Inhalt

VG München, Urteil v. 30.10.2023 – M 5 K 21.30245
Titel:

Offensichtlich unbegründete Klage eines ugandischen Flüchtlings

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 78 Abs. 1
AufenthG § 60, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S.1
Leitsatz:
In einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt und eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen bedeutet. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Uganda, Homosexualität, Unglaubhaft, Gefälschtes Dokument, Auskunft Auswärtiges, Amt, Offensichtlich unbegründet, offensichtlich unbegründete Asylklage, sexuelle Orientierung, unglaubhaftes Vorbringen, Inhaftierung, gefälschtes Dokument, Fälschungsmerkmals
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33299

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  

Tatbestand

1
Der 1983 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger. Er reiste am … Januar 2020 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … März 2020 Asylantrag.
2
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, aufgrund seiner Homosexualität Uganda verlassen zu haben. Er habe bereits während seiner Schulzeit bemerkt, dass er homosexuell sei. Er sei deswegen von zwei Schulen verwiesen worden. Im Dorf sei er ausgegrenzt worden. Er sei dann zwei Jahre auf dem College gewesen, habe sich nach zwei Jahren geschäftlich selbständig gemacht und habe dort seinen Lebensgefährten kennen gelernt. Am ... Juni 2019 habe er für seinen Lebensgefährten eine Geburtstagsfeier in dessen Wohnung organisiert. Die Polizei sei während der Feier in die Wohnung gekommen und habe die Männer festgenommen. Der Kläger sei zwei Wochen (bis 23.6.2019) in K... … inhaftiert gewesen. Dort sei er zwei Mal vergewaltigt worden. Ein Freund habe ihn auf Kaution freibekommen. Sein Vermieter habe ihm gesagt, dass seine Wohnung von der Polizei durchsucht worden sei, daher sei ihm gekündigt worden. Er habe sich versteckt und am … Januar 2020 Uganda verlassen. Da ihm bei der Polizei keine Fingerabdrücke abgenommen worden seien, habe er ausreisen können.
3
Der Kläger legte ein „release on bond“ vom … Juni 2019 vor, nachdem er wegen des Tatvorwurfs „Homosexuality“ gegen eine Summe von 3 Millionen Shilling freigelassen worden sei, aber am ... Juli 2019 wieder zu erscheinen hätte. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom … Juli 2020 sei dieses Dokument eine Fälschung. Die in dem Dokument enthaltene Fallnummer finde sich nicht im Register der Polizeidienststelle. Die Inhaftierung des Klägers vom ... bis … Juni 2019 in der Central Police Station könne nicht bestätigt werden. Neben mehreren Rechtschreibfehlern existiere der Straftatbestand „homosexuality“ nicht im ugandischen Strafgesetzbuch. Die richtige Bezeichnung laute „unnatural offence“. Der Kläger beharrte darauf, dass er das Dokument so von der Polizei erhalten habe.
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Mit Bescheid vom … Januar 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, im Fall einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens. Anderenfalls werde der Kläger nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, abgeschoben (Nr. 5). In Nr. 6 wurde ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klagepartei am ... Februar 2021 Klage und hat beantragt,
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1. Der Bescheid der Beklagten vom … Januar 2021 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, mich als Asylberechtigten anzuerkennen.
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4. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat für die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Am 30. Oktober 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll vom 30. Oktober 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) sowie Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG), da er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das diese Zuerkennung rechtfertigen würde.
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b) Der Vortrag des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
18
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht nachvollziehbar vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
19
Soweit der Kläger hierzu bei der Anhörung vor dem Bundesamt (der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen) angegeben hat, dass „wenn es in einem drin sei, könne man das nicht ändern“ und „er habe versucht, das zu ändern“, sowie dass man „eine Gewohnheit ändern könne, aber wenn es in einem drin ist, könne man es nicht ändern“, so wirkt das vage und aufgesetzt. Ein „inneres Ringen“ oder einen „Zwiespalt“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und dem Nachgeben zugunsten seiner angeblich homosexuellen Veranlagung hat der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass der Kläger auf die explizite Frage nach einem „inneren Ringen“ zunächst davon gesprochen hat, dass „man in Afrika über so etwas nicht reden könne“. Die Frage nach dem „inneren Ringen“ bedingt nicht, dass man mit anderen darüber redet. Die Entscheidung, seine sexuelle Orientierung gegen die gesellschaftlichen Gepflogenheiten auszuleben, musste vom Kläger insbesondere in seiner Situation mehrmals getroffen werden, da er nach seinem Vortrag angeblich massive Sanktionierungen erfahren haben will, aber in den verschiedenen Bildungseinrichtungen angeblich immer wieder neue homosexuelle Beziehungen geführt hat. Angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität in Uganda ist das Ausleben dieser Form der Sexualität ein weitreichender Schritt. Eine Abwägung, der eigenen sexuellen Veranlagung dennoch nachzugeben und das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen, muss auch bei einem jungen Menschen nachvollziehbar und schlüssig geschildert werden. Das ist mit den vom Kläger erfolgten Äußerungen jedoch nicht erfolgt. Insgesamt hat der Kläger hierzu nur oberflächliche Angaben gemacht. Es wirkt platt, wenn der Kläger hierzu im Kern angibt, dass „es in ihm drin sei und er könne das nicht übergehen“. Daran ändert auch der Vortrag nichts, dass der Kläger in Deutschland angeblich eine homosexuelle Beziehung führen will. Denn die angebliche Homosexualität kann dem Kläger aufgrund der geschilderten platten und oberflächlichen Schilderungen nicht abgenommen werden.
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Bestätigt wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags durch den Umstand, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, auch an der weit entfernten Schule eine homosexuelle Beziehung zu einem Mitschüler unterhalten zu haben und deswegen auch von dieser Schule verwiesen worden zu sein. Bei der Anhörung beim Bundesamt hat er gerade nicht vorgetragen, auch von dieser Schule wegen einer homosexuellen Beziehung verwiesen worden zu sein.
21
Unterstrichen wird die massive Unglaubhaftigkeit des angeblichen Verfolgungsschicksals, dass das vom Kläger beim Bundesamt vorgelegte Dokument „release on bond“ nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom … Juli 2020 nicht echt ist. Bemerkenswert ist, dass die Mitteilung, das Dokument sei eine Fälschung, auf eine Reihe von Merkmalen gestützt wird (Stempel, Fallnummer, falsche Wiedergabe des Straftatbestands, mehrere Rechtschreibfehler). Auch die angebliche zweiwöchige Inhaftierung des Klägers konnte nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft im K... … nicht bestätigt werden. Soweit der Klägerbevollmächtigte diese Auskunft in Zweifel zieht, ist hierzu zu bemerken, dass keinerlei konkrete Anhaltspunkte hierfür vorgetragen werden. Ausschließlich pauschale Vermutungen, die nicht durch konkrete Tatsachen unterstützt werden, können die amtliche Auskunft einer Behörde nicht in Zweifel ziehen.
22
In der Gesamtschau wirkt der gesamte Vortrag, insbesondere hinsichtlich der angeblichen Homosexualität, äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt.
23
c) Die von der Klagepartei beim Bundesamt vorgetragene Betreuung durch eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan.
24
d) Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 27. Januar 2021 verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
25
e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
26
Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
27
Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
28
Zur weiteren Begründung wird auf den bereits zitierten Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
29
2. Die Unbegründetheit der Klage drängt sich nach allgemeiner Rechtsansicht geradezu auf. Denn das geltend gemachte Verfolgungsschicksal ist unplausibel, widersprüchlich und auf ein Dokument gestützt, dem die Authentizität abgesprochen werden muss. Der Vortrag des Klägers wirkt in der Gesamtwürdigung damit als frei erfunden und völlig unglaubhaft. Die Klage ist daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Es besteht kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, wobei sich bei einem solchen Sachverhalt die Abweisung der Klage nach allgemeiner Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 78 AsylG Rn. 40 m.w.N.).
30
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
31
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
32
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AslyG).