Inhalt

OLG München, Beschluss v. 21.11.2023 – 17 U 2817/23e , 17 W 1372/23e
Titel:

Kostenerstattungsanspruch nach Parteiverschmelzung

Normenketten:
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Nach einer Verschmelzung zweier Parteien gibt es keine zwei Prozessrechtsverhältnisse gegen die zwei miteinander verschmolzenen Gesellschaften mehr, die getrennt fortgeführt werden könnten, sondern nur noch ein einziges. Infolgedessen kommt auch nur noch ein einzelner Kostenerstattungsanspruch in Betracht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Enthält ein Klageantrag verschiedene, einander ausschließende Klagebegehren, die nur alternativ geltend gemacht werden können, sind die verschiedenen prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) in ein Eventualverhältnis zu stellen, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fusion, Parteienfusion, Rubrumsberichtigung, Bestimmtheit, Klageantragsbestimmtheit, Parteiverschmelzung, Kostenerstattungsanspruch, Verschmelzung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 12.06.2023 – 27 O 2013/07
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.01.2025 – XI ZB 26/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 33169

Tenor

1. Die Rubren im vorliegenden Berufungs- und Beschwerderechtsstreit sowie im erstinstanzlichen Schlussurteil vom 12.06.2023, Aktenzeichen: 27 O 2013/07, werden dahingehend berichtigt, dass die bisherige „Beklagte zu 3)“ [C. AG als Rechtsnachfolgerin der D. AG], aus dem Rubrum gestrichen und die Beklagte zu 2) fortan von 2 Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwälte E., Rechtsanwälte A.) vertreten wird.
2. Die Berufung der scheinbaren Beklagten zu 3) [C. AG als Rechtsnachfolgerin der D. AG] gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.06.2023, Az. 27 O 2013/07, wird gemäß § 522 Abs. 1 ZPO insoweit als unzulässig zu verworfen, als die bisherige Beklagte zu 3) beantragt, die Klage gegen sie abzuweisen.
3. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) [als Rechtsnachfolgerin der bisherigen Beklagten zu 3) D.] wird Ziffer 1 des Tenors des „Schlussurteils“ des LG München I vom 12.06.2023, Az. 27 O 2013/07, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Gerichtskosten trägt die Klagepartei zu 51%, die Beklagte zu 2) zu 29% und die Beklagte zu 4) zu 20%. Die Klagepartei trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) zu 30% und die der Beklagten zu 2) zu 20%. Die Beklagte zu 2) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klagepartei zu 29%. Die Beklagte zu 4) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klagepartei zu 20%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Die Kosten des Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahrens tragen die Klagepartei zu 3% und die Beklagte zu 2) zu 97%.
5. …
6. …
7. Der Streitwert für die vorliegenden Berufungs- und Beschwerdeverfahren wird insgesamt auf € 65.000,00 festgesetzt.
8. Die Rechtsbeschwerde durch den Kläger, Berufungsbeklagten und Beschwerdegegner wird für die Ziffern 3 und 4 dieses Beschlusstenors zugelassen.

Gründe

1
Die Parteien streiten u.a. um die Kostenentscheidung im Schlussurteil des LG München I vom 12.06.2023 (vgl. Bl. 1488/1493R der erstinstanzlichen Akte; künftig: Erstakte) im Rahmen eines Kapitalanlegerfalls.
A.
2
Mit am 03.04.2006 beim LG Düsseldorf eingegangener Klage begehrte der Kläger mit wechselnden Zuordnungen der beklagten Parteien (Herrn S., C. AG, D. AG, B. AG) die Inanspruchnahme auf (gesamtschuldnerischen) Schadensersatz in Höhe von insgesamt € 171.500,00 (gegenüber D. AG lediglich € 52.500,00, gegenüber der (damaligen) B. AG [jetzt U. AG] lediglich € 119.000,00) nebst Zinsen, auf Freistellung von weiteren Verpflichtungen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für mögliche Zukunftsschäden betreffend Beteiligungen des Klägers am V. 3 GmbH & Co. KG (künftig: V. 3; hiervon war die B. AG nicht betroffen) sowie am V. 4 GmbH & Co. KG (künftig: V. 4; hiervon war die D. AG nicht betroffen).
3
Laut Klage sei der Kläger vor Vereinbarung der jeweiligen Kommanditbeteiligungen durch die Beklagte zu 2) jeweils falsch beraten worden (sie habe die Beteiligungen jeweils als sehr sicher vorgestellt), wobei im Fall V. 3 die (damalige) Beklagte zu 3) (D.) die garantiegebende Bank war, die auch an der Erstellung des (in den Augen des Klägers fehlerhaften) Prospekts maßgeblich mitgewirkt habe, weshalb diese ebenfalls auf Schadensersatz hafte.
4
Diesbezüglich wird auf die Klage vom 26.03.2006 (Bl. 1/40 Erstakte) verwiesen.
5
Mit Verfügung vom 12.04.2006 legte das LG Düsseldorf den Streitwert vorläufig auf € 315.000,00 fest. Wie dieser Wert errechnet wurde, erschließt sich aus der Akte nicht.
6
Die Klage wurde im Zeitraum vom 19.05. bis 29.05.2006 an die vier Beklagten zugestellt.
7
In der Folgezeit reichten sämtliche Beklagte Klageerwiderungen ein.
8
Mit Beschluss vom 29.01.2007 erklärte sich das LG Düsseldorf für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG München I (Bl. 327/328 Erstakte).
9
Mit Schriftsätzen vom 17.07.2007 beantragte der Kläger die Durchführung eines Musterverfahrens nach § 1 KapMuG betreffend den V. 3 (vgl. Bl. 400/477 Erstakte) sowie betreffend den V. 4 (vgl. Bl. 478/560 Erstakte), was mit Beschluss des LG München I vom 04.12.2007 (Bl. 774 Erstakte) teilweise (Verantwortlichkeit Anlageberater: das betraf die Beklagte zu 2) abgelehnt wurde.
10
Hinsichtlich des V. 3 wurde der Rechtsstreit mit Beschluss des LG München I vom 18.12.2008 (Bl. 812 Erstakte) im Hinblick auf das Verfahren KAP 2/07 des OLG München ausgesetzt (und zwar gegenüber allen Beklagten). Sofortige Beschwerden hiergegen wurden mit Beschluss des OLG München vom 28.01.2009 (19 W 752/09) als unzulässig verworfen (Bl. 832/835 Erstakte). Mit Beschluss vom 27.05.2010 wurde der Beschluss betreffend die Beklagten zu 2) und zu 3) wieder aufgehoben (Bl. 1081 Erstakte).
11
Mit Beschluss vom 14.04.2010 wurde auch hinsichtlich des V. 4 der Rechtsstreit im Hinblick auf das Verfahren KAP 1/07 des OLG München bezüglich der Beklagten zu 1) und zu 4) ausgesetzt (Bl. 846 Erstakte).
12
Zuvor war am 11.05.2009 die Beklagte zu 3) im Handelsregister des AG Frankfurt a. M. (HRB …) wegen Verschmelzung auf die Beklagte zu 2) nach § 19 Abs. 2 UmwG gelöscht worden (Anmerkung: Zur besseren Unterscheidbarkeit wird im Folgenden die D. AG weiterhin unter der Bezeichnung „Beklagte zu 3)“ geführt).
13
Mit Verfügung des LG München I vom 14.04.2010 (Bl. 848 Erstakte) wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10.05.2010 anberaumt und auch durchgeführt (vgl. Bl. 1069/1071 Erstakte).
14
Mit Schriftsatz des Klägers vom 26.04.2010 (Bl. 938/943 Erstakte) wurde die Klage im Hinblick auf weitere Feststellungen zur Schadensersatzpflicht der Beklagten in wechselnder Besetzung bezüglich beider …fonds erweitert und konkretisiert, ohne die Verschmelzung der Beklagten zu 2) und der früheren Beklagten zu 3) zu berücksichtigen.
15
Nach mehreren Terminsverlegungen wurde die mündliche Verhandlung gegenüber den Beklagten zu 2) und zu 3) am 30.08.2010 fortgesetzt (Bl. 1142/1144 Erstakte). Mit Beschluss ohne Datum (21.10.2010?) wurde der Rechtsstreit hinsichtlich der „Beklagten zu 3)“ im Hinblick auf das Verfahren KAP 2/07 (betreffend V. 3) vor dem OLG München ausgesetzt (Bl. 1170/1171 Erstakte). Mit Teilurteil vom 14.10.2010 wurde die Beklagte zu 2) antragsgemäß verurteilt (Bl. 1152/1169 Erstakte).
16
Die Berufung der Beklagten zu 2) hiergegen wurde mit Urteil vom 20.06.2011 (abgesehen von der Aufhebung der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 2) bezüglich der Fondsanteile) zurückgewiesen (Bl. 1354/1396 Erstakte). Nach übereinstimmender Erledigterklärung in der Revisionsinstanz legte der BGH mit Beschluss vom 22.05.2012 (XI ZR 354/11) unter Verweis auf seinen Beschluss vom 20.12.2011 im Verfahren XI ZR 295/11 die Kosten des Berufungsrechtsstreits sowie des (Nichtzulassungs-)Beschwerdeverfahrens gemäß § 91a Abs. 1 ZPO der Beklagten zu 2) auf, weil der Kläger ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich obsiegt hätte.
17
Mit Schriftsatz vom 14.01.2013 erklärte der Kläger im Hinblick auf die Zahlung durch die Beklagte zu 2) den Rechtsstreit „hinsichtlich des Beklagten zu 1), der Beklagten zu 3) und 4)“ für erledigt (Bl. 1418 Erstakte).
18
Dem stimmte mit Schriftsatz vom 06.02.2013 (Bl. 1419/1420 Erstakte) die Beklagte zu 4) zu, während der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom „29.11.2012“ (sic!; Bl. 1422 Erstakte) und die „Beklagte zu 3)“ mit Schriftsatz vom 16.11.2022 (kein Schreibfehler!; Bl. 1455/1456 Erstakte) dem widersprachen.
19
Nach Streitwertfestsetzung mit Beschluss des LG München I vom 23.04.2014 (Bl. 1426/1427 Erstakte) wurde der Rechtsstreit nach § 7 Abs. 3 AktO a. F. als erledigt betrachtet und die Akte vorerst weggelegt (Bl. 1429 Erstakte).
20
Mit Schriftsatz vom 22.06.2022 beantragte der Kläger, den Rechtsstreit nach § 22 Abs. 4 KapMuG wieder aufzunehmen (Bl. 1432 Erstakte), dem das LG München I mit Beschluss vom 15.09.2022 nachkam (Bl. 1438/1438R Erstakte).
21
Mit Schriftsätzen vom 14.10.2022 (Bl. 1442/1443 Erstakte) und vom 01.11.2022 (Bl. 1448/1451 Erstakte) vereinbarten der Kläger und die Beklagte zu 4) eine Kostenverteilung zwischen ihnen von 70 : 30 zugunsten des Klägers.
22
Mit Schriftsatz vom 16.11.2022 nahm der Kläger die Klage gegen den Beklagten zu 1) zurück (Bl. 1459 Erstakte), dem der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 21.11.2022, ohne Kostenantrag zu stellen, zustimmte (Bl. 1461 Erstakte).
23
Mit Schlussurteil vom 12.06.2023 verteilte das LG München I laut Tenor lediglich die Kosten des Rechtsstreits und traf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Auf das Urteil wird verwiesen (Bl. 1488/1493R Erstakte). Dieses wurde der Beklagten zu 2) am 13.06.2023 zugestellt.
24
Dagegen richtet sich die am 27.06.2023 beim OLG München eingegangene Berufung „der Beklagten zu 3)“, die Klageabweisung sowie (hilfsweise mit sofortiger Beschwerde) Befreiung von der Kostentragung einschließlich Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten erreichen will.
B.
25
Entsprechend Ziffer 1 des Tenors dieses Beschlusses ist das Rubrum zu berichtigen und die Berufung der (von den Beklagten zu 2) und zu 3) nur noch verbliebenen) Beklagten zu 2) (mit der sie eine Klageabweisung gegenüber der früheren Beklagten zu 3) erreichen will) als unzulässig zu verwerfen.
26
I. Das Rubrum der Beklagten zu 3) ist fehlerhaft:
27
1. Diese ist als Rechtspersönlichkeit durch Verschmelzung mit der Beklagten zu 2) erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG). Sie kann damit nicht als eigene Rechtspersönlichkeit weitergeführt werden, sondern ist die Beklagte zu 2) als deren Rechtsnachfolgerin. Ab Verschmelzung gab es im vorliegenden Rechtsstreit nur noch 3 Beklagte (nämlich die [ursprünglichen] Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4). Ob im Hinblick auf die Aussetzung durch Beschluss im Oktober 2010 (Bl. 1170/1171 Erstakte) gegenüber „der Beklagten zu 3)“ (in Wahrheit wurde der Rechtsstreit gegenüber der Beklagten zu 2) ausgesetzt!) das Teilurteil des LG München I vom 14.10.2010, das Endurteil des OLG München vom 20.06.2011 (17 U 923/11) und der Beschluss des BGH vom 22.05.2012 (XI ZR 354/11) hätten ergehen dürfen, bedarf hier schon deshalb keiner Überprüfung, weil diese Entscheidungen definitiv rechtskräftig und damit keinesfalls mehr abänderbar sind.
28
2. Der Senat teilt die Auffassung der Berufungsklägerin, die Beklagte zu 3) müsse wegen der Unbegründetheit der Klage gegen die ursprüngliche D. als quasi eigene Rechtspersönlichkeit behandelt werden, nicht. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist eindeutig: Das Vermögen der D. ist einschließlich ihrer Verbindlichkeiten (also auch einschließlich ihrer Aktiva) auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Die Ansicht der Berufungsklägerin, die Beklagte zu 3) habe einen (eigenen?) Kostenerstattungsanspruch, teilt der Senat schon deshalb nicht, weil das Umwandlungsgesetz die Existenz mehrerer Vermögensmassen des übernehmenden Rechtsträgers gerade nicht vorsieht. Dann ist aber auch die Rechtskonstruktion der Berufungsklägerin nicht haltbar. So etwas mag es im Insolvenzverfahren nach Anzeige der Unzulänglichkeit der Masse durch den Insolvenzverwalter geben, jedoch nicht bei der Verschmelzung einer juristischen Person auf eine andere nach den Grundsätzen des UmwG. Denn nach einer Verschmelzung gibt es keine zwei Prozessrechtsverhältnisse gegen die zwei miteinander verschmolzenen Gesellschaften mehr, die getrennt fortgeführt werden könnten, sondern nur noch ein einziges (hier:) gegen die verbliebene Partei.
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3. Damit kam bereits 2009 die bisherige Beklagte zu 3) in Wegfall und hätte bereits damals aus dem Rubrum gestrichen werden müssen. Die entsprechende Fehlerhaftigkeit ist offensichtlich, eine Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO zulässig.
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4. Da das Schlussurteil des LG München I vom 12.06.2023 in der Berufungsinstanz anhängig ist, kann der Senat die Berichtigung auch für dieses Urteil vornehmen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 09.02.1989, V ZB 25/88, NJW 1989, 1281, 1281, vorletzter Absatz; Urteil vom 03.04.1996, VIII ZR 54/95, NJW 1996, 2100, 2101, Ziffer II 1).
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II. Die Berufung ist unzulässig, soweit die Beklagte zu 2) (bisherige Beklagte zu 3) Klageabweisung erreichen will: Da die D. AG erloschen ist und von der Beklagten zu 2) komplett übernommen wurde, ist auf die Beklagte zu 2) abzustellen. Die Rechtshängigkeit der Hauptsache ihr gegenüber ist durch übereinstimmende Erledigterklärung vor dem BGH im Verfahren XI ZR 354/11 beendet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08.02.1989, IVa ZR 98/87, NJW 1989, 2885, 2886, Ziffer IV). Mangels rechtshängiger Hauptsache fehlt es daher der Beklagten zu 2) für ihre jetzige Berufung, soweit sie eindeutig Klageabweisung beantragt, an der notwendigen Beschwer. Insofern kommt auch eine Behandlung allein als sofortige Beschwerde nach dem Meistbegünstigungsprinzip nicht in Betracht.
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Deshalb kann auch der Beklagten zu 2) (als Rechtsnachfolgerin der D.) nicht darin gefolgt werden, dass sie mit ihrem Rechtsmittel „in der Sache im Wesentlichen obsiegen“ würde. Zuvörderst wollte die Beklagte zu 2) inhaltlich eindeutig insoweit die Abweisung einer Klage (in Höhe von € 52.500,00) erreichen, die gar nicht mehr rechtshängig war. Mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung hat dies insoweit nichts zu tun.
33
Und dass die Beklagte zu 2) Berufung in der Hauptsache eingelegt hat, lag weniger an etwaiger fehlerhafter Behandlung durch Gerichte sondern an der rechtspolitisch verunglückten Regelung des § 99 Abs. 1 ZPO.
C
34
Das weitergehende Rechtsmittel (allein hinsichtlich der Kostenverteilung) der (nur noch verbliebenen) Beklagten zu 2) ist insgesamt als sofortige Beschwerde auszulegen und hat in der Sache letztlich Erfolg, wobei aber die Unzulässigkeit der Berufung (aus höherem anteiligem Streitwert) in der Kostenentscheidung für die Berufungs- bzw. Beschwerdeinstanz zu berücksichtigen ist.
35
I. Das Erstgericht hat durch Schlussurteil entschieden, stattdessen hätte es richtigerweise durch Beschluss entscheiden müssen (woraus sich die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde der Beklagten zu 2) gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ergibt):
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1. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wurde mit Schriftsatz vom 16.11.2022 zurückgenommen (Bl. 1459 Erstakte), wobei zu berücksichtigen ist, dass der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 15.11.2022 zuvor erklärt hatte, auf einen Kostenantrag bei Klagerücknahme zu verzichten (vgl. Bl. 1454 Erstakte).
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2. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) (und damit auch gegen die frühere Beklagte zu 3) wurde im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BGH mit Schriftsätzen vom 24.04.2012 (Bl. 66 der Akte des BGH; künftig: Revisionsakte) und vom 26.04.2012 (Bl. 68 der Revisionsakte) übereinstimmend für erledigt erklärt. Dass sich die Erledigterklärung vor dem BGH nur auf die frühere Beklagte zu 2) und nicht auch auf die frühere Beklagte zu 3) bezogen hätte, ergibt sich auf Klägerseite schon deshalb nicht, weil die Beklagte zu 2) ja vorbehaltslos bezahlt hatte (und damit auch ein etwaiger Anspruch gegen die frühere Beklagte zu 3) erloschen war). Aber auch auf der Seite der Beklagten zu 2) ist nicht ersichtlich, wieso sie sich hinsichtlich der früheren Beklagten zu 3) (und damit insgesamt) der Erledigterklärung nicht hätte anschließen wollen, zumal ihre Prozesserklärung eindeutig war, aber nicht „gespalten“ abgegeben werden kann. Dies hat auch der Bundesgerichtshof so gesehen, der in seinem Verfahren XI ZR 354/11 von einer übereinstimmenden Erledigterklärung ausgegangen ist.
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3. Die Klage gegen die Beklagte zu 4) wurde mit Schriftsätzen vom 14.01.2013 (Bl. 1418 Erstakte) und vom 06.02.2013 (Bl. 1419/1420 Erstakte) übereinstimmend für erledigt erklärt.
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II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 91a Abs. 2 Satz 1, § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO) und zulässig:
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1. Die (hilfsweise) sofortige Beschwerde wurde fristgerecht innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung am 13.06.2023 des Schlussurteils des LG München I vom 12.06.2023 am 27.06.2023 eingelegt.
41
2. Die Beschwer der (scheinbaren) Beklagten zu 3) in erster Instanz bei einem Teilstreitwert von € 52.500,00 beträgt schon mindestens € 3.279,90 und damit mehr als € 600,00 (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 91a Abs. 2 Satz 2, § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO): 2,5 RA-Gebühren aus Streitwert € 52.500,00: € 2.807,50 Pauschale: € 20,00
Umsatzsteuer: € 452,40
Summe: € 3.279,90
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Die außergerichtlichen Kosten trägt die „Beklagte zu 3)“ in erster Instanz nach dem Schlussurteil vom 12.06.2023 vollständig selbst.
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Dabei wurden Gerichtskostenanteile und außergerichtliche Kosten des Klägers für die Beschwer der Beklagten zu 2) noch gar nicht berücksichtigt.
44
III. Die sofortige Beschwerde ist in ihrem Ziel auch begründet, die Kostenentscheidung ist zugunsten der Beklagten zu 2) für die erste Instanz abzuändern entsprechend Ziffer 3 des obigen Beschlusstenors:
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1. Durch die Verschmelzung der ursprünglichen Beklagten zu 2) und zu 3) (verbunden mit dem Erlöschen der Beklagten zu 3) wurde die Klage diesen gegenüber mangels Bestimmtheit unzulässig:
46
a) Schon abgesehen von der Tatsache verschiedener Beklagter (C. AG, D. AG) wurden beide ursprünglichen Beklagten betreffend die Fondsanteile V. 3 in Höhe von € 50.000,00 (p. Ag.) in der Hauptsache zwar als Gesamtschuldner verklagt, aber mit unterschiedlichen Streitgegenständen. Der C. AG wurde Falschberatung (wenn auch gestützt auf einen fehlerhaften Prospekt), der D. unterlassene Aufklärung im Rahmen der Schuldübernahmeerklärung sowie Mitverantwortung für den (nach Ansicht des Klägers) fehlerhaften Prospekt vorgeworfen. Bei der C. AG stand damit die Verletzung des Beratungsvertrags, bei der D. AG die Aufklärungspflichtverletzung im Rahmen der Schuldübernahme im Mittelpunkt und damit zwei unterschiedliche Sachverhalte und damit schon aus diesem Grund unterschiedliche Streitgegenstände (bei gesamtschuldnerischer Haftung).
47
b) Aufgrund der Verschmelzung von C. AG und D. AG wurde die C. AG (neu) ab 11.05.2009 im hiesigen Rechtsstreit wegen Beratungspflichtverletzung (aufgrund Beratungsvertrags) und wegen Aufklärungspflichtverletzung (aufgrund Schuldübernahmevertrags), also aufgrund zweier Streitgegenstände in der Hauptsache auf die Zahlung eines Betrages, nämlich € 52.500,00, verklagt.
48
c) Da der Klageantrag verschiedene, einander ausschließende Klagebegehren enthielt, die nur alternativ geltend gemacht werden können, sind die verschiedenen prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) in ein Eventualverhältnis zu stellen, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2022, V ZR 213/21, NJW 2023, 217, 225, Randziffer 60; s.a. Urteil vom 28.09.1989, IX ZR 180/88, NJW-RR 1990, 122, 122, Ziffer I; Urteil vom 31.05.2022, VI ZR 804/20, NJW-RR 2022, 1071, 1072, Randziffer 12).
49
d) Vor übereinstimmender Erledigterklärung in der Nichtzulassungsbeschwerde zwischen Kläger und Beklagter zu 2) (neu!) wurde, soweit ersichtlich, ein solches Eventualverhältnis durch den Kläger nicht erklärt. Das dürfte nach übereinstimmender Erledigterklärung mangels Rechtshängigkeit auch nicht mehr nachholbar sein.
50
e) Damit wäre die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) tatsächlich voraussichtlich abgewiesen worden, weil jetzt nicht mehr geklärt werden kann, was der Kläger nach entsprechendem Hinweis durch das Gericht unternommen hätte.
51
2. Die Einwände des Klägers hiergegen haben keinen Erfolg:
52
a) Unrichtig ist bereits die Behauptung, die Klage sei rechtskräftig gegen die Beklagte zu 2) zugesprochen worden. Diesen Streitgegenstand haben die Parteien im Revisionsverfahren vor dem BGH übereinstimmend für erledigt erklärt, wodurch die Rechtshängigkeit wegfiel (vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2015, I ZR 176/12, Randziffer 4 – nach juris). Der BGH hat sodann nur entschieden (im Rahmen des § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO), dass die Beklagte zu 2) voraussichtlich unterlegen wäre. Dadurch ist der Senat jedoch nicht an seiner entgegenstehenden Rechtsansicht in Bezug auf die frühere Beklagte zu 3) gebunden.
53
b) Die Ausführungen des Klägers zu Rechtsansichten des 17. Zivilsenats des OLG München (in damals komplett anderer Besetzung), der anderen Bankensenate des OLG München, der Bankenkammern des LG München I und des BGH (des 11. Zivilsenats in früherer Besetzung) dürfte richtig sein. Dass der jetzige entscheidende Senat hiervon abweicht, ist auch der Grund, warum er zugunsten des Klägers die Rechtsbeschwerde zulässt (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative ZPO).
54
c) Die Ausführungen des Klägers, bei der Klage gegen die C. AG (als Beklagte zu 2) und gegen die D. AG (als frühere Beklagte zu 3) habe es sich um denselben Streitgegenstand gehandelt, teilt der Senat nicht: Insbesondere sind die auf Beklagtenseite handelnden Personen zur Zeit des Handelns nicht identisch gewesen. Ferner ging es bei der Beklagten zu 2) um Pflichtverletzung auf Grund fehlerhafter Beratung im Rahmen eines Beratungsvertrages als Prospekthaftung im weiteren Sinne und bei der früheren Beklagten zu 3) (für den Kläger bestenfalls) um Prospekthaftung im engeren Sinne. Nach Ansicht des Senats sind dies auch bei Identität der verklagten Person unterschiedliche Streitgegenstände. Daran ändert auch das Urteil des BGH vom 21.11.2017 (II ZR 180/15, WM 2018, 367). Denn im dortigen Leitsatz hat der 2. Zivilsenat des BGH Prospekthaftung im engeren Sinn gerade nicht in den dort im Regelfall vorliegenden identischen Streitgegenstand aufgenommen.
55
d) Auf die Fragen wann, in welchen Fällen und in welchem Umfang im Hinblick auf ein Kapitalanlegermusterverfahren auszusetzen ist, kommt es hier nicht an, weil der Rechtsstreit gegenüber der C. im Endeffekt im Hinblick auf deren mögliche Beraterhaftung gerade nicht ausgesetzt (und rechtskräftig beendet) wurde.
56
e) Wie sich der Kläger (nicht der Klägervertreter!) nach einem Hinweis im Jahr 2009 hinsichtlich des weiteren Vorgehens entschieden hätte, kann heute nach Ansicht des Senats nicht mehr geklärt werden.
57
f) Nach Beendigung der Rechtshängigkeit kann eine Wahl der Reihenfolge im Rahmen eines Alternativverhältnisses jedenfalls nicht mehr erklärt werden.
58
3. Die Kosten erster Instanz sind daher unter Berücksichtigung des (vorangegangenen) prozessualen Verhaltens der Parteien wie folgt zu verteilen:
59
a) Der Kläger begehrte von den (ursprünglichen) Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) die Zahlung von zunächst € 52.500,00, die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht für zukünftige Schäden und von den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4), die Zahlung von weiteren € 119.000,00, die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht für zukünftige Schäden sowie die Befreiung von der Darlehensverbindlichkeit in Höhe von € 91.000,00 (von den Beklagten zu 1) und zu 2) durch Freistellung, von der Beklagten zu 4) durch Feststellung fehlender Tilgungspflicht).
60
b) Nach der Baumbach`schen Formel entfallen damit auf den Kläger ein fiktiver Streitwert von € 52.500,00 x 2 (die „Beklagte zu 3“ ist ja weggefallen!) + € 12.500,00 x 2 (SE-Feststellung) + € 119.000,00 x 3 + € 91.000,00 x 3 (Darlehen) + € 50.000,00 x 3 (SE-Feststellung) = € 910.000,00, auf den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) jeweils € 52.500,00 + € 12.500,00 + € 119.000,00 + € 91.000,00 + € 50.000 = € 325.000,00 und auf die Beklagte zu 4) € 119.000,00 + € 91.000,00 + € 50.000,00 = € 260.000,00 (…).
61
c) Hinsichtlich der Gerichtskosten tragen der Kläger fiktiv € 325.000,00 (des Beklagten zu 1) (€ 52.500,00 + € 12.500,00 [SE-Feststellung] + € 119.000,00 + € 91.000,00 [Darlehensfreistellung] + € 50.000,00 [SE-Feststellung], …) und € 52.500,00 + € 12.500,00 (der Beklagten zu 2) wegen Unzulässigkeit der Klage ihr gegenüber (s. oben Ziffer C III 1) sowie (aus der Vereinbarung des Klägers mit der Beklagten zu 4) 30% aus € 260.000,00, insgesamt also 468.000 / 910.000, also 51%, die Beklagte zu 2) 260.000,00 (119.000,00 + 91.000,00 + 50.000,00) / 910.000, also 29%, und die Beklagte zu 4) 182.000,00 (70% aus 260.000) / 910.000 = 20% (Kontrollrechnung: 51 + 29 + 20 = 100).
62
d) Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 2) zu (119.000 + 91.000,00 + 50.000,00) / 910.000 = 29%.
63
e) Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger zu (52.500 + 12.500,00) / 325.000 = 20%. Dabei bleibt es dem Kostenfestsetzungsverfahren überlassen, ob, und wenn ja, inwieweit die Vertretung der Beklagten zu 2) (und der Beklagten zu 3) vor deren Verschmelzung) durch 2 Prozessbevollmächtigte erforderlich war.
64
f) Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 4) zu 182.000,00 (70% x 260.000) / 910.000 = 20%.
65
g) Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) trägt der Kläger (vereinbarungsgemäß) zu 30%.
66
IV. Die Kostenentscheidung für Berufungsrechtsstreit und Beschwerdeverfahren ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
67
1. Die Berufung mit einem Streitwert von € 52.500,00 + € 12.500,00 = € 65.000,00 ist erfolglos, da als unzulässig zu verwerfen (s. oben Ziffer B II).
68
2. Die sofortige Beschwerde ist mit einem fiktiven Streitwert in Höhe von € 3.308,26 zu veranschlagen:
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a) Zunächst ist auf die Kostenermittlung das vom 01.07.2004 bis zum 31.07.2013 geltende Kostenrecht anzuwenden (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG).
70
b) Die Gerichtskosten betragen bei einem Streitwert von € 325.000,00 mit 3 Gebühren zu je € 2.206,00 insgesamt € 6.618,00.
71
Die Rechtsanwaltskosten für die (fiktive) Beklagte zu 3) und den Kläger betragen 5 Gebühren zu je € 2.406,00, also € 12.030,00, 2 Pauschalen insgesamt € 40,00 und die Umsatzsteuer (16%!) € 1.931,20, also insgesamt € 14.001,20, für jeden Prozessbevollmächtigten also € 7.000,60.
72
c) Hiervon hätte die Beklagte zu 2) nach erstinstanzlicher Kostenverteilung 0,357 x € 6.618,00 + 1,357 x € 7.000,60 = € 11.862,44 zu tragen gehabt. Tatsächlich trägt sie jetzt 0,29 x € 6.618,00 + (0,80 + 0,29) x € 7.000,20 = € 9.549,44. Die Differenz ist der Beschwerdeerfolg in Höhe von € 11.862,44 – € 9.549,44 = € 2.313,00.
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d) Der Erfolg der (unzulässigen) Berufung und der (zulässigen und begründeten) sofortigen Beschwerde beträgt daher € 2.313,00 / € 67.313,00 = 3%.