Titel:
Gebühr für unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Gegenvorstellung und Ablehnungsgesuch
Normenketten:
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 86 Abs. 1 S. 2, Art. 91 Abs. 1, Art. 100, Art. 101, Art. 118 Abs. 1
VfGHG Art. 27 Abs. 1 S. 2, Art. 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2
FamFG § 44, § 58
ZPO § 321a
BGB § 1666
SGB VIII § 8a
Leitsatz:
Die Entscheidung einer abgelehnten Richterin über eine Gegenvorstellung verletzt nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter, weil eine Gegenvorstellung - im Gegensatz zu einer Anhörungsrüge - nicht in zulässiger Weise mit einem Ablehnungsgesuch verbunden werden kann. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht auf den gesetzlichen Richter, Gegenvorstellung, Ablehnungsgesuch, Substantiierung, rechtliches Gehör, faires Verfahren, Gebühr
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3332
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Entscheidungsgründe
1
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. Juli 2022 Az. 12 UF 548/21, mit dem in einer Kindschaftssache ein Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen wurde, sowie gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 20. Juli 2022 Az. 12 UF 548/21, mit dem anschließend durch die erfolglos abgelehnte Einzelrichterin eine Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin ebenfalls als unzulässig verworfen wurde.
2
1. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des im Jahr 2017 geborenen Kindes K. Sie und der Vater des Jungen waren nicht verheiratet und leben dauerhaft getrennt; zwischen ihnen wurden bzw. werden mehrere familiengerichtliche Verfahren bezüglich der elterlichen Sorge und des Umgangs geführt; ein Hauptsacheverfahren ist derzeit am Amtsgericht Ingolstadt anhängig.
3
Am 19. März 2021 zeigte das Jugendamt eine Gefährdung des K. an, der bis dahin seinen Aufenthalt bei der Beschwerdeführerin hatte. Der Vater, der zu diesem Zeitpunkt zusammen mit der Beschwerdeführerin die gemeinsame elterliche Sorge für K. innehatte, holte ihn auf Anregung des Jugendamts am selben Tag aus dem Kindergarten in München ab und nahm ihn mit nach Ingolstadt, wo K. seitdem bei seinem Vater und dessen Familie lebt.
4
2. a) Im Ausgangsverfahren regte das Jugendamt am 19. März 2021 beim Amtsgericht München an, nach § 1666 BGB i.V. m. § 8 a SGB VIII das Aufenthaltsbestimmungsrecht für K. auf den Vater zu übertragen. Ebenfalls am 19. März 2021 beantragte der Vater im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für K. auf sich. Die Beschwerdeführerin beantragte mit laut Eingangsstempel am 19. März 2021 eingegangenem Schreiben, welches das Datum 20. März 2021 trägt, die sofortige Herausgabe des K. Im Anhörungstermin am 19. April 2021 beantragte der Vater, nachdem die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Rechtsanwältin die Sitzung verlassen hatte, die gesamte elterliche Sorge für K. auf ihn zu übertragen.
5
Mit Beschluss vom 22. April 2021 wies das Amtsgericht durch Richter am Amtsgericht S., gegen den die Beschwerdeführerin am 18. und 19. April 2021 zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbeschiedene Ablehnungsgesuche angebracht hatte, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Herausgabe des K. zurück und übertrug im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehende Personensorge für K. auf den Vater.
6
b) Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin am 9. Mai 2021 Beschwerde, die das Amtsgericht mit Verfügung vom 18. Mai 2021 dem Oberlandesgericht München vorlegte. Der zuständige Familiensenat übertrug mit Beschluss vom 21. Mai 2021 das Verfahren auf Richterin am Oberlandesgericht A. als Einzelrichterin, die Termin auf den 24. Juni 2021 bestimmte.
7
Die Beschwerdeführerin lehnte hierauf Richterin am Oberlandesgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Oberlandesgericht wies dieses Ablehnungsgesuch mit Senatsbeschluss vom 21. Juni 2021 zurück. Mit Schreiben vom 28. Juni 2021 brachte die Beschwerdeführerin erneut ein Ablehnungsgesuch gegen Richterin am Oberlandesgericht A. an, welches das Oberlandesgericht mit Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 zurückwies mit der Begründung, der Ablehnungsantrag sei nach § 6 Abs. 1 FamFG i.V. m. § 43 ZPO unzulässig, weil die vermeintlichen Ablehnungsgründe allesamt den Verfahrensablauf bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2021 beträfen, die Beschwerdeführerin dort aber gleichwohl ihre abschließenden Anträge gestellt habe.
8
Mit Beschluss vom 28. Juni 2021, an die Geschäftsstelle übergeben am 29. Juni 2021, wies das Oberlandesgericht durch Richterin am Oberlandesgericht A. als Einzelrichterin die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 22. April 2021 hinsichtlich der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als unbegründet zurück; im Übrigen verwarf es die Beschwerde als unzulässig. Da die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Anhörungstermin verlassen habe, bevor ihr der anschließend gestellte Antrag des Vaters auf Übertragung der gesamten elterlichen Sorge bekannt geworden sei, liege kein Fall des § 57 Satz 2 FamFG vor und die Beschwerdeführerin habe daher noch die Möglichkeit, einen Antrag auf mündliche Verhandlung in der ersten Instanz zu stellen. Erst wenn es nach mündlicher Verhandlung bei der Entscheidung verbleibe, könne sie Beschwerde einlegen. Insofern sei die Beschwerde derzeit unzulässig. Die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater im Wege der einstweiligen Anordnung sei nach summarischer Prüfung in der Beschwerdeinstanz aufrechtzuerhalten. Soweit der im erstinstanzlichen Verfahren abgelehnte Richter trotz Vorliegens eines Befangenheitsantrags mündlich verhandelt und eine Eilentscheidung getroffen habe, könne dahinstehen, ob er hierzu nach § 6 FamFG i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO befugt gewesen sei. Jedenfalls sei ein willkürliches Vorgehen nicht erkennbar und seien entgegen der Wartepflicht vorgenommene Handlungen nicht unwirksam.
9
c) Die Beschwerdeführerin lehnte daraufhin mit Schreiben vom 29. Juni, 6. Juli und 8. Juli 2021 Richterin am Oberlandesgericht A. erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab und erhob mit Schreiben vom 11. Juli 2021 eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 28. Juni 2021.
10
Nachdem das Oberlandesgericht die erneuten Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin mit Senatsbeschluss vom 28. Juli 2021 als unbegründet zurückgewiesen hatte, wies es mit Beschluss vom 5. August 2021 durch Richterin am Oberlandesgericht A. als Einzelrichterin die Anhörungsrüge ebenfalls als unbegründet zurück. Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 10. August 2021 zugestellt.
11
d) Mit Schreiben vom 27. und 30. August 2021 erklärte die Beschwerdeführerin gegenüber dem Amtsgericht München, sämtliche Anträge nach § 54 FamFG würden zurückgezogen, es werde nur noch die alsbaldige Einleitung des Hauptsacheverfahrens begehrt.
12
e) Mit Beschluss vom 23. November 2021 erklärte das Amtsgericht München die Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin vom 18. und 19. April 2021 sowie zahlreiche weitere Ablehnungsgesuche, die die Beschwerdeführerin in der Folgezeit gegen Richter am Amtsgericht S. angebracht hatte, für unbegründet bzw. unzulässig. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht München durch Richter am Oberlandesgericht D. mit Beschluss vom 10. Januar 2022 zurück, da für die Ablehnungsgesuche kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe. Mit Beschluss vom 17. Januar 2022 wies das Oberlandesgericht München die hiergegen erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurück und stellte auf weitere Einwendungen der Beschwerdeführerin hin mit Beschluss vom 25. Januar 2022 fest, dass das Ablehnungsverfahren gegen Richter am Amtsgericht S. beendet sei. Mit Beschluss vom 7. Februar 2022 verwarf das Oberlandesgericht gegen Richter am Oberlandesgericht D. gerichtete Ablehnungsgesuche der Beschwerdeführerin vom 31. Januar und 2. Februar 2022 als unzulässig.
13
f) Mit Schreiben vom 8. April 2022 wandte sich die Beschwerdeführerin an das Oberlandesgericht München und bat um Auskunft, wann ihre – sich gegen die Beschwerdeentscheidung vom 28. Juni 2021 richtende – Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021, die sie per De-Mail-Schreiben eingereicht habe, bearbeitet werde. Vorsorglich werde diese Gegenvorstellung als Anlage erneut übersandt.
14
Mit Schreiben vom 23. Mai 2022 teilte Richterin am Oberlandesgericht A. der Beschwerdeführerin mit, dass sich die genannte Gegenvorstellung nicht bei den Akten des Beschwerdeverfahrens 12 UF 548/21 befinde. Das letzte am Oberlandesgericht eingegangene Rechtsmittel sei eine Anhörungsrüge vom 11. Juli 2021, die ordnungsgemäß am 5. August 2021 verbeschieden worden sei.
15
Daraufhin lehnte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. Mai 2022 Richterin am Oberlandesgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es bestehe der Verdacht, dass die Richterin die Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021 absichtlich „der dienstlichen Verfügung entzogen“ und „willentlich nicht zur korrekten Akte paginiert“ habe. Die Ablehnung sei gerechtfertigt, da sowohl ihre richterlichen Entscheidungen als auch ihre sonstigen Handlungen ausreichender gesetzlicher Grundlage entbehrten sowie offensichtlich unhaltbar und so grob fehlerhaft seien, dass dies als wiederholte Willkür erscheine. Die Richterin scheine ihre eigenen dubiosen Mittel verschleiern zu wollen, da kein einziger Punkt der Behauptungen vom 23. Mai 2022 stimme.
16
Mit Verfügung vom 2. Juni 2022 teilte der Vorsitzende des zuständigen Familiensenats des Oberlandesgerichts München der Beschwerdeführerin mit, nach Durchsicht der Akte befinde sich darin keine Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021. Das Verfahren sei letztlich auch durch die Zurückweisung der Gehörsrüge vom 5. August 2021, des umfassenderen Rechtsbehelfs, beendet worden, sodass auch eine Ablehnung der Richterin am Oberlandesgericht A. bereits unzulässig sei, da diese keine Entscheidungen mehr treffe.
17
Die Beschwerdeführerin erwiderte hierauf mit Schreiben vom 12. Juni 2022, das Original der Gegenvorstellung befinde sich in der – eine andere Beschwerde der Beschwerdeführerin betreffenden – Akte 12 UF 48/21, was sie bei einer Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts am 7. April 2021 (richtig wohl 2022) dokumentiert habe. Sie halte sowohl an dem Rechtsmittel der Gegenvorstellung als auch an dem Befangenheitsantrag gegen Richterin am Oberlandesgericht A. fest.
18
Mit Verfügung vom 23. Juni 2022 teilte der Senatsvorsitzende der Beschwerdeführerin mit, nach Beiziehung und Durchsicht der Akte 12 UF 48/21 habe er festgestellt, dass die Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021 tatsächlich fälschlicherweise in diese Akte eingeheftet und einpaginiert worden sei. Er habe die entsprechenden Seiten nunmehr in Kopie in die Akte 12 UF 548/21 geben lassen. Es könne nicht abschließend festgestellt werden, wer das Schreiben fehlerhaft einpaginiert habe. Da Richterin am Oberlandesgericht A. dies am 23. Mai 2022, als sich die Akte 12 UF 48/21 beim Amtsgericht München befunden habe, nicht habe erkennen können, komme eine absichtliche Entziehung des Schreibens nicht in Betracht.
19
In ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 23. Juni 2022 zu dem Ablehnungsgesuch führte Richterin am Oberlandesgericht A. aus, die Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021 sei ihr niemals persönlich vorgelegt worden, weder mit dem Verfahren 12 UF 548/21 noch mit dem Verfahren 12 UF 48/21, und habe deshalb auch nicht verbeschieden werden können. Eine Zuordnung zum Aktenzeichen 12 UF 48/21 sei durch die zu diesem Zeitpunkt zuständige Mitarbeiterin der Serviceeinheit erfolgt, nicht jedoch durch die zuständige Einzelrichterin.
20
Mit Schreiben vom 30. Juni 2022 ergänzte die Beschwerdeführerin das Ablehnungsgesuch dahin, die abgelehnte Richterin habe ihr vor der Entscheidung über die Anhörungsrüge im August 2021 trotz eines entsprechenden Antrags vom 21. Juli 2021 keine Akteneinsicht gewährt.
21
g) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 19. Juli 2022 verwarf das Oberlandesgericht das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin gegen Richterin am Oberlandesgericht A. Das Gesuch sei unzulässig, weil die Rechtsmittelinstanz durch den Beschluss vom 28. Juni 2021 beendet sei. Das Ablehnungsrecht der Beschwerdeführerin sei durch die von ihr erhobene Gegenvorstellung nicht wieder aufgelebt, weil diese kein zulässiges Rechtsmittel darstelle und damit nicht zu einer Sachprüfung durch den Senat führen könne. Nach vollständigem Abschluss einer Instanz sei ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet hätten und die getroffene Entscheidung nicht mehr geändert werden könne. Eine gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung lasse das durch eine verfahrensabschließende Entscheidung bereits untergegangene Ablehnungsrecht nicht wieder aufleben. Die Gegenvorstellung sei unzulässig. Bei dem Beschluss vom 28. Juni 2021 handle es sich um einen der Rechtskraft fähigen Beschluss, der in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO bindend und auf Gegenvorstellung hin nicht abänderbar sei. Mithin bleibe es trotz der erhobenen Gegenvorstellung dabei, dass das Beschwerdeverfahren durch den Beschluss vom 28. Juni 2021 abschließend erledigt worden sei.
22
h) Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 20. Juli 2022 verwarf das Oberlandesgericht durch Richterin am Oberlandesgericht A. die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 2021 als unzulässig. Eine Gegenvorstellung sei vorliegend nicht statthaft. Der gesetzlich nicht geregelte Rechtsbehelf stelle eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb komme eine Gegenvorstellung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt sei und diese auch von Amts wegen vornehmen dürfe. Hingegen sei eine Gegenvorstellung unzulässig, sofern das Gericht nach den Bestimmungen der jeweiligen Prozessordnung nicht befugt sei, seine getroffene Entscheidung zu ändern. Unanfechtbare Entscheidungen könnten nicht über den Umweg der Gegenvorstellung anfechtbar gemacht werden. Die Rechtsbeschwerde sei in dem Beschluss vom 28. Juni 2021 nicht zugelassen worden. Der Beschluss sei daher unanfechtbar, weshalb die eingelegte Gegenvorstellung als unzulässig zu verwerfen sei. Im Übrigen bestünde auch bei Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 14. Juli 2021 kein Anlass, den Beschwerdebeschluss abzuändern. Die Beschwerdeführerin werde abschließend darauf hingewiesen, dass in Zukunft weitere Anträge nicht mehr verbeschieden würden.
23
i) Mit Schreiben vom 26. Juli 2022 erhob die Beschwerdeführerin Gehörsrüge gegen die ihr jeweils am 23. Juli 2022 zugestellten Beschlüsse vom 19. und 20. Juli 2022. Dieses Schreiben wurde vom Oberlandesgericht am 27. Juli 2022 mit dem Vermerk: „Hier nichts mehr veranlasst“ zu den Akten genommen.
24
1. Mit der am 28. August 2022 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV (Recht auf den gesetzlichen Richter) und aus Art. 91 Abs. 1 BV (rechtliches Gehör). Mit am 23. September 2022 eingegangenem Schreiben übersandte die Beschwerdeführerin eine geänderte Fassung der Verfassungsbeschwerde, auf der sich der handschriftliche Vermerk befindet, der bisherige Sachvortrag könne „gelöscht“ und durch die nunmehr eingereichte Beschwerde und Begründung ersetzt werden. Mit mehreren weiteren Schreiben hat die Beschwerdeführerin ihren Vortrag ergänzt. Zusammengefasst trägt sie im Wesentlichen vor:
25
a) Bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken sei die Unzulässigerklärung sowohl der Gegenvorstellung als auch des Ablehnungsgesuchs weder verständlich noch nachvollziehbar und der Schluss dränge sich auf, die Entscheidungen beruhten auf sachfremden Erwägungen.
26
Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2022 verstoße gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter, weil das gegen Richterin am Oberlandesgericht A. angebrachte Ablehnungsgesuch durch eine willkürliche, unhaltbare Entscheidung zurückgewiesen worden sei. Dem Ablehnungsgesuch hätte stattgegeben werden müssen, weil die abgelehnte Richterin der Beschwerdeführerin Akteneinsicht verweigert habe.
27
Der Beschwerdeführerin sei der gesetzliche Richter ferner dadurch entzogen worden, dass die befangene Richterin die noch im Verfahren anhängige, innerhalb der Frist für die Gehörsrüge eingereichte Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021 am 20. Juli 2022 persönlich verworfen habe. Zur Begründung der Entscheidung seien willkürlich völlig unzutreffende Beschlüsse des Bundesgerichtshofs zitiert worden, die in keiner Weise auf das Verfahren 12 UF 548/21 zuträfen. Die Gehörsrüge vom 11. Juli 2021 sei ein zulässiger und begründeter Rechtsbehelf gewesen, dessen ergänzender, am 14. Juli 2021 unter dem Titel „Gegenvorstellung“ eingegangener Sachvortrag kein rechtliches Gehör erfahren habe, als die Instanz nicht vollständig beendet gewesen sei.
28
Vollständig abgeschlossen sei eine Instanz erst dann, wenn über zulässige Rechtsmittel, hier die vollständige Gehörsrüge vom 11. Juli 2021 inklusive zugehöriger Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021, entschieden worden sei. Bis dahin sei ein Ablehnungsgesuch selbstverständlich zulässig. Die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin, die zwingend als Teil der Gehörsrüge zu betrachten sei, habe in deren Rahmen kein rechtliches Gehör gefunden, sondern nahezu ein Jahr lang wohl bewusst und nicht fälschlicherweise in der Akte 12 UF 48/21 gelegen. Obwohl das verfahrensfremde Aktenzeichen auf der Gegenvorstellung von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts mit einem roten „Kringel“ markiert worden sei, sei das Dokument trotzdem „der dienstlichen Verfügung“ durch Richterin am Oberlandesgericht A. entzogen worden. Nachweislich habe für den gesamten Senat Kenntnis von der sich in der falschen Akte befindlichen Gegenvorstellung samt Anlagen bestanden. Der Entzug der Gegenvorstellung sei eine vollständige willkürliche Unterbindung rechtlichen Gehörs. Eine Beendigung der Instanz könne nicht erfolgt sein, solange Teile des Rechtsmittels bewusst „der dienstlichen Verfügung entzogen“ worden seien.
29
Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil der Sachvortrag der Beschwerdeführerin zur Verletzung der informationellen Selbstbestimmung aus der Gehörsrüge vom 11. Juli 2021 und der Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021 nebst Anlagen, in denen die Verletzung der Datenschutzgrundverordnung hervorgehoben worden sei, ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen worden sei. Der Beschluss vom 28. Juni 2021 sei ausschließlich auf Interpretationen bzw. durch die Beschwerdeführerin bestrittenen Sachvortrag von Jugendamt und Beistand gestützt, der die Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin infrage stelle. Dieser Sachvortrag sei durch die Gegenvorstellung deutlich und offensichtlich angegriffen worden, da er das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und damit rechtliches Gehör durch Nichtumsetzung des absoluten Beweisverwertungsverbots verletze und damit auch als Nachtrag zur Gehörsrüge vom 11. Juli 2021 interpretiert werden müsse. Die Bedeutung der informationellen Selbstbestimmung als Grundrechtsverletzung sei grundlegend verkannt worden. Vom Jugendamt widerrechtlich eingereichte Daten seien im Beschluss vom 28. Juni 2021 entscheidungserheblich herangezogen worden.
30
Das Grundrecht auf ein faires Verfahren sei durch eine benachteiligende Auslegung beschnitten worden.
31
b) Aufgrund der Fehlbeurteilung durch das Oberlandesgericht seien dem Sohn der Beschwerdeführerin schwere, traumatisierende Nachteile entstanden. Das Amtsgericht Ingolstadt habe im dort anhängigen Umgangsverfahren keinen Verfahrenstermin anberaumt. Seit November 2021 unterlasse es das Amtsgericht Ingolstadt, dort gestellte Ablehnungsgesuche zu verbescheiden. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Vater durch das Oberlandesgericht entsprächen nicht dem Wohl des Kindes. Die Entscheidung sei unverzüglich aufzuheben, um dem Kind weitere schwere Nachteile zu ersparen. Hierzu werde der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Art. 26 VfGHG beantragt, da das Amtsgericht Ingolstadt sämtliche Verfahren insbesondere zum Umgang verzögere.
32
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, im Übrigen aber jedenfalls für unbegründet.
33
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
34
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 20. Juli 2022 richtet, bestehen bereits deswegen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit, weil die Zurückweisung einer Gegenvorstellung regelmäßig keine eigenständige Beschwer schafft, sondern allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Rechtsverletzung fortbestehen lässt, indem die „Selbstkorrektur“ durch die Fachgerichte unterbleibt (ständige Rechtsprechung; vgl. zur Anhörungsrüge VerfGH vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/186; vom 2.5.2018 – Vf. 58-VI-17 – juris Rn. 19; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 27; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris Rn. 16; zur Gegenvorstellung VerfGH vom 7.10.2014 – Vf. 110-VI-13 – juris Rn. 11; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 20; vom 7.8.2019 – Vf. 97-VI-13 u. a. – juris Rn. 48). Dies kann hier jedoch dahinstehen, da die Verfassungsbeschwerde jedenfalls aus den unter 5. dargestellten Gründen unzulässig ist.
35
2. Der Verfassungsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, dass sie sich unmittelbar gegen die den angegriffenen Beschlüssen vorausgegangene Ausgangsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2021 (Zurückweisung bzw. Verwerfung der Beschwerde nach § 58 FamFG) sowie die anschließende, mit Beschluss vom 5. August 2021 erfolgte Zurückweisung der Anhörungsrüge nach § 44 FamFG richtet. Wäre das der Fall, wäre die Verfassungsbeschwerde allerdings insoweit schon deshalb unzulässig, weil hinsichtlich dieser Entscheidungen die zweimonatige Verfassungsbeschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG nicht eingehalten wurde. Diese Frist begann mit der Zustellung des Beschlusses über die Zurückweisung der Anhörungsrüge vom 5. August 2021 am 10. August 2021 zu laufen und war damit bei Eingang der Verfassungsbeschwerde am 28. August 2022 längst abgelaufen. Durch den Beschluss vom 20. Juli 2022 wurde der Lauf der Verfassungsbeschwerdefrist im Hinblick auf den Beschluss vom 28. Juni 2021 nicht neu eröffnet, da eine Gegenvorstellung nicht zum Rechtsweg gehört, der vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich zu beschreiten ist. Damit kann eine Gegenvorstellung die Frist, binnen derer eine Verfassungsbeschwerde einzulegen ist, nicht offenhalten oder neu eröffnen (VerfGH vom 29.10.1976 BayVBl 1977, 177; vom 3.7.2020 – Vf. 50-VI-19 – juris Rn. 13; BVerfG vom 25.11.2008 BVerfGE 122, 190/198 ff.; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 120 Rn. 78; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 120 Rn. 28).
36
3. Ob vor diesem Hintergrund der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2022, mit dem das erst lange nach der Zurückweisung der Anhörungsrüge angebrachte Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin verworfen wurde, eine eigenständige Beschwer begründen und damit zulässiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann, begegnet erheblichen Bedenken. Diese können jedoch dahingestellt bleiben, da die Verfassungsbeschwerde jedenfalls aus den unter 5. dargestellten Gründen unzulässig ist.
37
4. Davon unabhängig ist die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insgesamt auch im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität zweifelhaft.
38
Aus dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung folgt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass die Verfassungsbeschwerde wegen ihres subsidiären Charakters über Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG hinaus nur dann zulässig ist, wenn alle prozessualen und faktischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um dem als verfassungswidrig beanstandeten Hoheitsakt entgegenzutreten. Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt, dass ein Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren sowohl den Rechtsweg formal durchlaufen als auch alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die geltend gemachte Verletzung von Verfassungsrecht zu verhindern oder zu beseitigen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 22.10.2018 BayVBl 2019, 465 Rn. 19; vom 17.8.2021 – Vf. 84-VI-20 – juris Rn. 31; vom 14.12.2021 – Vf. 91-VI-20 – juris Rn. 22; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris Rn. 21; zur Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht vgl. nur BVerfG vom 9.11.2004 BVerfGE 112, 50/60 m. w. N.).
39
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist eine Verfassungsbeschwerde, die sich – wie im vorliegenden Fall – gegen letztinstanzliche fachgerichtliche Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wendet, im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig, wenn dem Beschwerdeführer zugemutet werden kann, die gerügte Verletzung verfassungsmäßiger Rechte im Hauptsacheverfahren geltend zu machen, oder wenn und soweit sonst ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichtshofs eine andere Möglichkeit besteht, die gerügte Rechtsverletzung zu verhindern, zu beseitigen oder im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen. Dementsprechend erachtet der Verfassungsgerichtshof Verfassungsbeschwerden gegen letztinstanzliche Entscheidungen in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann als zulässig, wenn der Beschwerdeführer die Verletzung subjektiver verfassungsmäßiger Rechte gerade durch die Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz geltend macht und wenn der entstehende Nachteil durch das Hauptsacheverfahren oder auf andere Weise nicht oder nicht mehr ausreichend ausgeräumt werden kann (vgl. VerfGH vom 13.12.2016 VerfGHE 69, 365 Rn. 13; vom 8.7.2021 – Vf. 47-VI-19 – juris Rn. 22; vom 14.12.2021 – Vf. 91-VI-20 – juris Rn. 24).
40
Ob ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, ist aus folgenden Gründen äußerst fraglich. Zum einen hatte die Beschwerdeführerin ausweislich der Gründe des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2021 die Möglichkeit, hinsichtlich der vorläufigen Übertragung der elterlichen Sorge einen Antrag auf mündliche Verhandlung in der ersten Instanz zu stellen. Zum anderen hat sie gegenüber dem Amtsgericht München mit Schreiben vom 27. und 30. August 2021 ausdrücklich bekundet, im Hinblick auf ein Hauptsacheverfahren sämtliche Anträge nach § 54 FamFG zurückzuziehen, worin eine nicht widerrufliche verfahrensbeendende Erklärung im Sinn des § 22 Abs. 1 FamFG liegen dürfte. Auch dies kann jedoch dahinstehen, da die Verfassungsbeschwerde jedenfalls aus nachstehenden Gründen mangels einer den Substanziierungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügenden Grundrechtsrüge unzulässig ist.
41
5. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG sind in der Verfassungsbeschwerde die Handlung oder Unterlassung der Behörde, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, zu bezeichnen. Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden, sodass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint. Die Verfassungsbeschwerde muss aus sich heraus verständlich sein (VerfGH vom 2.2.1966 VerfGHE 19, 14/15; vom 22.7.2019 – Vf. 64-VI-16 – juris Rn. 14; vom 16.7.2020 – Vf. 69-VI-17 – juris Rn. 19; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 29; vom 4.1.2023 – Vf. 27-VI-22 – juris Rn. 19 m. w. N.). Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/50; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 15 m. w. N.; vom 21.7.2022 – Vf. 58-VI-21 – juris Rn. 21).
42
Darüber hinaus setzt eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines Grundrechtsverstoßes voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt (VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 40; vom 20.3.2018 BayVBl 2019, 207 Rn. 14 m. w. N.). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung (VerfGH vom 10.12.2019 - Vf. 50-VI-18 – juris Rn. 22; vom 16.11.2021 – Vf. 51-VI-20 – juris Rn. 33; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 35; BVerfG vom 10.11.2015 NJW 2016, 1505 Rn. 9; vom 28.3.2019 – 2 BvR 2432/18 – juris).
43
Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
44
a) Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit einer Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) nicht substanziiert dargelegt.
45
Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV wird durch ein Gericht nur dann verletzt, wenn einer Partei der gesetzliche Richter durch eine willkürliche, offensichtlich unhaltbare Entscheidung entzogen wird (VerfGH vom 29.8.1996 VerfGHE 49, 126/130). Dieser Grundsatz gilt auch in den Fällen, in denen – wie hier – geltend gemacht wird, die Grundrechtsverletzung ergebe sich aus der unzutreffenden Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (vgl. VerfGH vom 16.5.2006 VerfGHE 59, 58/60 f. m. w. N.). Willkürlich ist eine solche Zurückweisung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Zurückweisung darf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheinen. Sie muss vielmehr schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (VerfGHE 59, 58/61; VerfGH vom 6.5.2014 – Vf. 23-VI-13 – juris Rn. 34).
46
Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sein könnten, hat die Beschwerdeführerin nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Ihrem Vortrag lässt sich schon keine nachvollziehbare Verletzung einfachen Rechts entnehmen, sodass die Möglichkeit eines willkürlichen Entzugs des gesetzlichen Richters durch die angegriffenen Entscheidungen nicht ansatzweise erkennbar ist.
47
aa) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2022, mit dem das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin vom 28. Mai 2022 verworfen wurde, beruht auf der Annahme, dass ein Ablehnungsgesuch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich unzulässig ist, wenn die Instanz abschließend beendet ist. Diese Auffassung ist ohne Weiteres einleuchtend und entspricht allgemeiner Meinung (vgl. z. B. BGH vom 30.8.2016 – I ZB 10/15 – juris Rn. 2; vom 17.5.2018 NJW-RR 2018, 1461 Rn. 4; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, § 42 Rn. 2; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 44 Rn. 4; Vossler in BeckOK ZPO, § 44 Rn. 9). Ferner ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die von der Beschwerdeführerin erhobene Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021, die erst im Juni 2022 zu den Akten des Ausgangsverfahrens gelangte und am 19. Juli 2022 noch nicht verbeschieden war, nichts an der endgültigen Beendigung der Instanz und damit an der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs änderte. Auch diese Rechtsauffassung steht – entgegen der nicht nachvollziehbar begründeten Auffassung der Beschwerdeführerin – in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Kommentarliteratur.
48
Danach kann zwar eine nicht von vornherein unzulässige Anhörungsrüge, die gegen eine verfahrensabschließende Entscheidung erhoben wird und über die noch keine Entscheidung ergangen ist, in zulässiger Weise mit einem Ablehnungsgesuch verbunden werden (vgl. BGH vom 14.10.2021 NJW-RR 2022, 138 Rn. 6), nicht aber eine noch nicht verbeschiedene bloße Gegenvorstellung (vgl. BGH vom 30.8.2016 – I ZB 10/15 – juris Rn. 6 m. w. N.; Vossler in BeckOK ZPO, § 44 Rn. 9; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 44 Rn. 4). Der Unterschied liegt darin begründet, dass es sich bei der Anhörungsrüge um einen Rechtsbehelf handelt, der zwar nichts an der formellen Rechtskraft der damit angegriffenen Entscheidung ändert, durch den das Gericht aber von der Bindungswirkung des § 318 ZPO sowie von der formellen und materiellen Rechtskraft freigestellt wird, wenn die Rüge sich als zulässig und begründet erweist und das Verfahren gemäß § 321 a Abs. 1 und 5 ZPO bzw. § 44 Abs. 1 und 5 FamFG fortzuführen ist (vgl. BGH NJW-RR 2022, 138 Rn. 9). Dagegen kommt der gesetzlich nicht geregelten Gegenvorstellung diese Wirkung nicht zu, sie eröffnet dem Gericht schon aus Gründen der Rechtssicherheit keine Befugnis, eine rechtskräftige Entscheidung nachträglich zu ändern (vgl. OLG Dresden FamRZ 2020, 37 m. w. N.).
49
Im konkreten Fall war die Instanz durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 5. August 2021, mit dem die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin vom 11. Juli 2021 zurückgewiesen wurde, endgültig beendet. Dass die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 2021 zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu den Akten des Ausgangsverfahrens gelangt war, ändert hieran nichts. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihr – ausdrücklich als Gegenvorstellung bezeichnetes – Schreiben vom 14. Juli 2021 sei zwingend als Teil der Anhörungsrüge zu betrachten, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil in dem Schreiben keine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, sondern im Gegenteil ausgeführt wird, „Punkte der Gehörsrüge vom 12. Juli 2021, die sich jenseits des § 321 a ZPO“ bewegten, seien als Gegenvorstellung anzusehen. Jedenfalls aber würde dies selbst dann, wenn die Gegenvorstellung tatsächlich als Ergänzung der Anhörungsrüge anzusehen wäre, nichts daran ändern, dass das Ausgangsverfahren durch den nach § 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG unanfechtbaren Beschluss vom 5. August 2021 endgültig beendet worden wäre. Der gesetzgeberischen Intention (BT-Drs. 14/4722 S. 156) und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 30.4.2003 BVerfGE 107, 395/408 ff.) entsprechend gewährleistet die Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO bzw. nach § 44 FamFG die Möglichkeit, eine behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle durch das Fachgericht selbst, das die Gehörsverletzung begangen haben soll, unterziehen zu lassen. Begeht das Gericht im Rahmen dieser Überprüfung einen Fehler, führt dies nicht zur erneuten Eröffnung des Rechtswegs (vgl. BVerfGE 107, 395/411). Vielmehr ist das fachgerichtliche Verfahren beendet, wenn das Gericht – wie hier durch den mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen und aufgrund Fristablaufs nicht mehr angreifbaren Beschluss vom 5. August 2021 – nach inhaltlicher Prüfung der Anhörungsrüge eine „Selbstkorrektur“ der Ausgangsentscheidung abgelehnt hat (vgl. VerfGH vom 19.10.2010 VerfGHE 63, 182/186 f. m. w. N.).
50
bb) Nachdem die Beschwerdeführerin somit bereits die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV durch den – offensichtlich willkürfrei ergangenen – Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2022 nicht aufgezeigt hat, ist auch eine Verletzung dieser Verfassungsnorm durch den von der erfolglos abgelehnten Richterin anschließend erlassenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 20. Juli 2022 bereits im Ansatz nicht erkennbar.
51
b) Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls unsubstanziiert.
52
Der Anspruch auf rechtliches Gehör hat eine doppelte Ausprägung. Zum einen untersagt er den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen die Parteien sich nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Parteien einen Anspruch darauf, dass die Gerichte ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nehmen und bei ihren Entscheidungen in Erwägung ziehen, soweit es nach den Prozessvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 31.3.2008 VerfGHE 61, 66/70; vom 8.7.2021 BayVBl 2021, 658 Rn. 27; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 40; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris Rn. 27).
53
aa) Inwiefern die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts vom 19. und 20. Juli 2022 gegen diese Grundsätze verstoßen haben könnten, lässt sich der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen. Insbesondere legt die Beschwerdeführerin nicht in nachvollziehbarer Weise dar, dass das Gericht bei der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs bzw. der Gegenvorstellung als unzulässig tatsächlichen oder rechtlichen Vortrag übergangen haben könnte, der sich von seinem Rechtsstandpunkt aus als entscheidungserheblich hätte erweisen können.
54
bb) Soweit die Beschwerdeführerin eine Gehörsverletzung im Zusammenhang damit geltend macht, dass ihre Gegenvorstellung vom 14. Juli 2021, die ihre Anhörungsrüge vom 11. Juli 2021 habe ergänzen sollen, erst lange nach der mit Beschluss vom 5. August 2021 erfolgten Zurückweisung der Anhörungsrüge zu den Akten des Ausgangsverfahrens gelangt ist, betrifft dies von vornherein nicht die angegriffenen Beschlüsse, sondern allenfalls den vorangegangenen Beschluss vom 5. August 2021 bzw. mittelbar die Ausgangsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2021. Wie bereits ausgeführt, sind diese Beschlüsse aber zum einen schon nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde und wäre zum anderen die Verfassungsbeschwerde insoweit wegen Verfristung unzulässig. Ungeachtet dessen entbehrt die Behauptung der Beschwerdeführerin, die zuständige Richterin habe die Gegenvorstellung „absichtlich der dienstlichen Verfügung entzogen“, einer objektiven tatsächlichen Grundlage.
55
c) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren rügt, hat der Verfassungsgerichtshof bisher offengelassen, ob sich ein solches Recht, wie es in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert ist und wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG herleitet (BVerfG vom 26.5.1981 BVerfGE 57, 250/274 f.; vom 12.11.2020 NJW 2021, 455 Rn. 31 ff.), als ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auch aus Art. 101 i.V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ergibt (vgl. VerfGH vom 17.11.2014 VerfGHE 67, 291 Rn. 51; vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 42; jeweils m. w. N.). Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn die Verfassungsbeschwerde ist auch insoweit nicht in einer den Anforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügenden Weise begründet worden, da sich ihr aus den dargelegten Gründen schon eine Verletzung einfachen Verfahrensrechts durch die angegriffenen Beschlüsse nicht in nachvollziehbarer Weise entnehmen lässt.
56
6. Soweit die Beschwerdeführerin – ebenfalls unsubstanziiert und schon nicht in nachvollziehbarer Weise auf die konkret angegriffenen Entscheidungen bezogen – eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100 i.V. m. Art. 101 BV) anspricht, kann die Verfassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden. Da die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts auf der Anwendung von Bundesrecht beruhen, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung des Verfassungsgerichtshofs mit Blick auf materielle Grundrechte darauf, ob das Gericht willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV gehandelt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/96 ff. m. w. N.; vom 16.3.2016 – Vf. 87-VI-14 – juris Rn. 14; vom 12.6.2020 – Vf. 22-VI-19 – juris Rn. 53). Eine willkürliche Rechtsanwendung ist hier aber – wie ausgeführt – nicht ansatzweise ersichtlich.
57
Durch die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
58
Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).