Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung nach Bulgarien im Rahmen der Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 3, § 75
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EU-Grundrechtecharta Art. 4
EMRK Art. 3
Leitsatz:
International Schutzberechtigten, die gesund und arbeitsfähig sind, droht bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Syrien, Drittstaatenbescheid, Zuerkennung internationalen Schutzes in Bulgarien, Abschiebungsandrohung, Systemische Mängel (verneint), Vulnerabilität (verneint), Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (verneint), Eilverfahren, Dublin-Verfahren, Bulgarien, Systemische Mängel, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot, Menschenwürde
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33278
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … … 2023 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsandrohung nach Bulgarien im Rahmen der Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig.
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Der am … … 2000 in … … (Syrien) geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste am … Dezember 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am … Mai 2023 förmlich Asylantrag.
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Auf Anfrage im Dublin-Verfahren erklärten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom … Februar 2023, der Antragsteller habe in Bulgarien am … August 2022 subsidiären Schutz erhalten.
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Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am … August 2023 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe sich etwa sieben Monate in Bulgarien aufgehalten. Zunächst sei er wegen der illegalen Einreise für einen Monat inhaftiert worden. Nach Schutzgewährung habe er keine Sozialhilfe beantragt, weil man in Bulgarien keine bekomme. Er sei obdachlos gewesen. Er habe mal in einem Hotel, mal bei Bekannten oder in Parks geschlafen. Um eine Wohnung habe er sich nicht bemüht, da er dafür zahlen hätte müssen. Er habe auch nicht gearbeitet, da es in Bulgarien keine Arbeit gegeben habe. Darüber hinaus müsse er in Deutschland noch eine Nasenoperation durchführen lassen, da er Schwierigkeiten beim Atmen habe. Außerdem habe er Rückenschmerzen und Verstopfung. Seine am … 1989 geborene Schwester sei in Deutschland.
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Mit Bescheid vom … September 2023, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am ... Oktober 2023, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls würden sie nach Bulgarien oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, abgeschoben. Der Antragsteller dürfte jedoch nicht nach Syrien abgeschoben werden. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 3). Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde festgesetzt (Nr. 4).
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In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, dass nach Auffassung des Bundesamtes der Asylantrag des Antragsstellers wegen der Gewährung internationalen Schutzes in Bulgarien nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei. Die dortigen Lebensbedingungen von Personen mit zuerkanntem internationalem Schutzstatus seien ausreichend. Eine Menschenrechtsverletzung drohe dem Antragsteller damit nicht.
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Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am … Oktober 2023 über seinen Bevollmächtigten zum Verwaltungsgericht München Klage (… …). Gleichzeitig beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid anzuordnen.
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Zur Begründung trug der Bevollmächtigte des Antragstellers unter anderem vor, der Antragsteller habe von Anfang an nach Deutschland kommen wollen, da er hier familiäre Verbindung habe. Man habe ihn in Bulgarien mit Gewalt zur Antragstellung gezwungen. Er sei wegen seiner illegalen Einreise in Bulgarien zunächst verhaftet worden. Nach der Zuerkennung von subsidiärem Schutz sei er auf sich selbst gestellt worden. Mangels weiterer Ersparnisse und Arbeitsmöglichkeit sei der Antragsteller bei einer Rücküberstellung nach Bulgarien Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Darüber hinaus werde er in Bulgarien erneut inhaftiert.
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Die Beklagte legte die Behördenakte am … Oktober 2023 vor. Sie beantragt,
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Mit Schreiben vom ... November 2023 vertiefte der Bevollmächtigte des Antragstellers sein Vorbringen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Verfahren und die vorgelegte Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere kommt der Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zu und der Antrag wurde innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG gestellt. Weiter lässt auch die bedingte Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser eigenen Ermessensentscheidung des Gerichts sind einerseits das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und andererseits das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
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Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) bestehen nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Der am ... Mai 2023 durch den Antragsteller gestellte Antrag ist aller Voraussicht nach gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig (dazu unter 2.1.) und die Unzulässigkeitsentscheidung ist nicht nach Unionsrecht ausgeschlossen (dazu unter 2.2.). Der Abschiebung des Antragstellers steht schließlich auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG entgegen (dazu unter 2.3.).
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2.1. Der Asylantrag des Antragstellers ist hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Nach Mitteilung der bulgarischen Behörden vom ... Februar 2023 wurde dem Antragsteller bereits in Bulgarien internationaler Schutz zuerkannt. Die Abschiebungsandrohung erging daher hier nach § 35 AsylG. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen demnach grundsätzlich vor.
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2.2. Die Unzulässigkeitsentscheidung ist hier auch nicht aus Gründen vorrangigen Unionsrechts ausgeschlossen.
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Ein solcher Ausschluss ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann anzunehmen, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller als international Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) oder Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 81 ff.; U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 – juris Rn. 83 ff.). Danach kommt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der die Regelung in Art. 33 Abs. 2a der RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) umsetzt, nicht zur Anwendung, wenn eine solche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht. Dies ist hier bei einer Rückkehr des Antragstellers nach Bulgarien nicht der Fall.
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a) Dabei legt das Gericht für die Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta vorliegt, die Maßstäbe aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde.
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Grundsätzlich gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern und international Schutzberechtigten in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der GR-Charta und der EMRK entspricht. Diese Vermutung ist nicht unwiderleglich. Die nationalen Behörden und Gerichte sind bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die auf ein ernsthaftes Risiko von Verstößen gegen Art. 4 GR-Charta hindeuten, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. Derartige Schwachstellen fallen aber nur dann unter Art. 4 GR-Charta, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die nur dann vorliegt, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden des Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlauben würde, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 92, 95). Bei der Gefahrenprognose ist auf den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abzustellen (BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris Rn. 15).
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Dagegen genügt es nicht, dass in dem Mitgliedstaat, in dem ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat. Gleiches gilt für das Fehlen familiärer Solidarität sowie für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen in dem Schutz gewährenden Mitgliedstaat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 93 f. und 96 f.).
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Dabei kann die Schwelle der Erheblichkeit in Bezug auf Personen mit besonderer Verletzlichkeit – sogenannte Vulnerable – schneller erreicht sein als bei Personen, die eine solche Verletzlichkeit nicht aufweisen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95 in Übereinstimmung mit EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – juris).
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b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe droht international Schutzberechtigten, die gesund und arbeitsfähig sind, bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GR-Charta oder Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Auch wenn die Lebensbedingungen in Bulgarien für anerkannt Schutzberechtigte schwieriger sein mögen als in der Bundesrepublik, ist eine solche Behandlung nicht beachtlich wahrscheinlich (OVG NW, B.v. 22.8.2023 – 11 A 3374/20.A; OVG Bremen, B.v. 12.4.2023 – 1 LA 220/21; VGH BW, U.v. 24.2.2022 – A 4 S 162/22; VG Bremen, B.v. 10.10.2023 – 2 V 1604/23; VG München, U.v. 13.9.2023 – M 22 K 19.30442; VG Darmstadt, B.v. 12.9.2023 – 7 L 1373/23.DA.A; VG Bayreuth, B.v. 1.8.2023 – B 7 S 23.30606; VG Ansbach, U.v. 5.5.2023 – AN 14 K 19.50551; VG Meiningen, U.v. 7.3.2023 – 8K951/19 Me; alle juris). Das Gericht schließt sich insoweit der überwiegenden aktuellen – auch obergerichtlichen – Rechtsprechung an.
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Ein vom Willen eines arbeitsfähigen und gesunden Schutzberechtigten unabhängiger „Automatismus der Verelendung“ bei einer Rückkehr nach Bulgarien ist nicht festzustellen (vgl. OVG NW, B.v. 22.8.2023 – 11 A 3374/20.A – juris Rn. 53).
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Obwohl sich anerkannt Schutzberechtigte in Bulgarien grundsätzlich selbst um eine Unterkunft bemühen müssen und keinen Anspruch auf Aufnahme in eine Flüchtlingsunterkunft haben, bestehen keine konkreten Hinweise darauf, dass sie dort im Allgemeinen obdachlos oder von Obdachlosigkeit in besonderem Maße bedroht werden. Die geringe Auslastung der Aufnahmezentren für Asylsuchende besteht fort, sodass sie dort auch weiterhin Unterkunft erhalten können. In den Aufnahmeeinrichtungen werden Verpflegung, medizinische Grundversorgung und sanitäre Anlagen zur Verfügung gestellt. Infolgedessen ist eine Minimalversorgung sichergestellt, die die elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) in der Regel befriedigt und eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt. Ferner ist es international Schutzberechtigten in Bulgarien möglich, in zumutbarer Zeit Arbeit zu finden und damit ihren Lebensunterhalt jedenfalls mit einem Existenzminimum zu bestreiten, dies auch nach der Corona-Pandemie und der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. Der Zugang zu Schule und Berufsausbildung besteht für international Schutzberechtigte in gleicher Weise wie für bulgarische Staatsangehörige; der Schulbesuch ist überdies kostenlos (vgl. dazu OVG NW, B.v. 22.8.2023 – 11 A 3374/20.A – juris Rn. 62 ff. m.w.N.).
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c) Der vorgenannte Grundsatz gilt auch für den Antragsteller. Diesem droht unter Zugrundelegung der vom Europäischen Gerichtshof geforderten besonders hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 4 GR-Charta.
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Weder gegenüber dem Bundesamt noch im Gerichtsverfahren wurde überzeugend und nachvollziehbar vorgetragen, weshalb es dem …-jährigen, alleinstehenden Antragsteller unter entsprechender Anstrengung nicht möglich sein soll, ein Erwerbseinkommen zu erwirtschaften, das zur Deckung der Kosten für eine Unterkunft und den täglichen Bedarf ausreicht. Im Hinblick auf die in Bulgarien grundsätzlich und auch für den Antragsteller verfügbare Möglichkeit, Unterkunft, Verpflegung und medizinische Behandlungsmöglichkeiten zu finden, sieht das Gericht keine systemischen oder allgemeinen oder aber bestimmte Personengruppen betreffenden Schwachstellen.
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Der Antragsteller gehört darüber hinaus nach Aktenlage nicht zum Kreis der vulnerablen Personen. Es wurden keinerlei ärztliche Atteste vorgelegt. Aber auch im Übrigen ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass der Antragsteller an schwerwiegenden, in Bulgarien nicht behandelbaren Krankheiten leiden würde. Schließlich bestehen für das Gericht weder auf der Grundlage des unsubstantiierten Vortrags des Antragstellers noch der der Gerichtsentscheidung zugrunde gelegten Erkenntnismittel Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bei einer Überstellung nach Bulgarien grundlos inhaftiert wird. Das gilt auch für die durch den Bevollmächtigten in Frage gestellte tatsächliche Möglichkeit der Rückführung.
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Insofern schließt sich das Gericht der inzwischen weitgehend einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung an (vgl. u.a. VGH BW B.v. 13.10.2022 – A 4 S 2182/22 – juris m.w.N.; OVG NW, B.v. 16.12.2022 – 11 A 1397/21.A – juris m.w.N.; OVG LSA, B.v. 12.9.2022 – 3 L 198/21 – juris m.w.N.; SächsOVG, U.v. 7.9.2022 – 5 A 153.17.A – juris m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.8.2023 – 11 A 3374/20.A – juris Rn. 58 ff.; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 10.7.2023 – B 7 K 22.30819; VG Saarland, U.v. 24.3.2023 – 3 K 766/22 – juris m.w.N.).
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3. Der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien stehen auch die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht entgegen.
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3.1. Der rechtliche Maßstab für eine Verletzung des hier allein in Betracht kommenden Art. 3 EMRK ist im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG identisch mit dem vorstehend unter 2.2. dargelegten Maßstab (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris; BVerwG, U.v. 21.04.2022 – 1 C 10/21 – juris; SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris). Wie bereits ausgeführt, droht dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Bulgarien keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung.
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3.2. Im Übrigen leidet der Antragsteller ersichtlich nicht unter lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich alsbald nach der Abschiebung verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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An diesem Ergebnis ändert sich selbst bei Berücksichtigung familiärer Bindungen (volljährige Schwester) bereits bei Erlass der Abschiebungsandrohung nichts (vgl. dazu EuGH, B.v. 15.02.2023 – C-484/22 – juris). Vorliegend geht es ersichtlich nicht um das Wohl eines minderjährigen Kindes und seinen familiären Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland, sodass insbesondere auch Art. 6 Grundgesetz (GG) der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien ersichtlich nicht entgegensteht.
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3.3. Nach alledem wird sich der angefochtene Bescheid (insbesondere die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3) aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ohne Erfolg bleibt.
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4. Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).