Inhalt

VG München, Urteil v. 26.10.2023 – M 27 K 21.6223
Titel:

Anerkennung einer Facharztbezeichnung

Normenketten:
HKaG Art. 2, Art. 27, Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1
WBO 2013 § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1, Abs. 3, § 10, § 12 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 3, Art. 12 Abs. 1
Berufsanerkennungs-RL Art. 25 Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Erforderlich für eine ordnungsgemäße Weiterbildung ist eine zur hinreichenden Gewährleistung des Patientenschutzes genügende Ausbildung in verantwortlicher Leitung. Um diese Art der Anleitung zu erfüllen, muss der Weiterbilder die Tätigkeit des Weiterbildungsassistenten rechtlich und tatsächlich anleiten sowie zeitlich und inhaltlich gestalten. Der Weiterbildungsassistent darf allerdings ein seinen Leistungen und seinem Weiterbildungsstand entsprechendes Maß an Selbständigkeit erhalten, um das Ziel der Weiterbildung zu erreichen. Das Erfordernis der Vollzeitausbildung im Sinne der Berufsanerkennungsrichtlinie bedeutet nicht nur Vollzeitarbeit des Assistenzarztes, sondern fordert im Umkehrschluss grundsätzlich eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Anrechnung von Weiterbildungszeiten und Zulassung zur Prüfung, Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung, Keine Erfüllung der Präsenzpflicht des Weiterbilders, Kein schutzwürdiges Vertrauen, Keine Gleichheit im Unrecht hinsichtlich Anerkennung bei anderen Weiterbildungs-Assistenten, Weiterbildung, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Facharzt, Anrechnung, Weiterbildungszeiten, Zulassung, Prüfung, verantwortliche Leitung, Erfüllung, Präsenzpflicht, Weiterbilder, schutzwürdiges Vertrauen, Keine Gleichheit im Unrecht, Anerkennung, Weiterbildungs-Assistenten, Vertrauensschutz, Landesärztekammer, Qualität
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.03.2025 – 21 ZB 23.2357
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33277

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz hinsichtlich einer abgelehnten Anerkennung von Weiterbildungszeiten sowie Prüfungszulassung für die Facharztbezeichnung „Kinder- und Jugendmedizin“.
2
Der Klägerin wurde am … Juli 2012 die ärztliche Approbation erteilt. In der Folge war sie ab dem … April 2013 bis zum … Juni 2013 im Klinikum G…, vom ... Juli 2013 bis zum … April 2015 im Klinikum L… a. L… und vom ... Mai 2015 bis zum … März 2018 im Klinikum L… jeweils ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin tätig.
3
Ihr Weiterbilder im Klinikum L… am L…, Dipl.-Med. R… (Weiterbilder), hatte am … Juni 2011 bei der Beklagten eine Weiterbildungsbefugnis als Weiterbilder an mehreren Weiterbildungsstätten beantragt und dabei angegeben, wöchentlich 42 Stunden in seiner Praxis und 13 Stunden in der Kinderabteilung des Klinikums L… a. L… zu arbeiten. Ihm war daraufhin am … Februar 2012 von der Beklagten eine 24-monatige Weiterbildungsbefugnis für beide Weiterbildungsstätten erteilt worden. Diese Weiterbildungsbefugnis enthielt insbesondere die Nebenbestimmung, dass die Befugnis für Praxis und Klinikum gelte, jedoch sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Assistenzärzte über die festgesetzten Nebenbestimmungen in Kenntnis zu setzen seien. Mit Schreiben der Beklagten vom … Oktober 2013 wurde der Weiterbilder unter anderem darauf hingewiesen, dass sowohl die Weiterbildung in der Praxis als auch die stationäre Weiterbildung nur unter der fachlichen Leitung eines Weiterbilders erfolgen könne, der vor Ort sei.
4
Auf die Weiterbildungsstätte Klinikum L… a. L… wurde die Klägerin nach ihren eigenen Angaben durch den Internetauftritt der Beklagten aufmerksam. Der vorgelegten Auflistung über die Weiterbildungsbefugnis ist zu entnehmen, dass eine Weiterbildungsbefugnis für den Weiterbilder in dessen Praxis und im Klinikum L… a. L… besteht. Es ist ein Klammerzusatz angefügt mit „WBB gilt an beiden Standorten“. In der Spalte „Jahre der Weiterbildungsbefugnis“ ist eingetragen „2 *m. NB“.
5
Die Klägerin beantragte am … November 2019 bei der Beklagten die Anerkennung als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und legte unter anderem ein Weiterbildungszeugnis des Weiterbilders vom ...Juli 2016 für die Tätigkeit der Klägerin im Klinikum L… am L… vor, nach dem sie vom ... Juli 2013 bis zum … April 2015 unter seiner Anleitung ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin in der Kinder- und Jugendabteilung des Klinikums L… am L… tätig gewesen sei. Mit am ... Mai 2020 nachgereichtem, undatiertem Schreiben bestätigte der Weiterbilder die ausschließliche Tätigkeit der Klägerin im Klinikum L… am L…
6
Auf Nachfragen der Beklagten nahm der Weiterbilder mit auf Juni 2020 datiertem Schreiben im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass die Klägerin zu keiner Zeit in der Praxis tätig gewesen sei. Auf weiteren Nachfragen äußerte er sich telefonisch am … und … Dezember 2020 sowie … Januar 2021 dahingehend, dass er tatsächlich deutlich mehr als die in seinem Antrag angegebenen 13 Stunden im Klinikum L… am L… anwesend gewesen sei; entsprechende Arbeitsverträge könne er aber nicht vorlegen.
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Am … Dezember 2020 äußerte er schriftlich im Wesentlichen, dass er täglich zwischen 8 Uhr und 11 Uhr jeden einzelnen Patienten mit seinen Assistenten erörtert habe. Seine Praxis habe sich eine Minute vom Klinikum entfernt befunden, weshalb zeitnah jede stationäre Neuaufnahme persönlich begutachtet und mit den Assistenten besprochen und auch die Versorgung der geburtshilflichen Abteilung sichergestellt gewesen sei. Es habe eine tägliche Abendvisite gegeben. In der Zwischenzeit sei er telefonisch immer erreichbar gewesen. Seit 2014 sei er zudem Freitag ganztägig in der Praxis vertreten worden und nur für die Klinik dagewesen.
8
Nach einer bei der Akte befindlichen E-Mail der Personalabteilung des Klinikums L… a. L… vom … Juni 2019 stand der Weiterbilder mit 32,50%, also 13 Stunden wöchentlich zur Verfügung.
9
In einem Schreiben des Vorstands des Klinikums L… a. L… vom … Januar 2021 ist ausgeführt, es werde bestätigt, dass der Weiterbilder seinen Aufgaben als Chefarzt und Weiterbilder vollumfänglich nachgekommen sei; die schriftliche Darstellung des Weiterbilders von Dezember 2020 sei zutreffend.
10
Dem Antrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom ... März 2021, zugegangen am … März 2021, nicht stattgegeben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der 22,00 im Klinikum L… a. L… abgeleisteten Monate nur 7,48 Monate angerechnet werden könnten, sodass für die erforderliche 60-monatige Weiterbildung 14,52 Monate fehlten. Die Kürzung entspreche dem Anteil von 13 Stunden pro Woche, die der Weiterbilder im Rahmen seines Antrags auf Weiterbildungsbefugnis als Tätigkeit im Klinikum L… a. L… angegeben habe. Gegenläufige Nachweise seien trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erbracht worden.
11
Dagegen legte die Klägerin am … April 2021 Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe dem Internetauftritt der Beklagten entnommen, dass der Weiterbilder über eine 24-monatige Weiterbildungsbefugnis am Klinikum L… a. L… verfüge. Darauf habe sie vertraut, umso mehr aufgrund der bekannten Erfahrungen von Kollegen. Zudem sei es während ihrer Tätigkeit am Klinikum L… a. L… jederzeit – wie schriftlich bestätigt – der Fall gewesen, dass die Weiterbildung persönlich geleitet, ganztägig durchgeführt und zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung gestaltet worden sei. Ihr Weiterbilder sei jederzeit erreichbar und bei Bedarf innerhalb kürzester Zeit persönlich anwesend gewesen. Eine durchgängige Anwesenheit des Chefarztes sei praxisfern und von der Weiterbildungsordnung nicht gefordert. Der Weiterbildungsbefugte sei entsprechend der Bestätigung des Vorstands des Klinikums jederzeit in der Lage gewesen, die Weiterbildung sowohl zeitlich als auch inhaltlich zu leiten.
12
In einer erneuten, undatierten Stellungnahme, führte ihr Weiterbilder im Wesentlichen aus, dass er gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung angegeben hatte, dass er die Praxistätigkeit erst am Vormittag um 11 Uhr begonnen habe und die Praxis gegebenenfalls zwischenzeitlich verlassen müsse. Ab 2014 sei er freitags ganztägig in der Praxis vertreten worden und ab September 2018 ausschließlich in der Klinik tätig gewesen. Einen Dienstplan hierzu gebe es nicht. Dies sei bei Chefärzten nicht üblich. Die Praxis sei nicht weit vom Klinikum entfernt und eine Anwesenheit binnen zwei Minuten sei möglich gewesen.
13
Die Kassenärztliche Vereinigung teilte mit E-Mail vom … September 2021 mit, dass die Vertreterin des Weiterbilders vom ... April 2011 bis zum … Dezember 2013 mit 8 Wochenstunden und ab ... Januar 2014 mit 20 Wochenstunden angestellt gewesen sei. Als Sprechzeiten seien bis zum … Dezember 2013 „nach Vereinbarung“ und ab … Januar 2014 donnerstags von 9 Uhr bis 13 Uhr und freitags zusätzlich von 14 Uhr bis 18 Uhr gemeldet gewesen.
14
Mit Bescheid vom … Oktober 2021, zugegangen am … November 2021, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen weiter ausgeführt, dass entsprechend der Nebenbestimmung der Weiterbildungsbefugnis des Ausbilders eine Weiterbildung an den benannten Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung zu erfolgen habe. Die ganztägige Präsenz bei einer Angabe der Tätigkeit im Klinikum L… a. L… im Umfang von 13 Stunden pro Woche sei nicht plausibel. Die Existenz der Nebenbestimmung sei der Webseite der Beklagten zu entnehmen gewesen; der Inhalt der Nebenbestimmung sei im Portal für Ärzte abrufbar gewesen. Der Weiterbilder sei bereits mit einem Schreiben vom ... Oktober 2013 auf die Verpflichtung zur fachlichen Leitung vor Ort hingewiesen worden. Die persönliche Anwesenheit des Weiterbilders in der Weiterbildungsstätte sei erforderlich. Eine fälschliche Anerkennung bei Kollegen rechtfertige ein gleiches Verfahren im Fall der Klägerin nicht. Objektivierbare Nachweise für eine längere Anwesenheit des Weiterbilders lägen nicht vor.
15
Dagegen hat die Klägerin am 29. November 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen und beantragt sinngemäß:
I.
16
Der Bescheid der Beklagten vom … März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Oktober 2021 wird aufgehoben.
II.
17
Die Beklagte wird verpflichtet, die abgeleistete und nachgewiesene Weiterbildungszeit der Klägerin für die Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin wie beantragt voll anzurechnen und die Klägerin zum Prüfungsgespräch zur Erlangung der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin zuzulassen.
18
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass geeignete und ausreichende Nachweise vorgelegt worden seien, die bestätigten, dass der Weiterbilder im gegenständlichen Zeitraum entsprechend den Vorgaben der Weiterbildungsordnung die Weiterbildung vollumfänglich vorgenommen habe. Weiter wird vorgetragen, dass Streitigkeiten zwischen der Beklagten und dem Weiterbilder nicht zulasten der Klägerin gehen dürften. Die Einschränkung auf 13 Stunden sei in der Nebenbestimmung nicht benannt, sodass keine Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestanden habe. Es bestehe keine Verpflichtung zur ganztägigen Präsenz. Die unmittelbare örtliche Nähe spiele für die ganztägige Anleitung keine Rolle. Die räumliche Nähe und die besondere Organisationsform der Kinderabteilung im Klinikum seien zu berücksichtigen.
19
Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen dargelegt, dass nach wie vor nicht ersichtlich sei, wie die Weiterbildung vor Ort tatsächlich abgelaufen sei. Es gebe widersprüchliche Angaben zur Anwesenheitszeit des Weiterbilders im Klinikum, insbesondere im Hinblick auf dessen Angaben und die Angaben der Personalabteilung. Angeforderte Dienst- und Einsatzpläne, die Rückschlüsse zuließen, seien nicht vorgelegt worden. Die Pflicht zur persönlichen Leitung bedeute, dass der Weiterbilder für den Assistenzarzt in der Regel erreichbar und verfügbar sei, ihn überwache und ihm Ratschläge und Weisungen erteilen könne, was zwar nicht räumliche Nähe, aber enge Zusammenarbeit voraussetze. Insbesondere in der frühen Weiterbildungsphase der Klägerin sei die Betreuung noch intensiver geboten gewesen. Die 24-monatige Befugnis des Weiterbilders habe auch das Leistungsspektrum in der Praxis einbezogen, da erfahrungsgemäß bestimmte Untersuchungen oder Behandlungen verstärkt im niedergelassenen Bereich stattfänden. Selbst bei unterstellter ganztägiger Anwesenheit des Weiterbilders hätte die bestehende Befugnis überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Die Weiterbildungsbefugnis sei unter der Prämisse einer stationären und ambulanten Tätigkeit beim Weiterbilder erfolgt. Die Vollzeittätigkeit des Weiterbildungsassistenten korrespondiere mit der höchstpersönlichen Vollzeitausbildung durch den Weiterbilder. Es bestehe auch ein Unterschied zu hauptberuflichen Chefärzten. Die räumliche Nähe könne nicht berücksichtigt werden, da es sich um zwei unterschiedliche Weiterbildungsstätten handele.
22
Die Kammer hat am 26. Oktober 2023 mündlich zur Sache verhandelt. Dabei wurde mit den Beteiligten auch ein Kartenauszug zur räumlichen Distanz zwischen der Praxis des Weiterbilders und des Klinikums L… a. L… in Augenschein genommen. Ein in der Verhandlung gestellter Antrag der Klägerseite auf Zeugeneinvernahme des Weiterbilders im Wesentlichen zum Beweis dazu, dass die Weiterbildung den Vorgaben der Weiterbildungsordnung entsprochen habe, ist mit in der Verhandlung ergangenem und begründetem Beschluss als Rechtsstatt Tatsachenfrage abgelehnt worden.
23
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
24
Die zulässige Klage ist unbegründet und damit abzuweisen.
25
Der Bescheid ist nicht rechtswidrig und rechtsverletzend, die Klägerin hat mangels voller Anrechenbarkeit ihrer Weiterbildung im Klinikum L… a. L… keinen Anspruch auf Zulassung zur Facharztprüfung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26
Weder wurden die Anforderungen an die Weiterbildung erfüllt (1.) noch kann sich die Klägerin auf einen Vertrauensschutz (2.) oder auf eine Gleichbehandlung mit anderen Weiterbildungsassistenten berufen (3.).
27
1. Ein Anspruch auf vollständige Anerkennung der Zeiten im Klinikum L… *m L… besteht nicht, denn die Anforderungen der Weiterbildungsordnung an die verantwortliche Leitung durch den Weiterbilder werden nicht erfüllt. Da somit die geforderten Weiterbildungszeiten noch nicht vollständig erbracht wurden, besteht auch kein Anspruch auf Zulassung zur Prüfung.
28
Eine Facharztbezeichnung nach Art. 27 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002 (GVBl. S. 42, zuletzt geändert durch § 3 G.v. 24. Juli 2023 – GVBl. S. 431), darf nach Art. 29 Abs. 1 HKaG führen, wer aufgrund des erfolgreichen Abschlusses der vorgeschriebenen Weiterbildung die entsprechende Anerkennung erhält. Über den Antrag entscheidet die Landesärztekammer aufgrund des Ergebnisses einer Prüfung der vorgelegten Zeugnisse über den Inhalt, den Umfang und den Erfolg der nach abgeschlossenem Medizinstudium durchlaufenen Weiterbildung und eines Prüfungsgesprächs (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 HKaG).
29
Nach § 12 Abs. 1 der auf Grundlage von Art. 35 HKaG erlassenen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 71. Ärztetages vom 14. Oktober 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (WBO 2013), die nach § 20 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 16. Oktober 2021 in der Fassung der Beschlüsse des 81. Bayerischen Ärztetags am 16. Oktober 2022, in Kraft getreten am 1. Januar 2023 (WBO 2023) für die Weiterbildung der Klägerin maßgeblich ist, entscheidet die Landesärztekammer über die Zulassung zur Prüfung, wobei die Zulassung erteilt wird, wenn die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen der Weiterbildungsordnung an den Erwerb der vorgeschriebenen Kompetenz erfüllt und die Nachweise einschließlich der Dokumentationen nach § 8 Abs. 3 WBO 2013 belegt sind.
30
Die Anforderungen an den Kompetenzerwerb werden unionsrechtlich, verfassungsrechtlich, landesgesetzlich und durch die Weiterbildungsordnung näher bestimmt.
31
Unionsrechtlich hat die fachärztliche Weiterbildung als Vollzeitausbildung zu erfolgen (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 RL 2005/36/EG – sog. Berufsanerkennungsrichtlinie). Verfassungsrechtlich sind dabei die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Weiterbildungsassistenten und der Patientenschutz (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in Ausgleich zu bringen. Die Anforderungen an die ärztliche Weiterbildung beinhalten daher keinen bloßen Formalismus, sondern stellen ein wesentliches Instrument zur Gewährleistung der Qualität dar. Das durch die Facharztbezeichnung in der Öffentlichkeit erweckte Vertrauen in die besondere Qualifikation des Arztes ist auch in Ansehung seiner Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn in dem vorangegangenen Verfahren hinreichend sorgfältig und umfassend das Vorliegen der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten festgestellt worden ist (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014 – 5 A 824/13 – juris Rn. 34).
32
Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 HKaG und § 1 Satz 5, § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO 2013 erfolgt die Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung befugter Ärzte, sog. Weiterbilder. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 HKaG ist der ermächtigte Arzt verpflichtet, die Weiterbildung entsprechend den Weiterbildungsbestimmungen des HKaG sowie der Weiterbildungsordnung durchzuführen. Der befugte Arzt ist unter anderem verpflichtet, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung zu gestalten (§ 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013).
33
Erforderlich für eine ordnungsgemäße Weiterbildung ist also eine zur hinreichenden Gewährleistung des Patientenschutzes genügende Ausbildung in verantwortlicher Leitung. Um diese Art der Anleitung zu erfüllen, muss der Weiterbilder die Tätigkeit des Weiterbildungsassistenten rechtlich und tatsächlich anleiten sowie zeitlich und inhaltlich gestalten (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014 – 5 A 824/13 – juris Rn. 27; OVG Saarland, U.v. 4.11.2011 – 3 A 163/10 – juris Rn. 77). Der Weiterbildungsassistent darf allerdings ein seinen Leistungen und seinem Weiterbildungsstand entsprechendes Maß an Selbständigkeit erhalten, um das Ziel der Weiterbildung zu erreichen (vgl. Scholz in: Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, MWBO § 4 Rn. 5). In diesem Rahmen müssen ihm auch Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden; er muss Verantwortung übernehmen (Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 3 RL 2005/36/EG). Jedoch ist für eine zielführende Weiterbildung auch die Möglichkeit einer Überwachung durch den Weiterbilder zu verlangen, also die Möglichkeit, Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse des Assistenzarztes zu kontrollieren (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014, a.a.O., Rn. 27). Um diese Möglichkeit zu gewährleisten, ist grundsätzlich eine Vollzeitpräsenz eines verantwortlichen Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte erforderlich (vgl. so auch Scholz a.a.O., § 5 MWBO Rn. 9). Dafür spricht auch § 5 Abs. 3 Satz 4 WBO 2013, wonach dann, wenn ein befugter Arzt an mehr als einer Weiterbildungsstätte tätig ist, eine gemeinsame Befugnis mit einem weiteren befugten Arzt an jeder Weiterbildungsstätte erforderlich ist. Das Erfordernis der Vollzeitausbildung im Sinne der Berufsanerkennungsrichtlinie bedeutet nicht nur Vollzeitarbeit des Assistenzarztes, sondern fordert im Umkehrschluss grundsätzlich eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder.
34
Dem entspricht auch die Nebenbestimmung in der Weiterbildungsbefugnis des Weiterbilders der Klägerin.
35
An diesen Maßstäben gemessen genügt die Weiterbildung der Klägerin im Klinikum L… a. L… den Weiterbildungsanforderungen jedenfalls nicht vollumfänglich.
36
Eine ganztägige Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte Klinikum L… a. L… war offenkundig nicht gegeben. Nach seinen schriftsätzlich getätigten und vom Klinikvorstand bestätigten Einlassungen – insbesondere in seinem Schreiben vom … Dezember 2020 – befand der Weiterbilder sich während der Tätigkeit der Klägerin wochentags, ab dem ... Januar 2014 montags bis donnerstags, jedenfalls grundsätzlich in der Zeit zwischen 11 Uhr und der Abendvisite, also den überwiegenden Teil des Tages bzw. der Woche in seiner Praxis. Von einer vollumfänglichen ganztägigen Präsenz an der Weiterbildungsstätte der Klägerin kann somit keine Rede sein.
37
Auch aus den konkreten Einzelfallumständen ergibt sich nichts Anderes.
38
Zwar ist aufgrund der zeitweise Betreuung vormittags und ab ... Januar 2014 zumindest freitags ganztägig, der täglichen Abendvisite, der – beklagtenseitig nicht in Abrede gestellten – ständigen telefonischen Erreichbarkeit sowie der räumlichen Nähe zwischen der Praxis und dem Klinikum davon auszugehen, dass während der Weiterbildung der Klägerin im Klinikum L… a. L… eine vollumfängliche zeitliche und inhaltliche Gestaltung vorlag. Jedoch genügt dies aufgrund des lediglich einseitigen Kommunikationsweges bei Rückfragen der Klägerin sowie der tatsächlichen räumlichen Abwesenheit des Weiterbilders während eines erheblichen Teils der Arbeitszeit der Klägerin im Klinikum den Anforderungen an eine vollumfängliche tatsächliche und rechtliche Anleitung nicht. Insbesondere war nicht gewährleistet, dass eine konkrete Kontrolle der Arbeitsschritte unabhängig von einer Eigeninitiative der Klägerin jederzeit und auch spontan möglich war. Davon konnte auch hinsichtlich des Ausbildungsstandes der Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht in erfolgtem Umfang abgesehen werden. Denn die Klägerin hatte vor Antritt der Weiterbildung im Klinikum L… a. L… lediglich 3 Monate und damit nur einen Bruchteil der insgesamt 60-monatigen Weiterbildungszeit abgeschlossen.
39
Auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Kartenausschnitte, der Trennung der Weiterbildungsstätte durch mehrere Straßen und Straßenkreuzungen, der Entfernungsangabe (ca. 500m) sowie der reinen Wegdauer (2 Minuten mit dem Auto, 4 Minuten mit dem Rad und 7 Minuten zu Fuß) ist die Kammer der Überzeugung, dass insbesondere unter Berücksichtigung des Verkehrs sowie des Fußweges auf dem Klinikgelände eine Wegzeit von Praxistür zur Station von 10 Minuten realistisch ist. Ohne dass es dabei auf die genaue Dauer ankäme, genügt der Abstand zwischen den Weiterbildungsstätten und die damit einhergehende nicht unerhebliche örtliche Trennung jedenfalls dafür, dass dieser keinesfalls mehr mit einem Aufenthalt im selben Gebäude oder zumindest Gebäudekomplex verglichen werden kann. Somit bestand ein relevanter Unterschied zu einer Überwachungsmöglichkeit bei einer Anwesenheit in der Kinderabteilung im Klinikum.
40
Damit wurden die gesetzlichen Vorschriften an den Inhalt der Weiterbildung nicht erfüllt und auch die Nebenbestimmung der Weiterbildungsbefugnis wurde nicht eingehalten.
41
Eine vollständige Anrechnung der Weiterbildungszeit kommt auch nicht nach § 10 WBO 2013 in Betracht. Danach kann eine von der Weiterbildungsordnung abweichende Weiterbildung oder ärztliche Tätigkeit unter Anleitung ganz oder teilweise anerkannt werden, wenn und soweit sie gleichwertig ist, wobei die Gleichwertigkeit dann gegeben ist, wenn die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen der Weiterbildungsordnung an den Erwerb der vorgeschriebenen ärztlichen Kompetenzen erfüllt ist. Da jedoch deckungsgleiche eine Tätigkeit „unter Anleitung“ erforderlich ist (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014 – 5 A 824/13 – juris Rn. 32), kommt eine volle Anrechnung auch insoweit nicht in Betracht.
42
Ein Anspruch auf vollständige Anerkennung der Weiterbildung im Klinikum L. a. L… und auf Zulassung zur Prüfung nach § 12 Abs. 1 WBO 2013 besteht somit nicht, da die nach Abschnitt B Nr. 14 WBO 2013 geforderte Weiterbildungszeit von 60 Monaten noch nicht erfüllt ist.
43
2. Auf einen Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen.
44
Abgesehen von den Übergangsbestimmungen des § 20 WBO 2013 bzw. § 20 WBO 2023 besteht dazu keine besondere gesetzliche Regelung, sodass lediglich ein Rückgriff auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsätze hinsichtlich des Verwaltungshandelns in Betracht kommt (vgl. Grzeszick in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetzkommentar, Art. 20, VII. Rechtsstaat Rn. 96 f. und 99 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77 – BVerfGE 49, 168 ff.). Danach kommt ein im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG verankerter Vertrauensschutz nur dann in Betracht, wenn behördlich ein zurechenbarer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, aufgrund dessen der Betroffene schutzwürdiger Weise ein bestimmtes Verhalten erwarten kann (vgl. zum Vertrauensschutz auf eine bestimmte Rechtslage BVerfG, U.v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 – juris Rn. 52; zum Vertrauensschutz gegenüber (Ausländer-)Behörden BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77 – juris Rn. 43 und BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 39).
45
Aufgrund des Hinweises in der klägerseitig vorgelegten Auflistung der Weiterbildungsstätten darauf, dass für den Weiterbilder der Klägerin zwei Weiterbildungsstätten bestehen und die zweijährige Weiterbildungsbefugnis mit einer Nebenbestimmung versehen ist (vgl. „2 *m. NB“ in der Spalte „Weiterbildungsbefugnis in Jahren“), durfte die Klägerin bei objektiver Betrachtung jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Weiterbildungsbefugnis nebenbestimmungsfrei besteht und ihre Weiterbildung bei Ableisten an nur einer Weiterbildungsstätte vorbehaltlos anerkannt wird. Ob die Klägerin positiv Kenntnis von der Nebenbestimmung zu einer ganztägigen persönlichen Anleitung an beiden Weiterbildungsstätte erlangt hatte, ist im Rahmen der Schutzwürdigkeit unerheblich. Denn sie konnte in zumutbarer Weise auf den Inhalt der Nebenbestimmung zugreifen oder sich hierzu direkt bei der Beklagten informieren. Die Einlassung dahingehend, dass der Weiterbilder ihr gegenüber allgemein von einer 24-monatigen Weiterbildungsbefugnis gesprochen habe und ihre Weiterbildung im Klinikum L… a. L… in der tatsächlich geschehenen Art und Weise ausgestaltet worden sei, ist der Beklagten nicht zurechenbar. Sie hat objektiv ausreichend über das Bestehen einer Nebenbestimmung informiert. Davon, dass zumindest fahrlässig und damit vertrauensschutzbegründend der Eindruck einer beschränkungsfreien Weiterbildungsbefugnis erweckt wurde, kann nicht die Rede sein.
46
Die Beklagte hat auch den Weiterbilder auf die Einhaltung und Kommunikation der Nebenbestimmung der erteilten Weiterbildungsbefugnis vom … Februar 2012 und damit die Rechtslage hingewiesen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Einhaltung der Auflage, „sicherzustellen, dass die Weiterbildung von Assistenten an beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung [des Weiterbilders] erfolgt“, umso genauer und nachhaltiger zu beaufsichtigen ist, je räumlich näher sich die beiden Weiterbildungsstätten beieinander befinden und je eher sich deshalb aus vermeintlichen Praktikabilitätsgründen der jeweilige Weiterbilder auf eine (gegebenenfalls auch telefonische) Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit beschränkt, statt seine Präsenzpflicht zu erfüllen. Die Beklagte ist dieser Obliegenheit jedoch hinreichend nachgekommen, was nicht zuletzt auch ihr Hinweisschreiben an den Weiterbilder vom ... Oktober 2013 belegt, dass die Weiterbildung sowohl in der Praxis als auch stationär nur unter fachlicher Leitung eines Weiterbilders erfolgen könne, der vor Ort sei.
47
Somit kann dahinstehen, ob ein Vertrauensschutz der Klägerin nicht generell im Hinblick auf den Patientenschutz, der durch eine ordnungsgemäße Weiterbildung gewährleistet werden soll, zurückzutreten hätte (vgl. zum Vorrang überragender Belange des Gemeinwohls BVerfG, B.v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – juris Rn. 65 m.w.N.).
48
3. Ein Anspruch erwächst auch nicht aus dem sich aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG ergebenden Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
49
Die Klägerin kann sich nicht berechtigter Weise darauf berufen, dass bei anderen Weiterbildungsassistenten in vergleichbarer Weiterbildungsausgestaltung eine volle Anerkennung erfolgte. Denn nach den obigen Ausführungen erfolgte dies rechtswidrig. Eine rechtswidrig gewährte Begünstigung kann von der Klägerin nicht unter Berufung auf eine Ungleichbehandlung eingefordert werden (vgl. zum Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ Wollenschläger in: von Mangoldt/Klein/Stark, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Art. 3 Rn. 218). Dies mag die Klägerin im Einzelfall aus ihrer Sicht ungerecht treffen, kann im Hinblick auf die Herstellung einer – zumal grundgesetzlich geforderten (Art. 20 Abs. 3 Var. 2 GG) – rechtmäßigen Verwaltungspraxis nicht anspruchsbegründend sein.
II.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
51
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie zur Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.