Titel:
Klage gegen die Prüfungsbewertung in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung
Normenkette:
JAPO § 64
Leitsätze:
1. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 13.10.2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J), zuletzt geändert durch die §§ 1 und 2 der Verordnung vom 5.8.2021 (GVBl. S. 537), beruht auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Prüfungsentscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Gegenstände des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. Ebenso handelt es sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist. In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen; hier haben sie nur zu prüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind hingegen Fachfragen, dh Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Für diese ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, dh eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prüfungsrecht, Zweites Juristisches Staatsexamen, offene Zweitbewertung, Nutzung eines „Einverstanden.“-Stempels, Leserlichkeit bzw. Angabe der Namen und Dienstbezeichnungen der Prüfer, Bewertung von Prüfungsaufgabe 2, Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt (abgelehnt), Verletzung des Zitiergebots (abgelehnt), Prüfungsanonymität, Zweitbewertung, Zweite Juristische Staatsprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33228
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung seiner schriftlichen Arbeiten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung im Termin 2021/2.
2
Der Kläger nahm im Termin 2021/2 an der Zweiten Juristischen Staatsprüfung teil. Mit Bescheid vom 5. April 2022 teilte das Bayerische Staatsministerium der Justiz (Landesjustizprüfungsamt) dem Kläger mit, dass er die Prüfung nicht bestanden habe. Seine schriftlichen Arbeiten seien wie folgt bewertet worden:
Aufgabe
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1
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2
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3
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4
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5
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6
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7
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8
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9
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10
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11
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Punktzahl
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4,0
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3,0
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5,0
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3,0
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3,0
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2,0
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2,0
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2,0
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5,0
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8,0
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3,0
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3
Als Gesamtnote der schriftlichen Prüfung habe der Kläger 3,63 Punkte (mangelhaft) erzielt. Damit habe er im schriftlichen Teil nicht den erforderlichen Gesamtdurchschnitt von mindestens 3,72 Punkten erreicht. Eine Wiederholung der Prüfung sei davon abhängig, dass er einen weiteren Vorbereitungsdienst von sechs Monaten ableiste.
4
Erstprüferin und Zweitprüfer der Aufgabe 2 gaben dem Kläger übereinstimmend jeweils drei Punkte, wobei sich der Zweitprüfer den Ausführungen der Erstprüferin anschloss.
5
Mit Schreiben vom 6. April 2022 beantragte der Kläger beim Beklagten die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und ließ mit Schreiben vom 7. Juni 2022 Einwendungen gegen die Bewertungen der Aufgaben 2 und 11 erheben, auf die Bezug genommen wird. Insgesamt zeige sich demnach in beiden Arbeiten eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspreche und mit mindestens 4 Punkten zu bewerten sei. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens wurden die Stellungnahmen der jeweiligen Prüfer eingeholt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird. Die Prüfer hielten an ihren Bewertungen fest, wobei sich der Zweitprüfer der Aufgabe 2 den Ausführungen der Erstprüferin anschloss. Mit Schreiben vom 8. August 2022 teilte das Bayerische Staatsministerium der Justiz (Landesjustizprüfungsamt) dem Kläger mit, dass die Prüfer unter eingehender Würdigung der Argumente des Klägers zu dem Ergebnis gekommen seien, dass es bei den bisherigen Bewertungen sein Bewenden haben müsse. Bei dem Prüfungsbescheid vom 5. April 2022 müsse es daher verbleiben.
6
Mit Schriftsatz vom 6. April 2022, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:
7
Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) beruhe in ihrer zum Termin 2021/2 gültigen Fassung nicht mehr auf einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in den 2000er Jahren zur ausreichenden Ermächtigungsgrundlage der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen habe auf die damaligen Vorschriften der Art. 19 Abs. 2, 115 Abs. 2 Satz 2 BayBG verwiesen. Diese Vorschriften seien mittlerweile aufgehoben worden oder hätten einen anderen Regelungsgegenstand. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen sei seit den 2000er Jahren zahlreiche Male geändert worden, § 64 JAPO zuletzt durch die Verordnung vom 30. Oktober 2020 (GVBl. S. 611). Die Änderungen fußten aber offenbar – wie die Eingangsformel zeige – jedes Mal auf den vorgenannten Normen des Bayerischen Beamtengesetzes. Mit diesen jeweiligen Änderungen sei zu seinem Nachteil gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen worden. Gemäß Art. 80 Abs. 2 Satz 3 GG sei zudem die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen verstoße gegen dieses Zitiergebot mit der Folge ihrer Nichtigkeit. Bei ihr handele es sich um eine aufgrund Bundesgesetzes erlassene Verordnung. U.a. enthielten die §§ 5b Abs. 7, 5d Abs. 6 DRiG Verordnungsermächtigungen für die Länder, ihre jeweiligen Prüfungsordnungen zu erlassen. Insoweit hätte neben dem Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (LlbG) auch das Deutsche Richtergesetz (DRiG) als Ermächtigungsgrundlage in der Eingangsformel der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen zitiert werden müssen. Die betreffende konsolidierte Fassung weise in ihrer Eingangsformel aber auf keine dieser Ermächtigungsgrundlagen hin. Damit habe der Beklagte im Übrigen auch gegen seine eigenen Richtlinien für die Redaktion von Rechtsvorschriften vom 16. Juni 2015 (AllMBl. S. 319) verstoßen.
8
Weiter verletze die offene Zweitbewertung mit Ausnahme der Aufgaben 4 und 5 den Kläger in seinem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG. Die sich aus der Kenntnis der Erstbewertung ergebenden „Ankereffekte“ wirkten sich negativ auf die Unvoreingenommenheit der Zweitkorrektoren aus und seien nunmehr auch unter Juristen bekannt. Insoweit bestehe kein Grund mehr, an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur offenen Zweitbewertung festzuhalten. Die Rechtsprechung verlange zudem, dass der Zweitkorrektor mit der Erstbewertung „einverstanden“ sei. Dabei werde allerdings verlangt, dass der Zweitkorrektor den Inhalt der Prüfungsarbeit des Prüflings sowie den Inhalt der Erstbewertung vollständig zur Kenntnis genommen habe. Hier bestünden zumindest bei Aufgabe 2 [gemeint: Aufgabe 1] erhebliche Zweifel. Vielmehr spreche der Einsatz des Stempels mit dem Text „Einverstanden. Dr. R. […]“ für einen stark ökonomisierten Umgang mit der Prüfungsarbeit. Einem objektiven Dritten ergäben sich bei einem solchen Vorgehen Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Zweitprüfers. Bei den Bewertungen der Aufgaben 9 und 11 hätten die Prüfer ihre Namen nicht in leserlicher Form wiedergegeben. Soweit die Prüfungsbewertungen die leserlichen Namen und Dienstbezeichnungen nicht enthielten, liege ein weiterer formeller Verstoß vor. Sofern die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen anwendbar sei, verlange diese in § 60 Abs. 2 JAPO, dass die Prüfer eine bestimmte Qualifikation mitbrächten. Es sei somit einerseits nicht nachprüfbar, ob die Prüfer in den Aufgaben 8, 9 und 11 diese Qualifikation besäßen. Andererseits bestehe auch nicht die Möglichkeit, bei den unleserlichen Namen eine mögliche Befangenheit der Prüfer gemäß Art. 21 BayVwVfG auszuschließen.
9
Zudem wiederholte der Kläger seine mit Schreiben vom 7. Juni 2022 im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Einwendungen gegen die Bewertung der Aufgabe 2. Darüber hinaus führte er aus, dass für die Annahme des Beklagten, er sei in seiner Aufgabenbearbeitung davon ausgegangen, der Beklagte zu 2) habe seinen allgemeinen Gerichtsstand in R., kein Raum sei. Nach dem (erlassenen) Rubrum sei klar, dass der Beklagte zu 2) seinen Wohnsitz in P. habe. Auch könne sich bereits grammatikalisch keine andere Auslegung seiner diesbezüglichen Ausführungen ergeben. So hätten die Worte „ebenfalls die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts“ Hinweis darauf sein müssen, dass der im ersten Teil des Satzes in Bezug genommene allgemeine Gerichtsstand des § 13 ZPO ein anderer sein müsse als der des „erkennenden Gerichts“. Ansonsten wäre der zweite Teil des Satzes überflüssig gewesen, da keine Zuständigkeit in Folge rügeloser Verhandlung hätte begründet werden müssen. Gegen die Bewertung der Aufgabe 11 erhob er hingegen keine Bewertungsrügen mehr.
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2022 (Az. ZJS 2021/2) zu verpflichten, die Klausuren 1 bis 11 des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen,
hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2022 (Az. ZJS 2021/2) zu verpflichten, nach Schaffung einer ordnungsgemäßen Rechtsgrundlage, die Klausuren 1 bis 11 des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.
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Der Beklagte beantragt,
12
Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen habe in ihrer im Termin der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2021/2 gültigen Fassung auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht. Diese finde sich lediglich zwischenzeitlich nicht mehr in den vom Kläger in Bezug genommenen Vorschriften der Art. 19 Abs. 2, 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG, sondern in Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2, 67 Satz 1 Nrn. 2 und 3 LlbG. Diese Vorschriften seien auch in den auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen zur Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen zitiert worden. Auch hätten bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhe.
13
Weiter gehe das Bundesverwaltungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die offene Zweitbewertung, das heiße eine Bewertung der Prüfungsleistung durch den Zweitprüfer in Kenntnis der Erstbewertung, sowohl mit dem Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG verankerten prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit als auch mit dem Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gebot der fairen Gestaltung des Prüfungsverfahrens vereinbar sei. Der vom Kläger in Bezug genommene „Ankereffekt“ sei dem Bundesverwaltungsgericht bei Abfassung seiner Entscheidung dabei bekannt gewesen. Zudem sei höchstrichterlich geklärt, dass der Zweitprüfer, der der Benotung des Erstprüfers und dessen Begründung zustimme, dies durch die Formulierung „einverstanden“ zum Ausdruck bringen könne. Eine eigene Begründung müsse er in diesem Fall nicht vornehmen. Etwas anderes folge auch nicht aus der Tatsache, dass der Prüfer die Formulierung mithilfe eines Stempels auf der Arbeit des Klägers angebracht habe. Der Prüfer sei in der Wahl der Form, in der er seine Bewertung abfasse, frei. Dementsprechend stehe es ihm auch frei, diese am PC abzufassen oder mithilfe eines Stempels anzubringen. Schließlich werde mitgeteilt, dass die Prüfer sämtlicher vom Kläger gefertigter Arbeiten die nach § 60 Abs. 2 JAPO erforderliche Qualifikation besäßen und ordnungsgemäß bestellt worden seien. Im Übrigen habe die Zweitprüferin der Aufgabe 11 das Schreiben vom 8. August 2022 mit ihrer Dienstbezeichnung unterschrieben. Eine etwaige Rüge der fehlenden Qualifikation dieser Prüferin wäre daher unabhängig von ihrer Begründetheit bereits nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO. Soweit der Kläger auf die fehlende Leserlichkeit von Namen Bezug nehme, lasse sich der Klagebegründung bereits nicht entnehmen, die Namen welcher Prüfer der Kläger nicht lesen könne. In seiner Klageerwiderung teilte der Beklagte zudem Namen und Dienstbezeichnungen der Prüfer der Aufgaben 8, 9 und 11 mit.
14
Die vom Kläger behaupteten Bewertungsmängel betreffend die gefertigte Aufgabe 2 lägen nicht vor. Entgegen den Ausführungen in der Klagebegründung stelle der Kläger auf Seite 4 der Bearbeitung nicht klar, dass sich der Wohnsitz des Beklagten zu 2) in P. befinde mit der Folge, dass unter Zugrundelegung seines allgemeinen Gerichtsstands gemäß §§ 12, 13 ZPO das Amtsgericht Passau zuständig sei. Vielmehr bringe der Kläger mit seinen Ausführungen zum Ausdruck, davon auszugehen, dass das Amtsgericht Regensburg auch nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig sei.
15
Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 25. April 2022 bis zum endgültigen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens ausgesetzt und anschließend unter dem aktuellen Aktenzeichen wiederaufgenommen.
16
Der Kläger willigte mit Schriftsatz vom 4. September 2023 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023 zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein.
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Wegen der Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Über die Klage kann nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärten.
19
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Dabei kann es für das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zunächst dahinstehen, ob er zwischenzeitlich in einem weiteren Prüfungsversuch die Zweite Juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt hat. Denn der Kläger hat jedenfalls ein berechtigtes Interesse daran, den „Makel des Durchgefallenseins“ als ein generelles Hemmnis für das berufliche Fortkommen zu beseitigen (BVerwG, U. v. 12.4.1991 – 7 C 36/90 – juris Rn. 9).
21
Der Hauptantrag des Klägers, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2022 zu verpflichten, die schriftlichen Prüfungsleistungen der Aufgaben 1 bis 11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen und hierüber erneut zu entscheiden, ist ebenso unbegründet, wie der Hilfsantrag, den Beklagten hierzu nach Schaffung einer ordnungsgemäßen Rechtsgrundlage für eine juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung zu verpflichten.
22
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubewertung und Neuverbescheidung seiner Leistungen in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2021/2. Die angegriffenen Prüfungsentscheidungen der Prüfer und der auf ihnen beruhende Prüfungsbescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz (Landesjustizprüfungsamt) vom 5. April 2022 fußen auf einer ausreichenden Ermächtigungs- und Rechtsgrundlage, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO.
23
1. Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg.
24
Die angegriffenen Prüfungsentscheidungen sowie der darauf fußende Prüfungsbescheid vom 5. April 2022 finden ihre Rechtsgrundlage in § 64 JAPO. Für die Entscheidung maßgeblich ist die Rechtslage zum Prüfungszeitpunkt (vgl. Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022, Rn. 899), mithin die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J), zuletzt geändert durch die §§ 1 und 2 der Verordnung vom 5. August 2021 (GVBl. S. 537).
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1.1 Das Gericht hat weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage der angegriffenen Prüfungsentscheidungen und des darauf beruhenden Prüfungsbescheids noch an deren Ermächtigungsgrundlage.
26
Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren im Rahmen seines Hilfsantrags Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen sowie an der Rechtmäßigkeit der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen selbst geltend gemacht. Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen liegt dabei dem auch mit dem Hauptantrag angegriffenen Prüfungsbescheid zugrunde. Das Gericht sieht sich daher bereits im Rahmen des Hauptantrags veranlasst, auf diese geltend gemachten Zweifel einzugehen.
27
Entgegen der sehr pauschal gehaltenen Rechtsauffassung des Klägers beruht die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J), zuletzt geändert durch die §§ 1 und 2 der Verordnung vom 5. August 2021 (GVBl. S. 537), auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 12 Abs. 1 GG).
28
Mit dem Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2 LlbG in der hier maßgeblichen, ab dem 1. Mai 2019 bis 14. Juli 2023 gültigen Fassung und dem Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG in der hier maßgeblichen, seit 1. Januar 2020 gültigen Fassung beruht die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen und speziell die Bestehensregelung in § 64 Abs. 3 JAPO im hier maßgeblichen Zeitpunkt auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und hält deren Rahmen auch ein.
29
Die durch das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung (vgl. Art. 20, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 BV) verankerten und durch die Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs konkretisierten Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt und insbesondere an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage im Bereich des Prüfungsrechts (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 19.3.2004 – 7 BV 03.1953 – juris Rn. 29 m.w.N.) sind durch die Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2, Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG in den hier maßgeblichen Fassungen gewahrt. Insoweit ist der Wortlaut des Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2 LlbG in der hier maßgeblichen Fassung im Wesentlichen gleichlautend mit dem der Vorgängerregelung des Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG in der unverändert bis zum 31. März 2009 gültigen Fassung, zu der das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März 2004 (Az. 7 BV 03.1953 – juris Rn. 29) erging. Darüber hinaus geht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 BayBG in der unverändert bis zum 31. März 2009 gültigen Fassung, zu der das vorgenannte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls erging, im Wesentlichen in der Vorschrift des Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG in der hier maßgeblichen Fassung auf. In diesem Urteil stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen mit den Art. 19 Abs. 2, Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht und nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstößt. Mit Entscheidung vom 22. Juni 2010 (Az. Vf. 15-VII-09 – juris Rn. 30) bestätigte auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof nochmals seine Auffassung, dass er von einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage in den Art. 19 Abs. 2, Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG ausgehe. Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an. Für die Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2, Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG in den hier maßgeblichen Fassungen kann insoweit nichts anderes gelten. Dies hat der Kläger zudem schon nicht substantiiert in Abrede gestellt.
30
Entgegen der Auffassung des Klägers fußten auch die Änderungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen durchgehend seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen zum 1. Januar 2011 nicht mehr auf den Art. 19 Abs. 2, Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG, sondern richtigerweise auf den Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2, Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG in den jeweils gültigen Fassungen. Dies ergibt sich bereits unzweifelhaft aus den Eingangsformeln der jeweiligen Änderungsverordnungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen. Gleiches gilt für die Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen durch Verordnung vom 30. Oktober 2020 (GVBl. S. 611), die eine Änderung des § 64 JAPO selbst zum Gegenstand hatte und insoweit im Übrigen erst am 1. März 2022 in Kraft trat.
31
Es bestehen auch keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen selbst. Eine Verletzung des Zitiergebots ist nicht gegeben. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 3 GG können die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Art. 80 GG einschließlich des Zitiergebots nach dessen Absatz 1 Satz 3 gilt dabei bereits nach seinem Wortlaut ausschließlich für Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage einer bundesgesetzlichen Ermächtigung erlassen werden. Dies ergibt sich weiter aus der Verortung der Regelung im Abschnitt über „ VII. Die Gesetzgebung des Bundes“. Eine unmittelbare oder analoge Anwendung des Zitiergebots auf landesrechtliche Gesetzgebungsverfahren scheidet aus (BVerwG, U.v. 15.12.2016 – 2 C 31/15 – juris Rn. 28). Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen wird jedoch auf landesrechtlicher Grundlage, mithin auf Grund der Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2 , Art. 67 Satz 1 Nr. 2 und 3 LlbG (s.o.) erlassen, sodass vorliegend der Anwendungsbereich des Zitiergebots nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG bereits nicht eröffnet ist. Eine dem Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG vergleichbare Regelung im Landesrecht existiert nicht (s. Art. 55 Nr. 2 BV ; VerfGH, E.v. 26.4.2022 – Vf. 5-VII-19 – juris Rn. 106).
32
Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen hätte auch nicht zusätzlich oder stattdessen auf Grund des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), insbesondere der §§ 5b Abs. 7, 5d Abs. 6 DRiG, erlassen werden müssen. Das Deutsche Richtergesetz ist Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG. Die §§ 5b Abs. 7, 5d Abs. 6 DRiG verweisen daher für die nähere Regelung auf das Landesrecht. Sie enthalten damit keine unmittelbare Ermächtigung zum Erlass einer landesrechtlichen Rechtsverordnung, sondern verweisen auf das Landesrecht als Ganzes und insoweit die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers (vgl. Staats, Deutsches Richtergesetz, 1. Auflage 2012, Vorbem. zu §§ 5 – 7 Rn. 6). Dass die Überschrift des § 5d DRiG von einer „Verordnungsermächtigung“ spricht, ist demgegenüber darin begründet, dass § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Festlegung einer Noten- und Punkteskala für die Einzel- und Gesamtnoten aller Prüfungen enthält. Über den Inhalt des § 5d Abs. 6 DRiG sowie der übrigen Regelungen des § 5d DRiG sagt dieser Bestandteil der Überschrift hingegen nichts aus.
33
Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VerfGH 41, 4/7 f.) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 19.3.2004 – 7 BV 03.1953 – juris Rn. 34) gehen in ihrer Rechtsprechung davon aus, dass im Hinblick auf Ermächtigungsvorschriften die allgemeinen Auslegungsregeln gelten würden. Demgemäß könne bei der Überprüfung einer Ermächtigungsnorm für die Juristenausbildung das rechtliche Umfeld nicht ausgeblendet werden; vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass Ziel und Inhalt der Juristenausbildung in den Grundzügen nicht nur durch die deutsche Rechtstradition einer einheitlichen Ausbildung für die juristischen Berufe, sondern auch durch bestehende gesetzliche Regelungen weitgehend vorbestimmt gewesen seien bzw. seien (BVerwG, B.v. 6.2.1986 – 7 B 11/86 – juris Rn. 4). Danach komme den Regelungen der §§ 5 ff. DRiG Bedeutung zu, die Ziel und Inhalt der juristischen Ausbildung gesetzlich im Einzelnen regelten und mit der Festlegung, wie die Befähigung zum Richteramt erworben werde, den Zugang zu den Kernbereichen juristischer Berufstätigkeit erfassten (BayVGH, U.v. 19.3.2004 – 7 BV 03.1953 – juris Rn. 34). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Daraus ergibt sich zugleich aber auch, dass die Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes und insbesondere die Regelungen der §§ 5 ff. DRiG selbst gerade nicht Ermächtigungsnormen für die Juristenausbildung darstellen, sondern deren rechtlichem Umfeld zuzuordnen und (lediglich) zu deren Auslegung heranzuziehen sind.
34
Schließlich bleibt auch die Einwendung des Klägers ohne Erfolg, dass auf die Ermächtigungsgrundlagen in Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2, Art. 67 Satz 1 Nrn. 2 und 3 LlbG lediglich in den Änderungsverordnungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen verwiesen wird, nicht aber in ihrer konsolidierten Fassung. In dieser wird auf die ursprünglichen Ermächtigungsgrundlagen in Art. 19 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayBG verwiesen. Denn bei der konsolidierten Fassung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen handelt es sich lediglich um eine Serviceleistung des Verordnungsgebers, die dem Rechtsalltag dient. Der konsolidierten Fassung selbst kommt keine Rechtswirksamkeit zu, sodass sie auch keinen Verstoß gegen ein Zitiergebot begründen könnte. Verbindlich rechtswirksam sind nur die im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichten Fassungen, d.h. die Stammfassung und die Änderungsverordnungen (Novellen). Dies dahingestellt wäre das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG auf die hier gegenständliche landesgesetzliche Ermächtigung ohnehin nicht anwendbar (s.o.). Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Nr. 2.5 Satz 2 der Richtlinien für die Redaktion von Rechtsvorschriften der Bayerischen Staatsregierung einwendet, verbliebe dieser – die vorangehenden Ausführungen weiterhin dahingestellt – schließlich ohne Außenwirkung.
35
Damit greifen die geltend gemachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage der angegriffenen Prüfungsentscheidungen sowie des darauf beruhenden Prüfungsbescheids sowie an deren Ermächtigungsgrundlage allesamt nicht durch.
36
1.2 Die Rügen des Klägers sowohl gegen das Prüfungsverfahren als auch gegen die Bewertung seiner schriftlichen Prüfungsleistung in der Aufgabe 2 bleiben zudem ohne Erfolg.
37
Ein möglicher Anspruch auf Aufhebung eines Prüfungsbescheids und die Verpflichtung der Behörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, setzen voraus, dass die Bewertung fehlerhaft ist und dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat.
38
Prüfungsentscheidungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Dies folgt aus der Eigenart einer Prüfungsentscheidung als einem höchstpersönlichen Fachurteil über die Qualität einer Prüfungsleistung. Soweit es sich um prüfungsspezifische Wertungen handelt, steht den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu. Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich auf die Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres – insbesondere nicht isoliert – nachvollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind.
39
Gegenstände des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. Ebenso handelt es sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist. In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen; hier haben sie nur zu prüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben.
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Der Bewertungsspielraum ist insbesondere überschritten, wenn das vorgeschriebene Prüfungsverfahren nicht eingehalten worden ist, der Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen ist, er allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat, sich von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen oder seine Bewertung willkürlich ist. Ein in diesem Sinne allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zudem müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57/17 – juris; B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25.04 – juris).
41
Uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind hingegen Fachfragen, d.h. Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Für diese ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, d.h. eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat (BVerwG, B.v. 5.3.2018 – 6 B 71/17 – juris; B.v. 17.12.1997 – 6 B 55/97 – juris).
42
Das Gericht hat jedoch die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris Rn. 44). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – juris Rn. 27).
43
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen. Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris).
44
Bei der gerichtlichen Kontrolle des Prüfungsbescheides ist nur auf die Prüfungsarbeiten einzugehen, deren Bewertungen vom Kläger in Frage gestellt werden. Dieser hat es in der Hand zu bestimmen, gegen welche Teile der Prüfung er mit substantiierten Einwendungen vorgeht und welche er gegen sich gelten lassen will.
45
Nach diesen Maßgaben kann der Kläger mit seinen Rügen, die sich sowohl gegen das Prüfungsverfahren als auch gegen die Bewertung der schriftlichen Prüfungsleistung der Aufgabe 2 richten, nicht durchdringen.
46
1.3 Das Prüfungsverfahren des Klägers in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2021/2 ist nicht zu beanstanden.
47
1.3.1 Der Kläger dringt mit seinem Vorbringen, die offene Zweitbewertung seiner schriftlichen Prüfungsleistungen (ausgenommen die Aufgaben 4 und 5) verletze ihn in seinem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG nicht durch. Ebenso wenig ist – entgegen der Auffassung des Klägers – der Einsatz des Stempels mit dem Text „Einverstanden. Dr. R. (…)“ durch den Zweitprüfer der Prüfungsarbeit zur Aufgabe 1 rechtlich zu beanstanden.
48
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist die Bewertung von Prüfungsleistungen durch den Zweitprüfer in Kenntnis der Bewertung des Erstprüfers (sog. offene Zweitbewertung) zulässig. Es gibt keinen Grundsatz der Prüfungsanonymität. Stimmt der Zweitprüfer der Beurteilung des Erstprüfers zu, kann er sich dem ohne eigene Begründung anschließen (BVerwG, B.v. 19.5.2016 – 6 B 1.16 – juris Rn. 11 ff. zur Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung und mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch für das Überdenkungs- bzw. Nachprüfungsverfahren. Der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt, die offene Zweitbewertung ist mit dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und dem Gebot der fairen Gestaltung des Prüfungsverfahrens (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar.
49
Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Prüfer ihre Aufgabe auch dann pflichtgemäß und unvoreingenommen erfüllen, wenn sie Kenntnis von anderen Bewertungen oder Einschätzungen der Prüfungsleistung oder von sonstigen prüfungsrelevanten Umständen haben. Es ist davon auszugehen, dass derartige Vorkenntnisse die unabhängige Beurteilung der Prüfungsleistung nicht beeinträchtigen. Daher können sie für sich genommen in aller Regel keine Voreingenommenheit begründen (BVerwG, B.v. 19.5.2016 – 6 B 1.16 – juris Rn. 13 m.V.a. st. Rspr., vgl. nur BVerwG, U.v. 10.10.2002 – 6 C 7.02 – juris).
50
Diese Erwägungen kann der Kläger mit seinem pauschalen Vorbringen zur offenen Zweitbewertung, das sich in einem allgemeinen Bestreiten dieser Unvoreingenommenheit erschöpft, nicht entkräften. Soweit der Kläger darüber hinaus auf eine notwendige Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls dringt bzw. die Prüfungsarbeiten zu den Aufgaben 4 und 5 aus diesem Vorbringen ausnimmt, ist bereits die Zweckmäßigkeit seines Vorbringens zweifelhaft.
51
Auch dem weiteren Vorbringen des Klägers, in dem dieser aus dem Einsatz des Stempels mit dem Text „Einverstanden. Dr. R. (…)“ durch den Zweitprüfer der Prüfungsarbeit zur Aufgabe 1 schlussfolgert, dass der Zweitprüfer „einen stark ökonomisierten Umgang“ mit der Prüfungsarbeit gepflegt habe, daher erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der Zweitprüfer den vollständigen Inhalt der Prüfungsarbeit des Klägers zur Kenntnis genommen habe, und ein objektiver Dritter hier Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Zweitprüfers hätte, ist die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen zu halten. Stimmt der Zweitprüfer danach der Benotung des Erstprüfers und dessen Begründung zu, kann er sich darauf beschränken, dies zum Ausdruck zu bringen, etwa durch die Formulierung „einverstanden“. Einer eigenen Begründung bedarf es dann nicht; sie wäre eine bloße Wiederholung der Erstbewertung mit anderen Worten (BVerwG, B.v. 19.5.2016 – 6 B 1.16 – juris Rn. 12 m.V.a. st. Rspr.; vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3.92; B.v. 14.9.2012 – 6 B 35.12; B.v. 9.10.2012 – 6 B 39.12; alle juris).
52
Vorliegend hat der Zweitprüfer der Prüfungsarbeit zur Aufgabe 1 seiner Zustimmung zu der Benotung des Erstprüfers und dessen Begründung eben durch diese Formulierung „einverstanden“ Ausdruck verliehen und damit den rechtlichen Anforderungen Genüge getan. Die Benutzung eines Stempels hierfür steht ihm frei, er ist in der Wahl der Form seiner Bewertung nicht gebunden. Die diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Klägers überzeugen schon deshalb nicht, weil mit der Nutzung des Stempels im Vergleich zu einer handschriftlichen Abfassung – wenn überhaupt – nur eine minimale Arbeitserleichterung einhergeht. Die Wahl zur Nutzung eines Stempels kann insoweit auch aus anderen Gründen, beispielsweise der Leserlichkeit, getroffen worden sein. Die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Erwägungen, dass die Prüfer ihre Aufgabe auch dann pflichtgemäß und unvoreingenommen erfüllen, wenn sie Kenntnis von anderen Bewertungen oder Einschätzungen der Prüfungsleistung oder von sonstigen prüfungsrelevanten Umständen haben, sind vor diesem Hintergrund nicht entkräftet.
53
1.3.2 Der Kläger dringt auch mit seinem Vorbringen zur fehlenden Leserlichkeit der Namen sowie zu den teilweise nicht angegebenen Dienstbezeichnungen seiner Prüfer nicht durch.
54
Der Kläger trägt vor, dass er mangels Leserlichkeit bzw. Angabe nicht überprüfen könne, ob einerseits die Prüfer der Aufgaben 8, 9 und 11 die in § 60 Abs. 2 JAPO geforderte Qualifikation besäßen und ob andererseits eine mögliche Befangenheit der Prüfer gemäß Art. 21 BayVwVfG vorliege. Dieses Vorbringen enthält bereits keine tatsächliche Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 60 Abs. 2 JAPO oder Art. 21 BayVwVfG. Es beschränkt sich auf die fehlende Möglichkeit des Klägers zur Kenntniserlangung, ob diese Vorgaben eingehalten wurden, um gegebenenfalls Einwendungen tatsächlich geltend zu machen. Diese Kenntnis ist aber lediglich rechtserheblich in Bezug auf die Unverzüglichkeit der Geltendmachung eines tatsächlichen Mangels des Prüfungsverfahrens nach § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO.
55
Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die Prüfer sämtlicher vom Kläger gefertigter Arbeiten die nach § 60 Abs. 2 JAPO erforderliche Qualifikation besäßen und entsprechend der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen ordnungsgemäß bestellt worden seien. Zudem hat der Beklagte die Namen und Dienstbezeichnungen der Erst- und Zweitprüfer der Prüfungsaufgaben 8, 9 und 11 mitgeteilt. Ein Verstoß gegen § 60 Abs. 2 JAPO ist hier nicht festzustellen. Auch hat der Kläger auf diese Klarstellung hin seine Einwendung der möglichen Befangenheit nach Art. 21 BayVwVfG nicht weiterverfolgt bzw. gegen einen oder mehrere der Prüfer individualisiert und konkretisiert. Ein Verstoß gegen § 60 Abs. 2 JAPO oder gegen Art. 21 BayVwVfG ist somit weder tatsächlich geltend gemacht noch erkennbar. Damit geht letztlich aber auch die (ursprüngliche) Einwendung der fehlenden Möglichkeit der Kenntniserlangung des Klägers ins Leere.
56
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass das erkennende Gericht zudem hinsichtlich sämtlicher vorstehender formeller Rügen – mit Ausnahme der Rügen möglicher Verstöße gegen § 60 Abs. 2 JAPO und Art. 21 BayVwVfG bezüglich der Aufgaben 8 und 9 – von einer Präklusion nach § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO ausgeht. Denn der Kläger hat diese Rügen nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung erhoben, sondern erstmalig im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022.
57
Damit dringt der Kläger mit seinen Rügen gegen das Prüfungsverfahren insgesamt nicht durch.
58
1.4 Die Bewertung der schriftlichen Prüfungsleistung des Klägers in der Aufgabe 2 ist nicht zu beanstanden.
59
Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen wird die Substantiierungspflicht nicht allein dadurch erfüllt, dass in der Klagebegründung global eine erneute Prüfungsentscheidung oder eine vollständige Neubewertung verlangt wird. Die Bewertungen und Begründungen der Prüfungsleistungen sind in der Form ausschlaggebend, wie sie sich nach Abschluss des verwaltungsinternen Nachprüfungsverfahren darstellen. Wenn in der Klage allein die schon im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Bewertungsrügen wiederholt werden, ohne dass die Stellungnahmen der Korrektoren im Nachprüfungsverfahren, die auf alle gerügten Punkte eingegangen sind, berücksichtigt wurden, wäre dies in der Tat nicht geeignet, dem Gericht „wirkungsvolle Hinweise“ zu geben und damit der Substantiierungspflicht zu genügen (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 32/92 – juris).
60
Die Prüfer haben sich im Nachprüfungsverfahren in ihren Stellungnahmen mit den einzelnen Bewertungsrügen des Klägers auseinandergesetzt. Der Kläger hat sich im Weiteren mit diesen Stellungnahmen – mit Ausnahme der Rüge zur örtlichen Gerichtszuständigkeit – nicht befasst. Die bloße Wiederholung der bereits im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Bewertungsrügen im gerichtlichen Verfahren genügt jedoch nicht, um die vorliegenden Stellungnahmen der Prüfer substantiiert in Zweifel zu ziehen.
61
Die Prüfer haben ihre angegriffenen prüfungsspezifischen oder fachlichen Bewertungen hinreichend klargestellt, inhaltlich fundiert und überzeugend erläutert, fachlich ergänzt bzw. nachvollziehbar veranschaulicht. Im Einzelnen:
62
1.4.1 Soweit der Kläger rügt, dass seine Ausführungen zur örtlichen Gerichtszuständigkeit des Beklagten zu 2) fehlerhaft bewertet wurden, greift diese Rüge nicht durch.
63
Ein Bewertungsfehler liegt insoweit nicht vor. Die Prüfer durften feststellen, dass der Kläger den allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten zu 2) aus §§ 12, 13 ZPO „angenommen“ (Begründungsbogen der Erstbewertung) hat, sodass diese und die Korrekturanmerkung „nein, der Bekl. zu 2.) hat seinen Wohnsitz in P.“ nicht zu beanstanden sind.
64
Die Ausführungen des Klägers in seiner schriftlichen Prüfungsleistung lauten hierzu: „Hinsichtlich der Forderungen gegen den Beklagten zu 2) wäre jedenfalls dessen Gerichtsstand nach § 13 ZPO gegeben, die Parteien haben hierzu jedoch infolge rügeloser Verhandlung zur Sache ebenfalls die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts begründet, § 39, 295, 137 ZPO.“
65
Diese Ausführungen sind, anders als der Kläger meint, nicht (ausschließlich) so zu verstehen, dass der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten zu 2) aus §§ 12, 13 ZPO hier P. und damit gerade nicht gewahrt ist. Dabei liegt es im Verantwortungsbereich des Prüflings, seine Ausführungen so klar, eindeutig und verständlich zu formulieren, dass die Prüfer deren beabsichtigten Inhalt zweifelsfrei erfassen können.
66
Die Erstprüferin hat in ihrer Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren nachvollziehbar ergänzend erläutert, dass § 13 ZPO zur Begründung des Gerichtsstands des Beklagten zu 2) zitiert werde, jedoch ohne nähere Ausführung, dass dieser sich in P. befinde.
67
Die im gerichtlichen Verfahren hiergegen weiter erhobenen Einwände verfangen nicht. Die von dem Kläger intendierte Interpretation seiner Ausführungen kann sich einerseits nicht aus den Inhalten des erlassenen Rubrums ergeben (hier die Adresse des Beklagten zu 2)). Das erlassene Rubrum ist bereits nicht Teil der Prüfungsleistung und kann schon deshalb nicht zur Bewertung und Interpretation der Prüfungsleistung herangezogen werden. Unabhängig hiervon ließe sich eine irrige Annahme des allgemeinen Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten zu 2) in R. in den Entscheidungsgründen auch dann nicht zwingend ausschließen, wenn das Rubrum tatsächlich nicht erlassen wäre und der Wohnsitz hier richtig wiedergegeben worden wäre.
68
Den Ausführungen des Klägers in seiner Prüfungsleistung ist andererseits nicht mit hinreichender Deutlichkeit die von dem Kläger intendierte Interpretation zu entnehmen. Die Formulierung des Klägers legt vielmehr das von den Prüfern zugrunde gelegte Verständnis nahe, dass der Kläger hier irrig von dem allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten zu 2) in R. – anstelle von P. – ausgegangen ist. So lässt bereits die Wahl des Verbes „gegeben“ im ersten Halbsatz darauf schließen, dass dieser Gerichtsstand vorliegend gewahrt wurde. Da Klage aber zum Amtsgericht Regensburg erhoben wurde, wurde dieser Gerichtsstand tatsächlich gerade nicht gewahrt. Die weitere Wortwahl im zweiten Halbsatz „ebenfalls die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts begründet“ steht dieser Auslegung auch nicht entgegen. Der Begriff „ebenfalls“ verstärkt, wenn überhaupt, gerade den Schluss, dass in beiden Fällen von dem gleichen Gerichtsstand R. ausgegangen wird. Der Verknüpfung der beiden Halbsätze durch das Wort „jedoch“ kommt aufgrund dessen breiten Bedeutungsspektrums gegenüber den vorstehenden Formulierungen kein maßgeblicher Bedeutungsgehalt mehr zu. Der Einwand des Klägers, dass der zweite Halbsatz zur rügelosen Einlassung bei der vorgenommenen Auslegung überflüssig gewesen wäre, kann für die Prüfer schließlich ersichtlich keine tragende Überlegung bei der Bewertung sein. Denn dieses juristische Verständnis ist gerade Gegenstand der Prüfung und Bewertung.
69
Demgegenüber hat der Kläger bei der Begründung des Gerichtsstands des Beklagten zu 2) mit Verweis auf § 13 ZPO gerade nicht ausgeführt, dass dieser in P. und vorliegend nicht gewahrt ist. Damit versäumt der Kläger es aber, die von ihm intendierten Inhalte klar, eindeutig und verständlich zum Ausdruck zu bringen. Ein Bewertungsfehler ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.
70
1.4.2 Die Rüge des Klägers, die Korrekturanmerkung „der Mieterschutzbund hielt die Kündigung für wirksam“ sei unzutreffend, weil der Aufgabentext vorgebe, dass der Beklagte zu 1) erklärt habe, dass er die Kündigung für wirksam halte, bleibt ohne Erfolg. Insbesondere haben die Prüfer hier nicht den Prüfungssachverhalt verkannt.
71
Die Erstprüferin hat in ihrer Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren überzeugend erläutert, dass aus dem Aufgabentext ersichtlich sei, dass der Beklagte zu 1) die Wirksamkeit der Kündigung in Frage stelle. Aus dem Aufgabentext auf Seite 5 im ersten Satz des zweiten Absatzes ergebe sich, dass der Beklagte zu 1) Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung habe, er sich jedoch bereit erklärt habe eine neue Wohnung zu suchen, da der Mieterschutzbund ihm mitgeteilt habe, dass dieser die Kündigung für wirksam halte.
72
Diesen zutreffenden Feststellungen ist der Kläger nicht weiter entgegengetreten. Aus dem Aufgabentext ergibt sich, dass tatsächlich der Mieterschutzbund nach Prüfung der Kündigung diese für wirksam hielt und das dem Beklagten zu 1) mitgeteilt hat. In seinem Schreiben vom 11. Januar 2021 hat der Beklagte zu 1) daraufhin lediglich erklärt, sich eine neue Wohnung zu suchen. In seiner Prüfungsleistung gibt der Kläger an dieser Stelle den Sachverhalt, nämlich den genauen Inhalt des Schreibens vom 11. Januar 2021, falsch wieder. Die angegriffene Korrekturanmerkung ist somit zutreffend und nicht zu beanstanden.
73
1.4.3 Soweit der Kläger die Korrekturanmerkungen betreffend seiner Ausführungen angreift, dass die Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters ein fremdes Geschäft im Sinne der Bestimmungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag darstelle, und darauf verweist, dass diese von ihm in der Bearbeitung vertretene Ansicht auch in der Literatur (Schwab in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 677 Rn. 6; Herschel, JuS 1968, 562 f.) vertreten werde, bleibt auch dieses Vorbringen erfolglos.
74
Anders als der Kläger vorträgt, wurden seine diesbezüglichen Ausführungen in der Prüfungsleistung ausweislich der zusammenfassenden Bewertung der Erstprüferin nicht als unrichtig, sondern als „nicht überzeugend“ bewertet. Demnach werde nicht überzeugend der Zahlungsanspruch über 500,00 EUR auf § 535 Abs. 2 BGB und hinsichtlich der Untermiete auf Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt und auf den Mehrerlös in Höhe von 20,00 EUR begrenzt. Dies bestätigt die Erstprüferin auch nochmals in ihrer Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren. Zudem weist sie darin daraufhin, dass in der Literatur vereinzelt angenommen werde, dass der Mieter insoweit ein Geschäft des Vermieters führe. Der Kläger habe sich aber nicht mit der entgegenstehenden herrschenden Meinung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und in der Literatur auseinandergesetzt, sondern das fremde Geschäft ohne weitergehende Erörterung angenommen.
75
Der Kläger hat sich in seiner Klageschrift mit diesen, auf seine Rüge hin hinreichenden Klarstellungen nicht weiter auseinandergesetzt, sodass er auch insoweit keinen Bewertungsfehler substantiiert aufzeigen konnte.
76
1.4.4 Die Rüge des Klägers, die Prüfer hätten übersehen, dass der Kläger in seiner Prüfungsleistung auf den Seiten 11 ff. die Zulässigkeit der Untervermietung festgestellt habe, geht ins Leere.
77
Zu der Ausführung des Klägers in der schriftlichen Prüfungsleistung, dass den Beklagten zu 1) keine Pflicht zur Zahlung aus §§ 535 Abs. 1 und 2, 280 Abs. 1 BGB treffe, weil er keine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt habe, hat die Erstprüferin angemerkt: „unzulässige Untervermietung stellt Pflichtverl. dar“. In der zusammenfassenden Bewertung führt sie aus, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) nicht vertretbar verneint werde.
78
Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass er auf S. 11 ff. der Prüfungsleistung zuvor die Zulässigkeit der Untervermietung festgestellt habe, greift dieser Einwand nicht durch. Denn dort kommt der Kläger zu den Ergebnissen, dass der Vermieter der Untervermietung zwar nicht zugestimmt, der Beklagte zu 1) aber einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung habe (§ 553 BGB). Zu diesen Ausführungen hat die Erstprüferin sodann vermerkt: „unerhebl., Anspr. allein führt nicht zur Zulässigk. der Untervermietung“.
79
In ihrer Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren weist die Erstprüferin insoweit konsequent und zurecht daraufhin, dass die ungenehmigte Untervermietung unabhängig vom Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB sei. Die Ausführungen des Klägers zu einem Anspruch genügten daher nicht, um eine Pflichtverletzung zu verneinen.
80
Diesen substantiierten Erläuterungen hat der Kläger nichts weiter entgegengehalten. Die Rüge des Klägers geht daher ins Leere und kann einen Bewertungsfehler nicht aufzeigen.
81
1.4.5 Der Kläger dringt mit seinem Vorbringen, die Annahme einer bedingt gestellten Drittwiderklage sei zumindest als vertretbar anzusehen, nicht durch.
82
Die Erstprüferin führt im Nachprüfungsverfahren nachvollziehbar aus, dass sich aus dem Aufgabentext auf Seite 5 unten nicht ergebe, dass die Erhebung der Drittwiderklage hilfsweise erfolgt sei. Weiter sei aus dem Aufgabentext auf Seite 6 im zweiten Absatz ersichtlich, aus welchen Gründen die Drittwiderklage erhoben werde, jedoch nicht, dass sie bedingt sei. Die Bezugnahme auf § 300 StPO sei unbehelflich, da es hier nicht um die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern um die Bedingtheit desselben gehe.
83
Mit dieser Klarstellung sowie mit den ergänzenden fachlichen Erläuterungen setzt sich der Kläger nicht weiter auseinander. Damit räumt die Erstprüferin aber den Vorwurf des Klägers, die Annahme einer bedingt gestellten Drittwiderklage sei zumindest als vertretbar anzusehen, nachvollziehbar und in gerichtlich nicht zu beanstandender Weise aus. Vor diesem Hintergrund liegt somit weder ein Verkennen des Prüfungssachverhaltes noch ein sonstiger Bewertungsfehler vor. Im Übrigen weist die Beklagte zurecht ergänzend darauf hin, dass die bedingte Erhebung der Drittwiderklage mangels innerprozessualer Bedingung allgemein als unzulässig angesehen werde.
84
1.4.6 Schließlich ist auch die Korrekturanmerkung, dass der Zuständigkeit des Gerichts aus § 33 ZPO für die Drittwiderklage § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO entgegenstehe, nicht zu beanstanden.
85
Diesbezüglich weist die Erstprüferin in ihrer Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren darauf hin, dass sich die entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO auf die Widerklage gemäß § 33 Abs. 2 ZPO eindeutig aus dem Begründungsbogen ergibt, in dem beide Vorschriften zitiert sind. § 33 Abs. 2 ZPO schließt den Rückgriff auf § 33 Abs. 1 ZPO aus, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 ZPO unzulässig ist. Nachdem die ausschließliche örtliche Zuständigkeit gemäß § 29a Abs. 1 ZPO begründet ist, ist der Rückgriff auf § 33 Abs. 1 ZPO somit ausgeschlossen.
86
Gegen diese nachvollziehbare Veranschaulichung hat der Kläger keine weiteren Einwendungen mehr vorgebracht.
87
Damit bleiben alle Rügen des Klägers sowohl gegen das Prüfungsverfahren als auch gegen die Bewertung seiner schriftlichen Prüfungsleistung in der Aufgabe 2 ohne Erfolg. Andere Verfahrens- oder Bewertungsfehler sind ebenfalls nicht offensichtlich, so dass der Hauptantrag insgesamt abgewiesen wird.
88
2. Der Kläger dringt auch mit seinem Hilfsantrag nicht durch, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2022 zu verpflichten, nach Schaffung einer ordnungsgemäßen Rechtsgrundlage, die schriftlichen Prüfungsleistungen der Aufgaben 1 bis 11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen und hierüber erneut zu entscheiden.
89
Das Gericht hat weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage der angegriffenen Prüfungsentscheidungen und des darauf beruhenden Prüfungsbescheids noch an deren Ermächtigungsgrundlage (s. hierzu bereits oben unter 1.1). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J), zuletzt geändert durch die §§ 1 und 2 der Verordnung vom 5. August 2021 (GVBl. S. 537), rechtmäßig ergangen und beruht auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage.
90
Auch bleiben die Rügen des Klägers sowohl gegen das Prüfungsverfahren als auch gegen die Bewertung seiner schriftlichen Prüfungsleistung in der Aufgabe 2 ohne Erfolg (s. hierzu bereits oben unter 1.2 bis 1.4).
91
3. Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
92
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.