Inhalt

OLG München, Endurteil v. 25.10.2023 – 7 U 1224/21
Titel:

Rückabwicklung eines Oldtimer-Kaufvertrages nach UN-Kaufrecht

Normenketten:
CISG Art. 1 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1
BGB § 434
Leitsätze:
1. Das kraft Ratifikation in deutsches Recht inkorporierte UN-Kaufrecht zählt zum deutschen Recht und ist anwendbar, wenn der Verkäufer seinen Sitz in Deutschland hat, keine Rechtwahl getroffen wurde und die übrigen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 CISG erfüllt sind. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Angabe in einem Inserat durch den Verkäufer zu einer den Wert der Kaufsache maßgeblich prägenden, gegenüber sonstigen Oldtimern herausstechenden Eigenschaft führt zu einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung iSd Art. 35 Abs. 1 CISG. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die pauschale Bestimmung, jedwede Angabe – auch über die explizit aufgezählten Angaben hinaus – stelle keine Beschaffenheitsvereinbarung dar, kann einer ausgesprochenen Versicherung, das Kaufobjekt habe eine wesentliche Eigenschaft, die Qualifikation als Beschaffenheitsvereinbarung nicht nehmen. (Rn. 61 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Ausschluss der Gewährleistung kommt auch bei Anwendung des CISG nicht in Betracht, wenn zu einer objektiv verkehrswesentlichen Eigenschaft Gespräche geführt werden und verkäuferseits die Eigenschaft vorbehaltlos bestätigt wird. (Rn. 66 – 71) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
UN-Kaufrecht, Oldtimerkauf, anwendbares Recht, Rechtswahl, Beschaffenheitsangabe, Zeitungsinserat, Schriftformklausel, Gewährleistungsausschluss
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 05.02.2021 – 10 O 16825/18
Fundstelle:
BeckRS 2023, 32938

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021, berichtigt durch Beschluss vom 28.02.2021, Az. 10 O 16825/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der in Ziff. 2 des landgerichtlichen Urteils zuerkannte Betrag infolge Teilklagerücknahme auf 37.424,30 CHF lautet.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte 92% zu tragen, die Klägerin hat 8% zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 308.479,48 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises für ein Oldtimerfahrzeug der Marke Porsche sowie den Ersatz von Aufwendungen.
2
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Alleininhaber und gesetzlicher Vertreter der Klägerin ist der Verwaltungsrat R. A.
3
Mit Kaufvertrag vom 27.02.2017 (Anlage K1), der das unrichtige Datum vom 27.02.2016 aufweist, kaufte die Klägerin vom Beklagten einen Oldtimer, das Fahrzeug der Marke Porsche 911 S Targa, Erstzulassung 1971, Fahrgestellnummer …105, Kfz-Brief-Nr. WN … 788, zu einem Kaufpreis von 250.000 €. Der Beklagte hatte das Fahrzeug seinerseits mit Kaufvertrag vom 24.04.2015 von der P. S. C. GmbH gekauft. In diesem Kaufvertrag war das Fahrzeug unter § 4 wie folgt beschrieben: „Porsche 911 s, Baujahr 1970, VIN Nr: …105 matching number.“ Ergänzend wird auf den in Anlage K3 vorgelegten Kaufvertrag vom 24.04.2015 Bezug genommen.
4
In der – nicht vorliegenden – Verkaufsanzeige für den Porsche vor dem streitgegenständlichen Kauf war angegeben worden, dass das Fahrzeug über „matching numbers“ verfüge. Auf Nachfrage des Verwaltungsrats der Klägerin R. A. erklärte K. W., ein Mitarbeiter der TK A. GmbH & Co. KG, der den Beklagten sowohl in der Anbahnungsphase als auch bei Vertragsunterzeichnung vertrat, mit E-Mail vom 13.02.2017 (Anlage K2) gegenüber dem Verwaltungsrat der Klägerin, das Fahrzeug habe, wie in der Anzeige beschrieben, matching numbers.
5
Bei dem von den Parteien unterzeichneten Kaufvertrag handelt es sich um ein Formular, in das die Angaben zu den Parteien sowie Kaufgegenstand und Kaufpreis handschriftlich eingetragen wurden. Die auf dem Formular vorgedruckte Ziffer 6 enthält unter der Überschrift „Vertragsbedingungen“ folgende Regelung:
„Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Das Fahrzeug wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung und Sachmängelhaftung, wie vom Käufer besichtigt, verkauft. Handelt es sich bei dem Käufer um einen Verbraucher verjähren die Gewährleistungsansprüche in einem Jahr ab Übergabe. Unberührt von diesem Ausschluss bleibt die Haftung für Schadensersatzansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung von Pflichten des Verkäufers beruhen. Alle Angaben zum Fahrzeug, insb. zu Unfallfreiheit und Laufleistung sowie Nachlackierungen verstehen sich laut Vorbesitzer bzw. laut Fahrzeugbrief und sind keine vereinbarten Beschaffenheiten i.S.v. §§ 434 ff BGB. Das Fahrzeug wurde vom Verkäufer nicht auf Vorschäden/Nachlackierungen überprüft. Die Zeitungsannonce, das Internetinserat oder ein Faxangebot sind nicht Bestandteil des Vertrages und beinhalten somit auch keine Beschaffenheitsvereinbarungen irgendeiner Art. Solche ergeben sich allein aus dem Vertrag und haben schriftlich zu erfolgen.“
6
Handschriftlich ergänzt war der Vertrag um einzeln aufgezählte Arbeiten, die noch ausgeführt werden sollten.
7
Wegen der Einzelheiten des Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K1 Bezug genommen.
8
Die Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin erfolgte am 21.03.2017. Der Kaufpreis wurde vollständig entrichtet.
9
Für die Durchführung von Reparaturarbeiten, konkret den Aus- und Einbau des Motors und die Abdichtung von diversen Bauteilen, hat die Klägerin gegenüber der P. S. Classics GmbH 6.402,75 € aufgewandt (Rechnung vom 29.06.2017, Anlage K8). Einen Teilbetrag hiervon in Höhe von 2.000 € hat der Beklagte an die Klägerin überwiesen.
10
Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.03.2018 (Anlage K5), das dem Beklagten über den Gerichtsvollzieher am 13.03.2018 zugestellt wurde (Anlage BK1, dort S. 5), hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag vom 27.02.2017 erklärt und den Beklagten zur Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 20.03.2018 aufgefordert. Zudem erklärte die Klägerin in dem Schreiben die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung. Mit anwaltlichen Schreiben vom 19.03.2018 an (Anlage K6) wies der Beklagte die erhobenen Ansprüche zurück.
11
Die Klägerin behauptet, dass es sich bei matching numbers um gleichlautende Identifikationsnummern am Chassis, am Motor und am Getriebe handele. Die Ausstattung des Fahrzeugs mit diesen matching numbers sei unabdingbare Voraussetzung für die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen. Matching numbers seien für alle „Klassiker-Enthusiasten“ und Sammler so wichtig, da anhand der matching numbers nachvollzogen werden könne, ob sich ein Fahrzeug im Bezug auf die wichtigsten Baugruppen und -teile noch in seinem damaligen originalen Auslieferungszustand befinde. Aus Sicht des Oldtimerliebhabers und -sammlers gelte das Vorhandensein nicht nur als besonderes Attraktivitätsmerkmal. Vielmehr stellten matching numbers einen zentralen wertbildenden Faktor für die Kaufpreisbildung dar. Der Kaufpreis eines Fahrzeuges, welches matching numbers aufweise, übersteige den Kaufpreis eines Oldtimers ohne solche matching numbers bei qualitativ und ausstattungsmäßig ansonsten vergleichbarem Fahrzeugzustand regelmäßig erheblich, mindestens um ein Viertel.
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Unmittelbar vor Vertragsunterzeichnung habe sich der Verwaltungsrat der Klägerin nochmals auf die per E-Mail erfolgte Zusage des Herrn W., dass das Fahrzeug über matching numbers verfüge, und deren Bedeutung für den Kaufentscheid bezogen. Dieser habe daraufhin bekräftigt, dass das Fahrzeug matching numbers habe.
13
Am Getriebe des Fahrzeugs seien jedoch keine matching numbers angebracht, sodass das Fahrzeug nicht über die geschuldete Beschaffenheit verfüge.
14
Schon vor Übergabe des Fahrzeugs hätten sich Motormängel gezeigt. Der Beklagte habe zugesichert, den Reparaturaufwand in Höhe von 6.402,75 € zu erstatten. Nach Abzug des von dem Beklagten überwiesenen Betrags von 2.000 € verlange der Kläger insoweit noch 4.402,75 €.
15
Da die Klägerin noch nicht gewusst habe, dass das Fahrzeug nicht über matching numbers verfüge, habe die Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 24.507,15 CHF aufgewandt, um das Fahrzeug in einen funktionsfähigen bzw. fahrtauglichen Zustand zu versetzen, und an das P. Zentrum W. bezahlt (Reparaturrechnung vom 15.03.2008, Anlage K 10). Der Beklagte habe ferner weitere vergebliche Aufwendungen in Höhe von 35.466,85 CHF (unter anderem Transportkosten und Zollgebühren) getätigt (Anlagenkonvolut K 11). Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 20.03.2019 Bezug genommen. Die in den Anlagen K 10 von K 11 vorgelegten Rechnungen seien auch bezahlt worden (Anlagenkonvolut K 18).
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Die Klägerin hat – nach Erweiterung der Klage um die Anträge in Ziffer 3 und 4 durch am 03.04.2019 zugestellten Schriftsatz vom 20.03.2019 und Reduzierung des Antrags auf Erstattung weiterer Aufwendungen (in Ziffer 4 der Anträge) in Höhe von zunächst 6.402,75 € um 2.000 €, wozu der Beklagte die Zustimmung nicht erteilte – in erster Instanz zuletzt beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 19.03.2018 zu zahlen, dies Zug um Zug gegen Übereignung und Rückgabe des Personenkraftfahrzeugs der Marke 911 S Targa, Baujahr 1971, Fahrgestellnummer …105, Kfz-Briefnummer WN … 788, Kw … 132, EZ 01.07.1971.
2.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 59.974,00 CHF nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin weitere 4.402,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
17
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
Der Beklagte behauptet, das verkehrsübliche Verständnis von matching numbers sei, dass Motor und Chassis dieselbe Nummer trügen, nicht aber sämtliche Bauteile wie beispielsweise das Getriebe, das naturgemäß eine viel kürzere Lebensdauer habe als der Motor.
19
Der Zeuge W. sei aufgrund der Angabe der P. S. Classics GmbH vom Vorhandensein von matching numbers ausgegangen. Das Vorliegen von matching numbers sei auch keine unabdingbare Voraussetzung für die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass sich hierzu im Kaufvertrag zwischen den Parteien kein einziges Wort finde. Der Beklagte ist der Ansicht, dass sich die Klägerin nicht auf eine mündliche Nebenabrede berufen könne, weil die Parteien im Kaufvertrag vereinbart hätten, dass mündliche Nebenabreden nicht bestünden. Zudem verstehe sich die Angabe nach dem Vertrag laut Vorbesitzer. Auch das Internetinserat sei nach dem Kaufvertrag kein Vertragsbestandteil geworden. Nach der Rechtsprechung des BGH lägen in „laut Vorbesitzer“ getätigten Angaben keine Beschaffenheitsvereinbarungen, sondern bloße Wissensmitteilungen.
20
Die Behauptung, dass sich schon vor Übergabe des Fahrzeugs Mängel am Motor des Fahrzeugs gezeigt hätten, sei falsch. Es sei auch niemals zugesichert worden, den Aufwand von 6.402,75 € zu erstatten. Auch werde bestritten, dass die Klägerin die als Anlagen K 10 und K11 vorgelegten Rechnungen ausgeglichen habe.
21
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.02.2021, dem Beklagten zugestellt am 08.02.2021, in Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuches hinsichtlich des zurückverlangten Kaufpreises in Höhe von 250.000 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs stattgegeben, den Annahmeverzug hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs festgestellt (vgl. Berichtigungsbeschluss vom 28.02.2021) und die Beklagte zur Zahlung von 59.975 CHF und weiterer 4.402,75 € – jeweils nebst Zinsen – wegen getätigter Aufwendungen verurteilt; abgewiesen hat es die Klage hinsichtlich des nicht wirksam zurückgenommenen Betrages von 2.000 €. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat sich hierbei nach uneidlicher Einvernahme der Ehefrau des Verwaltungsrats der Klägerin (Frau S. A.) sowie des Zeugen W. und unter Heranziehung von gewechseltem E-Mail-Verkehr davon überzeugt, dass der Zeuge W. auf Nachfrage des Verwaltungsrats der Klägerin noch vor Vertragsschluss erklärt habe, dass das Fahrzeug über matching numbers verfüge. Darin hat das Landgericht eine dem Formularvertrag vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung gesehen, die – wovon es sich sachverständig beraten überzeugt hat – nicht erfüllt sei, weil das Getriebe nicht über dieselbe matching number verfüge wie Chassis und Motor. Folglich habe die Klägerin vom Kaufvertrag gemäß § 323 Abs. 1, § 326 Abs. 5, § 437 Nr. 2 BGB zurücktreten können, so dass die Klägerin den bezahlten Kaufpreis gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen könne. Die für das streitgegenständliche Fahrzeug aufgewandten Reparaturkosten seien als nutzlos getätigte Aufwendungen gemäß § 280 Abs. 1, § 284 BGB erstattungsfähig.
22
Mit seiner am 05.03.2021 beim Oberlandesgericht eingelegten und – nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung – mit Schriftsatz vom 08.05.2021 begründeten Berufung verfolgt der Beklagte sein Ziel weiter, eine Abweisung der Klage zu erreichen. Er erachtet die vernommene Zeugin A. für nicht glaubwürdig, weil sie habe einräumen müssen, dass sie alle Schriftsätze gekannt habe. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich um widersprechende Aussagen im Kerngeschehen handele; es hätte deshalb den Beweis nicht als geführt ansehen dürfen. In keinem Fall handele es sich bei den Angaben um eine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern um die Weitergabe einer technischen Information. Der Kaufvertrag regele ausdrücklich, dass keine Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen würden. Dort werde keine Aussage zu der angeblich so wesentlichen – Angabe über das Vorhandensein von matching numbers getroffen; wohl aber würden Lappalien geregelt. Für die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung sei daher kein Raum.
23
Nach einem Hinweis des Senats, dass das UN-Kaufrecht (CISG) zur Anwendung kommen könne, schloss sich der Beklagte dieser Sichtweise an. Er ist der Auffassung, dass die Klägerin ihrer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Eine solche treffe sie, weil eine entsprechende Untersuchung den Gepflogenheiten des Handelsverkehrs entspreche und daher nach dem Kauf habe vorgenommen werden müssen. Hierzu hat die Beklagte eine Bestätigung eines Sachverständigenbüros E. vom 01.03.2023 zur Akte gereicht und Herrn T. E. in dem Termin zur mündlichen Verhandlung als präsenten Zeugen mitgebracht.
24
Des Weiteren erklärt der Beklagte, die Rüge sei jedenfalls auch deshalb verfristet, weil sich die Klägerin die Kenntnis des P.zentrums in W. zurechnen lassen müsse, das diese Kenntnis bereits am 02.02.2018 erlangt habe. Auch sei die Klägerin zeitnah informiert worden.
25
Die Beklagte beantragt,
1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021, Az. 10 O 16825/18, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Hilfsweise:
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.
26
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.
27
Hinsichtlich eines Betrages von 22.549,70 CHF – auf das Fahrzeug bezahlte (schweizerische) Mehrwertsteuer – hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 12.10.2023 zurückgenommen. Der Beklagte hat dieser Teilklagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2023 zugestimmt.
28
Im Übrigen verteidigt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil, soweit es eine Beschaffenheitsvereinbarung annimmt, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Auch sie ist aber der Auffassung, dass für den streitgegenständlichen Kauf CISG anwendbar ist.
29
Der Senat hat – nachdem er am 13.01.2023 einen Hinweis insbesondere zur bislang nicht thematisierten Anwendung des CISG erteilt hatte (Bl. 292/293 d.A.) – über die Berufung am 08.02.2023 sowie am 25.10.2023 mündlich verhandelt und dabei Beweis erhoben durch uneinheitliche Einvernahme des Zeugen N. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie zum Inhalt der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Des weiteren wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze.
II.
30
Die Berufung des Beklagten bleibt mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 22.549,70 CHF, hinsichtlich dessen die Klägerin die Klage wirksam zurückgenommen hat, ohne Erfolg. Die Klägerin hat auch bei Anwendung des CISG einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs) sowie auf Ersatz der übrigen von ihr getätigten Aufwendungen. Im Einzelnen ist auszuführen:
31
1. Zur Anwendung kommt UN-Kaufrecht (CISG).
32
a) Zu Recht führt das Landgericht zwar aus, dass mangels einer Rechtswahl im Vertrag nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe a) Rom I-VO wegen des Sitzes des Verkäufers in Deutschland deutsches Recht zur Anwendung berufen ist. Es hat jedoch übersehen, dass auch das kraft Ratifikation in deutsches Recht inkorporierte UN-Kaufrecht insoweit zum deutschen Recht zählt. Das UN-Kaufrecht ist vorliegend mit Vorrang gegenüber dem Kaufrecht des BGB anwendbar, weil es sich um einen Vertrag über den Kauf einer Ware handelt, Verkäufer und Käuferin ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben und sowohl die Schweizerische Eidgenossenschaft als auch die Bundesrepublik Deutschland Vertragsstaaten des CISG sind (Art. 1 Abs. 1 CISG). Die Bereichsausnahme des Art. 2 Buchst. a) CISG ist vorliegend nicht einschlägig, da die Käuferin eine schweizerische Aktiengesellschaft ist, die folglich das Fahrzeug nicht für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt kauft. Nicht relevant ist, ob der beklagte Verkäufer gewerblich oder als Verbraucher handelt (Spohnheimer in Kröll/Mistelis/Perales/Viscasillas, CISG, 2. Aufl., Art. 2 Rn. 8; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 2 Rn. 11).
33
b) Eine konkludent mögliche Abbedingung des UN-Kaufrechts (Art. 6 CISG) ist nicht erfolgt. Die bei Vertragsschluss nicht anwaltlich beratenen Parteien haben sich keine Gedanken zur Frage des anwendbaren Rechts gemacht. Dass die standardmäßig vorformulierten Vertragsbedingungen gleichsam negativ auf das BGB Bezug nehmen, indem sie statuieren, dass die Angaben zum Fahrzeug „keine vereinbarten Beschaffenheiten i.S.v. §§ 434 ff. BGB“ darstellen, genügt für eine Abbedingung nicht. Denn zum einen fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich die Parteien der Möglichkeit der Anwendbarkeit von UN-Kaufrecht bewusst waren; zum anderen kann aus dem Ausschluss eines bestimmten Tatbestandsmerkmals des nationalen Rechts nicht ohne weitere Umstände eine Rechtswahl zu Lasten des UN-Kaufrechts hergeleitet werden. Dies gilt umso mehr, als auch das UN-Kaufrecht seinerseits Beschaffenheitsvereinbarungen kennt, vgl. Art. 35 Abs. 1 CISG: „Ware […], die in Menge, Qualität und Art […] den Anforderungen des Vertrages entspricht“.
34
Eine nachträgliche konkludente Rechtswahl liegt sodann auch nicht in der ausschließlich das Kaufrecht nach BGB thematisierenden Prozessführung der Parteien erster Instanz. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass den Parteien die mögliche Anwendung des UN-Kaufrechts bei der Prozessführung vor dem Landgericht bewusst war. Für das zuvor fehlende Bewusstsein streitet insbesondere, dass die Parteien nach dem Hinweis des Senats übereinstimmend der Auffassung sind, dass UN-Kaufrecht zur Anwendung gelange.
35
2. Der Beklagte schuldet dem Grunde nach die Rückzahlung des Kaufpreises aus Art. 81 Abs. 2 CISG, da der Kaufvertrag wirksam geschlossen wurde, er auch nicht angefochten wurde, aber der Beklagte wirksam die Vertragsaufhebung erklärt hat (Art. 26 iVm 45 Abs. 1 Buchst. a), 49 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 2 Buchst. b) i), 25, 35 Abs. 1 CISG).
36
a) Dass ein Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Oldtimer geschlossen wurde, ist zwischen den Parteien unstreitig und begegnet – auch in Anwendung des CISG – keinen Bedenken. Der Vertrag wurde seitens der Klägerin auch nicht wirksam angefochten. Ausweislich Art. 4 Buchst. a CISG bestimmt das nationale Recht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen. Dazu zählt die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, die sich folglich nach § 123 BGB richtet. Diese greift jedoch nicht durch, da dem Beklagten keine Arglist zur Last fällt, erst recht eine solche nicht nachgewiesen wurde. Ausweislich des Kaufvertrags zwischen ihm und seinem Verkäufer, der Firma P. S. GmbH, hatte das streitgegenständliche Fahrzeug matching numbers. Wenn der Beklagte hierauf vertraut, handelt er nicht wider besseres Wissen, somit nicht arglistig. Für die Frage ist unerheblich, ob ihn eine Untersuchungsobliegenheit getroffen hat. War er beim Kauf Verbraucher, traf ihn schon keine Untersuchungsobliegenheit nach § 377 HGB; sollte dies nicht der Fall sein, begründete ein Verstoß gegen diese Obliegenheit jedenfalls keine positive Kenntnis vom Fehlen der matching numbers, somit ebenfalls keine Arglist. Auch ins Blaue hinein erfolgte die Angabe nicht, wenn sich der Beklagte auf die Vertragsregelung zwischen ihm und seinem Verkäufer verlässt.
37
b) Dem Kläger fällt als Verkäufer objektiv – ohne dass es auf Verschulden ankäme – eine wesentliche Pflichtverletzung zur Last, weil dem streitgegenständlichen Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Art. 36 Abs. 1 CISG) matching numbers fehlten.
38
aa) Davon, dass die Angabe „matching numbers“ in der Oldtimer-Szene eine Übereinstimmung der am Fahrzeug vorhandenen Identifizierungsnummern von Fahrgestell (FIN), Motor und Getriebe in unverfälschtem Zustand originär mit den beim Hersteller registrierten Daten und folglich die Übereinstimmung der Identifizierungsnummern von Chassis, Motor und Getriebe mit den Auslieferungsdaten bedeutet, hat sich das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, das seine Ergebnisse stringent und plausibel herleitet, zutreffend überzeugt. Dies wird von den Parteien auch nicht angegriffen.
39
bb) Bei dem Fahrzeug bestehen keine matching numbers. Wie der Sachverständige feststellte, war die Nummer am Getriebe unkenntlich gemacht worden. Nach nahezu vollständiger Wiederherstellung dieser Nummer teilte der Fahrzeughersteller mit, dass die Getriebenummer nicht der Nummer entsprach, die das Getriebe im Auslieferungszustand des Fahrzeugs aufwies.
40
cc) Matching numbers waren vorliegend seitens des beklagten Verkäufers jedoch geschuldet. Es obliegt nach dem CISG zuvörderst den Parteien, die Eigenschaften zu definieren, die die verkaufte Ware als vertragsgerecht qualifizieren (Art. 35 Abs. 1 CISG).
41
(1) Vorliegend hat der Verkäufer im Inserat (das dem Senat nicht vorliegt, auf das aber der E-Mail-Verkehr zwischen Klägerin und dem für den Verkäufer handelnden Zeugen W. Bezug nimmt) die Eigenschaft matching numbers angegeben. Im Kaufvertrag selbst ist allerdings die Klausel vorhanden, dass alle Angaben zum Kaufvertrag, insbesondere zu Laufleistung sowie Nachlackierungen sich als „laut Vorbesitzer bzw. laut Fahrzeugbrief“ verstünden und keine vereinbarte Beschaffenheit i.S.v. §§ 434 BGB darstellten.
42
(2) Es kommt hinzu, dass sich der Verkäufer, vertreten durch den Zeugen W., nicht auf die Angabe im Inserat beschränkt hat. Die Klägerin hat vielmehr im Vorfeld des Vertragsschlusses ausdrücklich per Mail nachgefragt, ob das Fahrzeug matching numbers aufweise. Dies hat der Zeuge W. per E-Mail wie folgt bestätigt: „Wie in der Anzeige beschriebe [sic], hat das Fahrzeug matching numbers.“ Es gibt somit auf explizite Frage des Kunden – der damit zugleich zum Ausdruck bringt, dass ihm die Eigenschaft wichtig ist – eine ausdrückliche Angabe der Verkäuferseite, die keinerlei Vorbehalt oder Einschränkung erkennen lässt – etwa dahin dass es sich um die bloße Weitergabe einer dem Verkäufer seinerseits erteilten, ungeprüften Information handelt. Wenn ein Verkäufer eine Käuferfrage – noch dazu eine, die von wesentlicher Bedeutung für den Wert ist (dazu unter 2.3.2.5) – ohne Vorbehalt beantwortet, macht er sich für das Vorhandensein der Angabe stark und gibt damit zugleich zu erkennen, dass er für die Richtigkeit der Angabe grundsätzlich einsteht (wobei offenbleiben kann, ob im Rahmen einer echten Garantie oder nur im Rahmen eines, je nach anwendbarer Rechtsordnung unterschiedlich ausgestalteten gesetzlichen Gewährleistungsregimes).
43
(3) Dem Senat wurde das den Kaufverhandlungen vorangehende Internet-Inserat nicht vorgelegt. Er sieht sich vorsorglich zu folgender Bemerkung veranlasst. Sollte das Inserat ebenfalls den pauschalen Vorbehalt enthalten, dass sich alle Angaben auf Angaben des Vorbesitzers beziehen – vgl. die Aussage des Zeugen W. vor dem Landgericht –, änderte sich an der Einschätzung nichts, denn die E-Mail-Antwort des Zeugen W. nimmt diesen pauschalen Vorbehalt aus Sicht eines Empfängers, der eine Antwort auf die Frage dazu, ob matching numbers vorhanden sind, erwartet, nicht, erst recht nicht hinreichend erkennbar in Bezug. Aus der objektiven Sicht eines solchen Empfängers erschöpft sich der Zusatz „wie in der Anzeige beschrieben“ darauf, dass die Angabe bereits in der Anzeige erfolgt ist. Ein Distanzierung dergestalt, dass sich um die bloße Weitergabe einer Information handelt, für die gerade keine Haftung übernommen wird, ist dem Zusatz nicht zu entnehmen. Dass das Inserat einen konkreten Vorbehalt gerade bezüglich matching numbers enthielt, wurde nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
44
(4) Derselbe Befund ergibt sich – sogar unabhängig von den Ausführungen unter (2) – aus dem der Vertragsunterzeichnung unmittelbar vorausgehenden Verkaufsgespräch. Das Landgericht hat sich anhand der von ihm für glaubhaft befundenen Aussage der Ehefrau des Verwaltungsrats der Klägerin davon überzeugt, dass der Zeuge W. auf Frage des Verwaltungsrats bestätigt habe, dass das Fahrzeug über matching numbers verfüge.
45
An dieser Feststellung hegt der Senat keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 ZPO, die eine erneute Feststellung durch ihn gebieten würden. Das Erstgericht ist unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund freier Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zu seinen Tatsachenfeststellungen gelangt. § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze, an Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Im Rahmen dieser Grenzen kann das Gericht einem Zeugen glauben, obwohl objektive Umstände gegen dessen Glaubwürdigkeit sprechen mögen. Auch kann das Gericht, anders als der Beklagte in dem Berufungsvorbringen darlegt, trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen eine Beweisbehauptung als bewiesen bzw. als nicht hinreichend nachgewiesen erachten, siehe zu alldem Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage, § 286 Rdnr. 13. Daran gemessen ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte und werden von der Berufung auch keine solchen aufgezeigt, die besorgen ließen, dass bei einer Wiederholung der Beweisaufnahme mit einer gewissen – nicht notwendig überwiegenden – Wahrscheinlichkeit die Feststellungen keinen Bestand hätten.
46
Die Ehefrau des Verwaltungsrats hat vor dem Landgericht bestätigt, dass ihr Ehemann beim Verkaufsgespräch nach matching numbers gefragt und der Zeuge W. das Vorliegen bestätigt habe. Sie konnte ihre Aussage detailreich und widerspruchsfrei untermauern. So hat sie ausgeführt, dass ihr Mann sich zunächst aus dem Urlaub heraus nach den matching numbers erkundigt habe und ihr, die wegen des Preises Bedenken hatte, erläutert habe, dass der Preis im Hinblick auf die matching numbers gerechtfertigt sei. Im Rahmen des Verkaufsgesprächs sei ihr der Preis immer noch sehr hoch vorgekommen. Ihr Mann habe Herrn W. nach den matching numbers gefragt; dieser habe die Frage bejaht. Daraufhin hätten ihr die Argumente gegen den Kauf gefehlt. Sie schilderte auch weitere Details des Gesprächs, etwa die Unterbrechung des Gesprächs durch ein Telefonat des Zeugen W., die anschließende Frage nach den matching numbers sowie der Umstand, dass dort der Name des Käufers (ursprünglich war der Ehemann persönlich eingetragen) und die Fahrgestellnummer nicht gestimmt habe. Die letztgenannten zwei Aspekte finden in dem schriftlichen Kaufvertrag ihre Bestätigung (vgl. Anlage K 1, in der die R. AG über dem Namen des Ehemanns eingetragen ist und aus der die geänderte Fahrgestellnummer ersichtlich ist). Die Aussage ist – obwohl Nachfragen unterzogen – in sich stimmig und widerspruchsfrei.
47
Dass die Zeugin im Lager der Klagepartei steht, hat das Landgericht gesehen. Anders als der Beklagte meint, nimmt der Umstand, dass sich die Zeugin, wie sie freimütig einräumte, von Anfang an für den Prozess interessierte, sie sich den Ablauf des Besuchstermins notierte und auch die Schriftsätze des Verfahrens gelesen hat, nicht die Glaubwürdigkeit. Das – überdies offen eingeräumte – Verhalten ist vielmehr naheliegend.
48
Der Senat merkt an, dass die Aussage auch deshalb authentisch erscheint, weil die Zeuge gerade nicht die (ihr aus der Akte sogar bekannte) Beweisbehauptung „nachgebetet“ hat, der Ehemann der Zeugin habe unmittelbar vor Vertragsschluss sich nochmals auf die E-Mail-Zusage des Herrn W. und deren Bedeutung für die Kaufentscheidung bezogen und dieser habe daraufhin das Vorliegen der matching numbers nochmals bekräftigt (Klageschrift Seite 5). Die Zeugin schildert dagegen das Gespräch dagegen gleichsam schnörkellos als Frage und Antwort (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 03.09.2019, S. 3, Bl. 104 d.A.: „Im Hinblick auf matching numbers war es eine Frage und eine kurze Antwort.“). Glaubhaft ist auch, wenn die Zeugin unumwunden einräumt, sie erinnere sich an den Wortlaut des Gesprächs nicht mehr.
49
Demgegenüber weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass die Aussage des Zeugen W. durchgreifenden Bedenken begegnet. Er hat zwar zunächst ausgesagt, dass über matching numbers gar nicht gesprochen worden sei. Er musste schließlich jedoch einräumen, dass er sich nicht erinnere und er auch nicht ausschließen könne, dass doch über matching numbers gesprochen worden war. Auch an seine E-Mail (Anlage K2) – deren Authentizität er nicht anzweifelte – hatte er keine Erinnerung. Es mag verständlich sein, dass der Zeuge keine belastbare Erinnerung an einen für ihn nicht wesentlichen Verkaufsvorgang hat; dies ändert aber nichts daran, dass die Aussage, wie das Landgericht zu Recht annimmt, dann auch nicht belastbar ist. Letztlich handelte es sich bei der Aussage des Zeugen um die Schlussfolgerung aus seiner These, dass ein wichtiger Umstand Aufnahme in den Kaufvertrag hätte finden müssen.
50
Nicht wirklich plausibel ist, wenn der Zeuge zu Protokoll gibt, es sei in dem Verkaufsgespräch nicht so erschienen, dass Herrn A. die matching numbers wichtig gewesen seien; was möglicherweise vorher in Thailand – dem Urlaubsland, aus dem die E-Mail vom 13.02.2017 verschickt wurde – der Fall gewesen sei, könne davon ja abweichen. Das Aussageverhalten verdeutlicht, dass sich der Zeuge in Spekulationen ergeht.
51
Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn das Landgericht der Zeugin A. – und nicht dem Zeugen W. – folgt. Anders als die Beklagte meint, besteht kein Grundsatz, dass ein Gericht bei diametral entgegengesetztem Aussageverhalten von zwei Beteiligten über ein 4-Augen-Gespräch nicht der Aussage eines Zeugen folgen dürfe. Das Gericht muss seine Überzeugungsbildung lediglich nachvollziehbar begründen. Das hat das Landgericht getan. Vorliegend besteht im Übrigen schon kein sich im Kern widersprechendes Aussageverhalten. Der Zeuge W. musste vielmehr einräumen, dass er sich nicht daran erinnere, ob die Frage nach matching numbers gestellt wurde.
52
Gegen das Beweisergebnis spricht auch nicht, dass das Gespräch keinen Niederschlag im Vertrag gefunden hat. Es entspricht – bedauerlicherweise – einer häufigen Erfahrung, dass auf das gesprochene Wort vertraut und der Vertragstext nicht angepasst wird. Dies gilt umso mehr, wenn die Eigenschaft im Inserat schon benannt wurde.
53
Im Übrigen trifft nicht zu, dass die Vertragsparteien im Vertrag Petitessen geregelt hätten, nicht aber die wesentliche Eigenschaft der matching numbers. Die handschriftlichen Ergänzungen betrafen vielmehr ausschließlich noch auszuführende Arbeiten. Es mag zutreffen, dass es sich insoweit um untergeordnete Tätigkeiten handelte. Die Aufnahme noch auszuführender Arbeiten betrifft jedoch eine gänzlich andere Kategorie von Vertragsklausel als die Fixierung vorhandener Eigenschaften, so dass aus der ausdrücklichen Aufnahme noch auszuführender Arbeiten in den Vertrag kein Gegenschlusses dahin möglich ist, dass eine Vereinbarung über matching numbers nicht getroffen worden sei.
54
(5) Die somit zur Überzeugung des Senats von den Parteien getroffene Vereinbarung stellt inhaltlich eine Beschaffenheitsvereinbarung dar.
55
Gemäß Art. 35 Abs. 1 CISG obliegt es vorrangig den Parteien, die geschuldete Eigenschaft des Kaufobjekts festzulegen.
56
Der Senat hegt keine Zweifel, dass im Grundsatz die Angabe in einem Inserat durch den Verkäufer zu einer den Wert der Kaufsache maßgeblich prägenden, gegenüber sonstigen Oldtimern herausstechenden Eigenschaft zu einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung führt (OLG Hamm, Urteil vom 21.07.2016 – 28 U 2/16, juris-Rn. 48; für das Recht des BGB BT-Drs. 14/6040, S. 214 – danach hat § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 iVm Satz 3 BGB aF vor allem eigenständige Bedeutung bei Angaben Dritter wie etwa des Herstellers; für das CISG: Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 35 Rn. 7: „Werbung des Verkäufers, in der zB auf bestimmte Eigenschaften der Ware hinweist“; Hachem in BeckOGK, CISG, Art. 35 Rn. 8 [Stand: 01.03.2021]).
57
Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf die zum nationalen Recht, nicht zum CISG ergangenen Rechtsprechung des BGH, wonach mit Rücksicht auf den Ausschluss einer Freizeichnung im Verbrauchsgüterkauf die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr „im Zweifel“, sondern nur in eindeutigen Fällen in Betracht komme (so BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, juris-Rn. 35 mwN; ebenso BGH, Urteil vom 20.03.2019 – VIII ZR 213/18, juris-Rn. 22). Nach dieser Rechtsprechung sind einschränkende Zusätze wie „laut Vorbesitzer“ als Wissenserklärungen ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt auszulegen. Denn wer sich auf eine bestimmte Quelle beziehe, bringe zum Ausdruck, dass er lediglich fremdes Wissen mitteile. Hinzu komme, dass ein Käufer bei technischen Daten, die der Händler in aller Regel nicht überprüfen kann, nicht erwarten könne, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für die Richtigkeit der Angabe übernehme (BGH, aaO, Rn. 33f.).
58
Diese Prämissen treffen auf die hier streitgegenständliche Konstellation indes gerade nicht zu: Zum einen handelt es sich bei „matching numbers“ um ein herausstechendes Merkmal des Fahrzeugs. Zum anderen hat vorliegend der Käufer vor Vertragsschluss hierzu zweimal nachgefragt. Wenn in diesem Zusammenhang eine Eigenschaft vorbehaltlos bestätigt wird, liegt in diesen konkreten Umständen des Einzelfalls nicht mehr nur eine bloße Beschreibung des Kaufobjekts, sondern eine auf Bindung angelegte Aussage über dessen Eigenschaften und damit zugleich eine Festlegung auf eine diesen Eigenschaften entsprechende Beschaffenheit (BGH, aaO, Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, juris-Rn. 26 [dort sogar zu einer Garantie]). Ob anderes gegolten hätte, wenn der Zeuge W. bei seiner Aussage Bezug auf den Kaufvertrag zwischen dem beklagten Verkäufer und dessen Verkäufer genommen hätte, bedarf keiner Entscheidung; denn aus der Aussage der Zeugin A. ergibt sich, dass dieser Vertrag erst nach dem Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages vorgelegt wurde (Protokoll, aaO, „Dieser Vertrag lag vor […], aber erst nach der Vertragsunterzeichnung.“). Die Beschaffenheitsangabe des Zeugen erfolgte somit unbedingt.
59
c) Die Haftung des Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der schriftliche Vertrag die pauschale Klausel enthält, dass mündliche Abreden nicht bestünden, ferner dass alle Angaben nur solche laut Vorbesitzer bzw. laut Fahrzeugbrief seien.
60
aa) Die Angaben des Zeugen W. erfolgten, wie oben ausgeführt, ohne jeden Vorbehalt und damit unbedingt. Wie dort ebenfalls bereits ausgeführt, gibt der Verkäufer mit vorbehaltlosen Antworten auf konkrete Fragen des (potentiellen) Käufers zu Eigenschaften des Kaufobjektes – und damit zu Eigenschaften, die dem Käufer offenbar besonders wichtig erscheinen – nach dessen Empfängerhorizont zu verstehen, dass er hierfür einstehen will.
61
Die pauschale Bestimmung im Vertrag, alle Angaben verstünden sich als bloße Beschreibungen ohne den Charakter einer Beschaffenheitsvereinbarung, ist daher nicht geeignet, die Aussage des Zeugen W. gleichsam umzuqualifizieren und nachträglich unter Vorbehalt zu stellen. Dies folgt aus Sicht des Senats bereits aus allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung: Der pauschalen Bestimmung, jedwede Angabe – auch über die explizit aufgezählten Angaben zu Unfallfreiheit, Laufleistung und Nachlackierung (bei denen solche Vorbehalte üblich sind) hinaus – stelle keine Beschaffenheitsvereinbarung dar, kann nicht die Wirkung beigemessen werden, der (hier sogar mehrfach) ausgesprochenen Versicherung, das Fahrzeug habe matching numbers, die Qualifikation als Beschaffenheitsvereinbarung zu nehmen. Die konkrete getätigte Aussage zu „matching numbers“ ist nämlich speziell. Eine Vertragsauslegung, die letztlich bewirkt und bewirken soll, dass sämtliche Angaben sowohl im Inserat als auch in den konkreten Gesprächen völlig losgelöst von den Umständen und im Zweifel bis zur Grenze der Arglist Schall und Rauch sein sollen, ist nicht interessengerecht. Im Übrigen zielt eine solche Klausel ersichtlich darauf ab, der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (allerdings zum BGB) zu entgehen, die einen Ausschluss der Gewährleistung für echte Beschaffenheitsvereinbarungen als unwirksam ansieht.
62
bb) Nichts anderes gilt für die Vertragsbestimmung, es bestünden keine mündlichen Nebenabreden. Diese erschöpft sich im Ergebnis in einer auf Beweisebene relevanten Vermutung, die vorliegend widerlegt ist.
63
cc) Jedenfalls stehen die unter Ziff. 6 des Vertrages getroffenen Abreden der konkret getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung deshalb nicht entgegen, weil es sich bei der Regelung in Ziff. 6 – wie sich aus dem formularmäßigen Ausdruck ersehen lässt und wovon auch das Landgericht in seiner Argumentation auf Seite 9 des Urteils unangegriffen ausgegangen ist – um vorformulierte, von Verkäuferseite gestellte (vgl. auch Aussage der Zeugin A. in der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2019, Protokoll S. 4 unten, Bl. 105 d.A.) Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von geschäftlichen Vorfällen handelt und damit, mag auch der Verkäufer sie nur einmal verwendet haben, um Allgemeine Geschäftsbedingungen, BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 26/14, juris-Rn. 15. Ihnen gegenüber ist die Individualabrede speziell und vorrangig, vgl. im nationalen Recht § 305b BGB. Dieser Vorrang der Individualabrede vor einer AGBmäßigen Bestimmung ist auch im CISG anzuerkennen und anerkannt, vgl. Schmidt-Kessel in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Buchwitz in BeckOGK, CISG, Art. 14 Rn. 87 [Stand: 01.11.2022]; Graf von Westphalen, ZIP 2019, 2281, 2287f. Auf die Frage, ob § 305b BGB eine vom CISG verdrängte Regel der Vertragsauslegung enthält oder die Frage der Gültigkeit einer vertraglichen Bestimmung betrifft, die gemäß Art. 4 S. 2 Buchst. a) CISG nach nationalem Recht zu prüfen ist, kommt es daher nicht an.
64
d) Der Mangel des Fehlens von matching numbers stellt einen wesentlichen Pflichtenverstoß im Sinne von Art. 25 CISG dar. Ein wesentlicher Pflichtenverstoß besteht, wenn einer Partei im wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, stellt das Vorliegen von matching numbers in der Oldtimer-Szene ein wesentliches und wesentlich wertbildendes Merkmal dar. Der Sachverständige führt – zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar – aus (vgl. Sachverständigengutachten, S. 10, Bl. 166 d.A.), dass es sich bei Oldtimern um historische Luxusartikel handelt, deren Vita möglichst viele, bevorzugt ausschließlich positive Eigenschaften besitzen sollte. Das Vorhandensein von matching numbers sei bei Oldtimern gerade wegen des Alters keine Selbstverständlichkeit und daher nicht selten von kaufentscheidender Bedeutung. Allein dies begründet die wesentliche Pflichtverletzung, da der Käufer ein Fahrzeug enthält, das eine (in Sammlerkreisen, aber auch für ihn, wie seine Rückfragen belegen) wesentliche Eigenschaft nicht aufweist. Ohne dass es hierauf noch streitentscheidend ankäme, kommt im konkreten Fall hinzu, dass die Nummer am Getriebe manipuliert wurde.
65
Der Sachverständige hat überdies bestätigt, dass die Wertminderung mindestens ein Viertel beträgt. Auch dieser Betrag spricht für eine wesentliche Vertragsverletzung.
66
e) Der Gewährleistungsausschluss ist unwirksam.
67
Das UN-Kaufrecht regelt die Frage der Freizeichnung nicht. Die Gültigkeit von vertraglichen Bestimmungen bemisst sich gemäß Art. 4 Satz 2 Buchst. a CISG im Ausgangspunkt nach dem gemäß IPR anwendbaren nationalen deutschen Recht.
68
aa) Wendet man das Recht des BGB uneingeschränkt an, hält die Haftungsfreizeichnung der Prüfung nicht stand. Zum einen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass im Falle einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung wie hier ein Gewährleistungsausschluss nicht greift, denn eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung und ein hierauf bezogener (vollständiger) Gewährleistungsausschluss schließen sich wechselseitig aus.
69
Der Gewährleistungsausschluss hielte einer AGBrechtlichen Inhaltskontrolle aus weiteren Gründen nicht stand. Zwar greift der Gewährleistungsausschluss nicht, wenn den Verkäufer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (vgl. den auch im unternehmerischen Verkehr seiner Wertung nach Anwendung findenden § 309 Nr. 7b BGB iVm § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Die Rechtsprechung sieht jedoch – auch im unternehmerischen Verkehr – eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners schon dann, wenn die Haftung für einfaches Verschulden bei (bei PKW-Mängeln nicht fernliegenden) Schäden für Leben, Körper und Gesundheit ausgeschlossen wird (Wertung des § 309 Nr. 7a BGB; BGH, Urteile vom 19.09.2007 – VIII ZR 141/06, juris-Rn. 14 und vom 04.02.2015 – VIII ZR 26/14, juris-Rn. 16). Dieser Anforderung genügt die Klausel nicht.
70
bb) Nichts anderes ergibt sich, wenn man bei der Anwendung des nationalen Rechts den internationalen Charakter des Abkommens und die allgemeinen, dem CISG zugrunde liegenden Prinzipien – dazu zählt die Vertragsfreiheit – beachten möchte und daher eine Modifikation der nationalen Rechtsprechung nicht ausschließt. Für das AGB-Recht lässt sich dies im unternehmerischen Verkehr auch damit begründen, dass Leitbild des § 307 BGB bei Anwendbarkeit des CISG nicht das BGB, sondern eben das CISG ist (vgl. Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 4 Rn. 20). Auch in diesem Fall hält der Gewährleistungsausschluss einer Prüfung nicht stand. Dabei kann offenbleiben, ob im Rahmen des CISG die Annahme pauschal zutrifft, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung per se mit einem Gewährleistungsausschluss unvereinbar ist.
71
Jedenfalls dann, wenn zu einer objektiv verkehrswesentlichen Eigenschaft Gespräche geführt werden und verkäuferseits die Eigenschaft auf Frage des Käufers, der damit auch subjektiv die Wesentlichkeit dieser Eigenschaft für seine Kaufentscheidung dokumentiert, vorbehaltlos bestätigt wird, macht sich der Verkäufer mit dieser Aussage für das Vorliegen der Eigenschaft stark (vgl. Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 35 Rn. 41f.; Hachem in BeckOGK CISG, Art. 35 Rn. 62 [Stand: 01.03.2021]). Eine Eigenschaftszusicherung im Sinne einer uneingeschränkten Garantiehaftung muss damit nicht zwingend einhergehen; es ist jedoch mit Grundgedanken auch im internationalen Recht nicht vereinbar, wenn der Verkäufer trotz seiner eigenen Bekräftigung der Eigenschaft bei Fehlen dieser Eigenschaft eine (vollständige) Freizeichnung in Anspruch nehmen will. Erst recht gilt dies, wenn die Freizeichnung formularmäßig erfolgt. In einem solchen Gewährleistungsausschluss liegt des Weiteren ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass dem Käufer bei fehlender Vertragsgemäßheit wenigstens ein Minimalrechtsschutz (minimum adequate remedy) verbleiben muss (Schwenzer, aaO).
72
Ob der Verstoß gegen die Wertung von § 309 Nr. 7a BGB im Anwendungsbereich des CISG ebenfalls zur Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses führen würde, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.
73
f) Einer vorrangigen Nacherfüllung bedurfte es nicht.
74
Eine solche sieht Art. 49 Abs. 1 Buchst. a) CISG – anders als in Buchst. b) im hier nicht einschlägigen Fall einer Nichtlieferung – nicht vor. Ob gleichwohl mit Blick auf Recht des Verkäufers, eine Nacherfüllung zu erbringen, Einschränkungen denkbar sind, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung (dazu Müller-Chen in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, 7. Aufl., Art. 48 Rn. 14ff.). Denn vorliegend scheidet eine Nacherfüllung aus. Es handelt es um einen Stückkauf, bei dem dem Kaufobjekt die matching numbers unwiederbringlich fehlen.
75
3. Die Klägerin hat das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, auch nicht nachträglich verloren, denn sie hat den Mangel innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Zeitpunkt, zu dem sie den Mangel festgestellt hat, angezeigt (Art. 39 Abs. 1 CISG). Dass sie den Mangel früher hätte feststellen müssen, weil sie die Obliegenheit getroffen hätte, das Fahrzeug untersuchen zu lassen, trifft entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu.
76
a) Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin erst mit der Mitteilung des Zeugen N. am 23.02.2018 Kenntnis vom Fehlen der matching numbers erlangt hat. Der zwischenzeitlich nicht mehr für die Porsche-Werkstatt tätige Zeuge erklärte schlüssig und nachvollziehbar, dass es sich bei dem durch die Werkstattmitarbeiter festgestellten Ausschleifen der Getriebenummer um einen speziellen Fall handelte und dass er als zuständiger Ansprechpartner von der Werkstatt bei speziellen und problematischen Fällen hinzugezogen wurde. Der Zeuge konnte deshalb für den Senat überzeugend ausschließen, dass der Verwaltungsrat der Kägerin bereits zeitlich vor der Mitteilung durch den Zeugen direkt von der Werkstatt oder einem Servicemitarbeiter auf das Fehlen der matching numbers aufmerksam gemacht worden sein könnte. Darüber hinaus hat der Zeuge glaubhaft angegeben, dass er an dem Tag, an dem er über die ausgeschliffene Getriebenummer informiert wurde, den Verwaltungsrat der Klägerin angerufen und an dem gleichen Tag auch das Schreiben vom 23. Februar 2018 verfasst habe (s. Anlage K20, hier und im Folgenden gemeint als Anlage K20 zu Bl. 294 der Akte, die Anlagennummer 20 ist durch die Klägerin zweifach vergeben, s. auch nach Bl. 205 d.A.). Für die Richtigkeit dieser Erinnerung des Zeugen streitet schließlich auch der Inhalt des Schreibens Anlage K20, denn dort wird eingangs ausgeführt: “wie wir heute besprochen haben“.
77
b) Nicht relevant ist, wann die beauftragte Reparaturwerkstatt in W. den Wagen tatsächlich untersucht und das Fehlen der matching numbers bemerkt hat. Denn die Werkstatt war vorliegend nicht mit der Untersuchung des Fahrzeugs auf Mängel im Zusammenhang mit Rügeobliegenheiten beauftragt. Nur dann könnte überhaupt in Betracht gezogen werden, dass die Werkstatt als Erfüllungsgehilfin der Klägerin tätig gewesen wäre und ihre Kenntnis – jedenfalls bei Verzögerung der Mitteilung – der Klägerin zuzurechnen wäre (vgl. § 278 BGB). So lag der Fall aber nicht. Das Fehlen der matching numbers war gleichsam Zufallsprodukt einer – fast ein Jahr nach Kauf – beauftragten Reparatur.
78
c) Die Geltendmachung des Mangels erfolgte durch Schreiben vom 09.03.2018 (Anlage K5), zugegangen am 13.03.2018. In diesem Schreiben wurde das Fehlen der identischen originalen Fahrgestellnummer auf dem Getriebe konkret gerügt.
79
Die Rüge erfolgte somit innerhalb angemessener Frist ab Kenntnis. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, wonach die angemessene Rügefrist regelmäßig und so auch hier einen Monat beträgt (BGH, Urteil vom 03.11.1999 – VIII ZR 287/98, juris-Rn. 14; ähnlich: „grober Mittelwert“: BGH, Urteil vom 08.03.1995 – VIII ZR 159/94, juris-Rn. 23; ebenso Magnus in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2018, Art. 39 CISG Rn. 41). Diese Länge der Frist trägt zum einen dem Interesse an einer baldigen Klärung der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien Rechnung, nimmt überdies die unterschiedlichen nationalen Rechtsprechungen zur Länge der Rügefrist angemessen in den Blick. Sie bedarf auch vorliegend keiner Modifikation, da es sich um einen Mangel an einem langlebigen Kaufobjekt handelt, bei dem keine Beweisverschlechterung drohte. Die Absendung, auf die es nach Art. 27 CISG maßgeblich ankommt, erfolgte am 09.03.2018 und somit ebenso innerhalb der Monatsfrist, wie der Zugang am 13.3.2018.
80
d) Die Anzeige des Mangels war vorliegend auch nicht deshalb verfristet, weil die Klägerin den Mangel durch eigene Untersuchung im Sinne von Art. 38 CISG früher hätte entdecken müssen. Anders als die Beklagte meint, traf die Klägerin keine Untersuchungsobliegenheit hinsichtlich des Vorliegens von matching numbers.
81
aa) Grundsätzlich verlangt Art. 38 Abs. 1 CISG vom Käufer, die Ware innerhalb so kurzer Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben. Den Umfang der Untersuchung regelt das CISG nicht; der subsidiäre Verweis auf das Recht des Untersuchungsortes in Art. 38 Abs. 4 EKG wurde in das CISG nicht übernommen. Nicht anders als im nationalen Recht zu § 377 HGB hat eine Untersuchung zu erfolgen, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist. Welche Anforderungen an die Art und Weise der Untersuchung zu stellen sind, lässt sich jedoch nicht allgemein festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte zugemutet werden können. Dabei kommt es auf die objektive Sachlage und auf die allgemeine Verkehrsanschauung an, wie sie sich hinsichtlich eines Betriebs vergleichbarer Art herausgebildet hat. Die Anforderungen an eine Untersuchung sind letztlich durch eine Interessenabwägung zu ermitteln, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers oder Werklieferanten dienen. Er soll, was auch dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Geschäfte im Handelsverkehr entspricht, nach Möglichkeit davor geschützt werden, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schwer feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Ein schutzwürdiges Interesse des Verkäufers an einer alsbaldigen Untersuchung durch den Käufer kann dann besonders groß sein, wenn er bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Kaufsache zu wertvollen Objekten mit hohen Mangelfolgeschäden rechnen muss und nur der Käufer das Ausmaß der drohenden Schäden übersehen kann. Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer/Werklieferanten und Käufer die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden. Denn ansonsten könnte der Verkäufer, aus dessen Einflussbereich der Mangel kommt, in die Lage versetzt werden, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko auf dem Wege über die Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2016 – VIII ZR 38/15, juris-Rn. 20-22).
82
bb) Daran gemessen, besteht eine Untersuchungsobliegenheit auf das Vorliegen von matching numbers nicht:
83
Unstreitig ist zwischen den Parteien – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 08.02.2023 mit den Parteien erörtert –, dass das Fehlen der entsprechenden matching number am Getriebe nur festgestellt werden kann, wenn das Fahrzeug auf eine Hebebühne gestellt wird; eines Ausbaus des Getriebes oder des Motors bedarf es nicht (das ist auch aus dem Sachverständigengutachten vom 31.08.2020 ersichtlich, bei dem ebenfalls kein Ausbau von Motorteilen erfolgte). Zumutbar und erforderlich ist bei einem Fahrzeugkauf eine äußere Sichtprüfung, wie sie auch im Rahmen des Gebrauchtwagenkaufs von einem vermittelnden Händler verlangt wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, juris-Rn. 14); auch dort werden keine weiteren eigenen Untersuchungen gefordert. Mittels einer solchen äußeren Sichtprüfung kann das Fehlen der matching numbers jedoch nicht festgestellt werden, da es hierzu des Hilfsmittels einer Hebebühne bedarf.
84
Ferner kann man – nicht anders als bei komplexen Maschinen (dazu Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 38 Rn. 14) – erwarten, dass das Fahrzeug in Betrieb genommen und dabei auf Auffälligkeiten im Fahrverhalten untersucht wird. Auch eine Fahrt mit dem Fahrzeug führt jedoch nicht zu einer Entdeckung der matching numbers.
85
Weitere Untersuchungsobliegenheiten treffen einen Käufer eines Gebrauchtwagens, auch wenn es sich um einen Oldtimer handelt, nicht. Andernfalls würde im Ergebnis verlangt, dass der Käufer den Kaufgegenstand bei einer Werkstatt vorführen lässt, denn der durchschnittliche Käufer eines Fahrzeugs – insoweit gilt für Oldtimer nichts anderes – ist nicht in der Lage, eine weitergehende Untersuchung vorzunehmen, weil ihm sowohl Equipment (Hebebühne) als auch technisches Wissen regelmäßig fehlt. Eine anlasslose Untersuchung durch einen Dritten, hier eine Werkstatt, ist jedoch nicht zu verlangen, sondern überspannt die Anforderungen an einen Käufer, jedenfalls an einen solchen, der das Fahrzeug – wie vorliegend; die Klägerin vertreibt Perücken – nicht zwecks gewerblicher Weiterveräußerung in seinem regelmäßigen Geschäftsverkehr erwirbt (zu diesem Kriterium auch österr. OGH, Urteil vom 16.12.2015 – 3 Ob 194/15y, IHR 2016, 58 unter Gliederungsziffer 2.6; für Berücksichtigung der Sachkunde des Käufers Gruber in MüKo BGB, 8. Aufl., Art. 38 CISG Rn. 23 und Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 38 Rn. 13). Weitergehende Untersuchungspflichten könnten möglicherweise angenommen werden, wenn der Käufer eine Vielzahl von Produkten in einer Lieferkette erwirbt. Dann mag es unter bestimmten Umständen, insbesondere bei drohenden Folgeschäden, angehen zu verlangen, dass – regelmäßig stichprobenartig – das Produkt nicht nur einer eigenen Untersuchung, sondern einer Untersuchung unter Beiziehung eines Sachverständigen, etwa zwecks einer chemischen Analyse, unterzogen wird. Bei einem einzelnen technisch komplexen Stückkauf wie dem vorliegenden – auch wenn es sich vorliegend um ein sehr wertvolles Stück handelt – ist dies anders. Der Verkäufer weiß, dass er an einen Käufer ohne besonderen eigenen Sachverstand, vorliegend auch ohne Weiterveräußerungsabsicht in der Lieferkette, verkauft; hier kann er nicht erwarten, dass der Käufer mehr vornimmt als eine Sichtprüfung und eine Testung durch Inbetriebnahme. Der Aufwand für eine Prüfung ist gerade bei Oldtimern auch nicht unbeträchtlich; ein Oldtimer wird regelmäßig spezialisierten, oft ortsnah nicht verfügbaren Fachwerkstätten vorgeführt. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass für einen Laien im Vorfeld nicht bekannt ist, ob die matching numbers problemlos – dh ohne Ausbau von Bauteilen – ablesbar sind; auch hierzu müsste der Oldtimerkäufer Erkundigungen einziehen. Selbst der Zeuge W., obwohl gewerbsmäßig mit dem Verkauf befasst, wusste nicht, wie man das Vorliegen von matching numbers überprüft (vgl. Protokoll seiner Einvernahme am 03.09.2019, S. 6 unten, Bl. 107 d.A.).
86
Vor allem ginge mit einer solchen Untersuchungsobliegenheit eine ungebührliche und damit abzulehnende Überwälzung des Risikos des grundsätzlich für die Mangelfreiheit einstandspflichtigen Verkäufers auf den Käufer einher. Die Untersuchungsobliegenheit soll zwar der Rechtssicherheit dienen, nicht aber dazu, den Verkäufer aus seiner Verantwortung für von ihm zugesagte Eigenschaften unbillig zu entlassen. Genau das würde beim Gebrauchtwagenkauf geschehen: es handelt sich beim Gebrauchtwagenkauf um einen Stückkauf, bei dem Fahrzeuge individuell beschrieben zum Verkauf angeboten werden, so auch hier. Hier wurde für einen konkreten Oldtimer die Eigenschaft matching numbers zugesagt. Auf eine solche, hier mehrfach bestätigte, Angabe darf sich ein Käufer prima facie verlassen, ohne sie bei Strafe des Rechtsverlusts nachprüfen zu müssen. Erneut fällt der Unterschied zum Massengeschäft ins Auge. Hier werden pauschale Beschreibungen gemacht; bei der Erfüllung, ebenfalls ein Massengeschäft, kommt es nicht selten zu Fehlern (zB der Lieferung von Produkten einer anderen Güteklasse, verdorbener Ware oder ähnliches). Die Untersuchungsobliegenheit dient dazu, diese – im Massengeschäft typischerweise vorkommenden – Fehler durch eine Untersuchung von Stichproben, durch eine Sichtkontrolle oder durch ähnliche Maßnahmen zu entdecken. Dies kann auf den Verkauf eines individuell beschriebenen Produkts nicht ohne weiteres übertragen werden. Folgte man der Sichtweise des Beklagten, könnte der Verkäufer bis an die Grenze der Arglist oder der Behauptung ins Blaue hinein beliebige Versprechungen machen und darauf hoffen, dass der Käufer die unverzügliche Überprüfung – hier durch eine Fachwerkstatt – unterlässt. Hinzu kommt, dass keine Beweisverschlechterung durch Zeitablauf – wie bei verderblichen Waren – droht, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein schutzwürdiges Bedürfnis des Verkäufers nach einer sofortigen Untersuchung auf das Vorliegen der versprochenen matching numbers erkennbar ist.
87
cc) Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung des Beklagten, es bestehe ein Handelsbrauch beim Kauf von Oldtimern mit matching numbers, das Vorliegen überprüfen zu lassen.
88
(1) Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht einen Brauch hinreichend vorgetragen hat. Der Privatsachverständige bestätigt in seinem Schreiben vom 01.03.2023 (Anlage BK3), dass es „den weithin bekannten Gebräuchen beim nationalen und internationalen Handel mit Oldtimern“ entspreche, dass nach Erhalt des Fahrzeugs die Eigenschaft matching numbers überprüft werde. Er fährt fort, dass „eine Mehrheit“ der Verkehrsteilnehmer dies kenne und beachte. Dass eine bloße Mehrheit der Verkehrsteilnehmer dies – was sich im Eigeninteresse aufdrängt – beachtet, genügt nicht für die Annahme eines Handelsbrauchs. Entscheidend wäre vielmehr, dass die betreffende Regel – als konsensuale Regel – weithin bekannt ist und eingehalten wird. Es darf keine erhebliche Gruppe von Nichtkennern geben; nur gelegentliche Abweichung wäre allerdings unschädlich (vgl. Schmidt-Kessel in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 9 Rn. 16, der allerdings auch von „Mehrheit“ spricht). Eine ausreichend einheitliche, auf Konsens der beteiligten Kreise hindeutende Verkehrsübung (BGH, Urteil vom 06.12.2017 – VIII ZR 246/16, juris-Rn. 30) ist mit den Ausführungen des Privatsachverständigen nicht dargelegt, der, bei Lichte betrachtet, lediglich eine Praxis beschreibt; auch fehlt es an einem Vortrag hinreichender Anknüpfungstatsachen in räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht (vgl. BGH, aaO).
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(2) Darauf kommt es jedoch nicht an. Der Beklagte verkennt nämlich den Bezugsrahmen für die einen Käufer treffenden Prüfungsobliegenheiten. Maßstab ist ein Oldtimer-Kauf. Es wäre für den Handelsbrauch zu fragen, ob hierbei die Obliegenheit besteht, das gekaufte Fahrzeug einer (Fach-)Werkstatt vorzuführen und anschließend eine Datenbankanfrage bei dem Hersteller vorzunehmen. Dies ist zu verneinen. Gesonderte Handelsbrauch für Oldtimer mit matching numbers sind demgegenüber nicht anzuerkennen. Insoweit handelt es sich um keinen relevanten Teilmarkt, der gesonderte Handelsbräuche begründen könnte. Anderenfalls müssten die Untersuchungsobliegenheiten je nach konkreter Beschaffenheit des Oldtimers variieren. Eine solche Annahme wäre mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit im Rechtsverkehr nicht zu vereinbaren. Es wäre auch nicht vermittelbar, wollte man annehmen, dass das Merkmal der matching numbers durch eine (Fach-)Werkstatt zu untersuchen sei, sonstige Eigenschaften dann aber nicht. Diesbezüglich kommt hinzu, dass durch ein Anheben des Fahrzeugs ohnehin nur die Motornummer und die Getriebenummer als solche festgestellt werden können, nicht aber, ob es sich bei den so festgestellten Nummern um die bei Auslieferung, also im Originalzustand des Fahrzeugs verbauten Nummern und damit um „matching numbers“ handelt. Dies kann erst durch eine nachfolgende Datenbankabfrage bei dem Hersteller verifiziert werden. Einen auf eine Datenbankabfrage gerichteten Handelsbrauch trägt aber auch der Beklagte nicht vor.
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(3) Letztlich kommt dem Einwand auch deshalb keine Bedeutung zu, weil die Behauptung verkennt, dass die Untersuchungsobliegenheiten – auch die des CISG – nicht allein auf tatsächlichen Gepflogenheiten basieren, sondern überdies eine normative Komponente aufweisen. Jedenfalls diese Komponente führt vorliegend dazu, eine Untersuchungsobliegenheit mit der Folge eines Rechtsverlusts abzulehnen, da die unverzügliche Vorführung vor eine Fachwerkstatt und eine anschließende Datenbankanfrage bei dem Hersteller unzumutbar erscheint .
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(4) Der Senat hält überdies dafür, dass – falls man, wie nicht, eine Untersuchungsobliegenheit bejahen wollte – jedenfalls im vorliegenden Einzelfall die Berufung auf die Untersuchungsobliegenheit durch den Verkäufer rechtsmissbräuchlich wäre. Dieser im deutschen Recht in § 242 BGB kodifizierte Rechtsgrundsatz ist als international gültiger Grundsatz auch im Rahmen der Auslegung des CISG zu beachten (vgl. etwa Art. 7 Abs. 1 „Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel“/“observance of good faith in international trade“, Art. 29 Abs. 2 Satz 2, Art. 40 CISG).
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Der Verkäufer, der sich eines professionellen Vermittlers, hier des Zeugen W. der Firma TK A. GmbH bedient, würde mit zweierlei Maß messen, wenn er die Klägerin an einer unterbliebenen Untersuchung festhalten wollte, obwohl er selbst eine solche Untersuchung nicht vorgenommen hat und gleichwohl – ohne das Fehlen einer entsprechenden eigenen Untersuchung beim Kauf offenzulegen – eine Zusage für das Vorliegen von matching numbers gemacht hat. Dass ihn selbst – bei Unterstellung seines Vortrags, er habe das Fahrzeug als Verbraucher gekauft – keine Untersuchungspflicht traf (§ 377 HGB setzt einen beidseitigen Handelskauf voraus), bewahrt ihn zwar vor der Annahme von Vorsatz wegen einer Zusicherung ins Blaue (Art. 40 CISG), ändert aber nichts daran, dass sein Verhalten im konkreten Fall treuwidrig ist. Schaltet der nicht in Erscheinung tretende Verkäufer beim Verkauf einen Profi ein, verhandeln zwei Unternehmer miteinander. Gerade wenn man der – für die hypothetische Annahme einer Untersuchungsobliegenheit die Voraussetzung bildende – Aussage des Beklagten folgt, dass es keinen großen Aufwand darstelle, eine so wichtige Eigenschaft wie matching numbers nachzuprüfen, überdies dass die Untersuchung den Gepflogenheiten im Oldtimer-Geschäft entspreche, dann darf der Käufer (vorbehaltlich einer hier nicht erfolgten anderweitigen Aufklärung) erwarten und darauf vertrauen, dass auch sein Verkäufer eine Untersuchung vorgenommen hat, bevor er eine entsprechende Zusage hinsichtlich des konkret zu verkaufenden Oldtimers macht. Genau das ist aber unterblieben. Dann aber ist es treuwidrig, wenn der Verkäufer vom Käufer eine Untersuchung erwartet, die er selbst auch nicht vorgenommen hat, bevor er seinerseits Versprechungen gemacht hat.
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dd) Es ist keineswegs unplausibel, dass die Klägerin das Vorliegen von matching numbers nicht vorher überprüft habe. Es ist vielmehr naheliegend, dass sie den Angaben des Verkäufers – belegt durch den Kaufvertrag des Verkäufers mit seinem Verkäufer – vertraute und daher keinen Anlass für eine Überprüfung sah. Die Reparatur im Juni 2017 erfolgte in der Werkstatt P. S. GmbH, von der der Verkäufer das Fahrzeug erworben und die das Vorliegen der matching numbers im genannten Kaufvertrag attestiert hatte. Umgekehrt erschiene es dem Senat unverständlich, warum die Klägerin trotz – unterstellter – Kenntnis des Fehlens der matching numbers mit der Rüge hätte zuwarten, dann aber eine spätere Reparatur zum Anlass für eine Rüge hätte nehmen sollen.
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4. Die Käuferin hat mit Schreiben vom 09.03.2018 (Anlage K5) den Rücktritt erklärt. Dies stellt das Verlangen der – dem Rücktritt funktionsgleichen – Vertragaufhebung nach Art. 26 CISG dar. Die Ausübung des Mängelrechts erfolgte innerhalb von drei Wochen nach Kenntnis des Mangels und damit innerhalb angemessener Frist, wie von Art. 49 Abs. 2 Buchst. b) i) CISG vorgeschrieben. Ein früherer Anlauf der Frist wegen Kennenmüssens des Mangels kommt nicht in Betracht, denn die Frist kann nicht aufgelaufen sein, wenn die Rügefrist, wie dargelegt, noch nicht abgelaufen war. Rechtsfolge ist der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs.
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Der Kaufpreisanspruch ist, wie vom Landgericht zuerkannt, zu verzinsen, weil der Rückzahlungsanspruch spätestens mit dem Verlangen im Schreiben vom 09.03.2018 – in dem zugleich auch die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten wurde – fällig ist (Art. 79 CISG). Die Zinshöhe bemisst sich mangels Regelung im CISG nach dem aufgrund IPR anwendbaren nationalen Recht (vgl. Bacher in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, Art. 79 Rn. 27 [dort mit zahlreichen Nachweisen] und Rn. 32; Magnus in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Art. 78 CISG, Rn. 12, 16; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.01.1994 – 5 U 15/93, juris-Rn. 13), hier dem deutschen Recht; der Versuch eines Rückgriffs auf einen Einheitszinssatz ist mit zu großer Rechtsunsicherheit hinsichtlich seiner Bestimmung behaftet. Die Zinshöhe beträgt somit fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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5. Der Beklagte schuldet des Weiteren die Erstattung der frustrierten Aufwendungen in Form von Transportkosten, Zoll und Reparaturen. Diese Rechtsfolge ergibt sich (jedenfalls) aus der Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz, Art. 74 CISG. Anders ist nach Klagerücknahme hinsichtlich der Mehrwertsteuer zu entscheiden.
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a) Der Beklagte kann gemäß Art. 45 Abs. 1 Buchst. b), Art. 74 CISG im Falle von Pflichtverletzungen des Beklagten – auch neben der Rückabwicklung, Art. 45 Abs. 2 CISG – Schadensersatz verlangen. Im Einzelnen ist auszuführen:
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aa) Art. 74 Abs. 1 CISG verlangt eine Pflichtverletzung des Beklagten, die hier in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegt.
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bb) Ein Verschulden verlangt Art. 74 Abs. 1 CISG nicht. Es kommt also nicht darauf an, ob der Beklagte auf die Angaben im Vertrag mit seinem Verkäufer vertraut hat und vertrauen durfte.
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Eine Ausnahme gilt nach Art. 79 CISG nur dann, wenn die Nichterfüllung auf einem außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden. Ein solcher Fall – der den Fällen der höheren Gewalt im nationalen Recht angenähert ist – liegt aber nicht vor. Hier wurde die Verkäuferseite explizit nach matching numbers gefragt und hat objektiv falsch eine Eigenschaft des Fahrzeugs behauptet, die nicht existent war. Dies wäre ohne weiteres vermeidbar gewesen, wenn der Beklagte seinerseits vor Abgabe der Erklärung das Fahrzeug untersucht hätte oder hätte untersuchen lassen, er sich also vor Abgabe der Erklärung überzeugt hätte, ob die Eigenschaft vorliegt oder nicht (oder er einen Vorbehalt erklärt hätte). Auch nach dem CISG muss der Beklagte für das Verhalten des Zeugen W., dessen er sich bei den Vertragsverhandlungen bedient hat, einstehen (Art. 79 Abs. 2 CISG).
101
cc) Rechtsfolge ist Schadensersatz, der vorliegend in infolge der Vertragsaufhebung frustrierten Aufwendungen auf das Fahrzeug besteht (vgl. Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 74 Rn. 27 und 38). Dieser Schaden ist im Falle der Entdeckung des Mangels auch vorhersehbar gewesen (Art. 74 Satz 2 CISG).
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b) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen getätigt hat.
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aa) Für die Reparatur bei P. Classic S. im Juni 2017 – ua Motoraus- und einbau, Behebung diverser Lackschäden, Fahrzeugaufbereitung (vgl. Anlage K8) und damit für notwendige, jedenfalls vertretbare nützliche Aufwendungen – hat der Kläger einen Betrag von 6.402,75 € aufgewandt. Dies hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand (LGU 3) festgestellt, ohne dass Tatbestandsberichtigung beantragt wurde; diese Feststellung bindet das Berufungsgericht, § 314 ZPO. Hiervon werden allerdings nur 4.402,75 € geltend gemacht, weil der Beklagte 2.000 € an die Klägerin bezahlt hat. Überdies hält der Senat die Aufwendungen durch die Vorlage der Rechnung für belegt, zumal Fahrzeuge nach Reparatur üblicherweise nur gegen Bezahlung herausgegeben werden.
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bb) Für den Transport des streitgegenständlichen Fahrzeugs in die Schweiz sind – wie sich aus K11, dort Bl. 2 ergibt – Nettobeträge von 1.534 € und 140 €, gesamt: 1.674 € angefallen.
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cc) Für die Zollformalitäten hat die Klägerin die BKM C. & C. GmbH eingeschaltet, die ihr Beträge in Höhe von 130,60 CHF und 133,55 CHF in Rechnung gestellt haben (Anlage K11, Bl. 3 und 4).
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dd) Die Klägerin hat außerdem zur Überzeugung des Senats dargetan, dass sie mit 10.979 CHF Zollgebühren belegt wurde (Anlage K11, S. 6). Sie hat – unwidersprochen – unter Darlegung des schweizerischen Rechts, insbesondere Zitat von Art. 11 Satz 1 Zollgesetz Schweiz, vorgetragen, dass eine Erstattung nach Ablauf von drei Jahren auch im Falle der Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht in Betracht kommt (Schriftsatz vom 26.01.2023, S. 8, Bl. 301 d.A.).
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ee) Schließlich hat sie auch Reparaturkosten durch die Reparatur beim P. Zentrum in Höhe von (jedenfalls) 24.507,15 CHF nachgewiesen. Sie hat hierzu die zunächst erteilte Rechnung vorgelegt, in der dieser Betrag ausgewiesen ist (Anlage K 10). Sie hat in der Berufungsinstanz des Weiteren vorgetragen, dass diese Rechnung in Wirklichkeit storniert wurde (Anlage K21) und durch eine höhere Rechnung vom 21.11.2018 mit einem Rechnungsbetrag von netto 32.372,15 CHF (brutto 34.864,80 CHF) (Anlage K 22) ersetzt wurde. Diesen Betrag hat die Klägerin in zwei Tranchen von zunächst 25.000 CHF am 08.02.2018 (Anlage K 18) und von 9.864,80 am 06.12.2018 (Anlagen K 23f.) bezahlt. Daraus ergibt sich zugleich zur Überzeugung des Senats, dass die Reparaturen durchgeführt wurden.
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Dass es sich um Reparaturen und damit um notwendige, jedenfalls vertretbare Aufwendungen auf den Kaufgegenstand handelt, ergibt sich aus den Rechnungen des P.-Zentrums. Auf eine Wertsteigerung durch die Reparaturen kommt es nicht an.
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c) Soweit die Klägerin Beträge in Schweizer Franken verauslagt hat, steht ihr eine Erstattung in Schweizer Franken zu, da der Schaden am bestimmungsgemäßen Gebrauchsort in der Landeswährung der Schweiz eingetreten ist (Huber in MüKoBGB, 8. Aufl., Art. 74 Rn. 54 mwN; Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 63).
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6. Ab Rechtshängigkeit beantragte Zinsen sind entweder geschuldet, weil der geltend gemachte Betrag bei Klageerhebung fällig (Art. 78 CISG) war und er mit der Klageerhebung qualifiziert geltend gemacht wurde (falls man eine qualifizierte Geltendmachung verlangt, vgl. Bacher in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, 7. Aufl., Art. 78 Rn. 18), oder weil auf Prozesszinsen nationales Recht anzuwenden ist (zu dem Streit hierüber: Bacher aaO Rn. 45). In beiden Fällen bestimmt sich die Zinshöhe nach nationalem Recht (s.o.). Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob sich derselbe Anspruch auch aus einem Aufwendungserstattungsanspruch der Käuferin gegen den Verkäufer herleiten ließe. Hierfür spricht der Rechtsgedanken der Art. 84 Abs. 2, 85 Satz 2, 86 Abs. 1 Satz 2 CISG, denen sich die Wertung entnehmen lässt, dass im Rahmen der Rückabwicklung bei den Parteien keine ungerechtfertigte Bereicherung verbleiben soll. Dementsprechend schuldet der Verkäufer Wertersatz für „angemessene Aufwendungen“, worunter jedenfalls notwendige Aufwendungen fallen (ähnlich im nationalen Recht § 347 Abs. 2 BGB; vgl. Fountoulakis in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht, 7. Aufl., Art. 84 Rn. 29, 31; Sonnentag in BeckOGK Art. 84 Rn. 40ff. [Stand: 01.01.2023]). Reparaturkosten, die der Erhaltung des Oldtimers dienen, wie vorliegend, würden hierunter fallen.
III.
111
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 iVm § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Zulassung der Revision war mangels Zulassungsgründen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht veranlasst.
112
Der Streitwert ergibt sich aus der Beschwer des Beklagten durch das landgerichtliche Urteil, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der in schweizerischer Währung zuerkannte Betrag von 59.974 CHF anhand des Wechselkurses am 05.03.2021 – dem Tag der Einlegung der Berufung, vgl. § 40 GKG und BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – III ZR 56/98, juris-Rn. 1 [zu § 15 GKG aF] – in 54.076,73 € umzurechnen war.