Entscheidung letztlich auf einer Billigkeitserwägung nach § 226 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 27 VersAusglG im Einzelfall, die in der Folge eine allein auf der Betrachtung des Obsiegens und Unterliegens gestützte Kostenentscheidung nicht nahelegt.
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Der Verfahrenswert richtet sich nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Er beträgt mithin 10 % je abzuänderndem Anrechts des gemeinsamen dreifachen Nettoeinkommens der Ehegatten, jedoch mindestens 1.000 EUR. Demgegenüber ist unerheblich, in welcher Höhe der Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung erwartet (GForm-FamFG/Kischkel/Siede, 3. Aufl. 2023, FamFG § 226 Rn. 7 in beck-online). Die monatlichen Renteneinkünfte des Antragsgegners zu 1 werden durch das Gericht zur Wertfestsetzung mit ca. 2.200,- € bemessen. Die monatlichen Renteneinkünfte der Antragsgegnerin zu 2 betragen 2.928,72 €. Hieraus ergibt sich bei zwei abzuändernden Anrechten ein Gegenstandswert von 3.077,23 €.