Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 15.11.2023 – Au 8 S 23.50409
Titel:

Dublin-Verfahren (Belgien)

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. d
Leitsatz:
Derzeit besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass Personen, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Belgien überstellt werden, auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende generell eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Afghanistan, Dublin-Verfahren, Abschiebungsanordnung nach Belgien, keine systemischen Schwachstellen im belgischen Asylverfahren, Rückkehr nach Belgien für alleinstehenden Mann zumutbar, Bezugnahme auf Bescheid des Bundesamts, Asylverfahren, Abschiebungsanordnung, Belgien, systemische Mängel
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33349

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung nach Belgien.
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Der Antragsteller ist nach den Feststellungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Pashtunen, islamisch-sunnitischen Glaubens, reiste am 14. Juni 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 15. Juni 2023 ein Asylgesuch, von welchem das Bundesamt am selben Tag Kenntnis erlangte. Am 3. August 2023 stellte er einen förmlichen Asylantrag.
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Nach den Erkenntnissen des Bundesamts lagen aufgrund des Fingerabdruckdatenabgleichs Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Das Bundesamt richtete am 7. August 2023 ein Übernahmeersuchen an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 16. August 2023 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er sich ca. 3 Jahre lang in Belgien aufgehalten habe. Es sei richtig, dass er am 3. September 2020 einen Asylantrag in Belgien gestellt habe. Im Jahr 2020 habe er dort eine Anhörung erhalten und dann 9-10 Monate auf eine Antwort warten müssen. Diese habe er nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan mit der Begründung bekommen, dass in Afghanistan kein Krieg mehr sei und es ein sicheres Land wäre. Er habe dann seine Wohnung sowie seinen Ausweis hergeben müssen. Er sei danach obdachlos gewesen. Im Juni 2023 habe er die Ablehnung des Gerichts erhalten. Schriftliche Unterlagen könne er nicht nachreichen, er habe viele Sachen verloren als er obdachlos gewesen sei. Er hätte in Belgien keine Möglichkeit zum Wohnen gehabt. Der belgische Staat habe ihm gesagt, dass er das Land verlassen solle, ihm würde sonst die Abschiebung drohen. Die Frage nach Gebrechen, Beschwerden oder Erkrankungen verneinte der Antragsteller. In Deutschland habe er weder (weitere) Familienmitglieder noch eine Lebensgefährtin.
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Mit Bescheid vom 23. Oktober 2023, dem Antragsteller per PZU zugestellt am 25. Oktober 2023, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung des Antragstellers nach Belgien wurde angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Am 31. Oktober 2023 ließ der Antragsteller dagegen Klage (Au 8 K 23.50408) erheben, über die noch nicht entschieden wurde. Gleichzeitig begehrt er einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO und ließ beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage in Bezug auf die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides vom 23. Oktober 2023 anzuordnen.
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Zur Begründung wurde insbesondere vorgebracht: Es bestünden wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Belgien systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich brächten. Es werde auf einen vor Kurzem veröffentlichen Artikel des Fernsehsenders „Euro News“ über die Situation von Asylbewerbern in Belgien verwiesen. Viele in Belgien ankommende Schutzsuchende würden monatelang auf ihr Registrierung warten und seien gezwungen, auf der Straße zu leben, wo sie nur begrenzt Zugang zu Nahrung und Wasser hätten. Die Unterbringungskapazitäten seien erschöpft. Die Mängel des belgischen Asylsystems würden auch in einem aktuellen Artikel der S. Z. vom 5. September 2023 bestätigt, was näher ausgeführt wurde. Dem Antragsteller könne eine Rückkehr nach Belgien nicht zugemutet werden, ihm drohe Obdachlosigkeit. Die Ausführungen des Bundesamts seien im Wesentlichen veraltet.
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Auf die Antragsbegründung wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte vor und bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 8 K 23.50408, sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Klage des Antragstellers hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 AsylG). Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG können Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe gestellt werden.
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2. Der Antrag ist allerdings unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des vorliegend aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG folgenden gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Nach dieser Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers, die sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung nach Belgien erweist sich bei der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig. Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Begründung im angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 2023 (vgl. § 77 Abs. 3 AsylG). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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a) Die Abschiebung des Antragstellers nach Belgien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich.
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Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO)] für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
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aa) Es ist davon auszugehen, dass für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Antragsgegnerin, sondern Belgien zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG). Die belgischen Behörden haben ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO erklärt. Die Überstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Da Belgien das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 7. August 2023 akzeptiert hat, ist es verpflichtet, den Antragsteller aufzunehmen sowie angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen.
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bb) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Belgien ist indessen nicht unmöglich, denn es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
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Nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO kann es sich als unmöglich erweisen, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, soweit es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich bringen (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – juris). Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß im Einzelfall gegen einschlägige EU-Richtlinien genügen somit, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedsstaat zu vereiteln; nur soweit das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedsstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Fall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist eine Überstellung mit Art. 4 GRCh unvereinbar (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Leitsatz und Rn. 6). Ergänzend hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass das Unionsrecht dahingehend auszulegen ist, dass der Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt, in einen für diese Prüfung zuständigen Mitgliedsstaat nur dann Art. 4 GRCh entgegenstehen kann, wenn die Person dort dem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen sich in einer Situation extremer materieller Not zu befinden, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C 163/17 – juris Rn. 92 f.).
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Entsprechend vorstehender Grundsätze sind zur Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Belgien wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK drohen würde.
23
(1) Es ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen davon auszugehen, dass Belgien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das prinzipiell funktionsfähig ist sowie sicherstellt, dass rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen müssen (statt vieler VG München, B.v. 5.9.2022 – M 30 S 22.50330; VG Ansbach, U.v. 24.9.2021 – AN 14 K 20.50126; VG Würzburg, U.v. 23.4.2021 – W 1 K 21.50271; VG Stuttgart, U.v. 4.8.2020 – A 2 K 5706/19; VG Lüneburg, B.v. 1.3.2019 – 8 B 8/19; VG Düsseldorf, B.v. 22.1.2019 – 29 L 2652/18.A – alle juris; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Belgien, Gesamtaktualisierung 26.11.2020, S. 7 ff.; aida country report: Belgium, 2022 update, S. 17 ff., 96 ff.).
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Das Bundesamt hat in den Gründen seines Bescheides sehr ausführlich dargelegt und mit zahlreichen Quellen untermauert, aus welchen Gründen es davon ausgeht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen auch für im Dublin-Verfahren zurückkehrende Asylbewerber in Belgien keine systemischen Mängel aufweist und diese dort nicht Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Das Gericht nimmt zur Begründung seines Beschlusses auf diese Ausführungen des Bundesamtes, welche sich auch mit der Frage eines Folgeantrags und den existierenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Belgien auseinandersetzen, und ergänzend auf die Bewertung des aktuellen Erkenntnismaterials in der vorstehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, welche – soweit ersichtlich – einhellig keine systemischen Mängel hinsichtlich Belgiens anerkennt, hinsichtlich des Antragstellers im hiesigen Verfahren Bezug und macht sich diese zu eigen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Nach alldem ist im gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht davon auszugehen, dass das belgische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären.
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Belgien ist darüber hinaus als Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle, konkrete Gefährdungstatbestände geltend macht, die nach ihrer Eigenart nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung berücksichtigt werden können. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaates als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesrepublik Deutschland darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und hierdurch selbst zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – BVerfGE 94, 49). Nach vorstehenden Maßgaben liegt ein derartiger Sonderfall hinsichtlich Belgiens nicht vor.
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(2) Aus dem Klage- und Antragsvorbringen ergeben sich auch keine Umstände, die eine hiervon abweichende Bewertung rechtfertigen könnten. Die vom Antragsteller angeführten Artikel/Berichte sind nach obigen Grundsätzen nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass das belgische Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Belgien für Dublin-Rückkehrer regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Antragsteller in dem zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
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Ungeachtet dessen setzen sich die vom Antragsteller angeführten Artikel/Berichte auch nicht hinreichend mit der spezifischen Situation von Dublin-Rückkehrern (je nach Verfahrenssituation bzw. u.U. als Folgeantragsteller) samt Rechtsschutzmöglichkeiten auseinander (kursorisch je nach Verfahrenssituation: VG Würzburg, U.v. 23.11.2021 – W 1 K 21.50271 – juris Rn. 24 f. m.w.N.; vgl. hierzu weiterführend auch etwa aida country report: Belgium, 2022 update, S. 53 ff., 96 ff.).
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Mit dem (sinngemäßen) Vortrag, Belgien gewähre ihm keinen Schutz vor einer Abschiebung nach Afghanistan, kann der Antragsteller ebenfalls nicht durchdringen. In Bezug auf etwaige Einwände gegen eine Ablehnung seines Asylgesuchs in Belgien ist er darauf zu verweisen, in Belgien Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Sollte er dies versäumt haben, führt dies nicht dazu, dass ihm die Möglichkeit zu eröffnen wäre, in Deutschland ein (weiteres) Asylverfahren durchzuführen. Auf Gründe, die aus seiner Sicht einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstehen, kommt es für das hiesige Verfahren, bei dem es allein um die Abschiebungsanordnung nach Belgien geht, nicht an. Anhaltspunkte dafür, dass Belgien gegen das Non-refoulement-Prinzip verstoßen würde, bestehen nicht (vgl. hierzu auch etwa Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Belgien, Gesamtaktualisierung 26.11.2020, S. 9). Dem Gericht liegen keinerlei Erkenntnisse zu Kettenabschiebungen oder Abschiebungen ohne inhaltliche Prüfung aus Belgien vor. Auch allein die Möglichkeit einer Abschiebung nach Afghanistan nach Durchführung eines internationalen und europäischen Vorgaben entsprechenden Asylverfahrens in Belgien vermag keinen Verstoß gegen das Non-refoulement-Prinzip zu begründen. Denn die grundsätzliche Möglichkeit der Abschiebung eines Asylbewerbers in sein Herkunftsland (Afghanistan), u.U. nach der vorherigen Überstellung in den gemäß der Dublin III-VO für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat, ist dem europäischen Asylsystem vielmehr immanent (vgl. auch VG Berlin, B.v. 3.5.2021 – 35 L 57/21 A – juris Rn. 17; VG Ansbach, B.v. 10.3.2021 – AN 14 S 21.50018 – BeckRS 2021, 4685 Rn. 38). Es ist insoweit (erneut) darauf hinzuweisen, dass auch hinsichtlich Dublin-Rückkehrern, die in Belgien das Asylverfahren durchlaufen und eine – rechtskräftige – negative Entscheidung erhalten haben, zur Überzeugung des Gerichts gegenwärtig nicht davon auszugehen ist, dass in Belgien systemische Mängel bestehen (vgl. im Einzelnen hierzu auch aida country report: Belgium, 2022 update, S. 53 ff., 96 ff.).
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cc) Individuelle Umstände, die im Falle des Antragstellers dennoch gegen eine Überstellung sprächen und die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machten, sind – wie im verfahrensgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, worauf entsprechend Bezug genommen wird – nicht ersichtlich.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einer Rückführung nach Belgien erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchten müsste, die einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen ließen, sind nach den obigen Ausführungen und unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid ebenso nicht ersichtlich. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche angesichts des medizinischen Standards in Belgien nicht in ausreichender Form behandelt werden könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Nach negativ beendetem Verfahren und Auslaufen des Rechts auf Versorgung ist eine medizinische Notversorgung möglich (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Belgien, Gesamtaktualisierung 26.11.2020, S. 11).
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b) Die Abschiebung nach Belgien kann auch durchgeführt werden; sie ist rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Die Feststellung im verfahrensgegenständlichen Bescheid, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig.
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Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Belgien – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 – 11 ZB 15.50050 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 – A 11 S 1523/11 – juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 – 4 Bs 223/10 – juris), nicht berufen.
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Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Belgiens sind vorliegend unter Berücksichtigung des Vorstehenden und bezugnehmend auf den angegriffenen Bescheid nicht ersichtlich. Insbesondere ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) ist hinsichtlich Belgiens zu verneinen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Reisefähigkeit des Antragstellers eingeschränkt wäre. Abschiebungsverbote bezogen auf Afghanistan sind – wie bereits ausgeführt – im Dublin-Verfahren nicht zu prüfen (vgl. allgemein BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 16. Ed., Stand: 15.07.2023, § 31 Rn. 53 f. m.w.N.).
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c) Auch die Anordnung sowie Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG erweist sich als voraussichtlich rechtmäßig. Nach Ansicht des Gerichts ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 18 Monate angemessen (§ 11 Abs. 2 AufenthG). Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.
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3. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls war der Eilantrag vor allem im Hinblick auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Klage abzulehnen. Besondere Umstände, welche die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage entgegen der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides im Wege der Interessenabwägung erforderlich erscheinen ließen, liegen nicht vor.
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4. Der Eilantrag war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.